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Ein Tag für Stefan Jäger

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0251
Autor Name: Walther Konschitzky
Titel des Artikels : Ein Tag für Stefan Jäger
Publikation: Buch
Titel der Publikation: Banater Bilder
Untertitel der Publikation: Reportagen und Berichte aus dem Dorfleben
Verlag: Facla Verlag
Erscheinungsort: Temeschburg
Jahr: 1982
Seite: 53-58
* [[Walther Konschitzky]]: [[ART:0251 - Ein Tag für Stefan Jäger|<i>Ein Tag für Stefan Jäger</i>]]. Banater Bilder. Facla Verlag, Temeschburg 1982

Ein Stück Banater Heimat, wie sie früher mal und wie sie in einzelnen Zügen auch vor wenigen Jahrzehnten noch war, hinterließ uns Stefan Jäger. Auf den Tag genau hundert Jahre nach seiner Geburt, feierte Hatzfeld „seinen" Maler. Ein ganzer Tag war ihm gewidmet. Doch die Feier galt nicht einem Hatzfelder Sohn im strengen Sinn des Wortes; sie galt einem hier einst Beheimateten, der vor vielen Jahrzehnten still und unauffällig ankam, hier zurückgezogen lebte und seine Bilder schuf und eines Tages dann nicht mehr war. Wieder ohne Aufsehen, ohne Getue war sein letzter Weg an einem unfreundlichen Märztag '62, an dem denn auch kein großer Trauerzug zustande kam, dem Mann das Geleite zu geben.
Das Verhältnis der Bewohner dieses Ortes ist in den Jahren seit jenem Märztag ein anderes geworden, und wir wollen nicht als Abbitte für Versäumtes betrachten, was zur Wahrung seines Andenkens seither hier geschah, vielmehr als eine angemessene Würdigung des Künstlers, der sich zum Lebensziel nahm, dieses Stück Land und seine Leute in all der Vielfältigkeit, die es kennzeichnet, festzuhalten. Man wusste sich dem Mann zu seinen Lebzeiten nicht zu nähern, auch weil er dies nicht wünschte. So war er und so begegnete man ihm, und der Alltag im Hatzfeld jener Jahre ließ auch kaum Zeit, sich über sein menschliches Anderssein weiter Gedanken zu machen. Er war immer da, und jeder hatte einen freundlichen Gruß für den wortkargen Künstler.
An einem Tag aber gelang es doch noch, dank eines Anlasses, der von außerhalb der Stadt kam, dem Maler die Wertschätzung und Achtung, die er im Ort genoss, unvermittelt und beeindruckend zu überbringen. Es war vor zwanzig Jahren, als ihm zu seinem 80. Geburtstag der Arbeitsorden überreicht wurde und es dem damaligen Schuldirektor Karl-Hans Gross glückte, den Jubilar für eine Feierstunde in der Schule einzustimmen. Darüber berichtet Professor Gross : „Als 1957 am 28. Mai dem greisen Maler zu seinem 80. Geburtstag der Arbeitsorden überreicht wurde, fand eine Feier statt, bei der unter anderen auch der Maler Franz Ferch und der Komponist Emmerich Bartzer anwesend waren. Man wünschte dem Meister Gesundheit und weiterhin Schaffenskraft, und es kam zu einem angeregten Gespräch. Er dankte bewegt, und ich wagte es, ihn zu einer Begegnung mit den Schülern unserer Schule einzuladen. Es folgte eine Pause, die mir sehr lange schien. Ich beteuerte, unsere Schüler würden ihn gerne als Gast begrüßen, ihn zu seinem Geburtstag und zu der hohen Auszeichnung beglückwünschen. Wieder folgte eine Pause, doch dann sagte er: ,Wie stellen Sie sich das vor ?' Er sprach leise, doch mir klang es wohlwollend und freundlich.
Tags darauf kam Stefan Jäger in die Schule, der Festsaal war schier zu klein. Die Schüler beglückwünschten ihn und boten ihm zu Ehren ein Kulturprogramm in einer schönen Feierstunde dar, sie sprachen Gedichte, sie sangen. Dem alten Mann wurden die Augen feucht und nur mit äußerster Mühe brachte er Worte des Dankes für dieses Fest, das nur ihm galt, hervor. Dann folgte eine Begegnung mit den Eltern unserer Schüler und den Lehrkräften. Der Meister war gesprächiger als sonst — was für uns viel bedeutete ! —, und man feierte ihn mit Liedern, man beglückwünschte ihn im Namen aller Bewohner der Stadt, die er sich 1910 zur zweiten Heimat gewählt hatte. Es wurde viel gesungen, und in der allgemeinen Feststimmung rief er in die Runde : ,Singen'S mir noch ein Lied !' Ein Lehrerkollege sang ,Schenkt man sich Rosen'. Dann folgten noch viele Lieder, und die Anwesenden sangen zum Abschluss ihm zu Ehren: ,Hoch soll er leben !' Das Fest und die Überreichung des hohen Ordens müssen ihm viel bedeutet haben, denn so freundlich und so gesprächig, so froh hatten wir ihn vorher nie gesehen. Es war uns über die Kinder gelungen, dem Hochbetagten wenige Jahre vor seinem Tod noch die Liebe und Achtung, der er sich in unserer Stadt erfreute, auszusprechen."
Nun im Mai tat man es wieder, und man feierte ihn, wie im Banat vielleicht nie noch ein Maler geehrt wurde. Und wieder geschah es über die Kinder und die Jugend, allerdings schlossen sich den Bewohnern von Hatzfeld hunderte Gäste aus den Dörfern der Heide und Hecke an. Was sich an diesem Maitag kundtat, sollte die Bemühungen krönen, die seit dem Tod des Malers zur Wahrung seines Andenkens und zur Bekanntmachung seines Lebenswerkes unternommen wurden : 1967 richtete das Banater Museum eine umfassende Retrospektivausstellung in Temeswar ein; 1969 wurde das Atelier des Malers in eine Gedenkstätte umgestaltet, in der neben dem Einwanderungs-Triptychon zahlreiche Bilder, Skizzen, persönliche Gegenstände des Künstlers sowie Dokumentationsmaterial über sein Leben und Wirken untergebracht ist. 1972 veröffentlichte der Kriterion Verlag Bukarest eine Jäger-Monographie, zusammengestellt von Annemarie Podlypni-Hehn. Es mag seltsam klingen, dass ein Maler, der schätzungsweise gut über zweitausend Arbeiten hinterlassen hat, zeitlebens nur eine einzige Ausstellung — 1930 in Groß-Betschkerek — erlebt hat. Prof. Gross, der sich vielleicht am eingehendsten mit Jägers Werk auseinandergesetzt hat, vermutet allerdings, dass es auch eine weitere gegeben habe. Seine Bilder waren also ausschließlich durch ihre Verbreitung in den Häusern der Banater Dörfer und in der Batschka bekannt.
Aus diesem Grund wohl erfreute sich die Bilderschau, zusammengetragen von Professor Hans Schulz, solchen Beifalls, wie er am Morgen dieses 28. Mai beobachtet werden konnte. Mit der Eröffnung der Ausstellung im Gebäude des Reallyzeums begann der Stefan Jäger gewidmete Festtag.
Hunderte, vielleicht Tausende sahen die siebenundfünfzig Gemälde, Aquarelle und Guachen, unter denen sich auch das letzte — unvollendete — Bild des Malers befand, ein Porträt. Hier im Schulgebäude, in dem er zu seinem 80. Geburtstag gefeiert wurde, fand nun auch die Jubiläumstagung statt, bei der Mitteilungen über sein Leben und Schaffen wie auch über die Rezeption seines Werkes in unseren Tagen vorgelegt wurden. Und von hier zog am Nachmittag der Festzug der über dreihundert Trachtenpaare auf das Stadion im Stadtpark, wo über zweitausend Zuschauer sich zu dem Trachtenfest der Heidejugend eingefunden hatten, das diesmal dem Maler gewidmet war.
Hunderte Trachtenträger in der Festkleidung aller im Banat lebenden Nationalitäten standen im Stadion; Schülerinnen trugen Verse an die Heimat und das Gedicht „Dem Maler Stefan Jäger" von Peter Barth vor:

Das ganze Dasein, von der Wiege
Und bis zum Grabe, hieltest du fest
In deinen Bildern, Gang und Stiege,
Der Flur mit seinem Laubgeäst,
Gerätekammern, alte Giebel,
Die Kinderschar bei Spiel und Fibel.

Der Schubert-Chor aus Temeswar sang zusammen mit dem Hatzfelder gemischten Chor unter der Leitung von Mathias Schork und Walter Kindl „Tricolorul", Volkslieder und „Banaterland", das Lied, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut und dessen Autoren Söhne dieser Stadt sind — der Dichter Peter Jung und der Komponist Josef Linster. Neben den über hundert Kinderpaaren und fast ebensovielen Paaren Jugendlicher in der Festkleidung von Hatzfeld machten Gruppen aus achtzehn Ortschaften der Heide und Hecke mit, auch eine sächsische Tracht kam aus Siebenbürgen. Volkstänze wurden vorgeführt, Lieder gesungen, und mit einer „Hora unirii" fand das Fest seinen Abschluss, als Symbol der Eintracht gleichsam, in der die Menschen verschiedener Zunge im Banat zusammenleben, und die Jäger alle in seinen Bildern festgehalten hat. Viele hundert Tage seines Lebens widmete er der Darstellung dieser Menschen — einen Tag schenkten die Hunderte nun ihm.


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