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Der Hatzfelder Stefan Jäger, der Maler der Donauschwaben

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0311
Autor Name: Anton Scherer
Titel des Artikels : Der Hatzfelder Stefan Jäger, der Maler der Donauschwaben
Publikation: Zeitschrift
Titel der Publikation: Südostdeutsche Vierteljahresblätter
Erscheinungsort: München
Jahr: 1986
Jahrgang: 35
Heft: 2
Seite: 89-91
* [[Anton Scherer]]: [[ART:0311 - Der Hatzfelder Stefan Jäger, der Maler der Donauschwaben|<i>Der Hatzfelder Stefan Jäger, der Maler der Donauschwaben</i>]]. Südostdeutsche Vierteljahresblätter, München 1986 (Jg.35 Heft2), S. 89-91

Über den Maler des Banater Volkslebens Stefan Jäger aus Hatzfeld ist schon viel geschrieben worden. Mindestens sieben Aufsätze veröffentlichte Franz Liebhard (auch Johann Wanderer, eigentlich Robert Reiter), dann kennen wir Ansätze zu einer Bio- und Monographie von Peter Pink, zwei Aufsätze von Hans-Karl Groß, Aufsätze und ein Buch (Stefan Jäger, Bukarest 1972) von Annemarie Podlipny-Hehn und das „Kleine NBZ-Jäger-Album“ in der „Neuen Banater Zeitung“ vom 14. September 1969 bis 13. Juni 1970 und anderes mehr. Alle diese Würdigungen und Bildnachweise gehen von dem aus, was man an Gemälden, Zeichnungen, Skizzen im rumänischen Banat noch feststellen konnte, was sich dort in Privatbesitz befindet oder im Jäger-Museum in Hatzfeld, das ich mir angesehen habe, ausgestellt ist. Von Interesse wäre es, auch jene Bilder kennen zu lernen, die nicht im rumänischen Banat verblieben sind. Für mich war überraschend eine Aussage Stefan Jägers, der in seiner kurzgefassten Selbstbiographie mitteilt, die meisten seiner Auftraggeber seien aus der (jugoslawischen) Batschka gewesen. Nun, Hatzfeld war ja ursprünglich jugoslawisch, bevor es gegen Modosch (später Jaša Tomić) ausgetauscht wurde. Dass die Donauschwaben in Jugoslawien Stefan Jäger schätzten, geht aus der Tatsache hervor, dass zu Lebzeiten Jägers, nach den Ausführungen von Annemarie Podlipny-Hehn, nur eine einzige Personal-Ausstellung veranstaltet wurde, und zwar nicht etwa im rumänischen Banat, sondern 1930 in Groß-Betschkerek, also im jugoslawischen Banat, zu einer Zeit, als Hatzfeld längst schon zu Rumänien gehörte und Jäger rumänischer Staatsbürger war. In dieser Ausstellung wurden ausschließlich Bilder aus Privatbesitz gezeigt. Das heißt, es muss doch eine ausreichende Anzahl von Bildern Jägers in Jugoslawien vorhanden gewesen sein. Jäger schreibt auch, dass zu seinen Auftraggebern der Schwäbisch-Deutsche Kulturbund (in Jugoslawien) gehört habe. Dieser hatte seinen Sitz in Neusatz in der Batschka. Nun, ich war zu jener Zeit ein Kind, und dass es Jäger-Bilder in der Batschka gegeben hat, ist mir neu, aber ob ein einziges dieser Bilder von Donauschwaben bei der Flucht mitgenommen wurde, ist fraglich. Jedenfalls wäre es von Interesse, darüber etwas zu erfahren. Vielleicht können sich ältere Leute noch erinnern. Auf alle Fälle ist das „Kleine NBZ-Jäger-Album“ unvollständig. Für Bilder von Jäger interessierten sich auch Serben. So war ein serbischer Abgeordneter aus Kikinda Besitzer von Bildern dieses Künstlers. Sein Sohn bot sie in Salzburg zum Kaufe an. Etwas davon ist im Hohenzollerischen gelandet, ein Bild wurde für das Haus der Donauschwaben in Sindelfingen angekauft. Es stellt ein Weizenfeld dar. Über die näheren Umstände des Ankaufs herrscht einige Unklarheit.
Von Jäger brachte laut Podlipny-Hehn das „Neuland“ in Salzburg Reproduktionen heraus. Angeblich wurde dabei das Urheberrecht verletzt; Jäger soll von diesen Reproduktionen überhaupt nichts erhalten haben. Und dem Maler, der unverheiratet war, ging es schlecht. Sehr schlecht sogar. Erst als er 80 Jahre alt geworden war, 1957, erhielt er eine Ehrenpension in Höhe von 800 Lei monatlich. Er ist am 16. März 1962 gestorben. Schließlich noch einige biographische Angaben über Stefan Jäger, den populärsten donauschwäbischen Maler überhaupt:
Sein Großvater war Kaufmann in Nakodorf und starb im Alter von 76 Jahren. 1833 hatte er als Witwer im Alter von 52 Jahren die ledige, um fast 30 Jahre jüngere Elisabeth Waldner geheiratet. Dieser Ehe entsprossen vier Kinder, darunter Franz (1839), der Vater des späteren Malers Stefan Jäger. Franz wurde in Budapest zum Feldscher ausgebildet. Er ließ sich in Tschene nieder und heiratete die Tochter des Notars Wagner aus Klein-Jetscha und nach deren Tod die um sechzehn Jahre jüngere M. Schuller aus Billed. Sie war ein Adoptivkind und arm. Dieser Ehe entsprossen zwei Kinder: der jüngere war Stefan, geb. am 28. Mai 1877 in Tschene in der Nähe von Hatzfeld. Dort gab es eine serbische und eine deutsch-katholische Schule. Die letztere besuchte Stefan. Starken Eindruck machte auf den Knaben die Riedlandschaft an der alten Bega. In Temeswar gab es noch eine private deutsche Bürgerschule mit deutscher Unterrichtssprache, die ihren Namen nach ihrem Besitzer, einem gewissen Wieszner, trug. In diese wurde Stefan geschickt. Die sechsjährige Bürgerschule schließt er dann in Segedin (Szeged) ab. Sein schon damals offenkundiges Zeichentalent wird von seinem „Kunstlehrer“, dem Fachlehrer Obendorf, gefördert und gelenkt. Ab 1895 ist Stefan Jäger Kunststudent in Budapest. Als solcher mittellos. Er muss kein Schulgeld zahlen und ist Erzieher bei der gräflichen Familie Szechy. Seine Lehrer an der Modellzeichenschule und an der Zeichenlehrer-Bildungsanstalt sind Professor Ede Balló und Bertalan Székely, 1899 schließt er das Studium ab und unternimmt Studienreisen nach Österreich, Deutschland und Italien, 1901 unterbricht er seine Reisen wegen der Erkrankung seines Vaters und kehrt nach Tschene zurück. Im gleichen Jahr stirbt der Vater. 1902 ist Jäger wieder in Budapest, als freischaffender Künstler. Auf Bestellung malt er bis 1906 viele Landschaftsbilder, Stilleben und Idylle. Davon ist so gut wie nichts erhalten oder bekannt. Er malt auch Heiligenbilder. Und nun erhält er einen Auftrag, der ihn unter den Schwaben berühmt machen sollte: das bekannte dreiteilige Bild „Die Ansiedlung der Deutschen im Banat“. Auch dies hatte eine Vorgeschichte und eine (verschollene) Erstfassung. Die Anregung kam von Jakob Knopf, Buchhalter an der Ersten Gyertyámoser Sparkasse. Den Auftrag für dieses Bild gab aber der Gründer und Besitzer dieser Sparkasse, Adam Rösner[1]. Die erste Fassung des Bildes war drei Meter lang und kam in den Besitz Rösners. Sie ist verschollen. Die Einwände gegen dieses Bild: die Trachten stammten aus der Gegenwart, waren also historisch nicht treu. Nun wurde eine Sammelaktion gestartet, um Jäger eine Studienreise nach Deutschland zu ermöglichen. Sie brachte 4 560 Kronen ein. 1906 tritt Jäger die Reise an, die ihn nach Stuttgart, Ulm, Nürnberg führt. Er betreibt Trachtenstudien für das Einwanderungsbild. Von 1906 bis 1910 arbeitet er an diesem, teils in Hatzfeld, teils in Budapest. Es ist 5,1 m lang und 1,45 m hoch. Im Frühjahr 1910 wird das Bild feierlich enthüllt, und zwar im Rahmen der Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung in Gyertyámos(Gertianosch). Die Enthüllungsrede hielt der Abt-Domherr Franz Blaskovics (Vgl. hierzu: Stefan Dold: Die Einwanderung und Ansiedlung der Deutschen in Südungarn. Reprint besprochen in unserer Zeitschrift, 30. Jg./1981, S. 333 f. Danach hieß das Bild bei seiner Enthüllung: „Die Einwanderung der Deutschen nach Ungarn“). Da Rösner infolge von Fehlspekulationen verarmte, sah er sich gezwungen, das Bild zu verkaufen. Die Stadt Temeswar zahlte ihm dafür 2000 Kronen. Die Hälfte dieser Summe bekam der Maler. Schon vorher hatte Rösner Reproduktionen herstellen und vertreiben lassen. Vom Erlös derselben erhielt Jäger nichts. 1941 gelingt es der Deutschen Volksgruppe, in den Besitz des Einwanderungsbildes zu gelangen: sie erhält es gegen zwei Bilder Popescus, an denen der rumänische Bürgermeister mehr interessiert war als am Einwanderungsbild. Diese Popescu-Bilder stammten aus dem Nachlass des Banater Kulturhistorikers Franz Wettel. Im Rahmen der 225-Jahrfeier der Befreiung Temeswars wurde das Einwanderungsbild im sogenannten Scherter-Haus ausgestellt, wo es bis 1944 verblieb. Und wo ist es heute? Im Städtischen Museum. Der Tausch wird in keiner der in Rumänien erschienenen Jäger-Würdigungen erwähnt.
Schon 1910 hatte sich Jäger in Hatzfeld niedergelassen und blieb dort bis zu seinem Tode. Von 1910 - 1914 malte er auf Bestellung Bilder mit Motiven aus dem donauschwäbischen Volksleben und der Landschaft. Von 1914 bis 1918 war er als Landsturmmann an der Front. 1918: Heimkehr nach Hatzfeld. Er führte ein zurückgezogenes Leben und lebte bescheiden vom Verkauf seiner Bilder. Die Glanzzeit seiner Heimatkunst fällt in die Jahre 1930 bis 1940.
In seiner handgeschriebenen Biographie vom 5. November 1953 nennt er sein Triptychon, in dem die Einwanderinnen in hessische und schwarzwälder Tracht gekleidet sind, „Einwanderung der Deutschen im Südosten“. Vorherige Bezeichnung „...im Banat“. Offenbar will Jäger sein Bild auf einen größeren Raum, auf alle Donauschwaben, bezogen wissen. An die Einwanderung der Siebenbürger Sachsen hat Jäger auf keinen Fall gedacht, denn da hätte nicht einmal die Tracht gestimmt. Und da er ausdrücklich darauf hinweist, dass die meisten seiner Auftraggeber aus der Batschka kamen, will er mit dieser bewussten Ausweitung vom Banat auf den ganzen Südosten – durchaus im Sinne der früheren Bezeichnung „Ungarn“ (vor 1918) –, der Maler aller Donauschwaben sein, auch wenn ihm dieser Name nicht geläufig ist. Dass ihm keine einzige Ausstellung zu Lebzeiten in Rumänien gewidmet worden ist, nicht einmal zu Zeiten der Deutschen Volksgruppe, dürfte ihn bedrückt haben. Erst 5 Jahre nach seinem Tode fand eine Gedächtnisausstellung im Banater Museum zu Temeswar statt, 1969 wurde in seinem ehemaligen Atelier in Hatzfeld eine Stefan-Jäger-[[Gedenkstätte|Gedenkausstellung gegründet und eröffnet.
Jäger hatte keinen anderen Brotberuf. Er lebte von der Kunst, einer „brotlosen“ Kunst. Und lebte entsagungsvoll. Damit nimmt er unter den zeitgenössischen donauschwäbischen Künstlern eine Sonderstellung ein. Dass er zur Idylle neigte, dürfte ein Zugeständnis an den Geschmack seiner Auftraggeber gewesen sein. Es ist die Welt von gestern, die er gemalt hat. Eine liebenswerte Welt, auch wenn sie vorbei ist.

Anmerkungen

  1. richtig Röser

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