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Ein Tagebuch Stefan Jägers

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0557
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Autor Name: Dr. Annemarie Podlipny-Hehn
Titel des Artikels : Ein Tagebuch Stefan Jägers
Untertitel des Artikels: Die Skizzen gehören zu dem Wertvollsten, das der Maler hinterließ
Publikation: Buch
Titel der Publikation: Werte aller Zeiten
Untertitel der Publikation: Kunstgeschichtliche und -kritische Studien und Beiträge
Verlag: Kriterion
Erscheinungsort: Bukarest
Jahr: 1998
Seite: 280-282
ISBN: ISBN:973 26 0552 9
* [[Dr. Annemarie Podlipny-Hehn]]: [[ART:0557 - Ein Tagebuch Stefan Jägers|<i>Ein Tagebuch Stefan Jägers</i>. Die Skizzen gehören zu dem Wertvollsten, das der Maler hinterließ]]. Werte aller Zeiten. Kriterion, Bukarest 1998, ISBN 973 26 0552 9

Die Skizzen gehören zu dem Wertvollsten, das der Maler hinterließ

Die Stefan-Jäger-Gedenkausstellung im Atelier des Malers in Hatzfeld enthält nur einen kleinen Teil seines Lebenswerkes, das Hunderte, ja Tausende von Skizzen und Arbeiten in Öl und Aquarell umfaßt, die kreuz und quer über die ganze Banater Heide und Hecke verstreut sind. Dies ist ein Beweis dafür, daß Stefan Jägers Werk Eigentum des Volkes geworden ist, aus dessen Leben, Arbeit und Festen, Sitten und Bräuchen es entsprungen ist.
Über Stefan Jäger wurde schon viel geschrieben. Wir möchten heute auf die intimsten Schöpfungen des Malers eingehen, die dem breiten Publikum weniger bekannt sind und die sozusagen das Tagebuch des Malers bilden. Es sind dies die vielen Hunderte von Blättern verschiedener Größen und unterschiedlicher Qualitäten des Papiers, auf welchen das Banater Volksleben in seiner Vielfalt und Buntheit festgehalten ist, sei es mit Bleistift, Tusche oder in den durchsichtigen frischen Farbtönen des Aquarells. All seine Skizzen wurden nicht auf dem Reißbrett oder auf der Staffelei im Atelier entworfen, sondern sie sind auf den täglichen Wanderungen, inmitten der Natur, inmitten des Volkslebens aus unmittelbarem Erleben entstanden.
Die Banater Landschaft hat Jäger in den verschiedensten atmosphärischen Stimmungen skizziert. Es sind tiefe Erlebnisse der Natur, die sich in ihrem zyklischen Rhythmus der Jahreszeiten bewegt. Mit den sparsamsten künstlerischen Mitteln, durch wenige Umrisse und Farbflächen, die manchmal dünn angedeutet, von Licht durchdrungen und aufgelockert erscheinen, ein andermal wieder verdichtet aufgetragen sind, gelingt es Stefan Jäger in seinen Skizzen, die Atmosphäre der Landschaft festzuhalten . Dies alles ist aus einem tiefen Verständnis und aus Liebe für die Natur und Heimaterde, ihre Vegetation, für die Tiere, die Menschen und alles, was der Mensch selbst geschaffen, entstanden.
Zahlreiche Skizzen stellen Szenen aus der Arbeit des schwäbischen Bauern dar: beim Ackern, Schnitt, Drusch, bei der Maisernte usw. , daneben sind die verschiedensten Geräte - angefangen von der primitiven Egge bis zur Dreschmaschine - in ihren Details aufnotiert. Der Bauernhof mit all seinem Zubehör, das Bauernhaus mit den schmucken Barockgiebeln, die Bauernstube mit den einzelnen Möbeln geben dem Maler oft Stoff zur Inspiration. Die meisten dieser Themen sind jedoch nicht zu Ölbildern verarbeitet worden, da die Besteller meist Hühnerhöfe und Idyllen bevorzugten.
Blättern wir aber weiter in dieser Schatzkammer kostbaren Volksgutes, so erfreut sich unser Auge an der Farbenpracht der Trachtenskizzen. In sicheren Grundrissen ist eine Bewegung, eine Haltung oder der Faltenwurf einer Tracht festgehalten. Hier sind Trachten aus fast allen Dörfern des Banats in ihrer Buntheit aufbewahrt.
Mit demselben Blick für das Detail notiert er auch hier die kleinsten Unterschiede in den Trachten der verschiedenen schwäbischen Dörfer. Von den Kindern bis zu den Erwachsenen, den Mädchen und Frauen sind alle in ihrem Alltagskleid sowie in ihrem Sonntagsstaat aufgezeichnet. Ausführliche Beschriftungen machen uns aufmerksam auf Eigenheiten oder Unterschiede der Trachten oder aber auf Farbe und Muster der Röcke und Schultertücher. Auch die Haartracht der Mädchen und Frauen, ihr Kopfputz sowie ihre Kopfbedeckung ist in zahlreichen gesonderten Studien des Malers anzutreffen.
Zur Zeit der Festtage war [Stefan Jäger|Jäger]] ein rastloser Wanderer. Er zog durch die Dörfer, um Bräuche, Sitten und Trachten seiner Landsleute auf Papier zu bringen. Die Kerwei, das Erntefest und andere Volksfeste sind in allen Einzelheiten dargestellt - vom Kerweihut und Rosmareinstrauß bis zu Kompositionen mit Vortanz und Lizitation sind Szenen in vielen Varianten von der Hand des Malers mit dokumentarischer Genauigkeit skizziert worden. Aus der Perspektive eines stillschweigenden Zuschauers, der oft unbeachtet in diesem lustigen Treiben sich in eine Ecke zurückzog, dessen Blick aber nicht das Geringste entging, notierte er eben auf ein Stückchen Papier, das ihm zur Hand war; oftmals war es auch nur ein Packpapier, das ihm eine gastfreundliche Hausfrau reichte, eine Heftseite, die ihm ein Kind gab, ein Zeitungspapier oder die Kehrseite irgendeines Fotos, das er im Hause der Leute fand - ein Beweis der Unmittelbarkeit, aus der heraus seine Skizzen entstanden. Viele dieser Stegreifzeichnungen warf er in Wirtshäusern hin; in ihnen ist der Rhythmus der sich im Ländler wiegenden Paare oder der beschwingte Polkaschritt virtuos gestaltet. Die Dorfmusik mit ihren Bläsern, die Tanzpause mit ihren Neckereien der Jugend und nicht zuletzt die Reihen der Zuschauer mit den älteren Frauen, Großmüttern, Tanten und Kindern, sie alle ergänzen das Bild des Dorflebens im Festtagskleide. Viele der Blätter sind überschriftet mit den nötigen Angaben was Farbe, Gruppierung der Personen oder sonstige Einzelheiten betrifft.
Man könnte noch unzählige Themen anführen, die Jäger aus dem unerschöpflichen Quell bunten Volkslebens für die Nachwelt gesammelt hat. Es sind wahrheitsgetreue, mit strengster Genauigkeit und Sorgfalt ausgeführte Bilder der Wirklichkeit, die viel Wärme und Liebe, viel Verständnis des Malers für seine Mitmenschen und Umwelt ausstrahlen.
Lassen wir Stefan Jäger selbst zu uns sprechen: "Meine malerische Tätigkeit war hauptsächlich dahin gerichtet, meinen Landsleuten gewissenhaft ausgeführte Bilder in leicht verständlicher Form mit Motiven aus dem Banater Volksleben und Heidelandschaften zugänglich zu machen". Diese Worte stehen als Motto in der Ausstellung und über dem gesamten Lebenswerk Stefan Jägers, das seine Liebe zum banatschwäbischen Menschen zum Ausdruck bringt.
Unzählige Werke, sowie Hunderte von Aquarell-, Tusch- und Bleistiftskizzen sind eine farbenfrohe, lebendige Widerspiegelung der Lebensweise des schwäbischen Bauern, seines Alltags und seiner Feste, der Trachten und Bräuche - eine schwäbische Ethnographie.

(NBZ, T 27. VII. 1969)

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