Stefan Jäger Archiv

Wagenbauer und Holzschnitzer

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0763
Autor Name: Martin Berberich
Titel des Artikels : Wagenbauer und Holzschnitzer
Untertitel des Artikels: In Erinnerung an meinen Vater Peter Berberich zu dessen 100. Geburtstag
Publikation: Heimatblatt
Titel der Publikation: Heimatblatt Hatzfeld
Herausgeber: HOG Hatzfeld
Jahr: 2006
Ausgabe: 13
Seite: 87-98
* [[Martin Berberich]]: [[ART:0763 - Wagenbauer und Holzschnitzer|<i>Wagenbauer und Holzschnitzer</i>. In Erinnerung an meinen Vater Peter Berberich zu dessen 100. Geburtstag]]. Heimatblatt Hatzfeld. HOG Hatzfeld 2006

In Erinnerung an meinen Vater Peter Berberich zu dessen 100. Geburtstag

Peter Berberich

(Auszüge)

Der Künstler und seine Schöpfungen

An den Wänden des Raumes waren Holzreliefs (40 x 50 cm) mit der Darstellung der verschiedenen Sportdisziplinen (Dauerlauf, Sprint, Hürdenlauf, Speerwerfen, Diskuswerfen, Kugelstoßen, Ski- und Eislauf, Fechten, Boxen, Ringen) angebracht. Auf kleinen Konsolen stehend, konnten die Statuetten der besten Spieler der Fußballweltmeisterschaft von 1966 - bei der Deutschland im Endspiel England mit einem umstrittenen 2:4 nach Verlängerung unterlag - bewundert werden (u. a. Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Bobby Moore).

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Sport war das eine, seine Banater Heimat mit ihrer Landschaft, ihren Menschen, deren Beschäftigungen und Brauchtum das andere bevorzugte Thema seiner Holzschnitzarbeiten. Die Banater Heide fand in ihm, wie Thomas Breier es ausdrückte, „einen getreuen 'Reporter in Holz'".
Eine ganze Reihe von Plastiken und Reliefs zeugt von der Heimatverbundenheit Berberichs. Zu nennen sind hier die zumeist in Nuss-, Birn- oder Maulbeerholz geschnitzten Büsten von Hatzfelder und Banater Persönlichkeiten (Stefan Jäger, Peter Jung, Emmerich Bartzer, Nikolaus Lenau, Adam Müller-Guttenbrunn), das Standbild „Stefan Jäger auf dem Heimweg" oder die Kleinplastik „Lenau und die Muse" nach dem Denkmal im Geburtsort des Dichters. Auch von einigen Gemälden des Schwabenmalers Stefan Jäger ließ er sich inspirieren und so entstanden folgende Reliefs: Die vier Jahreszeiten, Die erste Furche, Heimkehr von der Arbeit, Bauernstube und Kirchweihfest. Etliche Kleinplastiken wiedergeben ebenfalls Gestalten und Szenen aus dem Leben seiner schwäbischen Landsleute: verschiedene Bauerngestalten, das Landwirtschaftsjahr, der Bauernwagen, der Sandläufer, Tanzpaare in Tracht, Junge mit Fiedel usw.

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Wie … erwähnt, bilden sportliche und Banater Themen den Schwerpunkt seiner künstlerischen Schöpfungen. Das schließt aber die Hinwendung zu anderen Themen nicht aus. Beispielsweise hat er auch Büsten großer Schriftsteller und Musiker (Goethe, Schiller, Beethoven, Wagner, Enescu) oder eine Lenin-Büste geschnitzt. Außerdem hat er verschiedene Aspekte aus der Geschichte des Altertums, aus der griechischen Mythologie oder aus den germanischen Helden- und Göttersagen aufgegriffen.
Die Leser werden sich vielleicht fragen: Warum gerade eine Lenin-Büste? In diesem Zusammenhang sei mir erlaubt, folgende Begebenheit mit anekdotischem Charakter zu schildern: In Hatzfeld gab es einen jungen Lehrer, der politisch ganz nach oben strebte und als ein überzeugter Kommunist galt. Vor diesem Mann, so sagte man, müsse man sich in Acht nehmen, will man nicht mit der Partei in Konflikt geraten. In kurzer Zeit wurde er Propagandasekretär des Stadtparteikomitees und, da er von den Bildhauerarbeiten meines Vaters richtig begeistert war, kamen beide zu einem guten Einvernehmen. Er unterstützte ihn, wo er nur konnte. Damit er meinen Vater in guter Erinnerung behalten könne, wünschte er sich eines Tages von ihm irgendeine Schnitzerei als Geschenk. Weil der Künstler glaubte ihn näher zu kennen - er hatte ihm gelegentlich vom Wissenschaftlichen Sozialismus vorgeschwärmt und seine Bewunderung für Lenin kundgetan - dachte er, eine Lenin-Büste würde dem Parteisoldaten eine besondere Freude bereiten. Mein Vater ging an die Arbeit und schuf eine Büste, die unter allen Gesichtspunkten ein wirkliches Prachtstück geworden war. Ich glaube zu wissen, dass sie ihm als Geburtstagsgeschenk überreicht wurde. Mein Vater war regelrecht geschockt, als er das enttäuschte Gesicht des Beschenkten sah. Dieser bedankte sich formell und verabschiedete sich ganz schnell von seinem Gastgeber. Ab diesem Zeitpunkt hatte das Verhältnis der Beiden einen eher offiziellen und unterkühlten Charakter.

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