Stefan Jäger Archiv

Der Ort seiner Wahl – Hatzfeld

Aus Archiv
Version vom 19. Juni 2017, 14:26 Uhr von Nikolaus (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu:Navigation, Suche


Bibliografie
Artikel Nummer: 0363
Autor Name: Karl-Hans Gross
Titel des Artikels : Der Ort seiner Wahl – Hatzfeld
Untertitel des Artikels: Stefan Jäger hat das ,Einwanderungsbild’ gemalt
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Das Donautal-Magazin
Erscheinungsort: Sersheim
Jahrgang: 14
Nummer: 58
Datum: 15.09.1990
Seite: 29-32
* [[Karl-Hans Gross]]: [[ART:0363 - Der Ort seiner Wahl - Hatzfeld|<i>Der Ort seiner Wahl – Hatzfeld</i>. Stefan Jäger hat das ,Einwanderungsbild’ gemalt]]. Das Donautal-Magazin, Sersheim 15.09.1990 (Jg.14 Nr.58), S. 29-32

Stefan Jäger hat das ,Einwanderungsbild’ gemalt

Flurbild - WK:0720 Gouache
Beim Kirchgang am Sonntag - WK:0484 Ölbild
Die Kartenspieler - WK:0394
Das große Triptychon "Die Einwanderung der Schwaben"- WK:0376 Ölbild von Stefan Jäger
Die Vorstraußtänzerin beim Ehrentanz - WK:0212 Ölbild (Detail)
In der Tanzpause - WK:0108 Aquarell (Detail)
Das große Triptychon "Die Einwanderung der Schwaben"- WK:0376 Ölbild von Stefan Jäger
Die Kerweih kommt - WK:0836 Aquarell
Vor dem Ausgang - WK:0267 Aquarell (Detail)

Mit dem Namen unseres Heidestädtchens im Banat ist auch der des Malers Stefan Jäger aufs engste verbunden, wenngleich er auch kein gebürtiger Hatzfelder war und das Licht der Welt in der ungefähr 25 km entfernten Heidegemeinde Tschene erblickt hat (1877). Diese Bezugnahme wird nicht allein durch die Tatsache begründet, wonach Jäger sich im Jahre 1910 Hatzfeld als Wahlheimat auserwählt, sondern vielmehr sein malerisches Wirken über Jahrzehnte hinweg, d.h. genau genommen 52 Jahre hindurch, in dieser von einem wirtschaftlich und kulturell im Aufschwung befindlichen Umfeld geprägten schwäbischen Großgemeinde entfaltet hat.
Hatzfeld hatte zu dieser Zeit an die zehntausend Einwohner und war auf regionaler Ebene zu einem bedeutenden Mittelpunkt für die umliegenden schwäbischen, aber auch nichtschwäbischen Ortschaften geworden, da es sowohl in administrativer wie auch in handels- und kulturpolitischer Hinsicht sich als Bezirksgemeinde mit Stuhlamt in diesem Umkreis zu verantworten hatte. Hatzfeld konnte dieser Anforderung sowohl vom administrativen wie auch (und vor allem) vom wirtschaftlichen Standpunkt her gesehen gerecht werden. Denn bereits um die Jahrhundertwende hatte es sich zu einem bedeutenden Wirtschaftszentrum mit einer aufstrebenden Industrie (die Ziegelwerke Bohn und andere Ziegeleien, Hutfabriken, Mühlen usw.) und einer intensiven Landwirtschaft (Klein-, Mittel- und Großbauern) entwickelt. Dazu hatte es noch einen latifundienartigen gräflichen Besitz auf seinem Boden, dessen gesamte Administration, mit den 40.000 Joch Ackerfeld und den zahlreichen Meiereien, die bis Großbetschkerek reichten, auf Hatzfeld konzentriert war. Diesem Wirtschaftsgetriebe der Großgemeinde und Umgebung stand noch ein überaus meisterliches Gewerbe zur Verfügung und ein reger Handel entfaltete sich in der breiten und langen Geschäftsstraße, die um den „Floriani" angelegt war. Nicht zu vergessen, die Zufahrtsstraßen und die Eisenbahnlinien, durch die Hatzfeld zum Eisenbahnknotenpunkt erhoben wurde und nicht nur mit den umliegenden Ortschaften, sondern auch mit Temeswar, mit Arad, mit Großbetschkerek (durch zwei Linien: die „Torontaler" und die „Schmalspur"), mit Szeged, Budapest und Wien im direkten Zugverkehr (sozusagen nach allen vier Himmelsrichtungen hin) verbunden war. Dadurch konnten Güter, Waren und Personen kommen und gehen, und, wie es im allgemeinen noch heißt, Milch, Rahm, Butter und Käse der gräflichen Meiereien vom "Hatzfelder“ Simplon rasch (sozusagen über Nacht) nach Budapest und Wien zugeliefert werden.
Zu jener Zeit als Stefan Jäger nach Hatzfeld kam, war er gerade durch sein monumentales „Einwanderungsbild“ im Banat und über dessen Grenzen hinaus bekannt geworden, das zu Pfingsten im Rahmen einer großangelegten Bauern- und Gewerbeausstellung in Gertjanosch, in einer eigens zu diesem Zweck errichteten großen Ausstellungshalle, enthüllt worden war. Dieses imposante Werk dürfte auch heute noch, bei den meisten unserer Landsleuten im und aus dem unteren Donauraum, von allen Jäger – Bildern am besten bekannt geworden sein, stellt es doch auf einer geradezu immensen Malfläche von siebeneinhalb Quadratmeter die Besiedlung in drei Bildern, im triptychonalen Aufbau, als „Wanderung“, „Rast“ und „Ankunft“ dar. Dabei gliedern sich die drei Bilder durch ihre kompositionelle Verwirklichung inhaltlich dermaßen zueinander, dass sie zu einem organischen Ganzen im gleichen Raumfeld integrieren und dennoch einen geistigen Bogen über die geographischen Weiten hinweg bis zu den Herkunftsgebieten in der Urheimat spannen. Diese dimensionalen Weiten werden durch die dargestellten Menschengruppen veranschaulicht und überbrückt, indem sie mit ihren originalgetreuen Trachtenkleidern auf die württembergischen, badischen, hessischen, elsässischen, pfälzischen, schwarzwäldischen und westfälischen Aussiedlungsgebiete unserer Ahnen verweisen. Fürwahr, eine einmalige und großartige malerische Komposition, die nicht allein durch ihre Monumentalität, sondern durch die künstlerische Aussage der dargestellten Menschentypen – die da entschlossen einherschreiten (1. Bild), in einer kargen Landschaft rasten (2. Bild) oder schließlich am Zielort ihrer (Auswanderung angekommen (3. Bild) sind – aufs eindringlichste besticht. Damit wären wir sozusagen bei der volksgeschichtlichen Bedeutung dieses Triptychons angelangt, das mit seiner historischen Aussage die Siedlungsgeschichte unserer Ahnen veranschaulicht und als bildhafte Chronik der Donauschwaben angesehen werden kann. Es ist ein historisches Malwerk, das durch seine allumfassende Thematik (Problematik) in typischer, naturgetreuer und artistischer Weise den Schicksalsgang der Siedlerahnen wiedergibt, gleichwohl ob sie in die Batschka, nach Syrmien, in die Schwäbische Türkei oder ins Banat gekommen sind. Demzufolge stellt es insgeheim und in gleicher Weise die Ansiedlung der Schwaben, im 18. und 19. Jahrhundert im unteren Donauraum dar und kann somit als Schicksalsbild aller Donauschwaben betrachtet werden. Dieses Bild (Triptychon) wird im allgemeinen als das Hauptwerk Stefan Jägers angesehen, was gewissermaßen auch zutreffend ist; insbesonders wenn wir auf seine Monumentalität und historische Bedeutung abzielen und Bezug nehmen wollen.
Damit ist es aber nicht genug. Denn, wer den Maler und sein Werk näher kennen lernen möchte, muss erst recht um die vielen Bilder die danach (und auch davor) entstanden sind, bemüht sein. Die ersten Arbeiten Stefan Jägers nach Absolvierung der Budapester Malschule bestanden in Heiligenbildern, Porträts und Idyllen, was auch im Künstlerkatalog von Ulrich Thieme und Felix Becker (Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler v. d. Antike bis zur Gegenwart. Bd. XVIII) vermerkt ist: „Jäger, (…) Maler (…), Schüler der Akademie zu Budapest. Malte Altarblätter für Jazova und Arad …“ Die fruchtbarste Zeit seines malerischen Schaffens setzte aber erst recht mit den Hatzfelder Jahren ein, da Jäger in überzeugender Weise zu seiner Kunst gefunden hat und fast ausnahmslos auf die Thematik des schwäbischen Dorfes orientiert war. Ungezählte Bilder sind entstanden: Gemälde, Aquarelle, Gouache; Skizzen und Studien am Ort des Geschehens.
Mit paar Pinselstrichen und Farben auf Papierstücken aufgetragen, ergaben sie die wundervollen Vorlagen für die Hunderte Bilder von künstlerischem und auch ethnographischem Wert: Schnitt, Schnitter, Schnitterin, Beim Klecken, Beim Garbenaufsetzen, Beiführen, Dreschen, Erntedankfest…, Kerweih, Bei der Vortänzerin, Kerweihbuben, Hutputzen…, Am Wegkreuz, Sonntags beim Kirchgang, In der Kirche…, Dorfstraße, Im Blumengarten, Beim Hühnerfüttern, Mutterglück, Am Spinnrad usf. Es ist gewiss verständlich, wenn wir in der Folge auf die Präsentation von weiteren Malarbeiten hier selbst verzichten, weil diese Zielsetzung schon einer umfassenderen Veröffentlichung über den Maler und sein Werk zugeordnet bzw. vorenthalten ist. Wir wollen mit diesen Zeilen lediglich auf Stefan Jäger und sein Werk verweisen, damit es nicht vergessen (verschüttet) wird. Denn, was erinnert schon an Jäger? Beginnen wir mit Hatzfeld selbst(!). Außer einer kleinen, engen Gasse am Marktplatz, die seinen Namen trägt, einer Gedenkstätte mit Bildern und dergleichen und einigen Publikationen von ehedem – ansonsten weiter nichts(!). Dies ist umso weniger, wenn wir von den Ölgemälden und Aquarellen absehen, die hauptsächlich bei Hatzfelder Familien (hier oder dort) vorzufinden und solcherart nur von wenigen Landsleuten bei gelegentlichen Hausbesuchen (also bedingterweise) wahrzunehmen sind. Ist das genug? Wissen wir doch, dass Stefan Jäger ein donauschwäbischer Maler ist, dessen ästhetisch - künstlerisches Werk von tiefer Verbundenheit und Liebe zum Volkstum getragen wird. In dessen Bildern wird nicht nur Hatzfeld, sondern jedwelches donauschwäbische Dorf und mit diesem im malerischen Werke nicht nur den Maler, sondern uns selbst wiederfinden und erkennen. Wohlauf, dass wir nun recht bald mit Jägers Werk in Wort und Bild beginnen!


PDF-Datei des Artikels