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Ein Bild als Ausdruck des Selbstverständnisses der Banater Schwaben

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0859
Titel des Artikels : Ein Bild als Ausdruck des Selbstverständnisses der Banater Schwaben
Untertitel des Artikels: Stimmen zu Stefan Jägers Einwanderungstriptychon
Publikation: Heimatblatt
Titel der Publikation: Heimatblatt Hatzfeld
Herausgeber: HOG Hatzfeld
Jahr: 2010
Ausgabe: 17
Seite: 124-129
* * * *: [[ART:0859 - Ein Bild als Ausdruck des Selbstverständnisses der Banater Schwaben|<i>Ein Bild als Ausdruck des Selbstverständnisses der Banater Schwaben</i>. Stimmen zu Stefan Jägers Einwanderungstriptychon]]. Heimatblatt Hatzfeld. HOG Hatzfeld 2010

Stimmen zu Stefan Jägers Einwanderungstriptychon

Wanderung - WK:0376
Rast - WK:0376
Ansiedlung - WK:0376

Im patriarchalischen Alter von 85 Jahren starb in Hatzfeld Stefan Jäger, einer der repräsentativsten donauschwäbischen Maler, der mit seinem berühmten Einwanderungsgemälde, das durch viele Farbdrucke weithin bekannt wurde, eine Dokumentation donauschwäbischer Geschichte schuf. Das großartige Bild, das im Geiste Adam Müller-Guttenbrunns konzipiert und gemalt wurde, gab einem Volksstamm in einem der wichtigsten Abschnitte seiner Geschichte vom Historischen her die künstlerische Prägung. Es bestimmte und formte bildnerisch die donauschwäbische Generation der Jahrhundertwende. Sie dankt Stefan Jäger die Deutung ihres Wesens, die für das Südostdeutschtum klassisch geworden ist und auch auf die Binnendeutschen von nachhaltiger Wirkung war. Die donauschwäbische Kolonisation gewann in Jägers Bild jene künstlerische Formung, die sich in Hunderttausende deutscher Menschen einprägte und damit für das Gesamtdeutschtum sinngebend geworden war. Nicht vielen zeitgenössischen Malern war eine solche beispielhafte Vollbringung beschieden. [1]
Ferdinand Ernst Gruber (1895-1967), Journalist, Biograf Adam Müller-Guttenbrunns

In Hatzfeld entstand um 1910 Jägers Gemälde-Trilogie „Die Einwanderung der Deutschen nach Südungarn"; das Werk machte ihn weit über die Grenzen des Banates bekannt und berühmt. Es wirkte allein schon durch das dargestellte Thema revolutionierend, weil die madjarische chauvinistische Propaganda damals ihren Höhepunkt erreicht hatte; ihr Ziel war, die Deutschen Ungarns dem eigenen Volkstum vor allem dadurch zu entfremden, daß sie deren verwandtschaftliche Beziehung zur Urheimat leugnete und verhöhnte.
Das dreiteilige große Gemälde veranschaulichte aber mit der Wiedergabe der bunten Pracht westdeutscher, vornehmlich hessischer und Schwarzwälder Trachten - nicht anders, als es in den Heimat-Romanen Adam Müller-Guttenbrunns geschah - gerade diese engen Beziehungen der im Donauraum lebenden Deutschen zu Mittel-, Süd-west- und Westdeutschland; außerdem zeigte es die Ansiedlung der Vorfahren unter der Betreuung durch kaiserliche Beamten. Jäger wollte das Fußfassen seiner engeren Heimatgenossen, der Banater Schwaben, festhalten; später wurde, nicht von ihm, seine Darstellung auf das gesamte Donauschwabentum bezogen. [...]
In einer Zeit, als madjarische Maler mit großen historischen Bildern einen madjarischen Geschichts-Mythos zu schaffen trachteten, dieses Triptychon im Banat zu malen und sich ihnen damit entgegenzustellen, war wirklich ein Wagnis gewesen, das aber gleich den Dichtungen Adam Müller-Guttenbrunns dem Sich-selber-finden der Donauschwaben diente und sie zum bewußten Erleben des eigenen Wesens und des eigenen geschichtlichen Daseins anleitete.[2]
Anton Valentin (1898-1967), Gymnasiallehrer, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben

Das Hauptwerk Stefan Jägers ist das große (…) Einwanderungsbild (…). Das Mittelstück setzt das auf dem ersten Dargestellte sowohl landschaftlich als auch in figuraler Hinsicht fort und mündet auf die gleiche Weise in die dritte Bildtafel ein. Das Werk zeigt eine Gruppe von Kolonisten auf der Wanderung durch die damalige Banater Einöde, stellt sie auf einer Rast unterwegs dar und bietet zum Schluß ihr Abbild auf der Stätte der Erfüllung, vor den halbfertigen Siedlerhäusern, in dem Augenblick, da ihnen die Besitzurkunde überreicht werden soll. Ein kollektives Menschenschicksal zwischen zwei Polen: zwischen der Loslösung von der alten Heimat, deren Staub sie schon längst von den Schnallenschuhen abgeschüttelt haben, und der nunmehr wahrgewordenen Begegnung mit der neuen Heimat, mit dem, was ihnen verheißen wurde und wovon während der langen Fahrt, ihre Träume voller Unruhe waren. Etwa achtzig größere und kleinere Gestalten bevölkern dieses Werk. Es ist also keine Übertreibung, wenn man es eine Darstellung kollektiven Schicksals nennt.[3]
Franz Liebhard, eigentlich Robert Reiter (1899-1989), Journalist, Schriftsteller, Kulturhistoriker

Das Einwanderungstriptychon mit seinen Teilen: „Wanderung", „Rast" und „Ankunft", eine große figurenreiche Komposition, ist ein geschichtlich-ethnographisches Dokument aus dem Leben der Banater Schwaben. Es schildert überzeugend und ergreifend das Schicksal der Ansiedler, die im 18. Jh. vom Rhein bis zur Donau und über Ulm, Wien, Ofen bis ins Banat voller Hoffnung einer neuen Heimat entgegengezogen waren.[4]
Annemarie Podlipny-Hehn (geb. 1938), Kunsthistorikerin und -kritikerin, Publizistin

Die hundertste Wiederkehr des Geburtstages des bislang im Donauschwabentum bekanntest gewordenen Malers Stefan Jäger muß für uns hinreichend Anlaß sein, uns seinen Künstlertums und seines meisterlichen Könnens zu erinnern. Wenn sein Name auch nicht in den großen Büchern zur Kunstgeschichte steht, so zählt er dennoch für uns zu den Großen unserer Geistes- und Kulturgeschichte. Nicht nur, daß er vieles von unserer einstigen, für immer versunkenen Welt in unermüdlichem Schaffen mit Stift, Farbe und Pinsel festgehalten hat, und uns eine Chronik des schwäbischen Dorfes in Farbe hinterließ, sondern auch, weil ihm mit seinem dreiteiligen Bild über die Einwanderung der Schwaben ins Banat eine der nachhaltigsten Wirkungen für die Bildung des Geschichtsbewußtseins unseres Völkleins gelang. Adam Müller-Guttenbrunns Heimatromane und das „Einwanderungsbild" Jägers wollen im Zusammenhang gesehen werden. Wo Bücher oft nicht hinkamen, hingegen Farbdrucke des Jäger'schen Gemäldes und erzählten auf ihre Art, wie die Schwaben Heimat gesucht und gefunden haben. [...] Das „Einwanderungsbild" ist auch heute in dem vom Pannonia-Verlag, Freilassing, herausgebrachten Vierfarbendruck bei vielen donauschwäbischen Familien in aller Welt nicht nur als Wandschmuck, sondern auch als Bekenntnis der Zugehörigkeit zu diesem Stamme anzutreffen.[5]
Namentlich nicht gezeichneter Artikel

In der Tat, ein Werk von geschichtlichem und ethnographischem Wert, das dem bewußten Betrachter sensorisch-emotionelle Gefühle vermittelt, ihn weit mehr erahnen läßt - räumlich und zeitlich -, als eben der Pinsel des Malers auf der Leinwand festgehalten hat. So werden durch die naturgetreue Darstellung, durch die Dynamik des Geschehens gedankliche und seelische Rückkoppelungen ermöglicht, die uns das Schicksal und die alte Heimat derer, die auf „Wanderung" oder „Rast", ersinnen läßt. Und wer die weiteren Arbeiten des Malers kennt, seine ungezählten „Schwabenbilder", die von Freuden und Leid, von Schaffen und Raffen künden, der weiß, daß mit der Ankunft im neuen Siedlungsgebiet unsere Vorfahren eine neue Heimat gefunden hatten. Somit erfasst der Künstler auf siebeneinhalb Quadratmeter Maltuch weit mehr als eine unwirtliche Landschaft oder ein Geschehen - also nur das Kommen der Einwanderer -, sondern er spannt seinen Bogen über hunderte Meilen - vom Rheinischen und den angrenzenden Ländereien bis zur unteren Donau -, das heißt, er wächst über den so oft bemängelten, eingeengten geographischen und thematischen Raum seines malerischen Schaffens hinaus und erbringt eine mit Pinsel und Farbe geschriebene Dokumentation zur Geschichte der Banater Schwaben.[6]
Karl-Hans Gross (1926-2005), Gymnasiallehrer, Biograf Stefan Jägers, Lyriker, Heimatforscher

Es mag dahingestellt sein, ob Picassos „Guernica", Michelangelos „Schöpfung" oder Leonardos „Mona Lisa" als bedeutendstes Kunstwerk der Malerei gilt, für die Banater Schwaben und für alle Donauschwaben steht fest, dass Jägers Einwanderungsbild für sie das Bild von größter Bedeutung ist. Dabei ist nicht unbedingt der künstlerische Wert des großformatigen Triptychons gemeint, sondern seine kraftvolle Aussage zur Herkunft und Identität und zum Selbstverständnis des deutschen Neustammes an der mittleren Donau. Fast in jedem Haus oder in jeder Wohnung unserer Landsleute befindet sich, neben einer Fotografie der Heimatkirche, eine Druckreproduktion des Bildes an einem Ehrenplatz.[7]
Peter Krier (geb. 1935), Funktionsträger der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Vorsitzender des Hilfswerks der Banater Schwaben

Stefan Jäger hatte mit seiner Darstellung der Einwanderung nicht nur den Zeitgeschmack getroffen, sondern gleichzeitig eine Ikone banatschwäbischer Identität geschaffen, die ihre Wirkung sofort entfaltete und bis heute das Geschichtsverständnis der Banater Schwaben dominant prägt und visualisiert. Die Szenen und Figuren in Stefan Jägers Gemälde, deren Authentizität keineswegs verbürgt ist - die meisten regionaltypischen Trachten entwickelten sich erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts - wurden vom Publikum als wahrhaftige und allgemeingültige Darstellung der Einwanderung akzeptiert. [...] Stefan Jäger wurde durch das Einwanderungsbild zum berühmten und herausragenden Maler banatschwäbischen Volkslebens.[8] Christian Glass, Volkskundler, Leiter des Donauschwäbischen Zentralmuseums Ulm

Es ist unser Bild. Kein anderes ist so verbreitet bei den Banater Schwaben, kein anderes hat so viel Beachtung und Zustimmung gefunden wie Stefan Jägers Triptychon „Die Einwanderung der Schwaben ins Banat" - korrekter wohl „der Deutschen", wie es gelegentlich auch bezeichnet worden ist. [...]
Stefan Jägers Einwanderungsbild will nicht ein Heldenepos sein. Es ist ein künstlerisch ausgereifter Bericht über das Ereignis der Einwanderung. Der Künstler heroisiert nicht - er zeigt, wie wir Heimat finden, und dass es ein eher fragwürdiges Glück gewesen sein mochte, das die deutschen Auswanderer in Ungarn vorgefunden hatten. Denken wir daran, wie naheliegend es doch gewesen sein dürfte, zum Beispiel ein Triptychon mit der Eroberung des Banats durch den Prinzen Eugen, die Rodung der Wildnis und dem Triumph der Ernte als Einzelteile zu gestalten, so muss uns Stefan Jägers aufrichtige und dezente Darstellung über unsere Ankunft in der Fremde mit Dank erfüllen. Nichts Belastendes haftet dem Bild an, es ist frei von jeder großen Geste und von jeder Überheblichkeit. Es ist bemerkenswert, dass spätere Varianten sich einer triumphalen Darstellung zwar annäherten, bei den Banater Schwaben jedoch nie eine vergleichbare Aufnahme wie das eigentliche Einwanderungsbild gefunden haben. Das dürfen wir uns gut schreiben, dass wir mit Herz und Sinn immer für dieses Monumentalwerk Stefan Jägers gestimmt haben, es angenommen haben und bewahren wollen - denn es ist ein Stück von uns. Und das, wenn ich es richtig sehe, hat sehr viel mit dem zu tun, was wir unter Identität verstehen.[9]
Franz Heinz (geb. 1929), Journalist, Schriftsteller

Es ist nicht das einzige Bild, das die Ansiedlung in der Weite des Banater Raumes im 18. Jahrhundert festhält, dennoch ist es für die meisten „das" Einwanderungsbild und Teil ihres historischen Selbstverständnisses. Tausendfach vervielfältigt fand es würdige Aufnahme in die intime Sphäre der Wohnzimmer, wo es - gerahmt wie in Gedenkstuben, Schulen oder Institutionen - Aufschluss über die Herkunft der Siedler im Westen und unser Anbeginn im Südosten des Kontinents geben soll. Auch über Zukunftshoffnung. Ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gruppe sollte es schaffen - und das ist dem Bild auch gelungen. Der hohe Identifikationswert selbst in deutschen Siedlungslandschaften jenseits des Banats zeigt an, wie nachhaltig es als „Eigenbild" und historische Momentaufnahme von der Ankunft in einem Raum wahrgenommen wird und Wirkung erzielt, den man Heimat nannte und nennt.[10]
Walther Konschitzky (geb. 1944), Journalist, Volkskundler, Kulturhistoriker, Fotograf

Anmerkungen

  1. F.E.G. (d.i. Ferdinand Ernst Gruber): Schöpfer des Einwanderungsbildes †. In: Der Donauschwabe (Aalen), 12. Jg. (1962), Nr. 15 v. 15.04., S. 5.
  2. Anton Valentin: Ein Gemälde als Kraftquell donauschwäbischer Selbstbehauptung. Stefan Jäger zum Gedenken. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter (München), 11. Jg. (1962), F. 3, S. 136 f.
  3. Franz Liebhard (d.i. Robert Reiter): Der Schwabenmaler Stefan Jäger. In: Ders.: Menschen und Zeiten. Aufsätze und Studien. Bukarest: Kriterion Verlag 1970. S. 105-120, hier S. 116.
  4. Annemarie Podlipny-Hehn: Stefan Jäger. Bukarest: Kriterien Verlag 1972. S. 9 f.
  5. Stefan Jäger, Bewahrer mit Stift und Pinsel. In: Neuland (Salzburg), 30 Jg. (1977), Nr. 7 v. 16.07., S. 3.
  6. Karl-Hans Gross: Stefan Jäger, Maler seiner Heimatlichen Gefilde. Aus seinem Leben und Werk. Sersheim: Oswald Hartmann Verlag 1991. S. 53 f.
  7. Peter Krier: Stefan Jägers Triptychon „Die Einwanderung der Schwaben" im Foyer des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses. In: Banatica. Festgabe für Dr. Alexander Krischan zum 75. Geburtstage. Herausgegeben vom Verband der Banater Schwaben in Österreich. Wien 1996. S. 268-269, hier S. 268.
  8. Christian Glass: Stefan Jägers Einwandererbild und das Selbstverständnis der Banater Schwaben. In: Thomas Hengartner, Johannes Moser (Hg.): Grenzen & Differenzen. Zur Macht sozialer und kultureller Grenzziehungen. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2006. S. 753-760, hier S. 756.
  9. Franz Heinz: Ein Stück von uns. Stefan Jägers Einwanderungsbild und die Identität der Banater Schwaben. In: Aufbruch und Ausklang. Zur Ansiedlung der Banater Schwaben im 18. Jahrhundert und ihrer „Rückwanderung" Ende des 20. Jahrhunderts. Beiträge der 43. und 44. Kulturtagung in Sindelfingen, 17./18. November 2007 und 22./2S. November 2008. Stutt¬gart 2009. S. 147-161, hier S. 147 und 161.
  10. Walther Konschitzky: Das Einwanderungsbild von Stefan Jäger. Vor 100 Jahren wurde das Triptychon über die Ansiedlung der Deutschen im Banat enthüllt. Anmerkungen zur Entstehung und Wirkung des Gemäldes. In: Banater Kalender 2010. Hrsg.: Aneta und Walther Konschitzky. Erding: Banat Verlag 2009. S. 172-174, hier S. 173 f.

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