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Stefan Jäger (1877 - 1962)

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0917
Autor Name: Walter Tonța
Titel des Artikels : Stefan Jäger (1877 - 1962)
Untertitel des Artikels: Der Lebensweg eines Künstlers am Rande Mitteleuropas
Publikation: Ausstellungskatalog
Titel der Publikation: Hommage an Stefan Jäger
Untertitel der Publikation: Katalog zur Ausstellung und zum Symposium
Herausgeber: Hilfswerk der Banater Schwaben
Druckerei: diedruckerei.de
Erscheinungsort: Ingolstadt
Jahr: 2012
Seite: 130-132
* [[Walter Tonța]]: [[ART:0917 - Stefan Jäger (1877 - 1962)|<i>Stefan Jäger (1877 - 1962)</i>. Der Lebensweg eines Künstlers am Rande Mitteleuropas]]. Hommage an Stefan Jäger. Hilfswerk der Banater Schwaben, Ingolstadt 2012

Der Lebensweg eines Künstlers am Rande Mitteleuropas

"Meine malerische Tätigkeit war hauptsächlich dahin gerichtet, meinen Landsleuten die Kunst zugänglich zu machen und in leichtverständlicher Form Motive aus dem Banater Volksleben und Landschaften darzustellen." Diesem künstlerischen Credo ist Stefan Jäger zeitlebens treu geblieben. Und gerade deshalb ist er der „Schwabenmaler" schlechthin. Seine Kunst ist dem heimatlichen Lebensraum entsprungen und mit diesem auf das Engste verknüpft - mit der Banater Heidelandschaft, mit dem Dorf, den Menschen und ihrem Alltag. ihrer Arbeit, ihren Festen und ihrer Lebensart. Wie kein zweiter Banater Maler hat er es verstanden, die ganze Lebenswelt seiner schwäbischen Landsleute einzufangen und für die Nachwelt festzuhalten. Jägers Gemälde und Skizzen fügen sich zu einem wahren Bilderbuch des Banater Volkslebens zusammen und besitzen einen hohen ethnographisch-dokumentarischen Wert. Für die Banater Schwaben, die - wie die Werke des Malers selbst - heute auf dem ganzen Erdball verstreut sind, haben seine Bilder vor allem einen symbolträchtigen weil identitätsstiftenden und -bewahrenden Charakter. Sie stellen für sie ein Stück Heimat dar und bewahren ihnen die Erinnerung an eine längst untergegangene Welt - ein Grund, weshalb sich Jägers Bilder nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen.
Stefan Jäger wurde am 28. Mai 1877 in Tschene geboren, wo sich sein Vater Franz Jäger (geboren 1839 in Nakodorf/Sellesch) eine berufliche Existenz als Feldscher und Barbier aufgebaut hatte. In zweiter Ehe heiratete dieser 1873 die 16 Jahre jüngere Magdalena Schuller (geboren 1855 in Billed), die nach dem frühen Tod ihrer Mutter von dem in Tschene wohnenden Ehepaar Johann und Barbara Heck (eine Schwester ihrer Großmutter mütterlicherseits) adoptiert worden war. Sie schenkte ihm zwei Söhne.
In Tschene verlebte Stefan Jäger seine Kindheit mit dem zweieinhalb Jahre älteren Bruder Ferdinand (geb. 1874) und hier besuchte er auch die Volksschule. Für vier Jahre kam er dann an die private Knaben-Bürgerschule von Franz Wieszner nach Temeswar, die zu jener Zeit einen guten Ruf genoss. Zwei weitere Klassen absolvierte er an der Städtischen Knaben-Bürgerschule in Szegedin, wo sein zeichnerisches Talent besonders auffiel Auf Anraten seines dortigen Zeichenlehrers inskribierte Stefan Jäger 1895 an der Modellzeichenschule und Zeichenlehrerbildungsanstalt in Budapest. Als Schüler von Balló Ede und ((Bertalan Székely| Székely Bertalan]] erhielt er dort vier Jahre lang eine gediegene akademische Ausbildung.
Der junge Studierende war in dieser Zeit, in materieller Hinsicht, häufig auf sich selber gestellt, da er von seinen Eltern nur wenig Hilfe erhoffen konnte. Trotz des zeitweiligen Freistudiums, das die Lehrstätte dem mittellosen Studenten zuerkannte, musste er sich als Erzieher bei der gräflichen Familie Szechy verdingen, um seinen Lebensunterhalt sicherstellen zu können. Dennoch aber reichte sein Verdienst oftmals nur für ein karges Mahl.Nach Beendigung des Studiums unternahm der junge Künstler eine Studienreise, die ihn nach Österreich, Deutschland und Italien führte. Darüber wissen wir eigentlich recht wenig, nur dass sie durch die schwere Erkrankung seines Vaters und dessen Tod im September 1901 jäh unterbrochen wurde.
1902 nach Budapest zurückgekehrt, wurde Stefan Jäger als freier Künstler tätig. Als solcher sollte er bis an sein Lebensende wirken. Wie sein Biograph Karl-Hans Gross schreibt, gehörte Jäger "zu jener Kategorie von Künstlern, die ausschließlich von der Malerei lebten und weiter nichts anderes tun konnten, aber auch ganz entschieden nicht tun wollten. Infolgedessen hatte er mit dem Wandel der guten und schlechten Zeiten die Konsequenzen seiner Einstellung („.) in uneingeschränkter Weise (Härte) zu tragen." In der ungarischen Hauptstadt verdiente Jäger ein dürftiges Brot, abhängig von der Bestellung des Kunsthändlers Almásy, der seine Klientel mit Heiligenbildern, Stillleben und Landschaften belieferte. Aus der Banater Heimat kamen nur gelegentliche Anfragen gleicher Art. Dies sollte sich jedoch ändern, als ihm die Gemeinde Gertianosch auf Initiative von Adam Röser, einem umtriebigen und volksbewussten Banater Schwaben, einen besonderen Auftrag erteilte: die Anfertigung eines monumentalen Bildes über die Einwanderung der Deutschen ins Banat. Dessen Finanzierung wurde durch die bei Veranstaltungen der verschiedenen Ortsvereine erzielten Überschüsse und private Spenden sichergestellt.
Das drei Meter lange Bild, das in seinem kompositionellen Aufbau bereits die uns bekannte inhaltliche Aussage von der Wanderung, Rast und Ankunft der Ansiedler vereinigte, war 1906 fertig gestellt. Es wird in der Literatur als das „ursprüngliche" Einwanderungsbild bezeichnet und gilt heute als verschollen. Da es Mängel in der Darstellung der Trachten der Einwanderungszeit aufwies, wurde Jäger beauftragt, ein weiteres - und jetzt noch größeres - Bild zu malen und hierzu die Trachten der Ahnen in Deutschland zu studieren. Eine neue Sammelaktion erbrachte die respektable Summe von 4560 Kronen, die damals für den Ankauf von viereinhalb Waggon Weizen ausgereicht hätte. Damit konnten nicht nur die Spesen der Deutschlandfahrt beglichen, sondern dem Maler auch ein großzügig bemessenes Honorar zugewiesen werden. Die Dokumentationsreise fand noch im selben Jahr (1906) statt. Hierzu vermerkt Jäger in seinen autobiografischen Aufzeichnungen lapidar: „Zwecks Studium der Trachten der Ansiedler unternahm ich abermals eine Reise nach Deutschland (Stuttgart, Ulm, Nürnberg)."
Das daraufhin in fast vierjähriger Arbeit entstandene, als Triptychon konzipierte Einwanderungsbild wurde dann, wie Franz Heinz schreibt, „mit den uns bekannten Maßen von 5,100 x 1,450 Meter und mehr als 80 dargestellten Gestalten, das bisher größte Gemälde der Banater Schwaben und wohl auch ihr größtes aller Zeiten. Dass es auch mit Abstand unser liebstes Bild ist, verdanken wir dem Können des Malers wie auch der Geschäftstüchtigkeit Rösers, der, neben dem Maler, Miteigentümer des Bildes war. Er hatte die Idee, bei der Budapester Verlagsgesellschaft Franklin Farbreproduktionen des Einwanderungsbildes in großer Auflage herstellen zu lassen, die einen guten Absatz fanden, von dessen Erlös dem Künstler diesmal, wie berichtet wird, nur ein geringer Teil zufloss." Das Einwanderungstriptychon, das als das bedeutendste und bekannteste Werk Stefan Jägers gilt, wurde am 15. Mai 1910, anlässlich einer großen Landwirtschafts- und Gewerbeausstellung in Gertianosch, enthüllt. Es verhalf seiner Kunst zum Durchbruch und machte den Maler mit einem Schlag bekannt. Auf die nachhaltige Wirkung des Einwanderungsbildes, seine geschichtsbildprägende und identitätsstiftende Funktion wurde wiederholt hingewiesen, so dass an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden muss.
Im Jahr 1910 ließ sich Stefan Jäger in der Großgemeinde Hatzfeld nieder, wo er bis zu seinem Tod unter bescheidenen Verhältnissen lebte und arbeitete. Unterbrochen wurde sein künstlerisches Wirken nur durch den Ersten Weltkrieg. den er als Landsturmmann an der dalmatinischen und Isonzofront mitmachte. In den 1920er und 1930er Jahren erreichte Jägers Heimatkunst ihren Höhepunkt. In dieser Glanzzeit seines Schaffens entstanden ungezählte Werke von einzigartigem künstlerischem und ethnographischem Wert. Viele Aufträge kamen aus dem serbischen Teil des Banats, wohin Jäger bis zum Zweiten Weltkrieg auch die meisten Bilder verkaufen konnte. Hier und zwar in Großbetschkerek, wurde ihm 1930 auch die erste Einzelausstellung gewidmet; es sollte auch die einzige zu Lebzeiten des Künstlers bleiben. Indessen nahm man im rumänischen Banat nur wenig Notiz von ihm. Weder in Hatzfeld - sieht man von Jägers Beteiligung an einer Gruppenausstellung der Werkgemeinschaft Schwäbischer Künstler im Jahr 1936 ab - noch in Temeswar kamen Ausstellungen des Künstlers zustande. Die einzige Ehrung. die ihm in dieser Zeit zuteil wurde, war die Ernennung zum Kulturrat anlässlich der Gründung der Kulturkammer der Deutschen Volksgruppe in Rumänien im November 1941. Bis 1942 hatte Jäger nach eigenen Angaben ein zwar bescheidenes, doch stetes Auskommen. Ab da blieben die Aufträge kriegsbedingt weitgehend aus, was einen empfindlichen Einkommensrückgang zur Folge hatte.
Als sich Stefan Jäger Hatzfeld zur Wahlheimat auserkor, folgte ihm seine Mutter dorthin. Sie bezogen zunächst eine kleine "Zinswohnung" in der Sauergasse, übersiedelten dann später in die erste Kreuzgasse, gegenüber der so genannten Fünf-Kronen-Schule, in deren Hinterhof sich das Atelier des Künstlers (heute Gedenkstätte) befand. Jäger war seiner Mutter immer in Liebe zugetan. Sie besorgte anfangs den Haushalt und stand ihrem Sohn in allen Lebenslagen bei. Seine Ehrfurcht und Verehrung für die Mutter währte über ihren Tod im Herbst 1927 hinaus. Ab nun lebte der Maler allein. In den 1930er Jahren bezog er eine Wohnung neben seinem Atelier. Diese, aus einem kleinen Vorraum, Küche und Schlafzimmer bestehende, recht bescheiden eingerichtete Wohnung, diente ihm bis zum Lebensende als Heim.
Im ersten Nachkriegsjahrzehnt hatte es der Maler besonders schwer. Sein Lebensstandard war nie hoch, doch nun musste er unter Verhältnissen leben, die man nur als ärmlich bezeichnen kann. Seine Bilder waren kaum gefragt, und er musste sie häufig für einen Spottpreis verschleudern, um das nackte Überleben sichern zu können. Die bescheidenen Einnahmen reichten zwar noch immer für das tägliche Brot - Jäger nahm das Mittagessen in der Stadtkantine oder in privaten „Kosthäusern" ein, doch oftmals nicht für Brennholz im Winter oder die Bezahlung der Dienstfrau am festgesetzten Tag. Eines Winters sah er sich sogar gezwungen, seinen im Hof stehenden Holzschuppen niederzureißen, um das nötige Brennmaterial für seine Wohn- und Arbeitsstätte zu erhalten.
Trotz einer bescheidenen und anspruchlosen Lebensführung musste sich der Maler immer mühen. „Das tat er aber auch stets", schreibt Karl-Hans Gross, „ungeachtet der Tatsache, dass es mal schwierige, mal leichtere Lebensabschnitte gab. Jäger verzagte nie! Er arbeitete mit Hingabe und ohne Unterlass, selbst unter den schwierigsten Bedingungen." Bis ins hohe Alter, obzwar schon kränkelnd, verrichtete er täglich seine Malarbeiten.
Bessere Tage kamen für den Meister erst in seinen Greisenjahren, als das Banater Museum in Temeswar einen Teil seiner Skizzen erwarb und ihm vom Staat 1957, anlässlich seines 80. Geburtstages, eine Ehrenpension von 800 Lei zugesprochen und der Arbeitsorden II. Klasse verliehen wurde. Fünf Jahre später, am 16. März 1962, verstarb der Künstler nach einem mehrwöchigen Leiden und wurde auf dem Hatzfelder Friedhof neben seiner Mutter beigesetzt.
Jägers Leben verlief unspektakulär, nahezu geradlinig und ziemlich monoton. Er lebte - zurückgezogen, für manchen unbekannt und wohl auch noch verkannt - nur für seine Kunst. Obwohl wenig zugänglich und wortkarg, pflegte der natur- und heimatverbundene Maler vielfältige Beziehungen zu Land und Leuten der engeren und weiteren Umgebung. Nahezu unwiderstehlich drängte es ihn - meistens in Begleitung seines treuen Weggefährten und Freundes, Gymnasiallehrer Eduard Böss - hinaus in die Natur, in die nahen und feinen Dörfer der Banater Heide und Hecke, ja bis hinüber in die Batschka und die Schwäbische Türkei, zu den volkstümlichen Festen in den schwäbischen Ortschaften. Und überall hielt er mit Stift und Pinsel fest, was sein Auge erschaut, seine Seele empfunden und sein schöpferischer Geist erdacht hat. „Es war keiner unserer Maler, vielleicht auch kaum ein Heimatdichter und Schriftsteller imstande, so lebensecht und wahr das lebendige Bild von Land und Leuten, dem Hauptobjekt seines künstlerischen Schaffens, mit der Feder zu gestalten, wie es eben Jäger mit seiner farbenprächtigen Palette gelungen war", schlussfolgert Karl-Hans Gross.


Literatur

  • Gross, Karl-Hans: Stefan Jäger - Maler seiner heimatlichen Gefilde. Sersheim: Hartmann, 1991.
  • Gross, Karl-Hans: Stefan Jäger - Skizzen, Studien und Entwürfe. Sersheim: Hartmann, 2004.
  • Heinz, Franz: Ein Stück von uns. Stefan Jägers Einwanderungsbild und die Identität der Banater Schwaben, in: Heimatblatt Hatzfeld, 15/ 2008, S. 135-143.
  • Pink, Peter: Stefan Jäger - Ein Banater schwäbischer Kunstmaler / Stefan Jäger - Un pictor șvab bănățean, in: Peter Pink / Maria Schulz / Hans Schulz: Schriften über Stefan Jäger / Scrieri despre Stefan Jäger. Timișoara: Marineasa, 2001, S. 5-62.
  • Volkmann, Swantje: Annäherung an Stefan Jäger. Warum sich der Maler den neuen Kunstrichtungen seiner Zeit verschloss, in: Heimatblatt Hatzfeld, 18/2011, S. 113-120.


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