Stefan Jäger Archiv

Ein Bild und sein Maler

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0037
Autor Name: Nikolaus Engelmann
Titel des Artikels : Ein Bild und sein Maler
Untertitel des Artikels: Stefan Jägers Einwanderungsbild
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Neuland
Erscheinungsort: Salzburg
Jahrgang: 13
Datum: 03.09.1960
Folge: 36
Seite: 6
* [[Nikolaus Engelmann]]: [[ART:0037 - Ein Bild und sein Maler|<i>Ein Bild und sein Maler</i>. Stefan Jägers Einwanderungsbild]]. Neuland, Salzburg 03.09.1960 (Jg.13 Folge36), S. 6

Stefan Jägers Einwanderungsbild

Dieser Tage hat es sich wieder einmal zugetragen, dass mich Landsleute in ihre Stube geführt und mir voll Stolz an einer Wand, geschmackvoll eingerahmt, das Bild „Die Einwanderung der Schwaben“ gezeigt haben. Es hat gottlob wieder viele Freunde gefunden und soll uns daher Anlass sein, seines Meisters, des Hatzfelders Stefan Jäger, des ältesten aller schaffenden schwäbischen Künstler, zu gedenken. Sein Lebenswerk umfasst viele hunderte Blätter, Zeichnungen, Aquarelle, Arbeiten in Öl und eben sein Hauptwerk, das Einwanderungsbild.
Geboren wurde er am 28, Mal 1877 in der gemischtsprachigen Gemeinde Tschene. Dort war sein Vater, Franz Jäger, Feldscher, das heißt, er hatte zu seiner Barbierkunst auch die Künste zur Ader zu lassen und Zähne zu ziehen erlernt. Die Mutter, Margarete geb. Schuler, war eine Billederin. Der Schulweg des Malers führte von der Volksschule in Tschene über eine private Bürgerschule in Temesvar, in der damals noch deutsch unterrichtet wurde, und die sechsklassige Bürgerschule in Szeged an die Musterlehranstalt für die Ausbildung von Zeichenprofessoren in Budapest. Sein Talent wurde schon in Szeged entdeckt, wo sein aus dem Burgenland stammender Zeichenlehrer Obendorf es war, der den begabten Schüler nach Budapest verwies. Obwohl er dort die großen historischen Gemälde seines Meisters Székely Bertalan als Vorbilder zu studieren hatte, Gemälde, die damals dem Staats- und Volksbewusstsein und dem Nationalstolz der Ungarn großen Auftrieb gaben, richteten sich die Blicke Jägers nach seiner Banater Heimat. Sie war das Ziel auch während seiner Wanderjahre, die ihn nach Wien, München, Stuttgart und nach Venedig führten. Im Jahre 1901 kam er in das Banat zurück und blieb ihm mit seinem ganzen Wesen und seiner ganzen Kunst bis auf den heutigen Tag verbunden. Nur 1906 gab es nochmals eine Unterbrechung, als er eine Studienreise nach Deutschland unternahm, um für sein damals schon, geplantes großes Bild alle Unterlagen zu erreichen und, vor allem, um die Trachtenkunde zu studieren. Aus diesen Studien ist eine Fülle von Zeichenblättern und Skizzen hervorgegangen, die den Meister schon sehr nahe an seine eigentliche Lebensaufgabe herangeführt haben: die Welt der schwäbischen Menschen, ihre Arbeit und ihre Feste darzustellen. Uns überfällt wirkliches Heimweh, wenn wir gelegentlich bei Freunden Jägerscher Kunst vor einem seiner Aquarelle stehen – es gibt deren Gott sei Dank einige in Deutschland und Österreich –, seine Hochhaltung des einfachen Lebens und seine Ehrfurcht vor den Dingen bewundern dürfen. Seine Bilder sind Erzähltes mit Stift und Pinsel, klar und ehrlich in der Zeichnung, verhalten in der Farbe und in ihrem inneren Gehalt. Aus ihnen leuchtet Sinn für Güte und Liebe zum schwäbischen Volkstum.
Mancher hat sich auch daran gestoßen, dass Jäger so malte und so malt, als wäre das Banat das schönste Land der Welt. Die Kunst Jägers richtet sich aber auch nach dem kleinem Mann, und der sah diese Welt immer naturgetreu. Ihn beseligt die barocke Bewegtheit der Bilder und die Liebe zum Dekorativen. Sicher, viele seiner Bilder sind schwerelos. Uns ist aber immer noch jene Gefühlsseligkeit zu eigen, die Jäger mit seiner Kunst einzufangen weiß. Seine Bilder schweifen nicht von der Wahrheit ab, wenn sie auch von der Phantasie in der Liebe zum Gegenstand genährt sind. Von daher gesehen ist seine Kunst immer still gewesen. Sie hat deshalb eine so große Streuung erfahren. In der Stille seiner Bilder spürt man, wenn man das so sagen darf, die heiligen Wasser der Heimat fließen und deshalb ist Jäger ein Maler des Volkes.
Doch zurück zu seinem Einwanderungsbild, das nun hier wieder in vielen Stuben hängt. Es entstand in der Zeit zwischen 1906 und 1910, war von dem Gertianoscher Grundbesitzer Adam Röser angeregt und gefördert worden und wurde im Jahre 1910 auf einer Landwirtschafts- und Gewerbeausstellung in Gertianosch enthüllt. Wir wollen uns hier die eingehendere Beschreibung des Bildes ersparen – es ist in einer sehr geglückten Reproduktion im Pannonia-Verlag in Freilassing erschienen, einen Ausschnitt bringen wir in der heutigen „Neuland“-Nummer auf Seite 1 –, wollen aber darauf verweisen, dass auch in diesem Gemälde alle Eigenarten der Jägerschen Kunst anzutreffen sind.
Das Bild hat eine sehr bewegte Geschichte. Seine Ausmaße, 6 x 1,40 Meter, rücken es unter die Monumentalgemälde und so war es verständlich, dass es sehr bald in öffentlichen Besitz gelangte. Um 2000 Kronen wurde es von der Stadt Temesvar angekauft und im Banater Museum untergebracht. Im Jahre 1942, als die deutsche Volksgruppe in Rumänien eine eigene Forschungsstelle in Temesvar errichtet hatte, kam es in den Besitz dieser Institution, war gegen Ende des Krieges nach Blumenthal evakuiert und wurde 1945 wieder nach Temesvar zurückgebracht. Zur Zelt ist es, wenn die Informationen stimmen, im neuen Museum der Stadt Temesvar, im ehemaligen Rittersaal des Hunyadischlosses, untergebracht.
Der jetzige Franz Liebhard und ehemalige Robert Reiter, den wir immer als einen der stillen Repräsentanten gepflegter Geistigkeit und Kultiviertheit, als, Kunstfreund und Kenner geschätzt und verehrt haben, schreibt in einer umfangreichen Würdigung des Malers Stefan Jäger zu dessen 80. Geburtstag im Bukarester „Neuen Weg“ vom. 24. Mai 1957 – wir verdanken dem Beitrag die biographischen Daten und manche Anregung:
„Als ein wertvolles menschliches und malerisches Zeugnis wird das Einwanderungsbild, Stefan Jägers unverändert die Sprache der Liebe zu den Menschen sprechen, die einem guten Zweck zuliebe zusammengreifen und bereit sind, als Mühende und Beladene ihren Weg zu suchen, bis sie feste Erde unter den Füßen fühlen und voller Zuversicht sagen können: Hier sind wir daheim, da senken wir unseren Spaten in die Erde, da zünden wir unsere Herdfeuer an und pflanzen ringsherum Bäume. Wie werden wir uns freuen, wenn über der Glut unseres Herdes das Brot gebacken sein wird und wir es teilen können mit den Gutgesinnten, die morgen ihr Brot mit uns teilen würden, wenn unsere Glut aus unvorhergesehenem Grund zeitweilig verlöschen sollte.“
Wir setzen diese Worte vollinhaltlich bewusst hierher, denn sie sind auch für unsere Welt hier genau so beherzigenswert und sind Grund, dass dieses Bild in die donauschwäbischen Stuben kommen müsste.
Stefan Jäger lebt heute mit seinen 83 Jahren noch voller Rüstigkeit und Schaffenslust in Hatzfeld. Ihn verbindet eine gute Freundschaft mit dem ebenfalls in Hatzfeld lebenden Dichternestor der Banater Schwaben Peter Jung. Beider Leben verläuft still und (…?) abseits von der Banater schwäbischen Gesellschaft. Jäger erhielt für seine „realistischen malerischen Schöpfungen den Arbeitsorden der Rumänischen Volksrepublik und bezieht ein angemessenes Ruhegehalt. Wir hier bedauern nur aus ganzem Herzen, dass der Eiserne Vorhang auch die Welt der Kultur und der (…?) trennt. Die Kunst Jägers fände hier viele Freunde. Manches Bild und manche Zeichnung würde, hier gewiss die Wohnung seiner Landsleute bereichern. So dürfen wir uns immer freuen, wenn wir gelegentlich einem der geretteten Bilder begegnen. Dann kommt einem aber immer das „Gebet für die Maler“ von Wilhelm Franke auf die Lippen, in dem es heißt:

„Nicht für mich bitte ich –
für meine liebsten Brüder, die Maler!
Ich weiß sie verborgen leben
im letzten Dorf,
verwirrt bis in der Seele Urgrund
vom Bergsturz der Zeit.

Herr, gib, dass ihrem Tische das Brot nicht fehle,
ihrem Herd nicht das Feuer;
gib ihnen wahre Freunde mit bilderlieben Augen
und hilfreichen Händen!“


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