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Ein Tagebuch Stefan Jägers

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0081
Autor Name: Annemarie Podlipny-Hehn
Titel des Artikels : Ein Tagebuch Stefan Jägers
Untertitel des Artikels: Die Skizzen gehören zu dem wertvollsten, das der Maler hinterließ
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Neue Banater Zeitung
Erscheinungsort: Temeschburg
Jahrgang: 13
Nummer: 2083
Datum: 27.07.1969
Seite: 3
* [[Annemarie Podlipny-Hehn]]: [[ART:0081 - Ein Tagebuch Stefan Jägers|<i>Ein Tagebuch Stefan Jägers</i>. Die Skizzen gehören zu dem wertvollsten, das der Maler hinterließ]]. Neue Banater Zeitung, Temeschburg 27.07.1969 (Jg.13 Nr.2083), S. 3
Im Acker - WK:0526
Schnitter - WK:0193
Guttenbrunner Tracht - WK:0629
Engelsbrunner Tracht - WK:0842

Die Skizzen gehören zu dem wertvollsten, das der Maler hinterließ

Die Stefan-Jäger-Gedenkausstellung im Atelier des Malers in Hatzfeld enthält nur einen kleinen Teil seines Lebenswerkes, das Hunderte ja Tausende von Skizzen und Arbeiten in Öl und Aquarell umfasst, die kreuz und quer über die ganze Heide und Hecke verstreut sind. Dies ist ein Beweis dafür, dass Stefan Jägers Werk Eigentum des Volkes geworden ist, aus dessen Leben, Arbeit und Festen, Sitten und Bräuchen es entsprungen ist.
Über Stefan Jäger wurde schon viel geschrieben. Wir möchten heute auf die intimsten Schöpfungen des Malers eingehen, die dem breiten Publikum weniger bekannt sind und die sozusagen das Tagebuch des Malers bilden. Es sind dies dies die vielen Hunderten verschiedener Größen und unterschiedlichen Qualitäten des Papiers, auf welchen das Banater Volksleben in seiner Vielfalt und Buntheit festgehalten ist, sei es mit Bleistift, Tusche oder in den durchsichtigen frischen Farbtönen des Aquarells. All seine Skizzen wurden nicht auf dem Reissbrett oder auf der Staffelei im Atelier entworfen, sondern sie sind auf den täglichen Wanderungen, inmitten der Natur, inmitten des Volkslebens aus unmittelbarem Erleben entstanden.
Die Banater Landschaft hat Jäger in der verschiedensten atmosphärischen Stimmungen skizziert. Es sind tiefe Erlebnisse der Natur, die sich in ihrem zyklischen Rhythmus der Jahreszeiten bewegt. Mit den sparsamsten künstlerischen Mitteln, durch wenige Umrisse und Farbflächen, die manchmal dünn angedeutet, von Licht durchdrungen und aufgelockert erscheinen, ein andermal wieder verdichtet aufgetragen sind, gelingt es Stefan Jäger in seinen Skizzen, die Atmosphäre der Landschaft festzuhalten. Dies alles ist aus einem tiefen Verständnis und aus tiefer Liebe für die Natur, für die Heimaterde, ihre Vegetation, für die Tiere, die Menschen und alles, was der Mensch selbst geschaffen hat, entstanden.
Zahlreiche Skizzen stellen Szenen aus der Arbeit des schwäbischen Bauern dar: Beim Ackern, Schnitt, Drusch, bei der Maisernte usw.; daneben sind die verschiedensten Geräte – angefangen von der primitiven Egge bis zur Dreschmaschine – in ihren Details aufnotiert. Der Bauernhof mit all seinem Zubehör, das Bauernhaus mit den schmucken Barockgiebeln, die Bauernstube mit den einzelnen Möbeln gaben dem Maler oft Stoff zur Inspiration. Die meisten dieser Themen sind jedoch nicht zu Ölbildern verarbeitet worden, da die Besteller meist Hühnerhöfe und Idyllen bevorzugten.
Blättern wir aber weiter in dieser Schatzkammer kostbaren Volksgutes, so erfreut sich unser Auge an der Farbenpracht der Trachtenskizzen. In sicheren Grundrissen ist eine Bewegung eine Haltung oder der Faltenwurf einer Tracht festgehalten. Hier sind Trachten aus fast allen Dörfern des Banates in ihrer Buntheit aufbewahrt.
Mit demselben Blick für das Detail notiert er auch hier die kleinsten Unterschiede in den Trachten der verschiedenen schwäbischen Dörfer. Von den Kindern bis zu den Erwachsenen, den Mädchen und Frauen sind alle in ihrem Alltagskleid sowie in ihrem Sonntagsstaat aufgezeichnet. Ausführliche Beschriftungen machen uns aufmerksam auf Eigenheiten oder Unterschiede der Trachten oder aber auf Farbe und Muster der Röcke und Schultertücher. Auch die Haartracht der Mädchen und Frauen, ihr Kopfputz sowie ihre Kopfbedeckung ist in zahlreichen gesonderten Studien des Malers anzutreffen.
Zur Zeit der Festtage war Jäger ein rastloser Wanderer. Er zog durch die Dörfer, um Bräuche, Sitten und Trachten seiner Landsleute auf Papier zu bringen. Die Kerwei, das Erntefest und andere Volksfeste sind in allen Einzelheiten dargestellt – angefangen vom Kerweihut und Rosmareinstrauß bis zu Kompositionen mit Vortanz und Lizitation sind zahlreiche Szenen in vielen Varianten von der Hand des Malers mit dokumentarischer Genauigkeit festgehalten worden. Aus der Perspektive eines stillschweigenden Zuschauers, der oft unbeachtet in diesem lustigen Treiben sich in eine Ecke zurückzog, dessen Blick aber nicht das Geringste entging, notierte er eben auf ein Stückchen Papier, das ihm zur Hand war; oftmals war es auch nur ein Packpapier, das ihm eine gastfreundliche Hausfrau reichte, eine Heftseite, die ihm ein Kind gab, ein Zeitungspapier oder die Kehrseite irgend eines Fotos, das er im Hause der Leute fand – ein Beweis der Unmittelbarkeit, aus der heraus seine Skizzen entstanden. Viele dieser Stegreifzeichnungen warf er in Wirtshäusern hin; in ihnen ist der Rhythmus der sich Ländler wiegenden Paare oder der beschwingte Polkaschritt virtuos gestaltet. Die Dorfmusik mit ihren Bläsern, die Tanzpause mit ihren Neckereien der Jugend und nicht zu letzt die Reihen der Zuschauer mit den älteren Frauen, Großmüttern, Tanten und Kindern, sie alle ergänzten das Bild des Dorflebens im Festtagskleide. Viele der Blätter sind überschriftet mit den nötigen Angehen was Farbe, Gruppierung der Personen oder sonstige Einzelheiten betrifft.
Man könnte noch unzählige Themen anführen, die Jäger aus dem unerschöpflichen Quell bunten Volkslebens für die Nachwelt gesammelt hat. Es sind wahrheitsgetreue mit strengster Genauigkeit und Sorgfalt, ausgeführte Bilder der Wirklichkeit, die viel Wärme und Liebe, viel Verständnis des Malers für Mensch und Natur ausstrahlen.
Lassen wir Stefan Jäger selbst zu uns sprechen: „Meine malerische Tätigkeit war hauptsächlich dahin gerichtet, meinen Landsleuten gewissenhaft ausgeführte Bilder in leicht verständlicher Form mit Motiven aus dem Banater Volksleben und Heidelandschaften zugänglich zu machen.“ Diese Worte stehen als Motto in der Ausstellung und über dem gesamten Lebenswerk Stefan Jägers, das seine Liebe zum werktätigen schwäbischen Menschen zum Ausdruck bringt.
Unzählige Werke, sowie Hunderte von, Aquarell-, Tusch- und Bleistiftskizzen sind eine farbenfrohe, lebendige Widerspiegelung der Lebensweise der schwäbischen Bauern, seines Alltags und seiner Feste, der Trachten und Bräuche – eine schwäbische Ethnographie.

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