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Es kommt schon auch auf den Bild-Titel an

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0636
Autor Name: Dr. Gerhardt Hochstrasser
Titel des Artikels : Es kommt schon auch auf den Bild-Titel an
Untertitel des Artikels: Bemerkungen zum bekanntesten Bild von Stefan Jäger und den Improvisationen und Fälschungen seines Titels
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Allgemeine Deutsche Zeitung
Untertitel der Publikation: Banater Zeitung
Erscheinungsort: Temeschburg
Jahrgang: 10
Nummer: 431
Datum: 27.02.2002
Seite: III
* [[Dr. Gerhardt Hochstrasser]]: [[ART:0636 - Es kommt schon auch auf den Bild-Titel an|<i>Es kommt schon auch auf den Bild-Titel an</i>. Bemerkungen zum bekanntesten Bild von Stefan Jäger und den Improvisationen und Fälschungen seines Titels]]. Allgemeine Deutsche Zeitung, Temeschburg 27.02.2002 (Jg.10 Nr.431), S. III

Bemerkungen zum bekanntesten Bild von Stefan Jäger und den Improvisationen und Fälschungen seines Titels

Am 16. März 1962 starb in Hatzfeld/Jimbolia in seinem 86. Lebensjahr der Banater Heimatmaler Stefan Jäger. Sein 40. Sterbetag ist uns Anlass, einige Betrachtungen zu seinem bekanntesten Werk anzustellen.
Es war am 15. Mai 1910, als es in Gyertyámos (Gertjanosch/Cărpiniş) zur festlichen Enthüllung des „Einwanderungs-Triptychons“ von Stefan Jäger, damals noch wohnhaft in Tschene/Cenei, kam. Zu Pfingsten 1910 fand hier eine große Landwirtschafts- und Gewerbeausstellung statt, die der Südungarische Bauernverein organisiert hatte. Die gleichzeitige Enthüllung des Jägerschen Bildes verlieh dieser Ausstellung einen zusätzlichen Glanz und den anwesenden Deutschen ein entsprechendes Heimatgefühl, zumal das Triptychon ja auf „Einwanderung nach Ungarn“ betitelt worden war.
Es sei daran erinnert, dass das Temescher Banat im Rahmen des Habsburgerreiches und der Doppelmonarchie zuerst im Juni 1778 und dann erneut im Jahre 1861 an das Königreich Ungarn angeschlossen worden war. Ab etwa 1867 hieß es dann nicht mehr „Banat“ (magy.: Bánság), sondern Südungarn (= Delmagyarorság). Gemeint ist im Falle unseres Triptychons, im Sinne der Auftraggeber, natürlich Südungarn, genauer; die Heide, was man an der wasserreichen Landschaft, im Hintergrund erkennen kann.
Bei Leopold Csendes (Temesvár) erscheint anlässlich dieser Bildenthüllung die „Kurzgefasste Gelegenheitsbroschüre zur Bildenthüllung in Gyertámos am 15.Mai 1910“, verfasst vom Sekretär des Südungarischen Bauernvereins Stefan Dold, wobei das Bild unter dem Titel „Die Einwanderung und Ansiedlung der Deutschen“ genannt wird. In der „Temesvarer Zeitung“ Nr. 111 vom 18. Mai 1910 wurde diese Bildenthüllung unter den Titel „Festtage in Gyertyámos“ behandelt und in „Einwanderung der Deutschen nach Ungarn“ umgetauft. Dabei ist durchaus bemerkenswert, dass diese Zeitung angesichts einer damals stark ungarischen Öffentlichkeit die Banater deutschen Bauern als „Deutsche“ ansprach, wo die damalige chauvinistisch-magyarische Presse gerne noch abwertend von den „svábok" schrieb (während man für die deutsche städtische Bevölkerung österreichisch-baierischer Mundart das „németek" parat hatte). In solcher Zeit hatte die „Temesvarer Zeitung“ schon am 27. März 1879 von "Banater ‚Schwaben’“ und am 13. Mai 1879 von „südungarischen Schwaben“ geschrieben.
Der Gertjanoscher Apotheker Rudolf Kessler war ein Freund von Stefan Jäger. Er verhalf ihm zum Auftrag, das Bild zu malen. Sein erstes Bild entsprach nicht den Erwartungen der Auftraggeber – den Mitgliedern des Ortsvereins Gertjanosch des Südungarischen Bauernvereins *)[1] – und diese schickten Stefan Jäger erst mal zwecks gründlicher Trachtenstudien nach Deutschland. Das Triptychon – die Dreiteilung des Gemäldes – entstand auf Vorschlag von Jakob Knopf, der wichtigste Förderer des Bildes war Adam Röser, der im Frühjahr 1919 auch die Temeschburger Zeitung „Deutsche Wacht“ gründen sollte[2]
Werner Schuhn (im Jahrbuch 1988 Trier-Saarburg: „Vor 200 Jahren endete der ‚Große Schwabenzug’ nach Galizien und Banat“) sprach über das Triptychon als „Pfälzer Auswanderer in der Donau-Niederung, Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert“. Ob hier nur pfälzer Trachten dargestellt sind, entgeht meiner Kenntnis, bekannt ist aber, dass Michael Mettler in seinem Buch „Gertjanosch 1785-1985“ für das deutschbesiedelte Banat den Namen „ung'risch P(f)alz“ belegen kann. Dass das sogenannte „Schwowisch“ eine Kolonial-Variante des Pfälzisch-Fränkischen ist, ist wohl allbekannt – werden doch auch Adam Müller-Guttenbrunn und Hans Wolfram Hockl in der heutigen Pfalz als pfälzische Dichter geehrt.
1910 war sicherlich jedem der abwertende Klang des Wortes „svábok“ und erst recht das Schimpfwort von den „büdös svábok“, den „stinkenden Schwaben“, hinreichend bekannt. Noch 1947-49 schrie es ein zumeist betrunkener Hilfsarbeiter fast täglich am Josefstädter Marktplatz in Temeschburg. Es wäre also ein unverzeihlicher Fehler gewesen, wenn das Einwanderungsbild irgendwie mit den „svábok“ in Verbindung gebracht worden wäre, zumal auch ungarische Autoritäten zur Einweihung zugegen waren. Der 1910 vergebene Name, der von der Einwanderung der Deutschen spricht, ist der einzig Richtige.
Unter den drei großen Einwanderungswellen waren kaum Leute, die sich selber als "Schwaben" bezeichnet hätten. Lediglich die Schiffe, auf denen sie die Donau hinabfuhren, wurden „Schwabenzillen“ genannt. Der abwertende Begriff von den "Ulmer Schachteln" kam erst im 19. Jh. auf, als die aus Ulm abfahrenden deutschen Siedler für Bessarabien die Donau bis Ismail hinunterfuhren. Zur Zeit der Besiedlung des Banats gab es die „Ulmer Schachteln“ gar nicht und Ulm war im 18. Jh. nur einer der zahlreichen Durchreiseorte, keinesfalls ein wichtiger Abfahrtsort für die Ostkolonisation. Im Banat angekommen, nannten sich dann die Bewohner von Heide und Hecke vor 1880 sowieso nur „Deutsche“ (man denke nur an die „Majestätsgesuche“ von 1849). Dass man überwiegend pfälzisch „p’hälzisch“ – sprach, darüber war man sich durchaus bewusst, ehe die falsche Bezeichnung „schwäbisch“ durch die „Studierten“ von Außen her eingeführt wurde. Der Mercydorfer Dichter Josef Gabriel der Jüngere schrieb so: „Mr heescht uns Schwowe, un mir rede grad als wie die Leit dort owe in dr Palz“.
Im 18. Jahrhundert hätte sich im Banat niemand als Schwabe bezeichnet – es sei denn, er war es wirklich. So betonten die Elsässer 1770 in einem Brief an Kaiserin Maria Theresia „denn wir sind keine Schwaben, sondern Elsässer“ (J. Wolf. Banater Deutsche Mundartenkunde, Bukarest 1987). Laut H. Moser(„Schwäbische Sprachinseln in Europa und Übersee“) wird die Zahl der aus Württemberg stammenden Einwanderer ins Banat auf insgesamt etwa 2000 geschätzt, was ungefähr drei Prozent der Gesamtzahl der Kolonisten ausgemacht hat. Im 18. Jh. von einer „Einwanderung von Schwaben“ oder gar von „Schwabenzügen“ (Wortprägung von 1911!) zu reden, ist doppelt ein Fehler, erstens weil kaum Schwaben unter den Ansiedlern waren, andrerseits, weil es keine „Züge“, keine Zugform der Ansiedlung gab. Die Wiener Hofkanzlei spricht von einer Einwanderung von „teutsche Leut“. Dr. Anton Tafferner in seinem fünfbändigen "Quellenbuch zur donauschwäbischen Geschichte“ zitiert wiederholt die Wiener Hof-Terminologie, wobei bestenfalls noch das Herkunftsland hinzugefügt wird. Ortsnamen wurden auf „Deutsch-“ oder „Német-„ getauft. Zwischen 1716-1723 spricht man vom ungesunden (Sumpf-)Klima des Banats, das „auch denen Deutschen an ihrer Gesundheit gefaehrlich und gleichgueltig seye“. Auch, dass während des Beginns der Ansiedlung „in deren erstem Zeit 1717 bis 1735 über vierzig tausend Deutsche begraben liegen“. Und Joseph II notierte auf seiner Banatreise 1768: „Die Einwohner bestehen aus vielen Deutschen, meistens aus Trierer, Luxemburger und aus dem Sauerland“, wobei er in Perjamosch feststellt, dass hier „lauter deutsche Leute seyen“.
Das Jägersche Triptychon wurde als Farbdruck im rumänischen Teil des Temescher Banats wiederholt verlegt und erschien in fast allen Heimatbüchern und -schriften. Leider ging man sehr sorglos mit dem Originaltitel um. Im „Kleinen Banater Lesebogen" von Sepp Schmidt, Heinrich Lauer und Franz Dürrbeck wird korrekt "Die Einwanderung der Deutschen nach Ungarn" angegeben. Dass man zu rumänischer Zeit das "Ungarn" bzw. "Südungarn" mit "Banat" ersetzte, ist logisch und politisch wohl die einzige Möglichkeit gewesen, das Triptychon zu veröffentlichen. Stricto senso entsprach der Originaltitel sowieso nur der Josephinischen Kolonisation, weil das Banat erst ab Juni 1778 an Ungarn wieder angeschlossen war. Heimatbücher wie jenes von Gertjanosch und Deutsch-Stamora haben den Titel richtig widergegeben. Dr. Otto Greffner („Das Banat und die Banater Schwaben. Kurzgefasste Geschichte einer deutschen Volksgruppe“) ist noch neutral, wenn er es „Einwanderung ins Banat“ nennt. Im „Kulturellen Arbeitsheft 33: Die Banater Schwaben“ wird schon getauft auf „Ansiedlung der Deutschen in Südosteuropa“. Besonders schwäbisch-patriotisch wollen Nikolaus Engelmann in „Die Banater Schwaben“ und Josef Hornyatschek und Karl Orner im Heimatbuch Darowa-Kranichstätten/Banat sein, wenn sie das Bild „Die Einwanderung der Schwaben ins Banat“ taufen. Unter dem gleichen falschen Namen bringt die "Banater Post" im Dezember 1999 eine große Reproduktion des Triptychons. Das Heimatbuch „Tschakowa. Marktgemeinde im Banat“ von Wilhelm Josef Merschdorf verfälscht schlicht auf "Einwanderung der Schwaben" und Oskar Feldtänzer („Joseph II und die donauschwäbische Ansiedlung“, Linz 1990) verwendet nicht nur die für das 18.Jh. inexistente Bezeichnung „donauschwabisch“ sogar im Buchtitel (die erst ab 1921-22 in Gebrauch kam) sondern betitelt Stefan Jägers Bild auch „Ansiedlung der Donauschwaben im 18. Jahrhundert“.
Akzeptieren wir also den Namen „donauschwäbisch“, dann können wir bestenfalls von einer „donauschwäbischen Auswanderung“ ab 1944-1945 sprechen. Und wenn heutige Landsmannschaften darauf pochen, dass ihre Mitglieder trotz der Rückwanderung nach Hessen, Schwaben oder in die Pfalz usw. weiterhin „Donauschwaben“ geblieben seien, so müssten sie gerechterweise auch jeweils zugeben, dass ihre hessischen, schwäbischen oder pfälzer Vorfahren auch nach ihrer Übersiedlung ins Banat oder nach Ungarn gern Hessen, Schwaben, Pfälzer usw. geblieben wären. Und das zumindest so lange, bis sich dieses Bewusstsein abschwächte, die Urenkel über die genaue Herkunft nicht mehr Bescheid wussten und sich um 1880 den Nenn-Namen „Schwaben“ aufschwatzen ließen. Die Nachkommen der nach 1850 ins Banat Gekommenen wussten um 1910 sowieso ihre genaue Herkunft und wissen sie meist heute noch.

Anmerkung

  1. u.a. waren Förderer des Einwanderungsbildes von Stefan Jäger: Rudolf Kessler, Apotheker, Simon Kreppel, Lehrer, Johann Walzer, Sparkassendirektor, Johann Röser, Landwirt, Nikolaus Kreppel, Landwirt, Georg Walzer, Bankbuchhalter, Nikolaus Tulius, Landwirt, Stefan Kühn, Gemeinderichter, Andreas Krämer, Getreidehändler, Anton Wagner, Schlosser, Anton Kreppel, Fleischhauer, Jakob Knopf, Landwirt, Wilhelm Kreppel, Landwirt, Peter Müller, Landwirt, Martin Bitto, Tischler, Lenhardt Kreppel, Landwirt, Johann Kessler, Fleischhauer, Andreas Furier, Landwirt, Nikolaus Hoffmann, Kaufmann, Johann Russ, Wagner, Peter Römer, Landwirt, Adam Röser, Landwirt, Jakob Kreppel, Landwirt, Franz Krämer, Getreidehändler, Josef Wechselberger, Tischler, Johann Heimann, Friseur, Stefan Mager, Schmied, Johann Weggesser, Landwirt, Franz Schmidt, Landwirt, u. a.
  2. Johann Röser (1870-1932) gab in Temeschburg ab 1919 die "Deutsche Wacht" heraus.


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