Stefan Jäger Archiv

Der Maler der Donauschwaben

Aus Archiv
Wechseln zu:Navigation, Suche


Bibliografie
Artikel Nummer: 0642
Autor Name: Hans Matthias Just
Titel des Artikels : Der Maler der Donauschwaben
Untertitel des Artikels: Stefan Jäger zum 125. Geburtstag und 40. Todestag
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Der Donauschwabe
Erscheinungsort: Aalen
Jahrgang: 52
Datum: 03.06.2002
Seite: 11
* [[Hans Matthias Just]]: [[ART:0642 - Der Maler der Donauschwaben|<i>Der Maler der Donauschwaben</i>. Stefan Jäger zum 125. Geburtstag und 40. Todestag]]. Der Donauschwabe, Aalen 03.06.2002 (Jg.52), S. 11

Stefan Jäger zum 125. Geburtstag und 40. Todestag

Stefan Jäger
Hühnerhof - WK:0360
Neckerei - WK:0432

Im Mai wurde in Hatzfeld (rum. Jimbolia) mit inländischer und ausländischer Beteiligung der 125. Geburtstag des Schwabenkünstlers Stefan Jäger feierlich begangen. Zu diesem Anlass wurde auch eine Kunstmappe mit 14 Reproduktionen der bedeutendsten Werke, die fürs Einrahmen gedacht sind, sowie zwei Jubiläums-Ansichtskarten (Neckerei und Kirchgang) im Temeswarer Mirton Verlag herausgebracht, mit finanzieller Unterstützung des Minderheitenrates der rumänischen Regierung, des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat und der Stefan Jäger-Stiftung von Temeswar. Hinzu kommt noch ein interessantes Buch, verfasst von Hans und Maria Schulz. In diesem wird zum ersten Mal die Beziehung des Heimatmalers zur religiösen Thematik geschildert.
Der Biographie des Künstlers, die der bekannte Banater Arzt und Jäger-Verehrer Dr. Peter Pink aus Albrechtsflor[1] vor fünf Jahrzehnten verfasste, ist zu entnehmen, dass Stefan Jäger ein grandioses Denkmal für das Donauschwäbische Brauchtum setzte, das wie ein „Felsen stehen bleibt, auch wenn die Banater Schwaben in diesem Völkermeer untergehen sollten."
Stefan Jäger liebte seine Banater Scholle mit seinen Donauschwaben, die er, unterwegs mit seinen beiden Freunden, Schuldirektor Professor Eduard Böss und Dr. Peter Pink, in der Heide und Hecke skizzierte und nachher auf die Leinwand malte. Die Ehefrau[2] von Professor Böss hatte öfter den Maler bekrittelt, weil das dreiblättrige Kleeblatt sich samstags auf den Weg machte und erst montags wiederkam, immer mit einem schmucken Feldblümenstrauß, der aber zuerst ins Atelier wanderte, und erst Tage nachher der Frau Schuldirektorin überreicht wurde. Die Enkelin Dagmar Böss schilderte diese Ausfahrten auf Schusters Rappen vorzüglich und bildhaft in einer Reportage „Das Wandern ist des Malers Lust", die in den sechziger Jahren in der Zeitung „Die Wahrheit" erschienen ist, und damals viel Aufsehen erregte. Der Bürstenabzug wurde der Gedenkstätte übergeben, scheint aber entwendet worden sein.
Als der Kunstmaler auf die Welt kam, gab es zwei Ortschaften namens Tschene, eine von Serben, die andere von Deutschen und Kroaten besiedelt, die später zusammengeschlossen wurden. Die deutsche Minderheit stellte die Mehrzahl der Handwerker von Tschene (rum. Cenei). Zu ihnen gehörte auch der Vater des Malers, der Barbier und Feldscher Franz Jäger, der in Budapest sein Fach erlernt hatte. In der damaligen Zeit hatte der Feldscher (Sanitäter), neben seinem Barbierfach, auch erste Hilfe zu leisten, zur Ader zu lassen, Blutegel aufzusetzen, Zähne zu ziehen, Wunden zu heilen und Gelenkverrenkungen einzurichten. Dementsprechend nannten ihn die Landsleute auch „Chirurg-Arzt-Stellvertreter". Eine Persönlichkeit, die zu den Intellektuellen der Gemeinde zählte, eben weil er sich auch der deutschen Schriftsprache bediente und sich nach städtischer Art kleidete.
Einen großen Einfluss auf Stefan Jäger hatte seine Mutter Margareta[3]geborene Schuller aus Billed. Sie nahm ihn gern auf Besuche mit oder auch wenn sie im Winter eine Spinnstube aufsuchte. Wie schön kann es dort gewesen sein, als man beim gleichmäßigen Surren der Spinnräder wunderbare alte Volkslieder sang, Märchen erzählte und zur Abwechslung manchmal auch gruselige Hexen- und Räubergeschichten zum Besten gab. Seine gutherzige Mutter machte ihren Sohn schon in seinen jungen Jahren aufmerksam auf die bunten, farbenfrohen schwäbischen Trachten. Sie war es auch, die ihm den Sinn der alten ehrwürdigen Sitten beibrachte, deren es recht viele im Banat gab. Sie nahm ihn auch mit zu Familienfesten wie Taufe, Firmung, Konfirmation sowie verschiedenen Volksfesten, wie das Kirchweihfest, Erntedank und Letztfasching. Die Mutter machte ihren Sohn auch aufmerksam auf den Stil der althergebrachten schwäbischen Möbel mit ihren wunderbaren Verzierungen an den Stuhllehnen, Familientruhen, auf das Zapfenbrett, das in keiner donauschwäbischen Familie fehlte, und auf die geschnitzten Holzeinlagen an Schränken. Man kann mit Recht behaupten, dass seine Mutter ihm, dem großen Schwabenmaler, die künstlerische Veranlagung in die Wiege legte. Selbst die Glasmalerei des Altars im Paradezimmer, dessen Mittelstück das heilige Grab war und die bunt bemalten Teller auf dem Zapfenbrett sollten seiner Aufmerksamkeit nicht entgehen; dies alles wird später Stefan Jäger auf seinen hunderten Skizzen und Malereien festhalten und seinen Landsleuten vermachen.
Der Freund und Biograph Dr. Peter Pink beschreibt mit Würde und rigoroser Genauigkeit die Jugendjahre des Künstlers, wie er sich mit den schwäbischen und kroatischen Schulkameraden in den Ferien in dem großen Ried an der alten Bega tummelte, wo Stefan Jäger die „vielseitige, artenreiche Pflanzenwelt und Kleintierwelt" erkundete und bewunderte. Dieser Ried war Überbleibsel eines großen Sumpfes aus der Ansiedlungszeit und hatte nicht zu Unrecht etwas Geheimnisvolles, das die Entwicklung der Fantasie der Jugendlichen beflügelte. Es prägte sich dem kleinen Stefan ganz besonders gut ein.
Nach der Volksschule in Tschene kam Stefan Jäger nach Temeswar, wo er die private Bürgerschule von Professor Wiesner besuchte. In der Metropole des Banats interessierten den jungen Eleven die historischen Baulichkeiten wie das Hunyadekastell, die alten Festungsmauern, die Siebenbürger-Kaserne, das mächtige Dikasterialgebäude, der von Erlach von Fischer erbaute Dom, die Patrizierhäuser von Alt-Temeswar, die Randviertel, und nicht zuletzt das bunte Treiben der 16 verschiedenen Nationalitäten sowie die verschiedenen österreich-ungarischen Militäreinheiten. Mit 14 Jahren kam Stefan Jäger nach Szeged, um seine Mittelschulausbildung an der dortigen sechsklassigen Ungarischen Bürgerschule abzuschließen und gleichzeitig seine mangelhaften Kenntnisse in der ungarischen Sprache zu vervollkommnen.
Der wichtigste Moment der Szegediner Lehrjahre liegt für den weiteren Werdegang Stefan Jägers darin, dass sein Zeichenlehrer Obendorf aus dem Burgenland seine künstlerische Begabung erkannte und ihm durch treffsichere Ratschläge die Richtung wies, in der er zu gehen hatte in seiner künstlerischen Laufbahn. Im Jahre 1895 begann der Heimatmaler in Budapest eine vierjährige Fachausbildung als Künstlereleve an der Königlichen Ungarischen Landeszeichenschule und Zeichenpräparandie in der Abteilung für Bildende Kunst. Nachher unternahm er Studienreisen nach Österreich, Italien und Deutschland.
Stefan Jäger erwähnt folgendes in seinem Lebenslauf: „Als Banater Kind begann ich meine Tätigkeit in der engeren Heimat, doch bald wurde meine Arbeit durch den Weltkrieg unterbrochen und ich musste denselben von 1914 bis 1918 auch mitmachen. Nach meiner Rückkehr ließ ich mich in Hatzfeld nieder und verblieb hier bis jetzt. Meine Mutter, als adoptiertes Kind erbte wohl einen Feldbesitz, jedoch dieser war derart verschuldet, dass er baldigst verkauft werden musste. Dies trug dazu bei, dass ich nachher meine Ausbildung in Budapest auf Grund eines Armutszeugnisses drei Jahre hindurch als Freischüler vollenden konnte."
Unter der kompetenten Anleitung von Professor Bartolomeusz Szekely - Schöpfer großer historischer Gemälde - und Professor Eduard Ballo, ein bekannter und berühmter Porträtist, reifte Stefan Jäger zu einer Kunstauffassung und Kunstpraxis heran, die durch die Achtung vor der Realität des Menschlichen und Gegenständlichen gekennzeichnet war und ihn zeitlebens davor bewahrte, sich in malerischen Ausflügen jenseits des einwandfrei Wirklichen zu ergehen und das Leben zum Spielzeug der Phantasie zu machen.
Während der Studienzeit in Budapest hatte sich Stefan Jäger das erste Jahr buchstäblich durchgehungert. Es ist öfter vorgekommen, dass der Hunger ihn auf den einen oder anderen Marktplatz trieb, sein schmales Taschengeld reichte aber nur, um sich eine „uborka" (Gurke) zu kaufen, die er sofort vertilgte.
Der junge Kunstmaler Stefan Jäger kam rasch zur Einsicht, dass er aus seinem allzu bescheidenen Heimatort und seinen noch geringeren Liebhaberkreis den großen Sprung in die weite Welt wagen musste, einerseits um nicht auch weiterhin mit materiellen Schwierigkeiten kämpfen zu müssen, vor allem aber, um seine künstlerische Weiterbildung zu ermöglichen. Da kam ihm eine gute alte Bekanntschaft zu Hilfe, der Leiter einer Budapester Kunstwarenhandlung namens Almasy, der sich mit Vorliebe mit dem Verkauf von Bildern befasste und der die Werke von Stefan Jäger besonders schätzte (weil sie ihm eine Stange Geld einbrachten).
Erst im Jahre 1906 bekam Jäger den wichtigsten Auftrag seines Lebens, „Die Einwanderung der Schwaben in das Banat" zu malen, ein Triptychon, sein Hauptwerk; Es wurde im Jahre 1910 in der Gemeinde Gertianosch enthüllt. Zurzeit befindet sich das „Einwanderungsbild" im Foyer des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses in Temeswar auf der Gheorghe-Lazar-Straße Nr. 10 -12.
Stefan Jäger war niemals Mitglied einer politischen Partei, aber man wurde auf ihn, den schwäbischen Kunstmaler, immer mehr aufmerksam, obzwar er niemals in der Öffentlichkeit auftrat. Im Gegenteil, man kann behaupten, er blühte wie ein Veilchen im Verborgenen. Viele Hatzfelder Intelligenzler meinten - darunter auch der Heimatdichter Peter Jung - sie wurden erst nach dem Ende des Ersten Weitkrieges darauf aufmerksam, dass der „zurückgezogene" Kunstmaler Stefan Jäger unter ihnen weilte, lebte und malte. Man wurde auf seine Skizzen, Malereien (Öl und Aquarelle) aufmerksam, welche verschiedene Heidelandschaften, dann die Donauschwaben bei der Arbeit, hinter dem pferdegezoqenen Pflug, die Sitten und das Brauchtum, nicht zuletzt die farbenprächtigen Trachten darstellen. Kein Zweifel aber, dass Einwanderungsbild wurde zum Symbol der Deutschen im Südosten Europas.
Stefan Jäger hat in Hatzfeld im Laufe der fünf Jahrzehnte, die er in der Heidestadt lebte und arbeitete, in drei verschiedenen Straßen gewohnt. Zuletzt in der sogenannten Hauptgasse - Strada Tudor Vladimirescu Nr. 98. Hier war im Hof ein stattliches Gebäude, wo sich sein geräumiges und hohes, lichtdurchflutetes Atelier befand, mit seinen mächtigen Fenstern nach Süden gerichtet. Er malte am liebsten mit Ölfarben, aber auch in Aquarell. Das Atelier wurde nach seinem Tode saniert, weitere Ausstellungsräumlichkeiten dazu gebaut und von Staatsministerin Barbara Stamm aus Bayern als Stefan Jäger-Gedenkstätte der Stadt Hatzfeld übergeben. Nach dem Ableben Stefan Jägers schrieb in memoriam der bekannte Banater Dichter, Schauspieler und Kammersänger Hans Mokka folgendes Gedicht:

Pinsel und Palette

Seht ihr, Landsleut,

Malen ist mein Handwerk.

Trachte über euch

Ein Buch zu malen,

Ein Banater Buch,

ein farbenwahres,

Für die Zukunft

seis gedacht und Enkel:

All- und Festtag

seien hier beisammen,

Not und Wohlstand,

so auch Leid und Freude.

Jahre reihen sich so

zu den Jahren,

Älter wird mein Auge,

müd der Pinsel;

Glück befohlen

lege ich ihn nieder.

Euer Knecht,

er diente euch in Treue.

Ruhet wohl,

Begleiter meines Lebens!


Aus den Anfangsbuchstaben der Zeilen lässt sich der Name des Kunstmalers einprägen. Schöner hätte es wohl kein anderer zu Reimen gebracht. Beide Künstler kannten und schätzten sich gegenseitig.
In der Stefan-Jäger-Gedenkstätte finden im Laufe des Jahres verschiedene Kulturveranstaltungen statt. In ihr leistet die Rumänisch-Deutsche Kulturstiftung „Petre Stoica" einen zielgerichteten Beitrag als Brücke zwischen den Ländern Europas. Nach Ostern wurde eine „Triade" organisiert, die den österreichischen Dramatikern Ödön von Horvarth, Johann Nepomuk Nestroy und Franz Grillparzer gewidmet war, untermalt mit kurzen, saftigen Einlagen aus dem Leben des Theaters, aufgeführt von Studenten des Westuniversität, Abteilung Dramaturgie und unter der Leitung von Dozentin Dr. Eleonora Pascu.
Die Führungen durch die Gedenkstätte betreut Prof. Hans Schulz, dessen Haus - einen Katzensprung - in derselben Straße liegt. Es ist aber ratsam und angebracht sich vorher anzumelden durch ein Telefonat: 00 40 (0)56) 36 19 90. Man wird durch die einmalige Zauberwelt, die uns Stefan Jäger hinterlassen hat, geführt.
Nicht uninteressant wäre noch zu erwähnen, dass nach dem Tode des Malers 1962 dessen Nichte Maria Jäger, die mit ihrem Bruder im Hause des stadtbekannten Temeswarer Bäckermeisters Peschan in der Tirolergasse (heute Ciprian Porumbescu) wohnte, dessen Hinterlassenschaft, ungefähr 600 wertvolle Skizzen, die Stefan Jäger in seinen letzten Lebensjahren in zehn verschiedenen Mappen geordnet hatte, dem Banater Museum zum Kauf anbot. Das weitere Schicksal dieser Skizzen ist bis heute ungewiss.
Bei einer kurzen Übersicht stellte der Maler Franz Ferch die Vielfalt der hinterlassenen Thematik fest: Bauarbeiten, Trachten- und Typenstudien, landwirtschaftliche Arbeiten, Mußestunden, Freizeitbeschäftigung, Festtage, Stillleben, Gemüsemarkt, Porträts und Zigeuneridylle. Stefan Jägers letztes Bild war ein unvollendetes Porträt eines jungen Zigeunermädchens, das man nach seinem Tode auf der Staffelei im Atelier fand und sich heute im Besitz der Familie Schulz befindet.
Wenn jemand behauptet, dass Stefan Jäger zeitlebens ein einsamer Mensch war, der irrt sich. Er war nie allein unterwegs bei seinen Studiengängen. Die Liebhaber des Schwabenmalers aber sind heute verstreut in aller Welt sowie auch seine farbenfrohen Bilder.

Bemerkungen:

  1. richtig Ostern
  2. Elisabeth geb. Ollinger; falsche Angabe, Böss +1950, Pink nähere Bekanntschaft 1952
  3. richtig Magdalena


PDF-Datei des Artikels