Stefan Jäger Archiv

Blumen von der Heide

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0538
Autor Name: Dr. Annemarie Podlipny-Hehn
Titel des Artikels : Blumen von der Heide
Untertitel des Artikels: Zur Eröffnung der neugestalteten Stefan-Jäger-Gedenkstätte in Hatzfeld
Publikation: Buch
Titel der Publikation: Die Stafette
Untertitel der Publikation: Zusammengestellt und eingeleitet von Annemarie Podlipny-Hehn
Herausgeber: Demokratischen Forum der Deutschen aus dem Banat, Schriftstellerverband Filiale Temeswar, Deutscher Literaturkreis "Die Stafette"
Verlag: Mirton
Erscheinungsort: Temeschburg
Jahr: 1997
Datum: 95-99
ISBN: ISBN:097-578-289-8
* [[Dr. Annemarie Podlipny-Hehn]]: [[ART:0538 - Blumen von der Heide|<i>Blumen von der Heide</i>. Zur Eröffnung der neugestalteten Stefan-Jäger-Gedenkstätte in Hatzfeld]]. Die Stafette. Demokratischen Forum der Deutschen aus dem Banat, Schriftstellerverband Filiale Temeswar, Deutscher Literaturkreis "Die Stafette". Mirton, Temeschburg 1997 95-99, ISBN 097-578-289-8

Zur Eröffnung der neugestalteten Stefan-Jäger-Gedenkstätte in Hatzfeld

Heute an diesem Festtag ist es vielleicht am wenigsten angebracht über Stefan Jäger wissenschaftlich zu sprechen. Wir wissen, daß der Maler zu seinen Lebzeiten sich gegen eine solche Auslegung seiner Bilder gesträubt hat. Am liebsten war ihm ein anerkennendes Zunicken, ein freundliches Zulächeln seiner Landsleute, die seine Bilder verstehen und lieben. Deshalb sei es mir erlaubt, heute weniger wissenschaftlich zu sein. Denn was wir über unseren Maler Stefan Jäger sagen wollen, kommt ja doch immer von Herzen. Und in diesem Sinne wollen die wenigen Worte ein Blütenstrauß der schönsten und reinsten Gefühle sein die wir an diesem Festtag unserem Heimatmaler Stefan Jäger darbieten wollen.
Stefan Jägers Kunst ist dem engsten heimatlichen Lebensraum entsprungen und bleibt einem gewissen Provinzialismus verhaftet. Dabei muß man dieses Wort nicht unbedingt abwertend gebrauchen. Im Falle Jägers handelt es sich vielmehr um eine Kunst, die sich im wahrsten Sinne des Wortes auf diese Provinz, auf das Banat, bezieht, und sie tut es voll der erhabensten, aufrichtigsten Gefühle: Liebe zur Heimat, Freude an ihrer Schönheit, Achtung vor den Menschen und ihrer Arbeit, vor ihrer Tradition. Es ist eine Kunst die tief in dem vertrauten Heimatboden und seinen Überlieferungen verankert ist.
Der Maler wurde am 28. Mai 1877 als Sohn Feldschers in der Gemeinde Tschene unweit von Hatzfeld geboren. Nach Abschluß seines Kunststudiums in Budapest unternahm er Bildungsreisen nach Österreich, Deutschland und Italien und kam ins Banat zurück. Hatzfeld war seit 1910 die Wahlheimat des Malers, wo er bis ins hohe Alter schlicht und ungekünstelt, ehrlich und bescheiden an seinem Lebenswerk schuf.
Der Maler erhielt von seinen banatschwäbischen Landsleuten bereits 1906 seinen ersten großen Auftrag: "Die Ansiedlung der Deutschen im Südosten" zu malen. Das Einwanderungsbild mit seinen Teilen: "Wanderung", "Rast" und "Ankunft", eine figurenreiche Komposition, ist ein geschichtlich-ethnographisches Dokument aus dem Leben der Banater Schwaben. Es schildert überzeugend und ergreifend das Schicksal der Ansiedler, die im 18. Jahrhundert vom Rhein bis zur Donau über Ulm, Wien, Ofen bis ins Banat voller Hoffnung einer neuen Heimat entgegengezogen waren. Gern bezeichnet man das Einwanderungsbild als Jägers Hauptwerk, schon weil dieses Triptychon durch seine beträchtlichen Dimensionen die größte und figurenreichste Arbeit des Malers ist, und vor allem, weil es sehr populär ist, durch Reproduktionen weit verbreitet wurde.
Doch erst nach diesem ersten großen Schwabenbild, das thematisch dem Leben der Heimat entsprungen ist und für seine Landsleute bestimmt war, beginnt Stefan Jäger sich intensiv mit der Welt und dem Schaffen der Banater Menschen auseinanderzusetzen, er wurde der beliebteste Maler der Banater Schwaben.
Über Stefan Jäger wurde schon viel gesagt und geschrieben. Sein reichhaltiges Lebenswerk wurde von Kennern und Liebhabern entsprechend gewürdigt. Wir wollen es darum nur knapp überblicken.
Die Gedenkstätte im ehemaligen Atelier des Malers enthält nur einen kleinen Teil seines Lebenswerkes, das Hunderte, ja Tausende von Skizzen und Arbeiten in Öl und Aquarell umfaßt, die kreuz und quer über die Banater Heide und Hecke und über die Grenzen hinaus verstreut sind. Dies ist ein Beweis dafür, daß Stefan Jägers Werk Eigentum des Volksstammes geworden ist, aus dessen Leben, Arbeit und Festen, Sitten und Bräuchen es entsprungen ist.
Da die meisten der hier ausgestellten Arbeiten Skizzen sind, möchten wir auf diese intimsten Schöpfungen des Malers eingehen, da sie dem breiten Publikum weniger bekannt sind, auf diese Blätter, worauf das Banater Volksleben in seiner Vielfalt und Buntheit festgehalten ist, sei es mit Bleistift, Tusche oder in den durchsichtigen frischen Farbtönen des Aquarells, wollen wir aufmerksam machen. All diese Skizzen wurden nicht auf dem Reißbrett oder auf der Staffelei im Atelier entworfen, sondern sie sind auf den täglichen Wanderungen, inmitten der Natur, inmitten des Volkslebens aus unmittelbarem Erleben entstanden.
Die Banater Ebene im Wandel der Jahreszeiten, die Felder und Fluren oder das Banater Heidedorf mit den kleinsten weißen Häusern der Ärmsten am Dorfrand, die Roßmühle, schon damals eine Seltenheit und heute ganz verschwunden, ist nur noch in den Bildern Stefan Jägers verewigt. Die Feldarbeit: das Ackern und Säen, Schnitt und Drusch, Maisernte, Weinlese, die Heimkehr vom Felde und viele andere Aspekte des täglichen Lebens sind detailtreu wiedergegeben. Der Bauernhof mit all seinem Zubehör, sowohl der Vorderhof mit seinen Blumenbeeten als auch der Hinterhof mit den Stallungen, dem Vieh, den Hühnerhöfen, das Bauernhaus mit den schmucken Barockgiebeln, die Bauernwohnung mit den einzelnen Möbeln vom Zapfenbrett bis zum Spinnrad, all dies gab dem Maler Anlaß zu liebevoller Schilderung.
Blättern wir aber weiter in dieser Schatzkammer kostbaren Volksgutes, so erfreut sich unser Auge an der Farbenpracht der Trachtenskizzen. Mit demselben Blick für das Detail notiert der Maler auch darin die kleinsten Unterschiede in den Trachten der verschiedenen schwäbischen Dörfer. Von den Kindern bis zu den Erwachsenen, den Mädchen und Frauen sind alle in ihrem Alltagskleid sowie in ihrem Sonntagsstaat aufgezeichnet.
Es gibt keine Feste oder Bräuche der schwäbischen Dörfer, die nicht ihren Niederschlag in den Werken des Heimatmalers Stefan Jäger erfahren hätten. Die Kerwei ist in allen Einzelheiten erfaßt, das Maibaumsetzen, das Erntefest mit seinem Aufzug, Hochzeit und Taufe, Christkind-Engel und Belzebub, Silvesterständchen, Faschings- und Trachtenbälle, Mußestunden in einer Spinnstube, Plauderstündchen auf dem Gassenbänkel oder die Kartenpartie der Männer, Dorfmusik mit Tanz und Neckerei – ein idyllisches Bild des Dorfes im Festtagskleide.
Man könnte noch unzählige Themen anführen, die Jäger aus dem unerschöpflichen Reichtum bunten Volkslebens für die Nachwelt gesammelt hat. Es sind wahrheitsgetreue, mit strengster Genauigkeit und Sorgfalt ausgeführte Bilder der Wirklichkeit, die viel Wärme und Liebe, das ganze Verständnis des Malers für seine Mitmenschen ausstrahlen eine umfassende schwäbische Trachtenschau und in Bildern gestaltete Banater Volkskunde.
Betrachten wir Stefan Jägers Lebenswerk näher, so fällt uns auf, daß Blumenmotive in fast allen seinen Bildern zugegen sind, sei es in den Stilleben als selbständiges Motiv, in den Figurenbildern als landschaftlicher Hintergrund, in seinen Landschaften als stimmungsschaffendes Element oder in den Trachtenbildern als farbenfrohes Ornament. Immer wieder hat der Maler ein poesievolles Motiv aus der nahen und vertrauten Natur seinen Bildern beigefügt, ein Zeugnis für die Fähigkeit, auch die kleinsten, unscheinbarsten Dinge scharf zu beobachten und die Stimmung der Jahreszeiten in seine Bilder zu bannen.
Im Garten der Kunst Jägers finden wir Blumen, Blüten und Blätter verschiedenster Sorte: die bunte Welt der Feldblumen mit Kornblumen, Rittersporn und Klatschmohn, vereint in buntem Reigen, darüber lächelt Himmelsbläue; Wiesenkleeblüten, Löwenzahn mit seidigschillernden Federkronen, Blätter, Gräser und Halme, alles spricht uns freudig und vertraut an; ein sommerlicher Strauß, frisch von der duftenden Juniwiese heimgebracht, eine frohe Inspiration, in der sich lichte Farben zu einer Harmonie von starker Leuchtkraft vereinen; das bescheidene Veilchen oder das Stiefmütterchen in kleinen Vasen auf dem Tisch, Geranien in den Fenstern der Bauernhäuser, Flieder und Oleander im Hof und Garten, Chrysanthemen in ihrer Form- und Farbenvielfalt, prunkvolle Rosen, Lilien und Nelken in kostbaren Kristallvasen – sind unserem Auge wohlgefällige Bilder, die Stefan Jäger geschaffen hat: unmittelbar erschließen sich alle Schönheiten, alles spricht uns freudig und vertraut an, es jubelt uns zu.
Heute flicht man Stefan Jäger den schönsten Blumenkranz mit Blüten aus der Heide und Hecke und aus weiter Feme; sie kommen aus den Herzen jener, in deren Stuben des Malers Bilder nicht nur ein freudiger Blickfang sind, sondern ein Stück Tradition, ein kostbares Erbe der Väter, ein Stück Heimat bedeuten.

("Stafette"-Mitglieder waren aktive Mitgestalter des Festprogrammes)

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