Stefan Jäger Archiv

Deutsche Kunst im Banat

Aus Archiv
Version vom 26. September 2016, 07:13 Uhr von Nikolaus (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu:Navigation, Suche


Bibliografie
Artikel Nummer: 0991
Autor Name: Robert Reiter
Titel des Artikels : Deutsche Kunst im Banat
Publikation: Buch
Titel der Publikation: Furche im Acker
Untertitel der Publikation: Eine Auslese Banater deutschen Schrifttums der Gegenwart
Herausgeber: Gau=Kulturamt – Banat der Deutschen Volksgemeinschaft in Rumänien
Erscheinungsort: Timisoara=Temeschburg
Jahr: 1940
Seite: 43-48
* [[Robert Reiter]]: [[ART:0991 - Furche im Acker|<i>Deutsche Kunst im Banat</i>]]. Furche im Acker. Gau=Kulturamt – Banat der Deutschen Volksgemeinschaft in Rumänien, Timisoara=Temeschburg 1940

Wiener Wandermaler, die gleichsam den Spuren des großen Deutschenzuges nach dem Süd-Osten gefolgt waren, tauchten wiederholt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Banat auf. Bürger von Temeschburg, die es damals schon zu einem erheblichen Wohlstand gebracht hatten, gaben ihnen gerne Bildnisaufträge, durch die sie auf längere Zeit, einige sogar auf Lebensdauer, hier festgehalten wurden. Die waren die ersten Anfänge einer weltlichen Malerei im Banat, das die Waffen des deutschen Kaisers und die nicht erlahmende Kraft der deutschen Kolonisten dem abendländischen Kulturkreis zurückgewonnen hatte. Religiöse Gemälde und Standbilder für die neuerbauten Kirchen wurden meistens aus Wien bezogen. Auf manchem Altarbild kann man den Namenszug eines namhaften Künstlers der Kaiserstadt lesen.
Der erste deutsche Maler, der dem Banater Boden entwuchs, war der Porträtist Anselm Wagner, von dem mehrere Bilder bekannt sind. Ihm folgte Karl Brocky, von dessen Vater man nicht genau weiß, welcher Volkszugehörigkeit er war. Vom Sohne steht jedenfalls fest, daß er von früher Kindheit an in engster Berührung mit deutscher Kultur stand. Als Knabe trat er oft auf der Bühne des deutschen Theaters auf, wo sein Vater als Friseur sein Brot verdiente. Eine gute deutsche Schulerziehung wurde dem Jungen zuteil und die Gönnerschaft eines deutschen Bürgersmannes von Temeschburg, der seine Begabung erkannte, ermöglichte ihm ein lange dauerndes Malstudium in Wien. Nach vielen Jahren übersiedelte er nach London, wo er 1855 starb. Von den Magyaren, deren Sprache er kaum verstand, wird er als einer ihrer bedeutendsten Maler aus der Biedermeierzeit genannt. Einige Jahrzehnte nach Brocky ging ein anderer Banater deutscher Maler über Wien den Weg ins Ausland: Adolf Humborg, ein Künstler von hoher Begabung. Die letzten, denen die Heimat zu eng geworden war und die den gleichen Weg einschlugen, waren der Weißkirchner Franz Schuster, der in Wien früh seine Grabstätte fand, und der vor einigen Jahren in München verstorbene Josef Ringeisen aus Steierdorf. Beide hinterließen ein Gesamtwerk von Bedeutung. Dazwischen liegt das Schaffen des Temeschburger Bürgers Ludwig von Bersuder, der sich aus Passion der Malerei widmete. Porträts und geschichtliche Themen (Rudolf von Habsburg Ausrufung zum deutschen Kaiser) bildeten sein Arbeitsfeld. Seiner reinen Hingabe an die Kunst gesellte sich ein ziemlich hochstehendes technisches Können zu.
Als Vorläufer einer fest im Boden der Heimat verwurzelten, vom deutschen Volkstum befruchteten Malerei ist der Hatzfelder Stefan Jäger zu bezeichnen. Sein in der Vorkriegszeit entstandenes Einwanderungsbild, ein dreiteiliges Monumentalgemälde über die Ankunft der Kolonisten im Banater Land, ist als Kunstdruck ein beliebter Wandschmuck vieler deutscher Häuser. Mehrere Landschaftsbilder zeigen Jägers Empfindlichkeit für die Schönheiten der schwäbischen Heide, ihrer windgewiegten Aehrenfelder und ihres Himmels. In der von ihm gebrochene Bahn trat im Zuge der seelischen Neuformung die das Banater Deutschtum in den Jahren nach dem Zusammenbruch von 1918 erlebte, eine junge Generation von bildenden Künstlern, die bewußt den Sendungsgedanken herausstellte, eine heimatgebundene, sich aus den besten Kräften des Volkstums nährende Kunst zu vertreten. Ungemein viel Gläubigkeit und noch mehr Wille gehörte dazu. Das Dreigestirn der Brüder Rudolf, Andreas und Franz Ferch, Emil Lenhardt und die Bildhauer Sebastian Rotsching und Georg Schadt, sowie Viktor Schramm, geboren 1868 in Orschowa, gestorben 1926 in München. Schramm der aus einer angesehenen Orschowaer Bürgerfamilie stammte, kam schon früh nach München, wo er zu einem der ersten Genremaler wurde. Auch als Porträtist und Illustrator leistete er hervorragendes. Alle sie vermochten diese Kunstgesinnung durch ihre Werke überzeugend zu dokumentieren.
Rudolf Ferch, ein Graphiker von scharfer Pointierungskraft, entnimmt der völkischen Problematik die Gegenstände seiner Bilder. Auf dem gegensätzlichen Pole steht Andreas Ferch, ein Lyriker und Träumer, dessen Aquarellandschaften von zarter Innerlichkeit sind. Ihr Urheber ist ein tiefbewegter Liebhaber seines Wiegenlandes. Emil Lenhardt bringt seine ersten Bilder aus der Kleinstadt mit ihren idyllischen Krummgassen und wird zum Sucher alles Malerischen im schwäbischen Volksleben. Klare Formung und eine wohlausgeglichene Gestaltungskraft zeigen die Skulpturen Sebastian Rotschings. Mit der „Garbenbinderin“ einem seiner größten Erfolge, fanden die heimatlichen Motive in die Plastik. Franz Ferch, der Träger des Prinz-Eugen-Preises 1939, ist als der bedeutendste Maler des Donaudeutschtums über die Banater Grenzen weit hinausgewachsen. Ueber ihn, seinen Werdegang und sein Werk soll nun ausführlicher gesprochen werden.
Franz Ferch ist in einem wahren Wetterwinkel des Banats geboren, in der Ecke, die von der Theiß und der Donau gebildet wird. Auf der Landkarte sieht sich das an, wie wenn ein Arm schützend die Ebene umschließen würde, in Wirklichkeit aber war es oft ein würgendes Zugreifen des Hochwassers. In Rudolfsgnad, einem deutschen Vorpasten-Dorf an der Theiß, war sein Vater Notar. Nur durch gespannteste Wachsamkeit konnte dieser Landstrich mit seinen Häusern und Menschen gegen den zur Zeit der Schneeschmelze mächtig anschwellenden Fluß beschirmt werden. Adam Müller-Guttenbrunn hat in einem seiner Romane dem heroischen Ringen deutschen Pioniertums in dieser Gegend ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Häufig stellte die Naturgewalt deutsche Menschen hier an die Grenze zwischen Leben und Tod. Hier empfing Franz Ferch das Vermächtnis der Landschaft für seinen Lebensweg: die Schwingungen eines Sturmgeläutes begleitetn ständig das deutsche Kolonistenvolk. Diese Lehre der Landschaft stieß seinem Blut auf ein Erbe, das von dem künstlerisch veranlagten schwäbischen Dorflehrer Eisenkolb ausging und über Geschlechter in Franz Ferch seine Vollendung fand. Die Landschaft lehrte ihn den deutschen Menschen des Banates in seiner tiefsten Eigenheit erfassen: als Kämpfer mit Pflug und Spaten, als Vollstrecker einer wahrhaft geheiligten Mission Zeugenschaft abzulegen von nicht zu erschütternder Schaffenskraft auf einem Boden und unter einem Himmel, denen mit ungemeiner Hartnäckigkeit alles ertrotzt werden mußte. Was an dem Musiker und Lehrer Eisenkolb unsterblich war und sich aus einer Blutbahn in die andere ergoß, das Gebot der Gestaltung aus der Seele – das formte zusammen mit dem Auftrag der Landschaft Franz Ferch zu dem Maler des Banats, der wirklich mit allen wurzeln im deutschen Volkstum steht.
Ursprünglich dazu bestimmt, Offizier zu werden, erlebte Franz Ferch 1918 als Fähnrich den Zerfall der alten staatlichen Ordnung und nahm als achtzehnjähriger Frontsoldat, gezeichnet vom Ernst der Zeit, den Weg in die Heimat, wo er sich eine neue Lebensgrundlage schaffen wollte. Er wurde in Perjamosch Tischlerlehrling und arbeitete als Gehilfe, zog 1922 ins Reich, um sich in Dresden im Kunstgewerbe auszubilden und landete schließlich in München. Was bis dahin nur Sehnsucht der Seele war, stand nun wie eine unverrückbare Gewißheit vor ihm: Maler werden. Als Schüler von Professor Marr und später von Professor Stuck verbrachte er zwei Jahre in München. Die Knappheit der Daseinsmittel brachte ihn 1925 zurück in die Banater Heimat. Aber wie groß war der Unterschied zwischen dieser Rückkehr und jener im Spätherbst 1918! Er hatte einen Lebenszweck, er war Maler, freilich einstweilen noch schwer beladen mit dem, was er in München gelernt und gesehen hatte. Er malte Bilder mit Böcklin-Motiven und überließ in der Auffassung Professor Stuck das Wort. Eine Welt der Farben feierte Feste unter seinem Pinsel, die von einer suggestiven Wärme war. Doch diese Farben trug nicht der Boden der Heimat, nicht ihre Bäume trugen sie und auch ihre Menschen nicht. Allmählich begannen sie sich zu wandeln und verloren in dem Maße ihre Fremdhaftigkeit, wie die heimatlichen Themen hervortraten. Das Leben der Deutschen im Banat ist spröd und der Kern steckt in einer nicht leicht durchdringlichen Schale. Es ist das Große an Franz Ferch, daß er dieses spröde heimatliche Leben in die Sphäre des künstlerischen Schaffens emporzuheben verstand. Die ersten Versuche unternahm er von der volkskundlichen Seite her und von der Geschichte aus. Das „Banater Mädchen“, seine Schwester in zart-farbenfroher schwäbischer Volkstracht, und „Die Wacht“, ein großes Gemälde, das deutsche Kolonisten des 18. Jahrhunderts auf der Nachtrast um ein Lagerfeuer zeigt, sind die ersten Früchte des Ringens um ein bodenständiges Thema. Von hier aus verläuft seine Entwicklungslinie mit geringen Abweichungen des Suchens, das der konstruktiven Vereinfachung der Form und der Zähmung des Feuers der Farben galt, in die große Erntezeit der Jahre zwischen 1931 und 1937. Ein römisches Intermezzo flocht sich in diese ein, ohne seinen Weg abbiegen zu können.
Vor der Romreise schuf er den „Pflüger“: ein Bauer über den Sterz seines Pfluges gebeugt, groß daherschreitend, und hinter ihm laufen die von ihm geackerten Furchen in die Unendlichkeit, aus der er selbst gekommen scheint. Ganz im Vordergrund des Bildes ist er festgehalten wie ein Symbol der unzähligen schwäbischen Bauern, die seit der Ansiedlung mit ihrem Pflug über die Banater Erde hinzogen. Er malt in dieser Zeit den „Brotschneider“, dem das Anschneiden des frischgebackenen Laibes eine Weihezeremonie ist. Mit solcher Inbrunst kann das Brot nur ein Mensch in der Hand halten, der selbst das Korn gebaut hat. „Jung und alt“ – ein Jung- und ein Altbauer in vertieftem Gespräch, ein Dokument der weltanschaulichen Auseinandersetzung um die Erneuerung unseres Volkes, drängend und fordernd der Junge, zurückhaltend und doch merklich angezogen der Alte. Im politischen Leben jener Jahre steht der Bauer bei der „Absimmung“, den Hut unter den linken Arm geklemmt und in der Rechten die Stampiglie, mit der er seinen Willen auf den Stimmzettel aufdrückt. Von jedem Gesichtszug ist es abzulesen, daß der einzelne hier im Namen der Gesamtheit spricht. Aus der Zeit nach Rom stammt eine zweite Fassung des „Pflügers“. Der „Siedler“, der den ersten Baum pflanzt, wie ein Stegeszeichen im eroberten Neuland, ein kleines Mädchen in schwäbischer Volkstracht und das Bildnis eines Altbauern sind die weiteren Werke der Jahre 1936 bis 1937. Den Höhepunkt stellt das Bild „Der junge Bauer“ dar, ein junger fertiger Mensch vor dem Tore des Lebens, aus der mütterlichen Erde aufragend wie der Baum neben ihm. Verheißung von Kraft und innere Sicherheit strömt diese meisterhaft erfaßte Gestalt aus, die, ein Typ des neuen schwäbischen Bauerngeschlechtes, in die heimatliche Landschaft hineingestellt.
Die Lobpreisung von allem, was die Heimaterde zeugt und trägt, ist bei Franz Ferch ein Bekenntnis der Seele. Er braucht die Luft, die über die bestellten Banater Felder streicht und in der Schwäbischen Türkei den deutschen Menschen mit dem gleichen Säuseln umweht wie in der Batschka, er braucht die Riesenausdehnung der Banater Heide, die wie eine endlose Schale ist, vollgegossen mit Licht und den Säften des Lebens. Am Ufer der Marosch, eine Stunde Weges von Perjamosch, in einem Häuschen, an dessen Bau er selbst mit Hand angelegt hat, lebt er, der Stadt und ihrem Tumult entflohen, das Dasein eines Siedlers. Wohin er den Blick auch immer wendet, die urhafte Ordnung im Kommen und Gehen allen Lebens kann ihm hier nicht entschwinden.