Stefan Jäger Archiv

ART:0754 - Fußballerstatuetten für Uwe Seeler und Franz Beckenbauer

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0665
Autor Name: Vastag, Michael
Aufsatztitel: Fußballerstatuetten für Uwe Seeler und Franz Beckenbauer
Zeitungstitel: Banater Post
Erscheinungsort: München
Jahrgang: 51
Nummer: 10
Datum: 20.05.2006
Seite: 6
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Zum 100. Geburtstag von Peter Berberich aus Hatzfeld

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Peter Berberich schuf mehrere Kleinplastiken berühmter Banater Persönlichkeiten. Im Bild Stefan Jäger.
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Die Büste von Adam Müller-Guttenbrunn.
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Der Bildhauer Peter Berberich bei der Arbeit. Foto: Verfasser

Als sich im Jahre 1929 der Hatzfelder Gesang- und Sportverein „Landestreu” dazu entschloss, eine nach dem Entwurf von Stefan Jäger (1877–1962) gestaltete Vereinsfahne anzufertigen, wurde diese mit dem Motto „Nur der ist seiner Ahnen wert, der ihre Sitten treu verehrt” von Prof. Josef Linster (1889-1954) versehen. Das Vereinsmotto, unter dem fortan sämtliche Sport- und Kulturaktivitäten stattfanden, war eigentlich nur eine Bestätigung dessen, wofür sich die Bewohner des Heidestädtchens schon immer eingesetzt haben. Ob sie Bauern- oder Handwerkerfamilien entstammten – man stand stets zu den Bräuchen und Traditionen der Vorfahren und würdigte diese in jeder erdenklichen Form.
Durch zahlreiche Lieder von Josef Linster, Gedichte von Peter Jung (1877–1966) oder in farbenfrohen und naturgetreuen Gemälden von Stefan Jäger wurde den Schwaben aus Hatzfeld und Umgebung auf diese Weise ein ewiges Denkmal gesetzt.
Die Sitten seiner Ahnen und Mitmenschen „treu verehrt” und ihr gesamtes Tun und Sein künstlerisch darzustellen, hat sich auch Peter Berberich zum Lebensinhalt gemacht. Er war ein begabter Holzschnitzer. Mit Hammer und Meisel schaffte er es in tagelanger Arbeit, seinem bevorzugten Nussholz Form, Schönheit und eine Seele zu verleihen. Auch wenn er bisher nie in einem Atemzug mit anderen Kunstschaffenden aus Hatzfeld erwähnt wurde, so brachte es der Holzschnitzer in über sechzig Jahren auf Hunderte von Skulpturen, Reliefbildern, Einrichtungsgegenständen, Büsten prominenter Persönlichkeiten aus Geschichte und Kultur und vieles mehr. Eine genaue Bestandsaufnahme seiner Arbeiten wurde jedoch nie vorgenommen. Hinzu kommt auch ein durch die Kriegsereignisse zerstörtes Monumentalwerk „Das Werden und Vergehen”, das seine damalige Weltanschauung verkörperte. Von diesem komplexen Lebenswerk des Holzschnitzers sind allerdings nur noch Bruchteile vorhanden. Der Großteil davon wurde beim Einzug der russischen Truppen in Hatzfeld 1944 zerstört.
Als drittes Kind von sechs Geschwistern kam Peter Berberich am 8. März 1906 in Johannisfeld zur Welt. Hier besuchte er die Grundschule und musste nebenbei im bäuerlichen Betrieb seiner Eltern Mathias und Barbara behilflich sein. Ab 1919 trat er bei der Firma Friedrich Wogh in Modosch (heute auf serbischem Territorium) eine Wagnerlehre an und kam 1924 als Geselle nach Hatzfeld. Bei der Firma Weisz wurde er zum Kutschen- und Karosseriebauer geschult und brachte es dank seiner Begabung rasch zum Werkstattleiter.
Schon als Wagnerlehrling begann er, sich in seiner Freizeit mit der Bildhauerei zu beschäftigen, wodurch ihm früh der Umgang mit Holz vertraut wurde. Sein Arbeitgeber erkannte in dem Fünfzehnjährigen schnell ein verborgenes Talent. Er förderte ihn, indem er ihm den Besuch eines dreimonatigen Lehrgangs für Bildhauerei in Temeswar ermöglichte. Parallel dazu arbeitete er in der Temeswarer Zweigstelle seines Hatzfelder Arbeitgebers. Anlässlich meiner Besuche in seiner Werkstatt schilderte mir Peter Berberich des öfteren Geschichten aus seinem Leben, ließ sich dabei aber nie von seiner Schnitzerei aufhalten. „Wisst ihr, aach wenn die Arweit net emmer leicht war, for mich war es damals e scheeni Zeit. Ich han sehr viel dazu gelernt. Un bei der Firma Kovacs in Temeswar, wo ich no meinem Militär hingang sen, han mer Karosserie for Autobusse und Autos aus Holz gebaut. Des war gar net so eenfach. Ich hett tes wahrscheinlich ach weiter gemach, awer dann is alles doch ganz anerscht komm. Im Lewe geht’s meistens net emmer so wie mer well. Im Sommer 1929 han ich in Hatzfeld gheirat (Margarethe Behlen) un sen nochmol zur Wagnerei Weisz komm.”
Die sich auch im Banat ausbreitende Wirtschaftskrise jener Jahre ließ in Hatzfeld ihre Spuren nicht unsichtbar vorbeiziehen. 1934 war die Firma Weisz davon betroffen und musste ihre Tore schließen. Peter Berberich gab sich keineswegs geschlagen. Er kaufte ein Familienhaus, richtete sich eine Werkstatt ein und meldete bei den Stadtbehörden einen eigenen Kleinbetrieb an. In seiner Freizeit entstanden im Kundenauftrag viele Holzskulpturen und Reliefbilder. Kaum fünf Jahre war ihm das Glück hold, als er 1939 zum Kriegsdienst nach Orschowa einberufen und als Handwerker dem Infanterieregiment zugeteilt wurde. Während der Kriegsjahre kam er später über Wien bis nach Holland zum Einsatz, geriet schließlich 1945 in englische Gefangenschaft.
Als Peter Berberich 1946 sich vergewissern konnte, dass seine Familie trotz Kriegswirren Hatzfeld nicht verlassen hatte, entschloss er sich, nach einigen Monaten Arbeitsaufenthalt als Kunsttischler am Staatstheater von Passau den Weg in die Heimat anzutreten. Pünktlich zu seinem Geburtstag an Peter und Paul (1946) konnte er seine Lieben in die Arme schließen. Vier Söhne hatte ihm Ehefrau Margarethe geschenkt: Peter (1931), Josef (1934), Martin (1939) und Mathias (1942). „Frau un Kenner ware for mich emmer es wichtigschte, so sen ich so schnell wie meeglich no em Kriech hem komm”, erzählte er mir. Der beste Beweis dafür: allen Söhnen ermöglichte er eine fundierte Ausbildung. Während der älteste Sohn Peter in die Fußstapfen des Vaters trat und das Wagnerhandwerk erlernte, konnten Josef, Martin und Mathias alle ein Hochschulstudium abschließen. Darauf war Peter Berberich immer stolz.
Nachdem 1948 die Nationalisierungswelle des kommunistischen Rumäniens das Land überrollte, blieben auch Kleinbetriebe wie jener von Peter Berberich nicht verschont. Über einen kurzen Aufenthalt als Karosseriebau-Meister in einer Temeswarer Militärwerkstätte landete er 1952 bei der Berufsgenossenschaft in Hatzfeld, von wo er schließlich als geachteter Wagnermeister seinen wohlverdienten Ruhestand antreten konnte. Zwei Jahre nach dem Tod seiner Ehefrau ging Peter Berberich 1966 eine zweite Ehe mit Katharina Klein ein.
Im Laufe der Jahre schuf der Holzschnitzer viele wunderschöne Skulpturen. Trotz seiner ruhigen Art war er immer von einer Form verborgenen Humors beseelt. So beispielsweise erzählte er während eines Besuches Geschichten über Skulpturen großer Politiker aus verschiedenen Zeitepochen. Plötzlich meinte er mit einem verschmitzten Lächeln: „Ach wenn sich etliche von dene im Lewe gehasst han, wenn ihre Zeit abgelaaf war, han ich se eenfach in de Brunne geworf. Dort misse se sich in aller Ewigkeit vertraan.”
Fast zu einer Anekdote wurde in den siebziger Jahren die Geschenkübergabe von Peter Berberich an einen Parteisekretär der Stadt, der gegenüber dem Meister öfters seinen Wunsch geäußert hatte, ihn doch mit einer „kleinen Erinnerung” zu bescheren. Als endlich der große Tag kam und Peter Berberich im Rathaus sein schön verpacktes Geschenk enthüllte, brachte der Sekretär, bekannt als ein politischer Streber, kaum ein Wort über die Lippen: Der Holzschnitzer hatte ihm eine kunstvoll angefertigte Büste von W. I. Lenin überreicht. Ab da war die Beziehung des Sekretärs zum Holzschnitzer sichtlich abgekühlt.
Stolz war Peter Berberich hingegen auf ein weiteres Geschenk, das seine großen Fußballidole Franz Beckenbauer und Uwe Seeler betrifft. Anlässlich eines internationalen Fußballspiels 1967 in Bukarest schafften es beherzte Fans aus Hatzfeld, den beiden deutschen Nationalspielern von Peter Berberich geschnitzte Fußballerskulpturen zu überreichen. Ein für diese Zeit gefährliches Unternehmen, das anschließend in Rumänien zu längeren Untersuchungen der Behörden führte und selbst in der internationalen Sportpresse seinen Niederschlag fand.
Ebenfalls Mitte der siebziger Jahre versuchte Peter Berberich im Rahmen des Hatzfelder Kulturhauses seine Schnitzereikenntnisse an junge Handwerker weiterzugeben. Der Lehrgang wurde aber aus „Interesselosigkeit” seitens der Stadtväter schon nach wenigen Monaten eingestellt.
„Bis auf die Lebensmittelbesorgungen, für die er oft langes Schlangestehen in Kauf nehmen musste, verließ mein Ehemann so gut wie nie seine Werkstatt. Sportsendungen im Fernsehen waren neben der Schnitzerei seine einzige Leidenschaft. In jungen Jahren war er selbst Mitglied im „Arbeiter Sportverein” und beteiligte sich als Ringer an verschiedenen Wettkämpfen”, erinnert sich heute seine 86-jährige Ehefrau Katharina Berberich in Rastatt. Den Zusammenbruch der kommunistischen Ära in seiner Heimat konnte der Holzschnitzer-Meister leider nicht mehr erleben. Er verstarb am 15. Juni 1989, kaum ein Jahr, nachdem auch sein ältester Sohn Peter aus dem Leben geschieden war.
Es ist bei weitem nicht nur der kunstvoll geschnitzte Bestattungswagen, der auch heute in Hatzfeld zum Einsatz kommt und an Peter Berberich erinnert; eine Reihe weiterer Arbeiten des Holzschnitzers kann ebenfalls in seinem Heimatort bewundert werden. So beispielsweise erhielt er nach der Sanierung des Kulturhauses den Auftrag, die Wände der beiden Balkons im großen Festsaal zu dekorieren. Unterstützt von seinem Bruder Martin sowie mehreren Zimmermalern, schuf er nach eigenen Entwürfen Dutzende Wandtafeln, dekoriert mit Theatermasken und Reliefverzierungen. Diese Gipstafeln wurden anschließend entlang der Balkonwände montiert. „Immerhin musste er dafür wenigstens nicht das Material selbst bezahlen. Für die wochenlange Arbeit bekam er die bescheidene Summe von 367 Lei als Belohnung. Und diesen Geldbetrag gab er seinen Helfern”, schmunzelte seine Ehefrau Katharina.
Auch kunstvolle Holzarbeiten an der Decke und der Möbeleinrichtung des großen Sitzungssaals im Rathaus tragen seine Handschrift. Zur Eröffnung der Stefan-Jäger-Gedenkstätte war es für Meister Berberich nur selbstverständlich, dass er aus Respekt und Dankbarkeit für den großen Schwabenmaler eine Jäger-Büste anfertigte. Ein Großteil seiner Schnitzereiarbeiten nahm jedoch den Weg ins Ausland, wo sie bei seinen Landsleuten hoch in Ehren gehalten werden.
Seine Arbeiten wurden im Laufe der Zeit in vielen Ausstellungen und Wettbewerben vorgestellt und ausgezeichnet. Ein kleiner Denkanstoß: Vielleicht wäre jetzt, anlässlich seines 100. Geburtstags, noch Gelegenheit, sich im Rahmen der „Hatzfelder Kulturtage” an Meister Peter Berberich zu erinnern oder ihn sogar zu würdigen.


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Foto: Verfasser
Im Bild Stefan Jäger
Die Büste von Adam Müller-Guttenbrunn
Der Bildhauer Peter Berberich bei der Arbeit