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Ausstellung „200 Jahre Kunst im Banat“ in Deutschland

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0469
Autor Name: Franz Kumher
Titel des Artikels : Erstmalige repräsentative Ausstellung „200 Jahre Kunst im Banat“ in Deutschland vorgestellt
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Banater Post
Erscheinungsort: München
Jahrgang: 40
Nummer: 15
Datum: 05.08.1995
Seite: 8
* [[Franz Kumher]]: [[ART:0469 - Ausstellung „200 Jahre Kunst im Banat“ in Deutschland|<i>Erstmalige repräsentative Ausstellung „200 Jahre Kunst im Banat“ in Deutschland vorgestellt</i>]]. Banater Post, München 05.08.1995 (Jg.40 Nr.15), S. 8
Anton Fialla: Mädchenbildnis
Adolf Humborg: Erörterung – Mönche im Gespräch

Vom 7. Juli bis 5. August 1995 fand in der Galerie des Bayerischen Staatsarchivs auf der Festung Marienberg in Würzburg die Ausstellung „200 Jahre europäische Kunst im Banat“ statt, die in Zusammenarbeit der Landsmannschaft der Banater Schwaben mit dem Banater Museum Temeswar geplant und aufgebaut wurde.
Bundeskulturreferent Walther Konschitzky schreibt dazu in der Einladung: „Vor der politischen Wende in Rumänien, die im Dezember 1989 in Temeswar ihren Ausgang genommen hat, war eine Ausstellung dieser Art nicht denkbar; doch auch in den Jahren danach blieben vergleichbare Unterfangen weiter die seltene Ausnahme. Dank der guten Zusammenarbeit der Landsmannschaft der Banater Schwaben mit dem Banater Museum konnten die Kunstwerke – trotz mancher Schwierigkeiten – nach Deutschland gebracht werden."
Zur Eröffnung der Ausstellung begrüßte Peter Krier, der geschäftsführende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, die Ehrengäste aus dem In- und Ausland und alle Anwesenden in deutscher und rumänischer Sprache und wies auf die Bedeutung und das einmalige Ereignis dieser Ausstellung hin.
Dr. Rodica Vârtaciu, Abteilungsleiterin am Banater Museum in Temeswar, gab eine Einführung in die Entwicklung des Kunstschaffens im Banat von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg, und ging dabei auf die Werke der ausgestellten Künstler ein.
Sie führte aus, daß nach der Befreiung des Banats (1718) Veränderungen eintraten, "die im direkten Zusammenhang mit den geschichtlichen Ereignissen in Mitteleuropa standen, so daß sich nach einer längeren Entwicklung für das Banat typische Merkmale einer mitteleuropäisch geprägten Kunstform heranbildeten".
Bedingt durch die historische Situation, auch der kaiserlichen Verwaltung in Temeswar, entwickelte sich in der Stadt und im gesamten Banat ein neues gesellschaftliches Leben, das auch die Zuwanderung von Künstlern nach sich zog und in Temeswar allmählich ein Kunstzentrum entstehen konnte.
Die Ausstellung zeigt die Vielfalt an Ausdrucksweisen aus der Region des Banats, in der deutsche, rumänische, ungarische, jüdische und serbische Künstler beziehungsreich zusammenlebten, die alle auf ihre Art Beiträge leisteten zur Kunst und Kultur des Banats; man kann beim Betrachten der ausgestellten Werke das reiche Spektrum von Stadt und Raum Temeswar in vergangenen Zeiten erahnen.
Einige der im Banat geborenen oder dort tätig gewesenen Künstler studierten in Wien oder München - nicht nur deutsche. Sie brachten schon aus ihrer Studienzeit Einflüsse europäischer Kunstrichtungen mit, die im Banat in ihren Werken zum Ausdruck kamen.
An der Wiener Kunstakademie studierten u. a. Karl Brocky, Ferenc Komlossy und Nicolae Popescu; Adolf Humborg, Johann Wälder und Tiberiu Bottlic absolvierten ihre Studien an den Kunstakademien Wien und München. Franz Ferch studierte an der Münchner und Dresdener Kunstakademie.
Zwei deutsche Maler des Banats hatten ihre Schaffenszeiten auch in großen europäischen Kunstzentren: Karl Brocky war in Wien und London, Adolf Humborg in München, London und Südfrankreich tätig.
Einige Beispiele sollen die gute Auswahl von Werken deutscher Künstler für diese Ausstellung andeuten. Von Karl Brocky, 1807 in Temeswar geboren, gestorben 1855 in London, stammen die Porträts von Franz und Barbara Weldin aus Temeswar, die ihn während seiner Studienzeit finanziell unterstützt haben. Die Gemälde, mit deutlichen Biedermeier-Merkmalen, sind Zeugnisse von der Malkunst Karl Brockys, der in London als Porträtmaler sehr geschätzt war.
Adolf Humborg, geboren 1847 in Orawitz, gestorben 1921 in München, ist mit zwei typischen Gemälden vertreten: „Besuch im Kloster“ und „Mönche im Gespräch“. Letzteres Bild, welches auch unter dem Titel „Erörterung“ bekannt geworden ist, zählt zu den Hauptwerken dieses Malers. Festgehalten ist ein Augenblick beratender Mönche, die vor einer wichtigen Entscheidung stehen, ausgedrückt durch Haltung und Gestik der Personen und auch durch den Lichteinfall, der die dargestellte Spannung noch steigert.
In seinen Bildern schildert Adolf Humborg mit viel Humor die heitere, lebensbejahende Seite der Mönche im Kloster, die mit innerer Freude und Heiterkeit für die kleinen Dinge des Lebens und täglichen Ereignisse aufgeschlossen sind.
Von Stefan Jäger (geboren 1877 in Tschene bei Hatzfeld, gestorben 1962 in Hatzfeld), einem der bekanntesten Maler des schwäbischen Banats, der das Volksleben in seinen Werken veranschaulicht hat, sind zwei Gemälde mit dem Titel „Das Temeswarer Schloß“ zu sehen, in dem heute das Banater Museum untergebracht ist. Es handelt sich um unterschiedliche Ansichten des Schlosses aus dem Jahre 1911 (ein Sommer- und ein Winterbild). Für uns stellen diese Werke heute auch historische Dokumente dar.
Emil Lenhardt (1886 bis 1956) in Lugosch geboren, war seit den dreißiger Jahren in Temeswar tätig. Er ist mit drei Gemälden vertreten: zwei „Stilleben“ und ein „Schwäbischer Bauer“.
[[Emil Lenhardt|Lenhardt war als Mensch distanziert und zurückgezogen. Seine Stilleben haben ein sachliches und eindringliches Studium der Natur zur Voraussetzung. Beim Ölbild „Schwäbischer Bauer“ tragen die Strenge der Komposition, die einfache und schlichte Geste der Gestalt zum Ausdruck des Werkes bei. – Man zählt die Bauerngestalten zu den besten Werken Lenhardts.
Franz Ferch, 1900 in Rudolfsgnad geboren, war künstlerisch in Temeswar, Bogarosch, Perjamosch und Freiburg i. Br. tätig. 1979 erfolgte seine Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist 1981 in Freiburg i. Br. gestorben.
In der Ausstellung befinden sich drei seiner Gemälde. Während es sich bei dem Ölbild „Eine Bitte“ aus dem Jahre 1936 noch um eine traditionelle Malweise handelt, ist bei den zwei Fassungen „Boote auf der Marosch“ (1957) schon eine experimentelle Gestaltung durch lockere Pinselführung, eigene Sprachtechnik und abgestimmte Farbwahl festzustellen.
Der Maler war aufgeschlossen für seine Zeit und für Veränderungen, die sich auch in seinen Gestaltungsweisen äußern.
Insgesamt werden 80 Kunstwerke (76 Gemälde, Aquarelle und Pastelle und vier Skulpturen) aus den Beständen des Banater Museums vorgestellt, die vorwiegend zwischen der Mitte. Des 18. Jahrhunderts und dem 1. Weltkrieg entstanden sind.
Noch ein weiteres Projekt haben die Veranstalter in ihre Planung aufgenommen: In einem zweiten Vorhaben, welches für die nächsten Jahre vorgesehen ist, soll in Deutschland auch eine Auswahl der Banater Kunst der Gegenwart gezeigt werden.
Die Ausstellung „200 Jahre europäische Kunst im Banat“ auf der Festung Marienberg kann in ihrer mehrfachen Bedeutung, z. B. für die Forschung, die weitere Zusammenarbeit mit dem Banater Museum Temeswar, die Vorstellung des Kulturgutes der historischen Region Banat in Deutschland, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Für die Kultur- und Heimattage 1995 der Banater Schwaben in Würzburg war die Eröffnungsfeier zu dieser Ausstellung ein sehr gelungener Auftakt.

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