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Stefan Jäger – der Schwabenmaler

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0061
Autor Name: Franz Liebhard
Titel des Artikels : Stefan Jäger – der Schwabenmaler
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Karpaten Rundschau
Untertitel der Publikation: Wochenschrift für Gesellschaft Politik Kultur
Erscheinungsort: Kronstadt
Jahrgang: 1(XII)
Nummer: 5
Datum: 29.03.1968
* [[Franz Liebhard]]: [[ART:0061 - Der Schwabenmaler Stefan Jäger|<i>Stefan Jäger – der Schwabenmaler</i>]]. Karpaten Rundschau, Kronstadt 29.03.1968 (Jg.1(XII) Nr.5),
Stefan Jäger: Aquarellskizze zur „Kerweih" - WK:0392

Der vor einigen Jahren in hohem Alter hingeschiedene Maler Stefan Jäger hat ein Lebenswerk hinterlassen, das Motive, Themen und Gestalten betreffend fast in seiner Gänze vom Dasein der deutschen bäuerlichen Bevölkerung des Banats bestimmt war. Wenn er daher sehr früh schon Maler der Schwaben genannt wurde, so liegt die Ursache doch nicht allein im thematischen Übergewicht. Es lassen sich auch andere Tatsachen anführen, die nicht wenig zum Aufkommen dieser Benennung beigetragen haben.
So sei darauf hingewiesen, dass Jäger, dessen Vater Feldscher gewesen, sein ganzes ungemein arbeitsreiches Leben inmitten der schwäbischen Bauernbevölkerung verbracht hat, trotzdem aber das zu bleiben vermochte, was im wörtlichen Volksmund ein „Herrischer" hiess, Zugehöriger zu einer in der Kleidung und den Gewohnheiten, der Denk- und Sprechweise vom Landmann sich stark unterscheidenden Menschengattung. Wie dieser Widerspruch in seinem malerischen Schaffen einen Ausgleich fand, ohne irgendwo auch nur die geringsten Risse zu hinterlassen, ist mit zu den Bedingungen zu zählen, unter denen sein dem Umfang nach heute kaum überblickbares Werk in sechs Dezennien entstand, anwuchs, in die Breite und in die Tiefe ging, um schliesslich am Ende aller Mühen den harmonischen Abschluss des nunmehr Vollbrachten zu finden.
Man sah ihn nie mit der atemheissen Leidenschaftlichkeit engagiert, die so kennzeichnend für den Maler ist, dem – bildhaft gesprochen – das Herzblut in den Pinsel sickert, zum Zeichen, dass sich eine vollkommene Integration zwischen Umwelt und Künstler vollzogen hat, ein Ineinanderwachsen, das beide als unaufspaltbare Einheit erscheinen lässt. Kühle Gelassenheit, eine nicht aus dem Gleise geratende Gemessenheit, eine sich stets durchsetzende Distanzierung – daraus ergeben sich Grundzüge Stefan Jägers. Sein menschliches und künstlerisches Wesen bauen sich aus diesen Eigenschaften zusammen. Es ist in entscheidender Weise auf Wahrnehmung und Beobachtung, auf gewissenhafte Aufbewahrung und sorgsame Pflege gerichtet. Mag man auch den gefühlsstarken Schwung vermissen, das Eindringen in tiefere seelische Lebensschichten nur zaghaft angeklungen finden, so hebt einen über solche Fehlnisse die Eindeutigkeit hinweg, mit der sich Jäger für alles Gegenständliche einsetzte, das dem volkseigenen Schöpfungs- und Formungsdrang entsprungen, als Tracht oder Möbelstück, als Gerät oder Ornament uns so viel von der Eigenart des schwäbischen Bauerntums zu vermitteln hat. Denn über das Materielle von all dem Aufgezählten hinaus, teilt sich daraus Geist und Lebensauffassung der schwäbischen Bauernschaft mit, die Einstellung zu ihrem All- und Festtag, ihr Schönheitsempfinden in engster Berührung mit der Nützlichkeit als einem Prinzip, nachdem sie langeher gewohnt war, ihr Leben einzurichten.
Sind die Grenzen da eng und zugleich weit gezogen, so ergeben sich daraus in unmissverständlicher Weise Kennzeichen für die Jägersche Art, Wahrgenommenes und Geschautes als Erlebnis bildhaft darzustellen. Ihm ist die Unmittelbarkeit der Beziehungen zwischen beiden Anlass zum Aquarell, die Durchreifung dieser Beziehungen aber das, was seine Ölarbeiten – denken wir vor allem an das Grossgemälde „Einwanderung der Schwaben" als Voraussetzung erheischt haben.
Die thematische Vielfältigkeit im kleinen, das unausgesetzte Streben, dieses Lebens-Kleine in einer Weise hoch über sich zu erheben und es mit Bedeutungen anzureichern, gab Jäger die Möglichkeit, von verschiedenen Punkten aus den Einsatz zu bewerkstelligen, den er zur Verteidigung, der Volkstracht und damit in Verbindung aller Äusserungen ererbter Volkskunst führte. Es war ein zäher, von Schritt zu Schritt durchdachter Einsatz, ein künstlerischer Militantismus, dessen hauptsächliches Kampfmittel die unausgesetzte Werbung bildete. Er sah es als aussichtsreich an, mit seinem Werk als Maler gegen die drohende Verschüttung eines Volksgutes aufzutreten, die das schwäbische Bauerntum um unwiederbringliche Werte zu berauben drohte. Er malte, uni Gefährdetes zu retten.
Der schweigsame, schlanke, vereinsamte Mann, dessen Vorliebe für den dunklen Anzug strengen Schnittes, und dessen abgewogener Fluss der Rede wichtige Komponenten der Persönlichkeit waren, der nach aussen kaum etwas Subjektives erraten liess, erwies sich dennoch fähig zu einer um so betonteren Verknüpfung seines Selbst in eine Sache, die das Persönlich-Eigene weit überschritt und ihn dadurch dem angelobten Alleinsein zu entrücken vermochte. Fremder in einer Welt grosser Gesten, Einsiedler inmitten aufdringlichen Gewoges von Wohlhabenheiten breiten Skalas, zwischen dem Jimbolia|Hatzfeld]]er Grafenschloss und einer steifen Schicht vermögensstolzer Bauern, fand er seinen Lebenszweck in einer Arbeit, die ihn durch ihre Stille, ihre Ausgerichtetheit auf ein über das Einzelhafte weit hinausgewachsene Schaffensziel und schliesslich durch die Beharrlichkeit zum Streiter werden liess; ohne Posaune und ohne Schwerthieb, doch mit einem überaus scharfen Blick für das, was es unter den Zeitverhältnissen von damals für ihn zu tun gab.
Was er malte, in Aquarellstrichen, die sich seinem Inneren so leicht anpassten, oder in Öl, oder was er mit dem Zeichenstift auf zahllosen Blättern skizzierte, mit erstaunlich-natürlicher Flüssigkeit, mit einer so unbekümmert zur Schau getragenen Verliebtheit in das Detail, das in seinen Augen ein unumgängliches Bauelement des Realen, der Lebenswirklichkeit war –alles, ohne Ausnahme alles, diente zur Demonstrierung dessen, das von dem, was Volksphantasie, diese geschichtlich gewordene und sich unablässig erneuernde kollektive Schöpfungskraft, im Laufe der Zeiten hervorgebracht hat, aus Verschulden der Menschen nichts verlorengehen darf. Einen aufmerksameren, einen verantwortungsvolleren Sachwalter kostbaren Volksgutes als Stefan Jäger kann man sich schwer vorstellen. Er hat als sein eigentlicher Auftraggeber immer das Volk angesehen. Diesem baute er eine Schatzkammer mit der Bestimmung, durch eine heute fast unübersehbar gewordene Vielzahl beredter Zeugnisse anzuzeigen, welch verbindender Form- und Farbensinn, welche Gestaltungskraft dem Trachten grosser Gemeinschaften innewohnt.

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