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Stefan Jäger. Maler seines Volkes

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0994
Autor Name: Peter Pallmann
Titel des Artikels : Stefan Jäger. Maler seines Volkes
Untertitel des Artikels: Ein Kulturtriptychon
Publikation: Manuskript
Jahr: 1970
* [[Peter Pallmann]]: [[ART:0994 - Stefan Jäger. Maler seines Volkes|<i>Stefan Jäger. Maler seines Volkes</i>. Ein Kulturtriptychon]] 1970

Ein Kulturtriptychon

Vorbemerkung:
Die vorliegende Abschrift eines Manuskriptes sollte nicht als abgeschlossene Studie betrachtet werden, vielmehr ist es ein Zeugnis dafür, welche Wirkung das Werk Stefan Jägers auf seine Banater Mitmenschen ausübte und welche Gedanken sich Kunstfreunde aus den verschiedensten Bevölkerungsschichten machten, um das Kulturerbe zu sichern und weiter zu geben.

I. Teil
Der Platz St. Jägers in der Galerie der Banater deutschen Kultur
a, Miniatur der Kulturgeschichte der Banater Schwaben
b, St. Jäger u. Müller-Guttenbrunn – die zwei Gipfel schwäbischer Selbstbesinnung
c, St. Jäger und wir

II. Teil
Das Lebensbild
a, Ein Überblick
b, Frühling – Sommer – Herbst
c, Eine Würdigung

III. Teil
Das Werk
a, Überblick über das Werk u. seine Entstehung
b, Die Hauptwerke
c, Das Volks u. seine Werk

Anhang
1- Meine Bekanntschaft mit St. Jäger
2- Der Briefwechsel
3- Der Nachruf

Bemerkung:
Das Konzept wurde abgeändert.
Variante 1:
I. Teil: Das Lebensbild (Frühling, Sommer, Herbst u. Winter)
II. Teil: Das Werk
III. Teil: Die Verbreitung u. Wirkung. Stefan Jäger und wir

Variante 2:
Inhalt
Des St. Jäger Werkes

Chronologie: Leben u. Werk St. Jägers eingewoben in die Zeitgeschichte
Die Schrift: (Ein Tryptichon)
Das Leben
– Frühling
– Sommer
– Herbst
Das Werk
– Geschichte u. Symbole
– Schwere Arbeit u. Frohe Feste
– Ein Inventar des Schwaben
Die Wirkung
– auf die Mitwelt
– auf die Nachwelt
Anhang:
Verzeichnis der wichtigsten Werke;
Thematisch-chronologisch geordnet

I. Teil
Der Platz St. Jägers in der Galerie der Banater deutschen Kultur
a, Miniatur der Kulturgeschichte der Banater Schwaben

Als im Spätsommer des Jahres 1716 Prinz Eugen von Savoyen Temesvar einschloß u. die Fest nach eineinhalbmonatiger Belagerung fiel, da war die 164jährige Türkenherrschaft für das Banat zu Ende. Diese war damals einen verwüstete, verwilderte Provinz. Im ganzen Gebiet zählte man nur 663 Dörfer mit 21.289 Hausstellen u. von einem geordneten Leben, Wirtschaft, Handel u. Wandel gar von einer höheren Kultur, konnte keine Rede sein. Der Wiener Hof erkannte trotz dieses augenblicklich traurigen Bildes, das die Provinz bot, die Entwicklungsmöglichkeiten des Landstriches, wenn hier fleißige Leute wohnen möchten, darum erwog man schon 1717 dort die Besiedlung des Banats mit Deutschen. Ein Jahr nach dem Frieden von Passarowitz – durch den das Gebiet an das Deutsche Reich fiel – wurde dann an den ersten Gouverneur der neuen „kaiserlichen Provinz“, den begabten u. fähigen lothringer Grafen Klaudius Florimund Mercy, ein „Einrichtungs-Befahl“ gesandt, laut welchem die Besiedlung des Banates zwecks Beförderung des Ackerbaus, des Weinbaues, des Handwerkes u. des Handels, des Bergbaues endgültig anbefohlen wurde. Somit begann der „große Schwabenzug“. Tausende Familien, vor allem Bauern, verließen in den nächsten Jahren u. Jahrzehnten ihre alte Heimat in Süd u. Westdeutschland u. kamen in das Banat um hier ihr Glück u. vor allem Entfaltungsmöglichkeit ihrer schöpferischen Kräfte zu finden u. ihren Freiheitdrang zu stillen. Die Hoffnung auf eigenes Gut, das sie im Schweiße ihres Angesichts, aber für sich, bearbeiten können, u. die versprochene persönliche Freiheit, war ihr Leitstern. Sie brachten aus ihrer gesitteten Heimat die Kenntnisse des Acker- u. Weinbaus, des Handwerks u. geordneten Handels mit sich u. in einer historisch gesehen kurzer Zeit machten sie aus dem Banat, Not u. Tod trotzend, eine blühende Provinz. Sie brachten es durch ihren Fleiß, ihre Zähigkeit u. Ausdauer zu wirtschaftlichem Wohlstand und auch die Keime einer höheren Kultur fehlten nicht: Schon 1789 in Temesvar eine Lehrerpräparandie errichtet, die Erzieher für die Söhne u. Töchter dieses Volkes heranbilden sollten u. ein Jahr später gab es in Temesvar schon 3-4 mal wöchentlich Opernvorstellungen. Überhaupt wurde die Musik in der Provinzhauptstadt u. den übrigen Städten u. Dörfern eifrig gepflegt. Auch die übrigen Künste standen nicht nach. Allen voran die Malkunst. Anfangs waren es Künstler aus dem Reich, jedoch bald waren es gebürtige Banater. So Karl Brocki, 1807 in Temesvar geboren, der sich einen europäischen Namen erwarb u. einer der beliebtesten Porträtmaler am Wiener u. später Londoner Hofe zur Zeit war, oder der etwas später geborene (1847) Oravitzer Adolf Homburg, der auch zu einem Stern auf dem europäischen Malerhimmel wurde. Nicht zu vergessen sind auch die erstrangigen Maler die ihrer Heimat treu blieben, wie Anselm Wagner, der „kleine Balzac seiner Heimatstadt Temesvar, das sich als Klein-Wien fühlte u. gab“, u. mit dem im Banat eine hundertjährige Periode der Porträtkunst anhebt, u. a.
Nur im Reiche der Literatur war es mit den Schwaben des Banates schwach bestellt. Zwar wurde hier, in der Gemeinde Csatád einer der größten Dichter des Weltschmerzes, Nik. Lenau, geboren, aber er kann nicht als Dichter seiner Heimat gelten, obwohl in seinen „Schilfliedern“ u. a. viele Erinnerungen an die Heimat nachklingen, u. kein anderer bedeutender Name auf diesem Gebiet entsproß den Deutschen des Banates in ihrer Zeit.
Aber was diesem Volk ganz in jener Zeit fehlte, ein Fehlen das sich verhängnisvoll auswirken sollte, war der Mangel einer volksverbundenen Intelligenz, der Mangel an volksverbundenen Künstlern, Dichtern, Geschichtsforschern, Denkern, von Menschen, die diesem Volke sein Volkstum, sein Volkssein vor die Augen des Leibes u. des Geistes führen hätten sollen. Als sich nämlich der Raureif der Entnationalisierung auf dieses Volk niederzulassen begann, so stand es wehrlos da. Es war niemand vorhanden der vor der Gefahr warnen konnte, u. das Volk aufrufen sie abzuwehren. Ja, es war niemand da der überhaupt dem Volke einen Spiegel vorhielt u. ihm seine Verbundenheit, sein Volkstum vorgehalten hätte. Es fehlte ihm das Selbstbewußtsein, die Selbsterkenntnis seines Volkstums. War das überhaupt ein Volk? Ein Volk das keine Geschichte, keine Selbsterkenntnis hat ist das überhaupt als Volk anzusprechen? Und die Banater Schwaben hatten keine Geschichte, kein Zusammengehörigkeitsgefühl, kein Selbstbewußtsein, denn die deren Pflicht es gewesen wäre die Masse zu einem Volk zu machen, seine Intelligenz, war unfähig, trauriger noch, war mit Leib u. Seele bereit die Volkszugehörigkeit zu verkaufen u. in fremdem Volk aufzugehen. Man brauchte die Kraft der Söhne dieses Volkes, man brauchte die Geisteskräfte diese Volkes in dem Dienste der eigenen Interessen, der staatsbildenden Nation, man drängte den Schwaben in die Ideologie des Staatsnationalismus, aber man unterdrückte die eigenen Gedanken u. die Gefühle der Schwaben, man wirkte zielstrebig auf die Entwicklung unserer Wesensart hin.

b, Müller-Guttenbrunn und St. Jäger – die zwei Gipfel der schwäbischen Selbsterkenntnis

Als die Not am größten war, die Giftblumen des Volksverrates am schönsten blühten u. die Peitsche der Entnationalisierung von Söhnen unseres Volkes gegen die eigenen Brüder am gräßlichsten geschwungen wurde, da entstanden in der zweiten Hälfte des XIX. Jhdts diesem Volke zwei große Söhne. Es sind dies der 1852 geborene Adam Müller-Guttenbrunn u. der genau ein Vierteljahrhundert später das Licht der Welt erblickende Stefan Jäger.

c, Stefan Jäger und wir
Ein Werk über St. Jäger? Wer ist überhaupt Stefan Jäger? Was hat St. Jäger uns zu sagen?
Berechtigte Fragen in einer Zeit wo man über alles schreibt, wichtiges u. unwichtiges, wahllos um es zu lesen u. über dem Lesen das eine oder andere zu vergessen.
Möchte man doch immer so fragen wenn man ein Druckwerk zur Hand nimmt. Beginnen wir mit dem Versuch auf obige drei Fragen zu antworten. Eine Schrift über Stefan Jäger erstens, weil er es nicht verdient, vergessen zu werden, ja es ist eine Kulturschande, daß in unserer Leser- u. autorenschaftfreudiger Zeit sich noch niemand fand, der Leben und Werk diese größten Malers der Banater Schwaben zu würdigen, kein Verlag um ein Album mit seinem Hauptwerk herauszubringen. Aus dem Schweigen das seit seinem Tod über ihn u. sein Werk ausgebreitet wurde, kann man das wahre Gesicht unserer Zeit u. ihrer Kultur ersehen. Einer jeden Eintagsfliege widmet man in unseren Zeitungen mehr Spalten als man Wörter in den kargen Nachruf beim Tode Jägers diesem widmete und seitdem nichts – – –
Wehe dem Volk, das seine Vorfahren vergißt!
Zwar hatte unser Volk in seiner nun Vierteltausendjährigen Geschichte im Banat viele bedeutende Meister des Pinsels, angefangen von dem genialen Karl Brocki, der, 1807 in Temesvargeboren, sich einen guten europäischen Namen erwarb u. einer der beliebtesten Porträtmaler am Wiener u. später am Londoner Hofe jener Zeit war; der 1847 in Orawitz geborene Adolf Humborg der sich auch zu europäischer Größe emporrang, oder der „kleine Balzac seiner Heimatstadt Temesvar, das sich als Klein-Wien fühlte u. gab“, Anselm Wagner, mit dem im Banat eine hundertjährige Periode der Porträtkunst anhebt, um nur einige zu nennen.

Das Lebensbild
a, Ein Vorwort

Trotz seiner goetheschen Dauer – Stefan Jäger lebte 84 Jahre – ist das äußere Bild dieses Lebens rasch umrissen: es ist leer aller Schnörkel u. Grellheiten die viele Künstlerleben verbrämen, es zeichnet sich vielmehr durch den Gegenteil davon durch seine Schlichtheit u. Geradheit aus, seine Ungekünsteltheit u. schartenlose Werthaftigkeit aus. Einfach und schlicht ist es und doch wiederum wie großartig u. beispielgebend. Einfach, schlicht u. gemäßigt wie die Jahreszeiten unserer Heimat, ein heiterer Frühling, von großartig seltenen Gewitter unterbrochen, ein Sommer nicht übermäßig heiß, ein gesegneter, überreicher, langer Herbst u. ein nicht allzustrenger Winter. Nur, daß diesem Leben der Winter ganz fehlte.
Der erste Wintertag diese Lebens war sein Todestag.
Kein Lebensbild, der Daten fehlen!

Der Frühling

Etwa ein Dutzend Kilometer von seiner späteren Wahlheimat, dem kleinen Städtchen Hatzfeld entfernt, in dem Dorfe Tschene, erblickte am 28. Mai 1877 Stefan, als Sohn des chirurgischen Gehilfen namens Jäger, das Licht der Welt. Auf diesem geographisch gesehen, engbegrenzten Raum, TscheneHatzfeld, man kann ihn vom Kirchturm einer dieser Gemeinden mit freiem Auge übersehen, spielt sich der Großteil des Lebens dieses Menschen ab.
Es war ein schwächliches Kind u. an nichts konnte man seine zähe Ausdauer im Leben in den er es 84 Jahre ausleben sollte, noch seine spätere Künstlergröße erkennen. So entwickelte er sich auch als Kind als normaler Durchschnittsmensch. Welch unermeßlicher Bogen spannt sich nun zwischen dem Jungen von damals u. dem Vollendeten der über 8 Jahrzehnte später die Augen schloß. Was hatten diese Augen in dieser Zeit gesehen, welche Fülle an Schönheit, was haben Geist u. Hände, diese gesegneten langfingerten Hände in diesen 8 Jahrzehnten geleistet. Nein, kleiner Stefan das hat dir bei deiner Geburt keine Norne ins Ohr geraunt!
Das Kind wuchs heran. Nach Besuch der Volksschule in seiner Heimatgemeinde, studierte er in Szegedin u. Budapest u. ließ sich nach Studienaufenthalten in Wien, München, Stuttgart u. Venedig für immer im Banat nieder. Das ist der Kreis seines Frühlings.

Der Sommer

Am Eingang zur zweiten Lebensepoche des nun zum Meister gewordenen steht ein Monumentalwerk. Seiner Hände Schöpfung. Es ist dies das dreiteilige Großgemälde „Die Einwanderung der Schwaben“ ein Werk dem die Dankbarkeit u. der Stolz auf die Vorfahren, die aus der verödeten, versumpften Banater Ebene eine Kulturlandschaft geschaffen hatten, Pate stand. Es war sein um viele Jahre älterer Freund Adam Röser aus Gertianosch, der ihn aneiferte ein solches historisches Gemälde zu malen. Durch eine Studienreise in die Herkunftslande der deutschen Kolonisten unterrichtete er sich mit der ihm eigentümlichen Gründlichkeit u. Sorgfalt über die Trachten der Einwanderungszeit. Dann ging er an die Ausführung, die mehrere Stationen hatte: bald in Temesvar, bald in Budapest, dieses Intermezzo dauerte einige Wochen – bald in Gertianosch, und dann wieder in Budapest, wo das Gemälde vollendet wurde. Wie oft wurden die Leinwände zusammengerollt u. von neuem aufgespannt – ein Gemälde, das auf der Wanderschaft entstand, wuchs u. fertig wurde.
Einmal fertig brachte es seinem Schöpfer Ehre u. Ruhm. Kurze Zeit vor dem ersten Weltkrieg wurde in Budapest eine Farbreproduktion in 500 Ex. gedruckt, das Original aber wurde von der Stadt Temesvar angekauft. Kaum war das Werk fertig, ging der Meister schon an neue Werke, ohne sich Rast und Ruh zu gönnen. Jetzt entstanden:
Da kam der erste Weltkrieg. Wie so viele, riß es auch ihn von seinem Werk. Er wurde Soldat, ging an die Front. Dort klaubte er sich ein rheumatisches Leiden zusammen, das ihn lebenslänglich u. mit steigender Heftigkeit plagen sollte. Dann kam der Frieden, Ungarn zerfiel, das Banat wurde geteilt. Jäger blieb seiner Heimat, seinem Volke treu. Er blieb hier, schaffte weiter u. Bild entstand nach Bild, alles aus der Natur u. dem Leben seiner Heimat, seines Volkes.
Der Höhepunkt seines Lebens war da. Hell leuchtete sein Werk über sein Volk. Bekannt u. berühmt war er weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus. Außer den Ausstellungen Temesvar besichtigte er regelmäßig die Ausstellungen in … Ja, bis ins Mutterland drang sein Name u. sein Werk. In den Schulbüchern war sein Schwabenzug reproduziert. Sein Werk wirkte auf die breitesten Massen seines Volkes. All dies machte ihn weder eitel noch größenwahnsinnig. Er blieb der einfache, schlichte Maler Stefan Jäger, seiner Arbeit u. seinem Volke ergeben. Als überhitze Köpfe ihr pathetisch hohlen Tiraden vom Stapel ließen u. seinen Namen u. sein Volk dazu mißbrauchen wollten, da machte er nicht mit: er blieb einfach u. schlicht.

Der Herbst

Es kam der große Zusammenbruch u. mit ihm das große Leid für unser Volk, bes. für diesen Splitter unseres Volkes im Banat. Nach einer Tragödie sondergleichen ließ sich die Grabesruhe über die eine Hälfte, die in Serbien wohnte, Flucht, Verschleppung, Not u. Elend über die andere, die übrig blieben, hüben und drüben der Grenzlinie, die das Banat seit 1920 in zwei schneidet.
Tiefstes Schweigen ruhte auch auf den Namen u. den Werken Stefan Jägers. Viele meinten, daß der Künstler gar nicht mehr lebt. Jedoch er hat den großen Sturm überstanden. In seiner Wahlheimat Hatzfeld lebte er wie immer still, bescheiden zurückgezogen u. schuf weiter Bild um Bild, Themen aus der Heimat u. dem Leben seines Volkes. Man konnte nicht für lange Zeit das Licht unter den Scheffel stellen, denn erstens wär es zu dumm gewesen u. da konnte man den Scheffel auch nicht so dicht machen, daß kein Schimmer durchsickert. Und er sickerte durch. Anfangs versteckt, dann halböffentlich verbreitete sich was seine Hände schaffen weiter u. weiter.
Das Hatzfeld jener Tage hatte wohl keinen Einwohner, der nicht vom Maler Stefan Jäger, der in ihrem Städtchen wohnte, gewußt hätte. Fast jeder konnte den, trotz seiner siebzig, ja achtzig Jahren, aufrechtgehend Mann, der sein Gläschen Wein noch immer schmunzelnd gegen das Licht hält, jeden Menschen mit frischer Aufmerksamkeit anhört u. seine Worte in einem Tonfall zusammenfügt, der ausgeglichen u. beruhigend ist. Zu seinem 75. veranstaltete das D.T. (= Deutsche Theater) aus Temesvar, das gerade in Hatzfeld auf Gastspiel war, eine kleine Ehrung, zu der sie ihn persönlich einluden. Er wollte nicht u. als ihn nach der Vorstellung die Schauspieler alle bis zu seinem Hause begleiteten, da sagte er schlicht u. offen: „Hätte ich das gewußt, wäre ich nicht gekommen“. So war er Zeit seines Lebens: allen hohen Werten, allem formalen Pathos fremd, ja feind.
Er kannte in diesem Alter auch nur eins, wie immer: seine Arbeit. Es entstanden jetzt ungezählte Skizzen, Aquarelle, Ölgemälde. Ihm ward das hohe Glück zu Teil nicht nur ein hohes physisches Alter zu erreichen, sondern bis ins hohe Alter höchst produktiv zu sein. Man muß den Achtziger gesehen haben wie er, ohne Augengläser, nicht leicht zitternder Hand schreibt, den Pinsel führt. Und kann er im Winter, wegen der rheumatischen Leiden, die ihn mehr und mehr plagten, seine Atelierstunden nicht einhalten, so ist der alte Herr unwillig u. klagt brieflich „Bei meinem Rheuma u. den trüben Tagen kann ich nichts machen“, gleich weiter heißt es aber „doch es ist noch nicht aller Tage Abend“. Die am 4. Jänner 1962. Viele Pläne hatte er noch. Manches Thema sollte noch ausgeführt werden. Knappe 2½ Monate danach, am 16. März 1962 war es dann doch für ihn aller Tage Abend, still u. ruhig verschied er in seinem Hause. Die deutschsprachigen Zeitungen des Landes brachten einen kurzen, nicht einmal schwarz umrandeten Nachruf, die deutsche Gemeinde Hatzfeld ging aber mit ihm u. gab ihm das letzte Geleit u. im Geiste gingen alle mit, die ihn und sein Werk kannten u. ihre Zahl ist Legion.
Das war die Skizze seines Lebens. Blicken wir darauf zurück so erinnern wir uns der eingangs gesetzten Worte: Schlicht u. gerade war es, von höchster Klarheit u. Beispielhaftigkeit, ein Leben gewidmet in Treue u. Aufopferung seinem Volke, ein typischer Vertreter dieses seines Volkes in seiner Arbeitsamkeit, Ausdauer u. Zähigkeit, seine Konzentrierung auf das knapp Umgrenzte.
Sein Leben ist ein Feld in der Brandung des Zeitgeschehens. Er war ein Deutscher als der Sturm der Magyarisierung unser Volk zu vernichten drohte und machte aus seiner Überzeugung in seinen Werken kein Hehl, der „Einzug der Schwaben“, der in jener Zeit entstand, ist hierfür der klarste Beweis. Ungarn zerfiel, der Schwabe Jäger blieb. Seine Heimat wurde Rumänien angeschlossen. Es kam die Zeit des „aici se vorbeşte numai româneşte“ (=hier spricht man nur Rumänisch). Stefan Jäger blieb der Schwabe, der er war. Seine unzähligen Skizze u. Bilder aus dem Leben unseres Volkes in dieser Zeit gemalt, sind die besten Zeugen dafür. Es kam die alle Schranken überschreitende Größenwahnzeit des deutschen Nationalismus. Stefan Jäger blieb seinem Volke treu u. einfach ergeben, die neue Zeit kam herauf. Stefan Jäger malte sein Volk u. blieb der er von Anfang an war, treu bis zum Tod.

III. Teil
Das Werk

War das Lebensbild mit einigen Strichen leicht zu umreißen, wer könnte es wagen, die mit dem Werk zu tun. In über sechs Dezennien entstand ein Lebenswerk, das viele Hundert Ölgemälde u. Aquarelle zählt, von den unzähligen Skizzen der drei großen Skizzenbücher u. der vielen anderen ganz zu schweigen. Die Sichtung, Ordnung u. Aufzählung der in die Tausende gehende Ölgemälde, der Aquarelle, der unzähligen Skizzen würde ein arbeitsames Forscherleben in Anspruch nehmen. Nein, auf diesem Weg kommt man dem Werk St. Jägers nicht bei.
Wir begnügen uns vielmehr damit einen allgemeinen Überblick über diese Werk zu gewinnen u. gehen dann näher auf einige Hauptwerke, die uns zugänglich sind, ein.
Was als erstes bei einer genaueren Betrachtung diese gewaltigen Werkes in Öl u. Aquarell auffällt, – u. Jäger ist in beiden Techniken gleich groß – ist dessen thematische Beschränkung. Man mag alle diese Bilder betrachten, alle handeln sie von einem, von seiner Heimat, von seinem Volk. Darin liegt seine Größe. Nicht das er keine weiteren Kulturkreise gekannt hätte, aber er beschränkte sich bewußt auf den Kulturkreis seiner Heimat, seines Volkes, als das ihm Wesensgemäßen u. füllte diesen, scheinbar so beschränkten Kulturkreis, voll u. ganz aus. Er füllt ihn so aus, daß unter seinem Pinsel das Alltägliche, der Alltag so wie er zwischen Frühling u. Winter u. wieder Frühling, zwischen Wiege u. Tod u. Weiterleben des Volkes abläuft, diese Gebietes u. seiner Menschen in seinen Werken zum Allgemein-Menschlichen erhoben wird. Bei ihm wird das der Form nach Provinzielle zum Exponenten des menschlich Allgemeingültigen. In hundert u. aber hundert Arten hat er Landschaft, Volk u. dessen Gegenstände, seiner Heimat, dargestellt. Vom Kleinsten, Unscheinbarsten bis zum Größten: Von der Wiege bis zum Spinnrad, von der Sense bis zum Zapfenbrett, seine Arbeits- u. Festtage, seine Trachten u. Gebräuche u. wohlverdiente Freuden hat er immer als Eigenes betrachtet u. unermüdlich immer wieder dargestellt.
Versucht man diese gewaltige Werk irgendwie zu ordnen u. einzuteilen, so ist bei genauerem Hinsehen eine Dreiteilung leicht zu bewerkstelligen. Freilich ist es nicht immer leicht ein Werk in einer dieser Schablone einzureihen. In diesem Sinne kann man vom Schwabenmaler, dem Naturdarsteller u. dem Symboliker Jäger sprechen, je demnach auf welchem dieser drei (Kriterien) der Hauptakzent des Bildes fällt.
Am reichsten sind die Bilder der ersten Gruppe in seinem Werk vertreten: Hierher gehören die ungezählten Trachtenskizzen, die einer malerischen Bestandaufnahme der schwäbischen Trachten gleichkommen, hierher gehören die Schwäbische Stuben, die unzähligen Aquarelle, die den Schwaben bei der Arbeit, Ernte u. Markt am Domplatz darstellen u. jene die ihn bei seinen Festen („Die Kerweih“, Putzen des Kerweihhutes“) verewigen, die Bilder vom Schwabenjungen bis zum Greis u. das Hauptgemälde vom „Einzug“ u. im direkten Sinne auch sein letztes Werk, würdiges Seitenstück zum „Einzug“, „Des Schwaben Kulturarbeit im Banat“. Also eine weite Thematik, die wieder eine weitere Unterteilung zur besseren Übersicht notwendig macht. Bilder, die die Geschichte der Schwaben als Thema haben, Werke in denen Leben u. Wirken des Schwaben zentralgestellt sind, Werke in denen Gebrauchsgegenstände des Menschen, wie Trachten, sein Heim u. Hof Zentralstellung einnehmen. In die erste Untergruppe gehören die zwei Hauptwerke seines Schaffens u. die vielen Skizzen u. Vorarbeiten, die diese Themen behandeln (Charakterstücke dieser Untergruppe) Zur zweiten Untergruppe gehören als Hauptvertreter die Gemälde „Markt am Domplatz“, „Kerweihzug“, „Kirchgang“, „Putzen des Kerweihhutes“, „Ernte“ u. „Heimkehr vom Felde“ u. ungezählte Aquarelle u. Skizzen.
Was all die Werke dieser Richtung charakterisiert, ist die Lebensfreude, die der warme Ton der Farben wie auch das Thema ausstrahlt, der Lebensoptimismus ihrer Schöpfer, der fremd allem Kitschigem, seichtem Darstellen des immerfrohen Bauern, den Menschen so darstellen wie er ist. Es ist ein Hohelied in Farben auf den Schwaben, die Arbeit u. die Sitten u, Gebräuche dieser Menschen.
Zur dritten Untergruppe dieses Kreises gehören zahlenmäßig die zahlreichsten Werke. Da sind vor allem die ungezählten Trachtenskizzen, die einer malerischen Bestandaufnahme der schwäbischen Trachten gleichkommen, hierher gehört die „Schwäbische Stube“ u. viele andere. Hervorzuheben sind die Liebe u. die Sorgfalt mit denen St. Jäger all diese Sachen dargestellt hat. Den allermeisten kommt ein viel größere als Skizzenwert zu. Schade nur, daß sie der Bevölkerung so gut wie unzugänglich sind. Der Großteil, bes. der Trachtenskizzen, hat das Regionsmuseum Temesvar aufgekauft um sie zu publizieren, was bis heute (über 10 Jahre sind seitdem verstrichen) nicht geschah.

Als Abschluß zu diesem allgemeinen Überblick über sein Werk sei unterstrichen u. hervorgehoben:
St. Jäger malte den Schwaben als der Großteil der führenden Schicht das Schwabentum als ein Verhängnis empfand nicht mit Árpéds Heerscharen in die pannonische Ebene herabgestiegen zu sein, er malte schwäbisch, als man dies im Namen der heiligen Gekünsteltheit als etwas Minderwertiges ansah, u. er fuhr fort schwäbisch zu malen, als so mancher seine Muttersprache am liebsten gleich dreimal verleugnete um nur nicht aufzufallen: über sechs Jahrzehnte seines Schaffens, bis zu seinem Tode, blieb er seinem Volke treu ergeben.

b.)

Um das Wesen der Kunst Jägers, seine Welt u. Lebenseinstellung, sein Können besser Kennenzulernen betrachten wir einige seiner Hauptwerke näher. Einige, denn wir sehen ihre Gesamtzahl ist riesig. Da ist die Wahl nicht leicht, Beschreibung ist jedoch Hauptgebot. So fiel die Entscheidung auf die wichtigsten Bilder, je eines aus jeder Richtung, die mir aus dem Werk zugänglich waren:
– Der Schwabenzug (Geschichte)
– Die Kulturarbeit der Schwaben (Symbol)
– Die Jahreszeiten (Natur)
Freilich ist die Analyse einer so beschränkten Anzahl von Werken, seien sie auch noch so überlegt ausgewählt, nicht genügend um, ein vollständiges Bild über das Gesamtwerk zu geben. Das soll auch nicht geschehen. Hingegen sollen die nachfolgenden Zeilen enthalten, wie man Jägers Werk betrachten soll, um es richtig zu verstehen.

Bilder, die aus keinem
St. Jäger-Album fehlen dürfen:
1.- Die Einwanderung der Schwaben ins Banat
2.- Die Kulturarbeit der Schwaben im Banat
3.- Markt am Domplatz
4.- Der Kerweihzug
5.- Kirchgang
6.- Ernte
7.- Putzen des Kerweihhutes
8.- Heimkehr vom Felde
9.- Die Jahreszeiten


Zusatz (mit Tinte geschrieben)
Angaben:
- Genauer Titel (ev. Varianten)
- Technik (Aquarell, Oel auf Leinwand, Oel auf Holz)
- Dimensionen (Höhe x Breite)
- Entstehungsjahr u. Zeichnung (Signatur)
- Wo befindlich?


Loses Blatt – Gedankensplitter:

Zu „Stefan Jäger

Jäger liebte es eine ganze Geschichte, ein in der Zeit sich entwickelndes Geschehen in seine Bilder zu bauen. Darum wählte er oft die Form des Tri- oder eines Tetraptychon. Diese seine Werke sind Geschichtewerke oder phil. Abhandlungen in Bildern. Es ist gemalte Epik u. Gedankenepik. Ist so etwas möglich? Wer seine Bilder, wie z. B. „Schwabenzug“, „Des Schwaben Kulturarbeit“, „Die Jahreszeiten“ betrachtet, wird nicht mit der bejahenden Antwort zögern. Ist das aber Malkunst? Sind hier nicht die Grenzen der Malkunst überschritten u. als solches kein Kunstwerk, sondern eine zweitrangige Illustrationsmalerei entstanden?

Es ist die würdige Schwester der programmatischen Musik! Und wer würde es heute, da es (zähle einige tiefgreifende Musikwerke dieser Art auf)

daß diese Musik genau so diesen Namen verdient wie die sog. „Absolute“.

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Jäger sah die Welt: er war in Deutschland, Italien, Frankreich, England. Er betrachtete sie mit offenen Augen. Er sah das Land, er sah die Leute, er sah vor allem die Kunstschätze u. er lernte daran. Er lernte daraus, nicht all das nachzumalen, er wurde kein Epigone. Er lernte daraus, was jeder Schüler von seinem Lehrer lernen sollte: nicht diesem nachzuäffen, sondern eine eigene, wesensgemäße Stellung zu dem sich Arbeitenden einzunehmen. Er sah, daß die Größe der großen Werke an ihrer Verbundenheit mit ihrem Volk u. ihrer Zeit besteht u. handelte danach indem er sich bewußt beschränkt, auf die Darstellung seines Volkes, seiner Mit- u. Umwelt begrenzte u. dadurch diese u. sich selbst zur Größe erhob. Er hat es großartig verstanden das Individuelle mit dem Typischen zu verbinden, was zur Größe eines jeden bedeutende Kunstwerke beiträgt. Man denke nur an die „Kulturarbeit“. Es ist typisch für den Banater Schwaben, aber ist es nicht gleichzeitig ein Hohelied in Farben auf die menschliche Kulturarbeit überhaupt? Ja, denn er ergreift durch das Allgemeinmenschliche nicht nur den Banater Schwaben,, dessen Geschichte er systematisch wiedergibt, sondern einem jeden Betrachter, der darin das Loblied auf den schaffenden Menschen überhaupt sieht. Sein Inhalt spricht vor allem zu uns, aber nicht nur zu uns u. eben dieses „nicht nur“ macht es, daß es zu den großen Arbeiten der Kunst gezählt werden kann u. muß. Dasselbe kann man von fast allen seinen großen Werken sagen, selbst von seinem „Schwabenzug“ der auf ersten Anblick ganz in der „Schilderung“ eines engbegrenzten Vorganges aus der Geschichte seines Volkssplitters aufzugehen scheint. Auch hier ist das Allgemeinmenschliche vorhanden.

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„Kulturarbeit“

I. Trostlose Wildnis: Sumpf, Schilf, Krähen. Das Menschliche fehlt ganz
II. Der Kampf mit der wilden Natur; die Wildnis ist noch da: aber der mensch, gebückt auf den Pflug, verdrängt sie in den Hintergrund
III. Die wilde Natur ist noch immer da: Mohnblumen u. andere Feldblumen bestätigen es, aber sie sind in das menschliche Kulturwerk eingegliedert.

Der Mensch schafft der Natur nicht, er gestaltet sie nur, indem er Vorhandenes durch seine Arbeit u. Fleiß ordnet, gestaltet u. veredelt. Es ist dasselbe u. ein ganz anderes doch. Eben darin besteht die Kulturarbeit des Menschen vom natürlichen bis zum Geistigsten. Denn der Maler auch die Dichter sie schaffen nicht Farbe noch Worte, aber sie gestalten das Vorhandene so, daß daraus das Werk geschieht durch das Wunder der Schöpfung. Der Schöpfung nicht aus dem Nichts, sondern indem sie aus Vorhandenem bis dann noch nicht vorhandenes schaffen.


Loses Blatt – 'aufgezeichnete Gedankensplitter':

Durch was lebt ein Volk, eine Volksgruppe weiter:
1.- Werk
2.- Wirkung (Beispielhaftigkeit, Fähigkeit beispielgebend zu uns)
3.- Seiner Großen. In ihnen und durch sie. Diesbezüglich sind in uns so größer je typischer ihr Leben u. Werk für das Volk ist, je mehr sie Quintessenz desselben sind im Guten u. Schlechten.

Die Banater Schwaben:
1.- Urbarmachung des Gebietes: Ein Splitter der großen Geschichte der Wohnbarmachung der Erde.
2.- Beispiel für andere Nationen als Ferns(?) westlichen Kultur u. Gesittung am Balkan
3.- Drei Großen in denen es weiterlebt:
- Lenau
- Müller-Guttenbrunn
- St. Jäger
Mit dem Leben des letzteren wollen wir uns beschäftigen
./.
Der große Schwabenmaler
u. Maler der Schwaben

St. Jäger gehört zu den größten Maler der Schwaben, aber sein größter Ruhm ist aber, daß er der größte Schwabenmaler ist. Kann man ihm den ersten Platz unter den Maler der Schwaben streitig machen, keinesfalls aber den der größte Schwabenmaler zu sein! Hierin besteht seine wahre Größe, sein großer Wert.

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