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Erinnerungen: Peter Jung

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0318
Autor Name: Stefan Heinz
Titel des Artikels : Erinnerungen: Peter Jung
Untertitel des Artikels: Gekränkt und verbittert
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Banater Post
Erscheinungsort: München
Jahrgang: 32
Nummer: 8
Datum: 20.04.1987
Seite: 11
* [[Stefan Heinz]]: [[ART:0318 - Erinnerungen: Peter Jung|<i>Erinnerungen: Peter Jung</i>. Gekränkt und verbittert]]. Banater Post, München 20.04.1987 (Jg.32 Nr.8), S. 11

Gekränkt und verbittert

Es muss 1964 gewesen sein, als ich, gelegentlich eines bevorstehenden Gastspiels des Temeswarer Deutschen Staatstheaters in Hatzfeld, vom Dramaturgen gebeten wurde, Peter Jung zu besuchen, ihn um etwas zu bitten. Es handelte sich um einige Gedichte zum Thema Freundschaft, Freundeskreis, frohe Geselligkeit beim Wein und dergleichen. Diese Gedichte sollten zu einem gegebenen Anlass von einigen Schauspielern vorgetragen werden.
„Es muss ja einen solchen Freundeskreis gegeben haben", sagte der Dramaturg, „man denke nur an Stefan Jäger, den Maler, Emmerich Bartzer und Josef Linster, Musiker und Komponisten, an Dr. Karl Diel, den berühmten Arzt und an andere Persönlichkeiten aus dem regen kulturellen Leben Hatzfelds zwischen den beiden Weltkriegen. Man denke nicht zuletzt an den Dichter Jung selbst. Dies alles muss doch einen Niederschlag in seinem Werk gefunden haben!" Mir leuchtete das ein. In Hatzfeld angekommen, machte ich mich auf den Weg. Es war für mich kein leichter Gang. Wir kannten einander nicht. Peter Jung war bereits 77 Jahre alt. In welch körperlich-geistiger Verfassung mochte ich ihn antreffen? Nach 1944 war es still um ihn geworden. Der tiefreligiöse Grundzug seiner Dichtung war nicht nach dem Geschmack einer atheistischen Staatsführung. Allein aus seinen Naturgedichten, einem Bruchteil seines Riesenwerkes, war ein schmales Bändchen unter dem Titel „Heidesymphonie" in Vorbereitung oder bereits erschienen. Was dennoch immer wieder an ihn erinnerte, war sein „Das Land, wo meine Wiege stand" in der Vertonung von Linster, das von den wenigen noch bestehenden Chören immer wieder gesungen wurde. Jeder Schwabe kennt es: Dies Land, das ist das schönste Land, mein Heimatland, Banaterland...
Endlich stand ich vor dem kleinen, bescheidenen Häuschen des Dichters am äußersten Rande der Ortschaft. Auch an diesem war zu erkennen, dass er materiell nie abgesichert, dass sehr oft Not und Entbehrung seine Wegbegleiter waren. Peter Jung und seine Frau Therese waren zu Hause. Er war von kleiner Statur. Die Augen in dem vergeistigten Greisengesicht blickten ernst und aufmerksam.
Ich stellte mich vor, überbrachte meinen Gruß vom Dramaturgen des Theaters, der Jung bestens bekannt war und trug mein Anliegen vor. Seine Antwort kam ziemlich schroff: „Solche Gedichte habe ich nicht!"
Ich war ratlos. Wie? Gerade er, der doch Wein und Geselligkeit gewiss nicht verachtet, den seine Muse oft erst umarmt und geküsst, wenn er sich mit einem Marienfelder oder Triebswetterer in Stimmung gebracht hatte - gerade er sollte dem Rebensaft kein Loblied gesungen haben? „Herr Jung", sagte ich zögernd, „Ihr Freund, in dessen Auftrag ich komme, war überzeugt, dass Sie, Linster, Bartzer, Stefan Jäger und andere einen Freundeskreis gebildet haben und…
Ich kam nicht weiter. Mit Zorn und Verbitterung brach es aus ihm heraus: „Stefan Jäger hatte keinen Freund!"
Schon sein erster Satz hatte mich betroffen gemacht, nun war ich bestürzt. Mir ging ein Zusammenhang auf, den ich hie geahnt hatte: Stefan Jäger, der wortkarge Maler, war gewiss ein Einzelgänger, aber er hatte mindestens zwei echte Freunde: Eduard Böß, den Direktor der ehemaligen Bürgerschule und den Arzt Dr. Peter Pink aus dem nahen Ostern. Und dass er, der Dichter Peter Jung - aus welchem Grund auch immer - diesem kleinen Kreis nicht angehört hatte, ausgeschlossen war, musste er als lebenslange Kränkung empfunden haben, die er 1964, zwei Jahre nach Jägers Tod, noch immer nicht überwunden hatte. Oder - waren in diesem Ausbruch die vielen anderen Bitterkeiten eines rastlosen und arbeitsreichen Dichterlebens mit eingefangen! Hatte die Erinnerung an die eine Kränkung noch andere Wunden aufgerissen? Ich weiß es nicht. Die Antwort können vielleicht jene geben, die Peter Jung besser kannten.
Zwei bedeutende Banater Persönlichkeiten, der Dichter Jung und der Maler Jäger, ein Leben lang nebeneinander, in der gleichen kleinen Stadt beheimatet, waren einander fremdgeblieben. Dies bedrückte mich mehr als die Nichterfüllung meines Auftrags.
Am 1. April wäre Peter Jung 100 Jahre alt geworden. Der aus Hatzfeld stammende Dichter (geb. am 1. April 1887, gest. am 24. Juni 1966) hat als Redakteur der „Hatzfelder Zeitung" sich eingeprägt. Ein Teil seines Werkes erschienen z. T. in den Bänden: „Heidesymphonie" (1961) und „Das Land, wo meine Wiege stand" (1980).

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