Stefan Jäger Archiv

Im Atelier des „Schwabenmalers“

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0358
Autor Name: Karl-Hans Gross
Titel des Artikels : Im Atelier des „Schwabenmalers“
Untertitel des Artikels: Eine Gedenkstätte für Stefan Jäger im rumänischen Banat
Publikation: Zeitschrift
Titel der Publikation: Der gemeinsame Weg
Reihe: Museen im deutschen Osten
Herausgeber: Stiftung Ostdeutscher Kulturrat (Bonn)
Verlag: Westkreuz-Verlag Berlin/Bonn
Druckerei: Westkreuz-Druckerei Berlin/Bonn
Erscheinungsort: Berlin/Bonn
Jahr: 1989
Nummer: 56
Datum: Oktober
Seite: 45-48
* [[Karl-Hans Gross]]: [[ART:0358 - Im Atelier des Schwabenmalers|<i>Im Atelier des „Schwabenmalers“</i>. Eine Gedenkstätte für Stefan Jäger im rumänischen Banat]]. Der gemeinsame Weg. Stiftung Ostdeutscher Kulturrat (Bonn). Westkreuz-Verlag Berlin/Bonn, Berlin/Bonn 1989 Oktober

Eine Gedenkstätte für Stefan Jäger im rumänischen Banat

Weizenflur - WK:0103
Vorstraußtanz - WK:0212

Im Hatzfelder „Heede-Eck" – darunter verstehe ich die im Umkreis des Heidestädtchens liegenden „schwäbischen" Dörfer und Felder im ebenen Grenzgebiet der Banater Heide, die wirtschaftlich und kulturell miteinander verflochten sind – gibt es zwei museale Einrichtungen von Bedeutung; die Stefan-Jäger-Gedenkstätte in Hatzfeld und das Lenau- und Volkstumsmuseum in Lenauheim. Beide Einrichtungen sind in der Nachkriegszeit entstanden und sind ein beredter Beweis der (noch) ethnischen Existenz (im gegenwärtigen Bleibe- oder Aussiedlungsdilemma) und zeugen unmissverständlich von der wirtschaftlichen, geistigen und kulturellen Entfaltung der Banater, ja der Donauschwaben schlechthin in ihrem Siedlungsraum. Nichts kann dieser Vorgabe mehr Genüge leisten als eben die Jäger-Gedenkstätte in Hatzfeld. Sie würdigt und ehrt einerseits den Maler und Menschen durch zahlreiche Bilder-Originale und andere Exponate, andererseits widerspiegeln gerade diese Jäger-Bilder, Land und Leute der „Banater-Schwaben-Zeit".
Der Gedanke zur Einrichtung einer Gedenkstätte für den „Schwabenmaler" kam schon bald nach dessen Tod (16. März 1962) auf. Verschiedene Umstände, mehr subjektiver als objektiver Natur, verzögerten die Eröffnung mehrere Jahre lang. Doch schließlich fand sich ein Ausstellungsraum, und auch die fehlenden Exponate waren da.

Schule, Atelier, Depot

Das Haus ist ein schlichter Ziegelsteinbau und befindet sich im engen Hinterhof eines über Eck gestellten, langgestreckten Gebäudes aus dem vergangenen Jahrhundert. Den Zutritt zur Gedenkstätte hat man von der Seitengasse her.
Das Haus selbst hatte im Hatzfelder Ortsgeschehen mehrfache Verwendung. Hier war am Anfang unseres Jahrhunderts eine Privatschule, die sogenannte 5-Kronen-Schule des rührigen und vaterlandstreuen Lehrers Porsche eingerichtet, der den schulpflichtigen Ortskindern bemittelter Eltern (Bauern, Kaufleute, Handwerker) das einwandfreie Sprechen, Schreiben und Lesen, aber auch madjarisch zu denken und fühlen beibrachte. Nach dem Ersten Weitkrieg hatte hier der Maler Stefan Jäger sein Atelier eingerichtet (bis 1962). Nach dem Tod des Künstlers benützte die Hatzfelder Möbeltischlerei, die hier Materialien, Halbfertig- und Fertigwaren einlagerte, die Räume als Depot. Am 30. Mai 1969 schließlich wurde im feierlichen Rahmen die Gedenkstätte eröffnet und für den Besuch freigegeben. Die bei dieser Gelegenheit gezeigten Exponate waren zum Großteil Leihgaben des Banater Museums und aus dem Privatbesitz von mehreren Hatzfelder Eigentümern der Gedenkstätte für ein halbes Jahr überlassen.
Mehr als zwei Jahre hindurch dauerte diese Regelung, denn die Gedenkstätte hatte anfangs keine eigenen Bestände. Obwohl Gemälde und Hunderte Aquarellskizzen des Meisters im Temeswarer Museumsdepot ungenutzt lagerten, wurden diese nur kurzfristig (ausgenommen das Einwanderungsbild und mehrere kleinere Arbeiten) der Gedenkstätte zur Verfügung gestellt.
An der ersten Halbjahresausstellung waren 25 Privatpersonen mit 35 Jäger-Bildern (Öl, Aquarell und Mischtechnik) und das Banater Museum hauptsächlich mit Aquarellskizzen beteiligt. Insgesamt wurden 60 Originalgemälde und -skizzen ausgestellt. Größte Attraktion war das Einwanderungstriptychon (WanderungRast - Ankunft) aus den gelagerten (nicht ausgestellten!) Beständen des Museums in Temeswar. Damit hatte es einen würdigen Platz gefunden, den es bis heute noch immer innehat.
Eine gezielt thematisch gegliederte Ausstellung war wegen der relativ geringen Zahl verfügbarer Bilder vorerst nicht möglich. So hatte man sich fürs erste mit Jäger-Bildern aus verschiedenen Schaffensperioden begnügt, die viele Themenbereiche berührten: Hühnerhof, Marktszene, Feldarbeit, Kirchweihzug .
Eine überaus gute Aufnahme hat bei den Besuchern die holzgeschnitzte, lebensgroße Büste Stefan Jägers, angefertigt von dem Hatzfelder Holzschnitzer Peter Berberich, gefunden. Sie steht auch heute noch im kleinen Zimmer der Gedenkstätte.
Die zweite Ausstellung wurde am 26. Dezember 1969 eröffnet Sie basierte zum Großteil auf Leihgaben von Privatpersonen, die allmählich zu diesem gemeinnützigen Unterfangen mehr Zutrauen gewonnen hatten. Zu den bereits gesetzten Schwerpunkten gehörten Trachtenbilder, Porträts und Idylle.
Die dritte, vollkommen umgestaltete Ausstellung wurde am 3. April 1971 eröffnet. Zu den künstlerischen Leihgaben (Öl und Aquarelle) kam eine Wohnecke mit Möbeln und Gebrauchsgegenständen aus den verbliebenen und noch erreichbaren Jäger-Beständen hinzu.
Am 1. Oktober 1971 wurde die vierte Bilderausstellung (Die Jahreszeiten, Schnitter, Der Abend – der Morgen, Jugend und Alter, Dorfstraße, Spielende Kinder, Nach dem Regen, Festtag) eröffnet. Es sollte die letzte dieser Art gewesen sein. Es musste eingesehen werden, dass eine museale Einrichtung auf Dauer nicht allein aus Leihgaben bestehen kann. Man war bestrebt, „Eigenes", also einen Grundstock von museumseigenen Bildern und Beständen, für die Gedenkstätte anzuschaffen.
Geldspenden der Besucher ermöglichten mehrere Ankäufe (wie „Das Bildnis eines jungen Mannes" -Öl), Dauer-Leihgaben von seiten des Banater Museums („Selbstbildnis", „Die Mutter", Aquarellskizzen) kamen hinzu, aber auch Schenkungen. Hier sind die Aussiedlerfamilie Mann zu nennen, die der Gedenkstätte ein großformatiges Familienbild überlassen hat, und die Nichte des Meisters, Maria Jäger, die mit ihrer wertvollen Schenkung (hauptsächlich Aquarellskizzen von künstlerischem und ethnographischem Wert) erst die Eigenständigkeit der Gedenkstätte ermöglicht und sichergestellt hat.
Mit diesen Donationen und anderen Neuzugängen wurde eine „eigene" ständige Ausstellung am 16. März 1972 (dem 10. Todestag des Künstlers) eröffnet. Bei dieser Gelegenheit wurde die Gedenkstätte auch mit Tischvitrinen, Teppichen und Übergardinen ausgestattet.

Kind armer Leute

Doch wer ist Stefan Jäger? Sein geradliniger Lebensweg wurde – sehen wir von den Kriegsjahren ab, die er als Soldat an der Piave- und Isonzo-Front durchstehen musste – kaum von jähen, schicksalhaften Ereignissen unterbrochen. Er wurde als zweites Kind des Ehepaares Franz (Barbier und Feldscher) und Magdalena Jäger am 28. Mai 1877 in der Banater Heidegemeinde Tschene geboren, besuchte die Bürgerschule in Temeswar und Szegedin und begann 1895 seine vierjährige berufliche Ausbildung in Budapest (bei Prof. Székely und Balló). 1901 unternahm der junge Künstler eine Studienreise nach Österreich, Deutschland und Italien. Danach war er in Budapest für den Kunsthändler Almásy (Heiligenbilder) tätig. 1906 begab ersieh auf eine zweite Studienreise, um die Trachten, aber auch die Sitten und Bräuche der schwäbischen Einwanderer in den deutschen Herkunftsgebieten zu studieren. 1910 wurde in der Banater Gemeinde Gertjanosch das „Einwanderungsbild“, Jägers Hauptwerk, enthüllt. Noch im selben Jahr lässt sich Jäger in seiner Wahlheimat Hatzfeld nieder, wo er bis zu seinem Lebensende bleibt. Das ist die sogenannte „Hatzfelder Zeit", in der die so beliebten und ungezählten Jäger-Bilder in Öl und Wasserfarben (meist Gouache) entstehen, ebenso die vielen farbenfrohen Aquarellskizzen in den umliegenden Schwabendörfern, wohin er an Sonn- und Feiertagen, meist auf Schusters Rappen, mit seinem Weggefährten, Gymnasiallehrer Böß, wanderte.
Dieser biographische Ablauf wird durch zahlreiche Exponate im ersten Ausstellungsraum, dem kleinen Zimmer, veranschaulicht, wo gerahmte Fotos an den Wänden hängen und andere Dokumente wie Zeugnisse, Publikationen, Skizzen und Porträts in Schautischen ausgestellt sind. Im großen, saalartigen Raum (7 mal 10 Meter) sind hauptsächlich Aquarellskizzen, aber auch Ölbilder (Bildnisse der Eltern, Mutter im Alter, Selbstbildnis) ausgestellt. Das unfertige, letzte Bild („Zigeunerin“), an dem der Altmeister noch zuletzt gearbeitet hat, ist auf der Staffelei zu sehen.
In Schautischen und Vitrinen sind Malutensilien des Künstlers – Pinsel, Paletten, Farbtuben, Pinselreiniger – und auch persönliche Gebrauchsgegenstände wie Taschenuhr, Arbeitskittel und Regenschirm ausgestellt.
Am reichhaltigsten ist die Skizzensammlung. Dazu gehören oft nur unscheinbare, kleine Papierstückchen, auf die der Künstler am Ort des Geschehens mit flotten, farbenfrohen Pinselstrichen gouachiert hat. Sie sind alle hinter Glas gerahmt und mit breitem Passepartout versehen, was ihnen eine besondere Bildwirkung verleiht. Die Skizzen dokumentieren die Trachten der banatschwäbischen Mädchen, der jungen und alten Frauen, die Fest- und Arbeitstracht aus vielen Dörfern. Ebenso akribisch festgehalten sind in den Skizzenblättern die Arbeit (Schnitt, „Klecken“, Garbenaufsetzen, „Beifiehre“, Heimkehr vom Feld), die Festtage (Kirchweih, Vortänzerin, Hutputzen, Kerweihbock), die Frömmigkeit (Prozessionen), der Alltag auf dem Dorfe (Wochenmarkt, „Maaje") und die schwäbische Dorflandschaft (Flur, Saat im Frühling), oft auch nur einzelne Objekte (Spinnrad, Truhe, alter Bauernstuhl). Diese Skizzen sind somit von besonderem ethnographischem Wert.

Sorgen für die Zukunft

Es ist nicht viel – am immensen Werk des Meisters gemessen –, was hier ausgestellt und mit Mühe, aber auch mit spürbarer Liebe zusammengetragen wurde. Der Besuch der nun seit 20 Jahren bestehenden Gedenkstätte in Hatzfeld (rum. Jimbolia) lohnt sich für jeden, der an Kunst und Ethnographie der Banater Schwaben in Rumänien interessiert ist.
Der Fortbestand der Gedenkstätte steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der existentiellen Perspektive der deutschen Minderheit. Bei anhaltender Auswanderung und Schrumpfung wird auch die Zukunft der Jäger-Gedenkstätte in Hatzfeld in Frage gestellt. Was dann mit den Exponaten geschieht, bleibt ungewiss. Hier stellt sich die Frage, wer der „Herr des Hauses" ist?
Das Banater Museum war nur teilweise und nur bedingt am Aufbau dieser Einrichtung beteiligt. Es wurden weder bezahlte Planstellen vergeben noch finanzielle Vorgaben für die Instandhaltung des Gebäudes und der Säle geleistet. Dies geschah in den anstehenden Fällen seitens der Stadt oder der Hatzfelder Betriebe. Die Renovierungsarbeiten, die vielen Bilderrahmen für die Aquarellskizzen, die Glasvitrinen und Schautische haben die Hatzfelder Handwerker meist kostenlos erstellt. Eine Klimaanlage und ein verlässliches Sicherheits- und Alarmsystem aber fehlen in der Gedenkstätte nach wie vor. Auch alle organisatorischen Tätigkeiten und Aufgaben wurden und werden freiwillig verrichtet. Als „Herr des Hauses“ kann nach alldem am ehesten das städtische Kulturhaus gelten, dessen Direktor auch die Bestandsaufnahme der Exponate bestätigt hat.
Seit geraumer Zeit beabsichtigt man die Gründung eines städtischen Museums in Hatzfeld in einem zweckdienlichen Gebäude, wohin auch die Jäger-Bilder gebracht werden sollen. Dort könnten sie vielleicht für die nächste Zeit „überleben“. Andernfalls gelangen sie wohl wieder in die Lagerräume des Temeswarer Museums, wo noch einige hundert Jäger-Skizzen lagern.
Sollte der Bestand der Gedenkstätte in Hatzfeld gefährdet sein, wäre es zu überlegen, ob Mittel und Wege gefunden werden könnten, um zumindest einen Teil der Exponate zu erwerben und in westdeutschen Einrichtungen auszustellen.



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