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Ein Tag für Stefan Jäger

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0196
ART 0196 C.jpg
Autor Name: Walther Konschitzky
Titel des Artikels : Ein Tag für Stefan Jäger
Untertitel des Artikels: Bericht über die 100-Jahr-Feier des Banater Malers
Publikation: Kalender
Titel der Publikation: Neuer Weg Kalender 1978
Verlag: Neuer Weg
Druckerei: Neuer Weg
Erscheinungsort: Bukarest
Jahr: 1977
Seite: 49-52
* [[Walther Konschitzky]]: [[ART:0196 - Ein Tag für Stefan Jäger|<i>Ein Tag für Stefan Jäger</i>. Bericht über die 100-Jahr-Feier des Banater Malers]]. Neuer Weg Kalender 1978. Neuer Weg, Bukarest 1977
Skizzen zu Banater Hausrat, mit dem Vermerk „Gesehen bei der Orcydorfer 150-Jahresfeier“ - WK:0843
Ein häufiges Jäger-Motiv: „Die Heimkehr vom Feld“ - WK:0077
„Rossmühle am Dorfrand“ (Öl) - WK:0190
„Festtag“ in einem Banater Dorf mit gemischter Bevölkerung - WK:0226
„Die Tanzpause“ - WK:0203
Ein Frühlingsbild: „Puppenmütterchen“ - WK:0172
„Großmutter mit dem Kind“ (Öl) - WK:0083
Kerweistimmung – „Bei der ersten Geldfrau“ - WK:0417


Bericht über die 100-Jahr-Feier des Banater Malers

Auf den Tag hundert Jahre nach der Geburt Stefan Jägers feierte das Banater Heidestädtchen Jimbolia „seinen" Maler. Ein ganzer Tag war ihm gewidmet, und die Feier galt nicht einem ihrer Söhne im strengen Sinn des Wortes; sie galt einem in ihr Beheimateten, der vor Jahrzehnten still und unauffällig ankam, hier zurückgezogen lebte und seine Bilder schuf und eines Tages dann nicht mehr da war. Wieder ohne Aufsehen, ohne Getue war sein letzter Weg an einem unfreundlichen Märztag '62, an dem denn auch kein großer Trauerzug zustandekam, dem Mann das Geleite zu geben.
Das Verhältnis der Bewohner dieses Ortes ist in den Jahren seit jenem Märztag ein anderes geworden, und wir wollen nicht als Abbitte für Versäumtes betrachten, was zur Wahrung seines Andenkens seither getan wurde, vielmehr als eine angemessene Würdigung des Künstlers, der sich zum Lebensziel nahm, dieses Stück: Land und seine Leute in all der Vielfältigkeit, die es kennzeichnet, festzuhalten. Man wusste sich dem Mann zu seiner Lebzeit nicht zu nähern, weil er dies nicht wünschte. So war er und so begegnete man ihm, und der Alltag im Hatzfeld jener Jahre ließ auch kaum Zeit, sich über sein menschliches Anderssein weiter Gedanken zu machen. Er war immer da, und jeder hatte einen, freundlichen Gruß für den wortkargen Künstler.
An einem Tag aber gelang es doch noch, dank einem Anlass, der von außerhalb der Stadt kam, dem Maler die Wertschätzung und Achtung, die er im Ort genoss, unvermittelt und beeindruckend zu überbringen. Es war vor 20 Jahren, als dem Maler zum 80. Geburtstag der Arbeitsorden überreicht wurde und es dem damaligen Schuldirektor Prof. Karl Hans Gross glückte, den Jubilar für eine Feierstunde in der Schule einzustimmen. Darüber erzählt Prof. Gross:

„Singen'S mir noch ein Lied"

Als im Jahre 1957 am 28. Mai dem greisen Maler zu seinem 80. Geburtstag der Arbeitsorden überreicht wurde, fand eine Feier statt, bei der unter anderen auch der Maler Franz Ferch und der Komponist Emmerich Bartzer anwesend waren. Man wünschte dem Meister Gesundheit und weiterhin Schaffenskraft, und es kam zu einem angeregten Gespräch. Er dankte bewegt, und ich wagte es, Ihn zu einer Begegnung mit den Schülern unserer Schule einzuladen. Es folgte eine Pause, die mir sehr lange schien, und er fragte: „Wer sind Sie?" Ich beteuerte, unsere Schüler würden ihn gerne als Gast begrüßen, ihn zu seinem Geburtstag und zu der hohen Auszeichnung beglückwünschen. Wieder folgte eine Pause, doch dann sagte er: „Wie stellen Sie sich das vor?" Er sprach leise, doch mir klang es wohlwollend und freundlich. Tags darauf kam Stefan Jäger in die Schule, der Festsaal war schier zu klein. Die Schüler beglückwünschten ihn und boten ihm zu Ehren ein Kulturprogramm in einer schönen Feierstunde dar; sie sprachen Gedichte, sie sangen... Dem alten Mann wurden die Augen feucht und nur mit äußerster Mühe brachte er Worte des Dankes für dieses Fest, das nur ihm galt, hervor. Dann folgte eine Begegnung mit den Eltern unserer Schüler und den Lehrkräften. Der Meister war gesprächiger als sonst — was für uns viel bedeutete! — und man feierte ihn mit Liedern, man beglückwünschte ihn im Namen aller Bewohner der Stadt, die er sich 1910 zur zweiten Heimat gewählt hatte. Es wurde viel gesungen, und in der allgemeinen Feststimmung rief er in die Runde: „Singen'S mir noch ein Lied!" Ein Lehrerkollege sang „Schenkt man sich Rosen…" Dann folgten noch viele Lieder, und die Anwesenden sangen zum Abschluss ihm zu Ehren: „Hoch soll er leben!" Das Fest und die Überreichung des hohen Ordens müssen ihm viel bedeutet haben, denn so freundlich und so gesprächig, so froh hatten wir ihn vorher nie gesehen. Es war uns über die Kinder gelungen, dem Hochbetagten wenige Jahre vor seinem Tod doch noch die Liebe und Achtung, derer er sich in unserer Stadt erfreute, auszusprechen

Nun im Mai tat man es wieder, und man feierte ihn, wie im Banat vielleicht noch nie ein Maler geehrt wurde. Und wieder geschah es über die Kinder und die Jugend, allerdings schlossen sich den Bewohnern von Jimbolia bezeichnenderweise Hunderte Gäste aus den Dörfern der Heide und Hecke an. Was sich an diesem Maitag kundtat, sollte die Bemühungen krönen, die seit dem Tod des Künstlers zur Wahrung seines Andenkens und zur Bekanntmachung seines Lebenswerkes unternommen wurden: 1967 richtete das Banater Museum eine umfassende Retrospektivausstellung in Temesvar ein; 1969 wurde das Atelier des Malers in eine Gedenkstätte umgestaltet, in der neben dem Einwanderungs-Triptychon zahlreiche Bilder, Skizzen, persönliche Gegenstände des Künstlers sowie Dokumentationsmaterial über sein Leben und Wirken untergebracht ist. 1972 brachte der Kriterion Verlag Bukarest eine Jäger-Monographie, zusammengestellt von Annemarie Podlipny-Hehn heraus. Es mag seltsam klingen, dass ein Maler, der schätzungsweise gut über 2000 Arbeiten hinterlassen hat, zeitlebens nur eine einzige Ausstellung — 1930 in Gross-Betschkerek — erlebte. (Prof. Gross, der sich vielleicht am eingehendsten mit Jägers Werk auseinandergesetzt hat, vermutet, dass es auch eine in Grossjetscha gegeben habe.) Seine Bilder waren also ausschließlich durch ihre weite Verbreitung in den Häusern der Banater Dörfer bekannt.
Aus diesem Grund wohl erfreute sich die Bilderschau, zusammengetragen von Prof. Hans Schulz, solchen Beifalls, wie er am Morgen dieses 28. Mai beobachtet werden konnte. Mit der Eröffnung der Ausstellung im Gebäude des Reallyzeums begann der Stefan Jäger gewidmete Festtag.
Hunderte, vielleicht Tausende sahen die 57 Gemälde, Aquarelle und Guachen, unter denen sich auch das letzte — unvollendete — Bild des Malers befand, ein Porträt. Hier im Schulgebäude, in dem er zu seinem 80. Geburtstag gefeiert wurde, fand nun auch die Jubiläumstagung statt, bei der Mitteilungen über sein Leben und Schaffen wie auch über die Rezeption seines Werkes in unseren Tagen vorgelegt wurden. Und von hier zog am Nachmittag der Festzug der über 300 Trachtenpaare auf das Stadion im Stadtpark, wo über 2000 Zuschauer sich zu dem Trachtenfest der Heidejugend eingefunden hatten, das diesmal gleichfalls dem Maler gewidmet war.
Hunderte Trachtenträger in der Festkleidung aller im Banat lebenden Bevölkerungen standen im Stadion; Schülerinnen trugen Verse an die Heimat und das Gedicht „Dem Maler Stefan Jäger" von Peter Barth vor:

„Das ganze Dasein, von der Wiege
Und bis zum Grabe, hieltst du fest
In deinen Bildern, Gang und Stiege,
Den Flur mit seinem Laubgeäst,
Gerätekammern, alte Giebel,
Die Kinderschar bei Spiel und Fibel..."

Der Schubert-Chor aus Temesvar sang zusammen mit dem gemischten Chor von Jimbolia unter der Leitung von Prof. Mathias Schork und Prof. Walter Kindl „Tricolorul", Volkslieder und „Banaterland", das Lied, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut und dessen Autoren Söhne dieser Stadt sind — der Dichter Peter Jung, der Komponist Josef Linster. Neben den über hundert Kinderpaaren und fast ebensovielen Paaren Jugendlicher in der Festkleidung von Jimbolia machten Gruppen aus 18 Ortschaften der Heide und Hecke mit, und eine sächsische Tracht kam aus Siebenbürgen. Volkstänze wurden vorgeführt, Lieder wurden gesungen, und mit einer „Hora unirii" fand das Fest seinen Abschluss, als Symbol der Eintracht gleichsam, in der die Menschen verschiedener Zunge im Banat zusammenleben, und die alle Jäger in seinen Bildern festgehalten hat. Viele hundert Tage seines Lebens widmete er der Darstellung dieser Menschen — einen schenkten die Hunderte nun ihm.

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