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Stefan Jäger, der beliebteste Maler der Banater Schwaben

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0416
Autor Name: Annemarie Podlipny-Hehn
Titel des Artikels : Stefan Jäger, der beliebteste Maler der Banater Schwaben
Untertitel des Artikels: Zeitung
Publikation: Neue Banater Zeitung
Titel der Publikation: NBZ-Kulturbote
Erscheinungsort: Temeschburg
Jahrgang: 36
Nummer: 9016
Datum: 28.05.1992
Seite: 3
* [[Annemarie Podlipny-Hehn]]: [[ART:0416 - Stefan Jäger, der beliebteste Maler der Banater Schwaben|<i>Stefan Jäger, der beliebteste Maler der Banater Schwaben</i>. Zeitung]]. NBZ-Kulturbote, Temeschburg 28.05.1992 (Jg.36 Nr.9016), S. 3
Datei:ART 0390 1.jpg
"Besuch" Aquarell von Stefan Jäger - WK:0390
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"Kirchgang" Aquarell von Stefan Jäger - WK:0106
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"Ackernde Bauern" Tuschzeichnung von Stefan Jäger - WK:1345

Heuer sind es 115 Jahre seit der Geburt des Malers Stefan Jäger und 30 Jahre seit seinem Tode. Und wenn wir schon von Jubiläen sprechen, so möchte ich noch erinnern, dass 25 Jahre verstrichen sind seit der ersten Retrospektivausstellung des Malers, die sich auf fünf grosse Ausstellungsräumlichkeiten des Temeswarer Museums im Hunyadi-Kastell ausbreitete, die bereits fünf Jahre nach seinem Tode zum 90. Geburtstag des Malers eingerichtet wurde. Heuer sind es auch 20 Jahre seit Erscheinen der ersten Stefan-Jäger-Monographie in deutscher Sprache im Bukarester Kriterion Verlag.
Ist es uns gelungen, vor 25 Jahren eine so umfassende Jäger-Ausstellung im Banat aus Privatbesitz aufzubauen, so konnte heuer eine Jäger-Ausstellung in mehreren Städten der Bundesrepublik Deutschland wie Ingolstadt, Stuttgart, Fürth, Frankenthal und Ulm gezeigt werden, die Werke aus der ehemaligen Gedenkstätte von Hatzfeld und aus dem Besitz der Kunstabteilung des Banater Museums als Leihgabe vereint.
Stefan Jägers Kunst ist dem engeren heimatlichen Lebensraum entsprungen und bleibt einem gewissen Provinzialismus verhaftet. Dabei muss man dieses Wort nicht unbedingt abwertend gebrauchen. Im Falle Jägers handelt es sich viel mehr um eine Kunst, die auch im wahrsten Sinne des Wortes auf diese Provinz, auf das Banat, bezieht, und sie tut es voll der erhabensten, aufrichtigsten Gefühle: Liebe zur Heimat, Freude an ihrer Schönheit, Achtung vor den Menschen und ihrer Arbeit, vor ihren Traditionen. Es ist eine Kunst, die tief in dem vertrauten Heimatboden und seinen Überlieferungen verankert ist.
Der Maler Stefan Jäger wurde am 28. Mai 1877 als Sohn eines Feldschers in der Gemeinde Tschene unweit von Hatzfeld geboren. Volks- und Mittelschule besuchte er in Tschene, Temeswar und Szeged. Ab 1895 studierte er an der Hochschule für Bildende Kunst in Budapest. Nach vierjähriger Ausbildung unternahm er Studienreisen nach Österreich, Deutschland und Italien. Danach begann er in [Budapest]] selbständig zu arbeiten. Hatzfeld war seit 1910 die Wahlheimat des Malers, wo er bis ins hohe Alter schlicht und ungekünstelt, ehrlich und bescheiden an seinem Lebenswerk schuf. Er starb am 16. März 1962.
Der Maler Stefan Jäger erhielt bereits 1906 den Auftrag, ein Gemälde für die Gemeinde Gertjanosch zum Thema "Die Ansiedlung der Deutschen im Südosten zu malen. Seinen ersten Entwurf zu diesem Bild hat der Maler in Budapest ausgeführt. Da man die Trachten als nicht zeitgemäss empfand, verlangte man ein zweites grösseres Bild. Dafür unternahm der Maler eine Studienreise in die Urheimat der Banater Schwaben.
Aus technischen Gründen – wegen beträchtlichen Dimensionen (5 x 1,50 m) – teilte der Maler sein Gemälde in drei Einzelteile, deren Verbindung zum Ganzen er meisterhaft löste.
Im Frühjahr 1910 wurde das Einwanderungsbild in Gertjanosch anlässlich einer Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung feierlich enthüllt und machte den Künstler unter seinen schwäbischen Landsleuten mit einem Schlag berühmt.
Das Einwanderungsbild mit seinen Teilen: "Wanderung", "Rast" und "Ankunft", eine grosse figurenreiche Komposition, ist ein geschichtlich-ethnographisches Dokument aus dem Leben der Banater Schwaben. Es schildert überzeugend und ergreifend das Schicksal der Ansiedler, die im 18. Jahrhundert vom Rhein bis zur Donau über Ulm, Wien, Ofen bis ins Banat voller Hoffnung einer neuen Heimat entgegengezogen waren. Viele hundert Meilen wanderten sie zu Fuss, dann kamen sie auf der Donau in den "Ulmer Schachteln" gefahren, bis sie auf Steppen- und Sumpfboden ausgeschifft wurden.
Im ersten Teil "Wanderung" schreitet die Kolonne der Einwanderer aus dem Hintergrund der Mitte des Bildes zu; es sind mit Bündeln beladene Fussgänger; die Frauen tragen die Kleinsten auf dem Rücken während die etwas grösseren Kinder an der Hand nachgeschleppt werden. Die Leute trotten müde auf einem zerfurchten Feldweg dahin, dem Ziel ihrer Reise entgegen, in der Hoffnung auf eine neue Heimat.
Das erste Bild leitet sowohl die dargestellte Handlung als auch durch die Landschaft, die darauf sichtbar wird, zum Mittelstück über, das gleichfalls organisch mit dem dritten verbunden ist.
Der mittlere teil des Triptychons, der die Rast der Einwanderer darstellt, ist das grösste Bild der Komposition. Erschöpft lassen sich die Ansiedler auf sumpfigem Steppenboden unter einem weiten, grau-blauen Himmel nieder. In der Mitte des Gemäldes lagert eine Familie auf einem Bündel, das ihr ganzes Hab und Gut darstellt; der Vater hält das Kind schützend an sich gedrückt. Liebevoll ist die Mutter mit dem Säugling an der Brust gestaltet; sie ist Blickfang des Bildes. Das Motiv der kräftigen, blondhaarigen und blauäugigen Mutter mit den rotglühenden Wangen und dem glückstrahlenden Ausdruck wird vom Malwer oft gestaltet.
Der dritte Teil des Einwanderungsbildes zeigt die Siedler am Bestimmungsort, wo ihnen durch einen kaiserlichen Beamten halbfertige Häuser zugeteilt werden. In unermüdlicher Arbeit und im harten Kampf mit den Naturgewalten werden die ersten Kolonistenhäuser in der neuen Heimat errichtet, die durch das Werk von Generationen zu blühendem Leben erwachen soll.
Zahlreiche Skizzen und Studien sind diesem Bild vorangegangen, die Varianten diese Themas festhalten.
gern bezeichnet man das Einwanderungsbild als Jägers Hauptwerk, schon weil dieses Triptychon durch seine beträchtlichen Dimensionen die grösste und figurenreichste Arbeit des Malers ist und vor allem weil es sehr populär ist, durch Reproduktionen weit verbreitet wurde.
Doch erst nach diesem ersten grossen Schwabenbild, das thematisch dem Leben der Heimat entsprungen ist und für seine Landsleute bestimmt war, beginnt Jäger sich intensiv mit der Welt und dem Schaffen der Banater Menschen auseinanderzusetzen, er wurde der beliebteste Maler der Banater Schwaben.
das zweite grosse Thema, das Jäger geschaffen hat, ist "Des Schwaben Kulturarbeit", ebenfalls in drei Teile gegliedert, worin drei verschiedene Etappen der Rode- und Aufbauarbeit dargestellt sind. Auch dazu sind Skizzen vorhanden, die das Ackern der ersten Furche darstellen. Die Feldarbeit ist in vielen Skizzen des Malers festgehalten: das Ackern und Säen, Schnitt und Drusch, Maisernte, Weinlese, die Heimkehr vom Felde und viele andere Aspekte des täglichen Lebens sind in ihrer Vielfalt wiedergegeben.
Der Bauernhof mit all seinem Zubehör, sowohl der Vorderhof mit seinen Blumenbeeten als auch der Hinterhof mit den Stallungen, dem Vieh, den Hühnerhöfen, das Bauernhaus mit den schmucken Barockgiebeln, die Bauernwohnungen mit den einzelnen Möbeln vom Zapfenbrett bis zum Spinnrad, all dies gab dem Maler Anlass zu liebevoller Schilderung.
Die Banater Landschaft hat Stefan Jäger in den verschiedensten atmosphärischen Stimmungen festgehalten. Die Banater Ebene im Wandel der Jahreszeiten, die Felder und Fluren oder das Banater Heidedorf mit den kleinen weissen Häusern der Ärmsten am Dorfrand, die Rossmühle, schon damals eine Seltenheit und heute ganz verschwunden, ist nur noch in den Skizzen und Bildern Stefan Jägers verewigt.
Es gibt keine Feste oder Bräuche der schwäbischen Dörfer, die nicht ihren Niederschlag in den Werken des Heimatmalers Stefan Jäger erfahren hätten. Die Kerweih ist in allen Einzelheiten erfasst, das Maibaumsetzen, das Erntefest mit seinem Aufzug, Hochzeit und Taufe, Christkind-Engel und Belzebub, Silvesterständchen, Faschings- und Trachtenbälle, Mussestunden in der Spinnstube, Plauderstündchen auf dem Gassenbänkel oder die Kartenpartie der Männer, Dorfmusik und Tanz und neckereien – ein idyllisches Bild des Dorfes im Festtagskleide.
Man könnte noch unzählige Themen anführen, die Jäger aus dem unerschöpflichen Reichtum bunten Volkslebens für die Nachwelt gesammelt hat. Es sind wahrheitgetreue, mit strengster Genauigkeit und Sorgfalt ausgeführte Bilder der Wirklichkeit, die viel Wärme und Liebe, das ganze Verständnis des Malers für seine Mitmenschen ausstrahlen – eine umfassende schwäbische Trachtenschau und in Bildern gestaltete Banater Volkskunde.