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Maler seiner heimatlichen Gefilde

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0052
Autor Name: Karl-Hans Gross
Titel des Artikels : Maler seiner heimatlichen Gefilde
Untertitel des Artikels: Heuer wäre Stefan Jäger 90 Jahre alt geworden
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Die Wahrheit
Erscheinungsort: Temeschburg
Jahrgang: 11
Nummer: 1525
Datum: 01.06.1967
Seite: 3
* [[Karl-Hans Gross]]: [[ART:0052 - Maler seiner heimatlichen Gefilde|<i>Maler seiner heimatlichen Gefilde</i>. Heuer wäre Stefan Jäger 90 Jahre alt geworden]]. Die Wahrheit, Temeschburg 01.06.1967 (Jg.11 Nr.1525), S. 3

Heuer wäre Stefan Jäger 90 Jahre alt geworden

Es ist keine leichte Sache, auf engem Raum den Künstler und Menschen Stefan Jäger zu werten, sein Wirken und Werken zu umreißen.

Heimkehr vom Felde - WK:0234
Hühnerhof - WK:0540
Seit der Eröffnung der Stefan-Jäger-Gedenkausstellung kommen täglich Besucher, die die Kunst des Meisters würdigen

Oftmals hatte ich dieser Tage die Signatur des Meisters gesehen: St. Jäger. Diese vertrauten Schriftzüge in ebenholzfarbenem Schwarz - zumeist rechts, unten und nur selten in gleicher Höhe links - mit dem geschwungenen „S" und der weit ausholenden Schleife des „J“, die sich beim Verschluss der Schlinge nochmals knotet und in sauberer, klarer Form die anderen Buchstaben des Namenszuges folgen lässt, sind weit mehr als ein bloßes Attribut, der Hunderte von Gemälden, Aquarellen, oder Skizzen, sie sind ein Bestandteil der Jäger-Bilder, der künstlerischen Aussage. Klar und deutlich wie die Schriftzüge des Meisters erscheinen auch die Kompositionen der zahlreichen Bilder in Öl, Aquarell und Pastell, in Kohle, Tusch,. Blei- und Buntstift.
Zu den beliebtesten und meistbekannten Gemälden des Künstlers - ein Großteil davon ist im Regionalmuseum ausgestellt - zählen außer dem Einwanderungsbild und den großartigen Trachtenbildern, die Hühnerhöfe, die in verschiedensten Variationen unzählige Male vom Meister, in Öl- und Wasserfarben, für seine Landsleute gemalt wurden. Hühner kann man in jeder häuslichen Dorfwirtschaft sehen. Sie gehören mit in den Beschäftigungsbereich des Menschen, als nutzbringende Wesen. Wiederholt hat er diese gefiederten Tierchen zum Kernstück seiner Komposition gemacht. Das ganz strahlt Bewegung und doch Ruhe aus. Menschen sind diesmal keine da. Weder im Hühnerhof oder in der Heidelandschaft, noch bei dem buntfarbenen Feldblumensträußchen mit den leuchtenden Pipatschen. Doch ob der Mensch in die Handlung hineingestellt ist oder nicht, man spürt oder ahnt zumindest seine Nähe, sein Wirken und Werken, seine Lebenskraft. Optimismus, Zufriedenheit und Schaffensfreude, keine konfliktgeladenen Situationen, sondern Harmonie in Komposition, Handlung und Farbe - das kennzeichnet die Bilder Stefan Jägers. Jahrzehnte hindurch schuf der Meister Trachtenbilder, Landschaften, Hühnerhöfe und Stilleben, malte er seine Landsleute bei der Arbeit, bei Festen, in den verschiedensten Lebenslagen. Unzählige Originale lässt er als Varianten wiederkehren. Dieses „Wiederholen" der Motive ist aller weit mehr als ein simples Reproduzieren, deshalb dürfen wir ihren künstlerischen Wert keineswegs einengen. Jägers Varianten zeugen von einem immer wieder neuen Erleben. Sie sind nicht das Erlebnis eines mechanischen, gedankenlosen Wiedergebens. Die künstlerische Begabung des Meisters wächst an jeder variierten Komposition. Das Hauptmotiv bleibt der Inhalt: er vertieft sich durch die sinnvolle, stilgerechte, einheitliche und wirklichkeitstreue Gestaltung, durch Verinnerlichung und Klarheit der Formen. Diese Feststellungen können an zahlreichen Bildern auf ihre Gültigkeit geprüft werden, wie: „Sonntags auf dem Dorfe“, „Kehrweihfest“, „Jahrmarkt“, „Auf dem Flur“, „Drehorgelmann“, „Cholerakreuz“ u. a. m. Auch am „Einwanderungsbild“, das zuerst als „ursprüngliches“ erscheint und später zum großartigen Original-Triptychon heranreift.
Wer Stefan Jäger kannte, den Künstler und den Menschen, der weiß, dass er Land und Leute liebte. Er, ein stiller Freund, ein großer Schweiger, war vertraut mit den althergebrachten Sitten seiner Landsleute, ihren herrlich-buntfarbenen Trachten, dem sprichwörtlichen Fleiß, den traditionellen Festen, dem Auf und Ab der Sorgen und Freuden. Dieses Geschehen widerspiegelt sich in seinen Werken. Nur selten standen diese Menschen - Männer, Frauen und Kinder - in seiner Werkstätte Modell. Der Maler malte und skizzierte das Leben in seiner natürlichen, ungekünstelten und unverfälschten Form. Er beobachtete, skizzierte und notierte, was er vor sich sah und was er empfand. Wie oft muss der Meister auf Wanderung, allein oder mit seinem Freund, über Fluren und Wiesen, durch Dörfer gezogen sein, ohne den Pinsel gerührt oder den Zeichenstift gezückt zu haben?! Wie wunderbar muss dieses geistige und seelische Erleben der Natur - ihrer Schönheit, ihrer malerischen Pracht - für den Meister gewesen sein, wie stark müssen sämtliche Saiten seines künstlerischen Empfindens mitgeschwungen haben, wenn er nachher imstande war, alles aus seinem Gedächtnis, aus sich heraus, neu zu gestalten.
Oft auch hat der Meister auf seinen Wanderungen, vor allem aber im Atelier, seine Beobachtungen skizziert. Davon zeugen über 600 Skizzen und Studien in Tusch, Aquarell, Kohle und Zeichenstift. Vollendet hat er seine Arbeiten jedoch immer daheim, in seiner Werkstätte. Hier entstanden die Ölgemälde und Aquarelle, hier verknüpften sich die in der Skizze festgehaltene Realität und die Erinnerung mit seiner klaren Phantasie und fanden ihren einheitlichen Ausdruck. Die Bilder Jägers atmen Atmosphäre, vermitteln Empfindungen. Stets hat man das Gefühl, als stünde der Gestalter selbst mitten in diesem Geschehen, das er uns aus eigenem Erleben und aus eigenen Erfahrungen darstellt. Jägers Bilder sind vor allem durch Selbsterleben gekennzeichnet.
Beim Betrachten eines Jäger-Bildes überrascht die einfache, klare und deutliche Sprache des Künstlers. Jägers Sprache ist Wirklichkeit, ist lebendig und naturgetreu. Das macht seine Bilder beliebt. Das schlagend Einfache seiner Komposition, die treffsichere Charakterisierung seiner Landsleute frappieren, schlagen den Betrachter in Bann und lassen ihn das Geschehen miterleben. Die Zeichnung ist fein und doch betont. Die Pinselstriche sind zart und doch kräftig aufgetragen. Während die früheren Werke ein etwas farbgedämpftes Kolorit aufweisen, sind die späteren heller und lassen die Komposition schärfer hervortreten. Jedoch ist seine Farbtönung immer malerisch-leuchtend jedes Stück der Leinwand reich an Farbwerten.
Mit vollem Recht können wir behaupten, dass der Meister durch bewusste Einfachheit dem Bildbetrachter seine künstlerischen Ziele begreiflich machen wollte, denn in den Aufzeichnungen Stefan Jägers (1957) finden wir folgende Zeilen: „Meine künstlerische Tätigkeit war hauptsächlich dahin gerichtet, meinen Landsleuten gewissenhaft ausgeführte Bilder, in leicht verständlicher Form, mit Motiven aus dem Banater Volksleben und Landschaften zugänglich zu machen.“
All diese Merkmale und Besonderheiten verleihen den Bildern Stefan Jägers hohen künstlerischen und dokumentarischen Wert.

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Fünf Jahrzehnte hindurch wirkte Stefan Jäger in seiner Wahlheimat. Als dreiunddreißigjähriger Kunstmaler hatte er sich in Hatzfeld niedergelassen und hier (1910 - 1962) Hunderte Bilder geschaffen. Unzählige Wanderungen führten den Meister an Werk-, Sonn- und Feiertagen Fluren und Auen zu den schmucken Dörfern, wo er aus dem Born des Lebens, der Arbeit, Sitten und Feste seiner Banater Landsleute schöpfte.
Vor neunzig Jahren, am 28. Mai 1877, wurde Stefan Jäger in der Heidegemeinde Tschene, Rayon Temeswar, geboren. Seine allgemeine Schulbildung erhält er im Geburtsort, in Temeswar und Segedin. Seine Künstlerische Ausbildung beginnt mit dem Jahre 1895. Unter Professor Bartholomäus Székely und Professor Balló studierte Stefan Jäger in Budapest Bildende Kunst.
1901 begibt sich der junge Kunstmaler auf seine erste Studienreise und kommt nach Österreich (Wien), Deutschland (München, Stuttgart) und Italien (Venedig).
Ab 1902 malte er in Budapest; auch in Tschene. In dieser Zeit entstehen zahlreiche Bilder, die auch in seiner Heimat ihre Bewunderer finden. Stefan Jäger erhält zahlreiche Aufträge. Auf Anregung seiner Gertjanoscher Landsleute unternimmt er eine zweite Studienreise (1906), die ihn nach Stuttgart, Ulm und Nürnberg führt, um Trachten, Sitten und Gebräuche der schwäbischen Einwanderer zu studieren. So kommt das Einwanderungsbild zustande. 1910 wird dieses Werk Stefan Jägers – das Triptychon „Wanderung, Rast, Ankunft“ in Gertjanosch (im Rahmen eine Festlichkeit) enthüllt. Noch im selben Jahr lässt sich der nun bereits bekannte Kunstmaler in Hatzfeld nieder.
Es folgen Jahre schöpferischer Tätigkeit.
1957 wird dem Altmeister (zum 80. Geburtstag) für sein langjähriges künstlerisches Schaffen der Arbeitsorden verliehen.
Stefan Jäger ist vor fünf Jahren aus dem Leben geschieden (16. März 1962), doch der Mensch und Künstler lebt in seinem Werke fort.

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