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ART:0921 - Stefan Jäger – ein spätimpressionistischer Milieumaler: Unterschied zwischen den Versionen

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„Meine malerische Tätigkeit war hauptsächlich darauf gerichtet, meinen Landsleuten gewissenhaft ausgeführte Bilder in leicht verständlicher Form mit Motiven aus dem Banater Volksleben und der Heidelandschaft zugänglich zu machen.“<br/>
 
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So lautet [[Stefan Jäger]]s Bekenntnis, das er als Motto seinem Lebenswerk gab. Diese Worte sagen alles über Inhalt und Intention seiner Bilder, aber auch über seine Methode des Ausdrucks, also alles über das Was und Wie des Dargestellten aus.<br/>
„Meine malerische Tätigkeit
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[[Stefan Jäger]] kann als impressionistischer Genremaler bezeichnet werden. In diesem Sinne möchte ich ihm heute zwei deutsche Maler vergleichend zur Seite stellen: einen Impressionisten, Max Liebermann, und einen Genremaler, Heinrich Zille, Künstler, die wie er dem Malstil und der Thematik treu geblieben sind.<br/>
war hauptsächlich
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Die Zeit des ''Impressionismus'' lässt sich nur unscharf eingrenzen. In seinem Mutterland, Frankreich, gilt sie von 1880-1905. Nach Deutschland gelangte er erst wirklich nach der Jahrhundertwende, und vor allem ins aufgeschlossene Berlin. Max Liebermann ist einer der bedeutendsten deutschen Impressionisten. Der weitere Siegeszug des Impressionismus gen Osten traf dann noch später ein.<br/>
darauf gerichtet, meinen
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Das ist auch der Grund, warum ich [[Stefan Jäger]] als spätimpressionistisch bezeichne. Damit meine ich also nicht eine der Nachformen, die unter den Sammelbegriffen Post- oder Neoimpressionismus und unlogischerweise auch Spätimpressionismus bezeichnet werden.<br/>
Landsleuten gewissenhaft
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Die Bezeichnung der Bildgattung ''Genrebild'' ist erst seit dem 18. Jh. gebräuchlich, obwohl es diese schon ewig gibt; denn man versteht unter diesem Begriff die Malerei von Szenen des täglichen Lebens. Besonders im 20. Jh. macht die Genremalerei das soziale Milieu zum Thema und versteht sich oft als sozialkritische Anklage gegen materielles Elend und Krieg.<br/>
ausgeführte Bilder
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Und nun zu unseren drei Künstlern.<br/>
in leicht verständlicher
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Form mit Motiven aus
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'''Stefan Jäger''' (1877-1962) und<br/>
dem Banater Volksleben
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'''Max Liebermann''' (1847-1935)<br/>
und der Heidelandschaft zugänglich zu machen.“
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So lautet Stefan Jägers Bekenntnis, das er als
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Der Ausbildungsweg beider Maler verläuft ähnlich. Beide sind eine Art Piloty-Enkel: [[Stefan Jäger|Jäger]] über [[Bertalan Székely|Székely]] in [[Budapest]] und Liebermann über Munkácsy in Düsseldorf. Ihr Lebensweg aber sieht ganz anders aus. Wie [[Stefan Jäger|Jäger]] vom Maler des [[WK:0376|Einwanderungsbildes]] zum „Schwabenmaler“ in [[Jimbolia|Hatzfeld]] wurde, der sich und seine Mutter mit Bestellungen von Heiligenbildern, Idyllen und ab und zu auch von Portraits mehr schlecht als recht über Wasser hielt, kaum wahrgenommen von Zunftgenossen und Landsleuten, hörten wir bereits.<br/>
Motto seinem Lebenswerk gab. Diese Worte
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Liebermann kannte weder materielle Not, noch litt er an Nichtbeachtung. Als Spross einer reichen Berliner Fabrikanten- und Kaufmannsfamilie konnte er malen, wie und was er wollte. Ein Versuch (1874), in den Kreis der Pariser Maler eingeführt zu werden, scheitert, da diese alle Deutschen mieden.
sagen alles über Inhalt und Intention seiner
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Und im Gegenzug, als ihm 1889 in Paris die Ehrenmedaille verliehen und die Ernennung zum „Ritter der Ehrenlegion“ angetragen wurde, musste er auf Geheiß der preußischen Regierung ablehnen. Verstehen Sie jetzt, warum der Impressionismus so spät in Deutschland Fuß fasste?<br/>
Bilder, aber auch über seine Methode des
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Er ließ sich (1884) in Berlin nieder, der aufblühenden und mondänen Metropole Deutschlands. Im Laufe der Zeit wandelte er sich vom Kulturrebellen, dem „Schmutzmaler“, vom „Maler der armen Leute“ zum Maler des Bürgertums und der mondänen Welt, zum Porträtisten der Berühmten und Wohlhabenden, ohne sich dabei aber von den kleinen Leuten abzuwenden. („Besser von Liebermann gemalt, als vom Schicksal gezeichnet“.)<br/>
Ausdrucks, also alles über das Was und Wie
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Wie auch [[Stefan Jäger|Jäger]] wandte er sich dabei nicht, wie viele andere Künstler seiner Generation, brüsk vom Stil der Väter ab, sondern benutzte
des Dargestellten aus.
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vielmehr die Errungenschaften der Impressionisten, so die Lichtregie zur Belebung seiner Kunst. Die Aufspaltung der Farben à la Monet entspricht in keinem Fall der Malerei Liebermanns: „...das mit den zerlegten Farben, das ist alles Unsinn, ... die Natur ist einfach grau“.<br/>
Stefan Jäger kann als impressionistischer
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Genremaler bezeichnet werden. In diesem
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'''Ein kleines Intermezzo noch'''<br/>
Sinne möchte ich ihm heute zwei deutsche
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Maler vergleichend zur Seite stellen: einen
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Es ist keine neue Erkenntnis, dass sich [[Stefan Jäger|Jäger]] in seinen Skizzen als größeren Meister vorstellt. Sie sind der lebende Beweis für Liebermanns
Impressionisten, Max Liebermann, und einen
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Worte über die Wichtigkeit der Skizze: „In der Skizze feiert der Künstler die Brautnacht mit seinem Werk; mit der ersten Leidenschaft und mit der Konzentration aller seiner Kräfte ergießt er sich in die Skizze, was ihm im Geiste vorgeschwebt hat, und er erzeugt im Rausche der Begeisterung, was keine Mühe und Arbeit ersetzen könnte“.<br/>
Genremaler, Heinrich Zille, Künstler,
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Den Skizzen gegenüber wirken dann die im Atelier entstandenen, wiederholt gemalten Bilder oft etwas gestellt, gekünstelt, etwas affektiert und manieriert, eben wie es seinen schwäbischen Landsleuten gefiel. Zum Überleben musste er derartige Zugeständnisse machen. Am Beispiel: „Drei Mädchen auf der Bank (Sonntag ist’s)“ erkennen wir leicht Unregelmäßigkeiten, die komisch wirken, die wir aber nicht überbewerten dürfen.<br/>
die wie er dem Malstil und der Thematik
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treu geblieben sind.
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'''Stefan Jäger''' (1877-1962) und<br/>
Die Zeit des Impressionismus lässt sich nur
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'''Heinrich Zille''' (1858-1929)<br/>
unscharf eingrenzen. In seinem Mutterland,
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Frankreich, gilt sie von 1880-1905. Nach
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Wenn wir [[Stefan Jäger|Jäger]] und Zille vergleichen, so nicht wegen des ähnlichen Malstils. Die Themen sind es, die so ähnlich und doch so ganz anders
Deutschland gelangte er erst wirklich nach
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sind. Beide sind Genremaler und die Maler ihrer Umgebung: [[Stefan Jäger|Jäger]] unser Schwabenmaler und Zille der des Berliner „Milljöhs“.<br/>
der Jahrhundertwende, und vor allem ins
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Auch Zille entstammte keiner begüterten Familie, seinen Unterricht bei einem Zeichenlehrer bezahlte der 11-Jährige mit selbstverdientem Geld. Später als Litograf ging Zille abends zum Unterricht zu Professor Theodor Hosemann, von dem dann der entscheidende Hinweis kam: „Gehen Sie lieber auf die Straße hinaus, ins Freie, beobachten Sie selber; das ist besser, als wenn Sie mich kopieren“. Und Zille ging hinaus auf die Straßen des Berliner Ostens. Und Zille zeichnete die ungeschönte Wirklichkeit der Gründerjahre: das Leben in den Hinterhöfen der Massenbauten, Elendsquartiere in feuchten Wohnungen und nassen Kellern. In seinem „Milljöh“ des „fünften Standes, der Vergessenen“, wie er es nannte, war er Vertrauter auch von Huren und Asozialen, da war er der „Pinselheinrich“ und „Vater Zille“. Dabei war er durchdrungen von jenem Humor, der zeigte, dass auch das armseligste Leben nicht Stunde um Stunde armselig ist, dass es sich, wie jedes andere, zusammensetzt aus Höhen und Tiefen. Die anderen nannten ihn „Abort- und Schwangerschaftsmaler“.<br/>
aufgeschlossene Berlin. Max Liebermann
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Wie anders war doch [[Stefan Jäger|Jäger]]! Er war kein Vertrauter seiner Mitmenschen, er stürzte sich nicht mitten ins Volksgetümmel, er stand lieber beobachtend und skizzierend als „Herrischer“ abseits, nahm als stiller Gast an allen Festen und Handlungen in seiner näheren und manchmal auch weiteren Umgebung teil. Unzählige Gemälde und noch viel mehr Skizzen stellen eine farbenfrohe, lebendige Dokumentation zur Volkskunde der Banater Schwaben dar.<br/>
ist einer der bedeutendsten deutschen Impressionisten.
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Lassen wir nun einige Bilder von Stefan Jäger und Heinrich Zille selbst sprechen. Es wird uns dabei sicherlich nicht der große Kontrast zwischen den beiden Welten, Banat und Berlin, entgehen:<br/>
Der weitere Siegeszug des
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Hier Arbeit und Feierabend, Mehrgenerationenhaushalt, Einkindsystem; hier arbeiten und unterhalten sich die Großen, während die Kinder von den Großmüttern behütet werden, Wohlstand und heile Welt, selbst dann noch, als sich der schwäbische Bauer durch Enteignung in Notstand geraten glaubte;<br/>
Impressionismus gen Osten traf dann noch
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Dort Armut, Elend, Arbeitslosigkeit, Haufen von Kindern, das Fehlen von alten Leuten, weil die Lebenserwartung so niedrig war.<br/>
später ein.
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Wie haben beide doch eine Fülle von Figuren auf einer kleinen Fläche untergebracht! Und alles echtes, wirkliches Leben! Wir Banater Schwaben dürfen es als Sternstunde unseres Kulturlebens empfinden, dass uns ein Dokumentarist vom Range [[Stefan Jäger]]s beschieden war. Was wäre aber, wenn er eine andere künstlerische Laufbahn und einen anderen Lebensweg eingeschlagen hätte? Er wäre vielleicht in der großen Masse der Anpasser und der Neuerer-Nachahmer untergegangen und uns vielleicht unbekannt geblieben. Wer hätte dann die 250 Jahre lange Kulturgeschichte unseres kleinen Volksstammes geschrieben? Eines Volksstammes, der im deutschen Mitteleuropa seine Wurzeln hatte und irgendwo im Südosten Europas untergegangen ist: die der
Das ist auch der Grund, warum ich Stefan
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Banater Schwaben.<br/>
Jäger als spätimpressionistisch bezeichne.
 
Damit meine ich also nicht eine der Nachformen,
 
die unter den Sammelbegriffen
 
Post- oder Neoimpressionismus und unlogischerweise
 
auch Spätimpressionismus bezeichnet
 
werden.
 
Die Bezeichnung der Bildgattung Genrebild
 
ist erst seit dem 18. Jh. gebräuchlich, obwohl
 
es diese schon ewig gibt; denn man versteht
 
unter diesem Begriff die Malerei von Szenen
 
des täglichen Lebens. Besonders im 20. Jh.
 
macht die Genremalerei das soziale Milieu
 
zum Thema und versteht sich oft als sozialkritische
 
Anklage gegen materielles Elend
 
und Krieg.
 
Und nun zu unseren drei Künstlern.
 
Stefan Jäger (1877-1962) und
 
Max Liebermann (1847-1935)
 
Der Ausbildungsweg beider Maler verläuft
 
ähnlich. Beide sind eine Art Piloty-Enkel:
 
Jäger über Székely in Budapest und Liebermann
 
über Munkácsy in Düsseldorf. Ihr
 
Lebensweg aber sieht ganz anders aus. Wie
 
Jäger vom Maler des Einwanderungsbildes
 
zum „Schwabenmaler“ in Hatzfeld wurde,
 
der sich und seine Mutter mit Bestellungen
 
von Heiligenbildern, Idyllen und ab und zu
 
auch von Portraits mehr schlecht als recht
 
über Wasser hielt, kaum wahrgenommen
 
von Zunftgenossen und Landsleuten, hörten
 
wir bereits.
 
Liebermann kannte weder materielle Not,
 
noch litt er an Nichtbeachtung. Als Spross
 
einer reichen Berliner Fabrikanten- und
 
Kaufmannsfamilie konnte er malen, wie
 
und was er wollte. Ein Versuch (1874), in den
 
Kreis der Pariser Maler eingeführt zu werden,
 
scheitert, da diese alle Deutschen mieden.
 
Und im Gegenzug, als ihm 1889 in Paris
 
die Ehrenmedaille verliehen und die Ernennung
 
zum „Ritter der Ehrenlegion“ angetragen
 
wurde, musste er auf Geheiß der preußischen
 
Regierung ablehnen. Verstehen Sie
 
jetzt, warum der Impressionismus so spät in
 
Deutschland Fuß fasste?
 
Er ließ sich (1884) in Berlin nieder, der
 
aufblühenden und mondänen Metropole
 
Deutschlands. Im Laufe der Zeit wandelte
 
er sich vom Kulturrebellen, dem „Schmutzmaler“,
 
vom „Maler der armen Leute“ zum
 
Maler des Bürgertums und der mondänen
 
Welt, zum Porträtisten der Berühmten und
 
Wohlhabenden, ohne sich dabei aber von
 
den kleinen Leuten abzuwenden. („Besser
 
von Liebermann gemalt, als vom Schicksal
 
gezeichnet“.)
 
Wie auch Jäger wandte er sich dabei nicht,
 
wie viele andere Künstler seiner Generation,
 
brüsk vom Stil der Väter ab, sondern benutzte
 
vielmehr die Errungenschaften der Impressionisten,
 
so die Lichtregie zur Belebung
 
seiner Kunst. Die Aufspaltung der Farben à
 
la Monet entspricht in keinem Fall der Malerei
 
Liebermanns: „...das mit den zerlegten
 
Farben, das ist alles Unsinn, ... die Natur ist
 
einfach grau“.
 
Ein kleines Intermezzo noch
 
Es ist keine neue Erkenntnis, dass sich Jäger
 
in seinen Skizzen als größeren Meister vorstellt.
 
Sie sind der lebende Beweis für Liebermanns
 
Worte über die Wichtigkeit der
 
Skizze: „In der Skizze feiert der Künstler die
 
Brautnacht mit seinem Werk; mit der ersten
 
Leidenschaft und mit der Konzentration aller
 
seiner Kräfte ergießt er sich in die Skizze,
 
was ihm im Geiste vorgeschwebt hat, und er
 
erzeugt im Rausche der Begeisterung, was
 
keine Mühe und Arbeit ersetzen könnte“.
 
Den Skizzen gegenüber wirken dann die im
 
Atelier entstandenen, wiederholt gemalten
 
Bilder oft etwas gestellt, gekünstelt, etwas
 
affektiert und manieriert, eben wie es seinen
 
schwäbischen Landsleuten gefiel. Zum
 
Überleben musste er derartige Zugeständnisse
 
machen. Am Beispiel: „Drei Mädchen
 
auf der Bank (Sonntag ist’s)“ erkennen wir
 
leicht Unregelmäßigkeiten, die komisch wirken,
 
die wir aber nicht überbewerten dürfen.
 
Stefan Jäger (1877-1962) und
 
Heinrich Zille (1858-1929)
 
Wenn wir Jäger und Zille vergleichen, so nicht
 
wegen des ähnlichen Malstils. Die Themen
 
sind es, die so ähnlich und doch so ganz anders
 
sind. Beide sind Genremaler und die Maler
 
ihrer Umgebung: Jäger unser Schwabenmaler
 
und Zille der des Berliner „Milljöhs“.
 
Auch Zille entstammte keiner begüterten
 
Familie, seinen Unterricht bei einem Zeichenlehrer
 
bezahlte der 11-Jährige mit selbstverdientem
 
Geld. Später als Litograf ging
 
Zille abends zum Unterricht zu Professor
 
Theodor Hosemann, von dem dann der entscheidende
 
Hinweis kam: „Gehen Sie lieber
 
auf die Straße hinaus, ins Freie, beobachten
 
Sie selber; das ist besser, als wenn Sie mich
 
kopieren“. Und Zille ging hinaus auf die Straßen
 
des Berliner Ostens. Und Zille zeichnete
 
die ungeschönte Wirklichkeit der Gründerjahre:
 
das Leben in den Hinterhöfen der
 
Massenbauten, Elendsquartiere in feuchten
 
Wohnungen und nassen Kellern. In seinem
 
„Milljöh“ des „fünften Standes, der Vergessenen“,
 
wie er es nannte, war er Vertrauter
 
auch von Huren und Asozialen, da war er
 
der „Pinselheinrich“ und „Vater Zille“. Dabei
 
war er durchdrungen von jenem Humor,
 
der zeigte, dass auch das armseligste Leben
 
nicht Stunde um Stunde armselig ist, dass es
 
sich, wie jedes andere, zusammensetzt aus
 
Höhen und Tiefen. Die anderen nannten ihn
 
„Abort- und Schwangerschaftsmaler“.
 
Wie anders war doch Jäger! Er war kein Vertrauter
 
seiner Mitmenschen, er stürzte sich
 
nicht mitten ins Volksgetümmel, er stand
 
lieber beobachtend und skizzierend als
 
„Herrischer“ abseits, nahm als stiller Gast
 
an allen Festen und Handlungen in seiner
 
näheren und manchmal auch weiteren Umgebung
 
teil. Unzählige Gemälde und noch
 
viel mehr Skizzen stellen eine farbenfrohe,
 
lebendige Dokumentation zur Volkskunde
 
der Banater Schwaben dar.
 
Lassen wir nun einige Bilder von Stefan Jäger
 
und Heinrich Zille selbst sprechen. Es wird
 
uns dabei sicherlich nicht der große Kontrast
 
zwischen den beiden Welten, Banat
 
und Berlin, entgehen:
 
Hier Arbeit und Feierabend, Mehrgenerationenhaushalt,
 
Einkindsystem; hier arbeiten
 
und unterhalten sich die Großen,
 
während die Kinder von den Großmüttern
 
behütet werden, Wohlstand und heile Welt,
 
selbst dann noch, als sich der schwäbische
 
Bauer durch Enteignung in Notstand geraten
 
glaubte;
 
Dort Armut, Elend, Arbeitslosigkeit, Haufen
 
von Kindern, das Fehlen von alten Leuten,
 
weil die Lebenserwartung so niedrig war.
 
Wie haben beide doch eine Fülle von Figuren
 
auf einer kleinen Fläche untergebracht!
 
Und alles echtes, wirkliches Leben!
 
Wir Banater Schwaben dürfen es als Sternstunde
 
unseres Kulturlebens empfinden,
 
dass uns ein Dokumentarist vom Range Stefan
 
Jägers beschieden war. Was wäre aber,
 
wenn er eine andere künstlerische Laufbahn
 
und einen anderen Lebensweg eingeschlagen
 
hätte? Er wäre vielleicht in der großen
 
Masse der Anpasser und der Neuerer-Nachahmer
 
untergegangen und uns vielleicht
 
unbekannt geblieben. Wer hätte dann die
 
250 Jahre lange Kulturgeschichte unseres
 
kleinen Volksstammes geschrieben? Eines
 
Volksstammes, der im deutschen Mitteleuropa
 
seine Wurzeln hatte und irgendwo im
 
Südosten Europas untergegangen ist: die der
 
Banater Schwaben.
 
 
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Aktuelle Version vom 3. Februar 2016, 17:40 Uhr


Bibliografie
Artikel Nummer: 0921
Autor Name: Norbert Schmidt
Titel des Artikels : Stefan Jäger – ein spätimpressionistischer Milieumaler
Publikation: Ausstellungskatalog
Titel der Publikation: Hommage an Stefan Jäger
Untertitel der Publikation: Katalog zur Ausstellung und zum Symposium
Herausgeber: Hilfswerk der Banater Schwaben
Druckerei: diedruckerei.de
Erscheinungsort: Ingolstadt
Jahr: 2012
Seite: 141-142
* [[Norbert Schmidt]]: [[ART:0921 - Stefan Jäger – ein spätimpressionistischer Milieumaler|<i>Stefan Jäger – ein spätimpressionistischer Milieumaler</i>]]. Hommage an Stefan Jäger. Hilfswerk der Banater Schwaben, Ingolstadt 2012

„Meine malerische Tätigkeit war hauptsächlich darauf gerichtet, meinen Landsleuten gewissenhaft ausgeführte Bilder in leicht verständlicher Form mit Motiven aus dem Banater Volksleben und der Heidelandschaft zugänglich zu machen.“
So lautet Stefan Jägers Bekenntnis, das er als Motto seinem Lebenswerk gab. Diese Worte sagen alles über Inhalt und Intention seiner Bilder, aber auch über seine Methode des Ausdrucks, also alles über das Was und Wie des Dargestellten aus.
Stefan Jäger kann als impressionistischer Genremaler bezeichnet werden. In diesem Sinne möchte ich ihm heute zwei deutsche Maler vergleichend zur Seite stellen: einen Impressionisten, Max Liebermann, und einen Genremaler, Heinrich Zille, Künstler, die wie er dem Malstil und der Thematik treu geblieben sind.
Die Zeit des Impressionismus lässt sich nur unscharf eingrenzen. In seinem Mutterland, Frankreich, gilt sie von 1880-1905. Nach Deutschland gelangte er erst wirklich nach der Jahrhundertwende, und vor allem ins aufgeschlossene Berlin. Max Liebermann ist einer der bedeutendsten deutschen Impressionisten. Der weitere Siegeszug des Impressionismus gen Osten traf dann noch später ein.
Das ist auch der Grund, warum ich Stefan Jäger als spätimpressionistisch bezeichne. Damit meine ich also nicht eine der Nachformen, die unter den Sammelbegriffen Post- oder Neoimpressionismus und unlogischerweise auch Spätimpressionismus bezeichnet werden.
Die Bezeichnung der Bildgattung Genrebild ist erst seit dem 18. Jh. gebräuchlich, obwohl es diese schon ewig gibt; denn man versteht unter diesem Begriff die Malerei von Szenen des täglichen Lebens. Besonders im 20. Jh. macht die Genremalerei das soziale Milieu zum Thema und versteht sich oft als sozialkritische Anklage gegen materielles Elend und Krieg.
Und nun zu unseren drei Künstlern.

Stefan Jäger (1877-1962) und
Max Liebermann (1847-1935)

Der Ausbildungsweg beider Maler verläuft ähnlich. Beide sind eine Art Piloty-Enkel: Jäger über Székely in Budapest und Liebermann über Munkácsy in Düsseldorf. Ihr Lebensweg aber sieht ganz anders aus. Wie Jäger vom Maler des Einwanderungsbildes zum „Schwabenmaler“ in Hatzfeld wurde, der sich und seine Mutter mit Bestellungen von Heiligenbildern, Idyllen und ab und zu auch von Portraits mehr schlecht als recht über Wasser hielt, kaum wahrgenommen von Zunftgenossen und Landsleuten, hörten wir bereits.
Liebermann kannte weder materielle Not, noch litt er an Nichtbeachtung. Als Spross einer reichen Berliner Fabrikanten- und Kaufmannsfamilie konnte er malen, wie und was er wollte. Ein Versuch (1874), in den Kreis der Pariser Maler eingeführt zu werden, scheitert, da diese alle Deutschen mieden. Und im Gegenzug, als ihm 1889 in Paris die Ehrenmedaille verliehen und die Ernennung zum „Ritter der Ehrenlegion“ angetragen wurde, musste er auf Geheiß der preußischen Regierung ablehnen. Verstehen Sie jetzt, warum der Impressionismus so spät in Deutschland Fuß fasste?
Er ließ sich (1884) in Berlin nieder, der aufblühenden und mondänen Metropole Deutschlands. Im Laufe der Zeit wandelte er sich vom Kulturrebellen, dem „Schmutzmaler“, vom „Maler der armen Leute“ zum Maler des Bürgertums und der mondänen Welt, zum Porträtisten der Berühmten und Wohlhabenden, ohne sich dabei aber von den kleinen Leuten abzuwenden. („Besser von Liebermann gemalt, als vom Schicksal gezeichnet“.)
Wie auch Jäger wandte er sich dabei nicht, wie viele andere Künstler seiner Generation, brüsk vom Stil der Väter ab, sondern benutzte vielmehr die Errungenschaften der Impressionisten, so die Lichtregie zur Belebung seiner Kunst. Die Aufspaltung der Farben à la Monet entspricht in keinem Fall der Malerei Liebermanns: „...das mit den zerlegten Farben, das ist alles Unsinn, ... die Natur ist einfach grau“.

Ein kleines Intermezzo noch

Es ist keine neue Erkenntnis, dass sich Jäger in seinen Skizzen als größeren Meister vorstellt. Sie sind der lebende Beweis für Liebermanns Worte über die Wichtigkeit der Skizze: „In der Skizze feiert der Künstler die Brautnacht mit seinem Werk; mit der ersten Leidenschaft und mit der Konzentration aller seiner Kräfte ergießt er sich in die Skizze, was ihm im Geiste vorgeschwebt hat, und er erzeugt im Rausche der Begeisterung, was keine Mühe und Arbeit ersetzen könnte“.
Den Skizzen gegenüber wirken dann die im Atelier entstandenen, wiederholt gemalten Bilder oft etwas gestellt, gekünstelt, etwas affektiert und manieriert, eben wie es seinen schwäbischen Landsleuten gefiel. Zum Überleben musste er derartige Zugeständnisse machen. Am Beispiel: „Drei Mädchen auf der Bank (Sonntag ist’s)“ erkennen wir leicht Unregelmäßigkeiten, die komisch wirken, die wir aber nicht überbewerten dürfen.

Stefan Jäger (1877-1962) und
Heinrich Zille (1858-1929)

Wenn wir Jäger und Zille vergleichen, so nicht wegen des ähnlichen Malstils. Die Themen sind es, die so ähnlich und doch so ganz anders sind. Beide sind Genremaler und die Maler ihrer Umgebung: Jäger unser Schwabenmaler und Zille der des Berliner „Milljöhs“.
Auch Zille entstammte keiner begüterten Familie, seinen Unterricht bei einem Zeichenlehrer bezahlte der 11-Jährige mit selbstverdientem Geld. Später als Litograf ging Zille abends zum Unterricht zu Professor Theodor Hosemann, von dem dann der entscheidende Hinweis kam: „Gehen Sie lieber auf die Straße hinaus, ins Freie, beobachten Sie selber; das ist besser, als wenn Sie mich kopieren“. Und Zille ging hinaus auf die Straßen des Berliner Ostens. Und Zille zeichnete die ungeschönte Wirklichkeit der Gründerjahre: das Leben in den Hinterhöfen der Massenbauten, Elendsquartiere in feuchten Wohnungen und nassen Kellern. In seinem „Milljöh“ des „fünften Standes, der Vergessenen“, wie er es nannte, war er Vertrauter auch von Huren und Asozialen, da war er der „Pinselheinrich“ und „Vater Zille“. Dabei war er durchdrungen von jenem Humor, der zeigte, dass auch das armseligste Leben nicht Stunde um Stunde armselig ist, dass es sich, wie jedes andere, zusammensetzt aus Höhen und Tiefen. Die anderen nannten ihn „Abort- und Schwangerschaftsmaler“.
Wie anders war doch Jäger! Er war kein Vertrauter seiner Mitmenschen, er stürzte sich nicht mitten ins Volksgetümmel, er stand lieber beobachtend und skizzierend als „Herrischer“ abseits, nahm als stiller Gast an allen Festen und Handlungen in seiner näheren und manchmal auch weiteren Umgebung teil. Unzählige Gemälde und noch viel mehr Skizzen stellen eine farbenfrohe, lebendige Dokumentation zur Volkskunde der Banater Schwaben dar.
Lassen wir nun einige Bilder von Stefan Jäger und Heinrich Zille selbst sprechen. Es wird uns dabei sicherlich nicht der große Kontrast zwischen den beiden Welten, Banat und Berlin, entgehen:
Hier Arbeit und Feierabend, Mehrgenerationenhaushalt, Einkindsystem; hier arbeiten und unterhalten sich die Großen, während die Kinder von den Großmüttern behütet werden, Wohlstand und heile Welt, selbst dann noch, als sich der schwäbische Bauer durch Enteignung in Notstand geraten glaubte;
Dort Armut, Elend, Arbeitslosigkeit, Haufen von Kindern, das Fehlen von alten Leuten, weil die Lebenserwartung so niedrig war.
Wie haben beide doch eine Fülle von Figuren auf einer kleinen Fläche untergebracht! Und alles echtes, wirkliches Leben! Wir Banater Schwaben dürfen es als Sternstunde unseres Kulturlebens empfinden, dass uns ein Dokumentarist vom Range Stefan Jägers beschieden war. Was wäre aber, wenn er eine andere künstlerische Laufbahn und einen anderen Lebensweg eingeschlagen hätte? Er wäre vielleicht in der großen Masse der Anpasser und der Neuerer-Nachahmer untergegangen und uns vielleicht unbekannt geblieben. Wer hätte dann die 250 Jahre lange Kulturgeschichte unseres kleinen Volksstammes geschrieben? Eines Volksstammes, der im deutschen Mitteleuropa seine Wurzeln hatte und irgendwo im Südosten Europas untergegangen ist: die der Banater Schwaben.

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