Stefan Jäger Archiv

Hier arbeitete Stefan Jäger

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Bibliografie
Artikel Nummer: 1053
Autor Name: Karl-Hans Gross
Titel des Artikels : Hier arbeitete Stefan Jäger
Untertitel des Artikels: Ein Besuch in der Gedenkstätte lohnt sich
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Karpaten Rundschau
Reihe: Heimatkunde
Erscheinungsort: Kronstadt
Jahr: 1972
Jahrgang: V (XVI)
Nummer: 3
Datum: 21.01.1972
Seite: 11
* [[Karl-Hans Gross]]: [[ART:1053 - Hier arbeitete Stefan Jäger|<i>Hier arbeitete Stefan Jäger</i>. Ein Besuch in der Gedenkstätte lohnt sich]]. Karpaten Rundschau, Kronstadt 1972 21.01.1972 (Jg.V (XVI) Nr.3), S. 11

Ein Besuch in der Gedenkstätte lohnt sich

"Sächsische Tracht" - Diese Aquarellskizze dürfte darum von Interesse sein, weil der schwäbishe Malerhier eine sächsische Gruppe in ihren Trachten festgehalten hat. - WK:1014

Kaum einige Hundert Schritte vom Stadtzentrum entfernt steht das niedere und langgestreckte Jäger-Eckhaus. An seinen weissgetünchten Zwerchgiebel ist eine schwarze Tafel angebracht, die den Namen des Malers trägt. Hier ist die Gedenkstätte. Die Ausstellungsräume selbst liegen im Hofgebäude, in das man früher von der Hauptgasse gelangte. Dabei musste man ein massives und hohes Hofportal, über einen teils gepflasterten kleinen Hof zum zwerchgestellten Hinterhaus passieren.
Eigentlich weist die Gedenkstätte keine grossen Ausmasse auf. Sie besteht aus zwei Räumen: dem grossen Ausstellungssaal, von annähernd 70 Flächenquadratmetern, und dem kaum 3 Meter breiten Vorraum. Vielleicht ist dieser Bau weniger repräsentativ als erforderlich, da derselbe doch ursprünglich zu anderen zwecken errichtet war. Denn, schon allein die Fassade, die Anordnung der Wände, die Ausführung der vier grossen, nach Süden gestellten Doppelfenster, der grosse Raum mit den vielleicht nie gestrichenen, dafür aber sicherlich häufig gescheuerten Holzdielen, verrät den Zweckbau, wie es ähnliche – die sogenannten „Viertelschulen" – mehrere in unserem Orte gibt. Der Bau war demnach als Schuhe gedacht.
Wer hätte geahnt, dass gerade dieses bescheidene Schulhaus sich neuerdings als Kulturstätte eignen sollte? Gewiss hätte dem Meister eine weit grössere Ehrung zuteil werden können, als hier in diesen Räumen. Doch kam die getroffene Wahl nicht von ungefähr. Denn, eben an diesem Ort hat der Meister seine Arbeit nahezu vier Jahrzehnte hindurch tagein-tagaus verrichtet, Ende der 20er Jahre errichtete Stefan Jäger in diesen Räumen sein Atelier.
Es darf wohl angenommen werden, dass diese Räume dem Künstler sehr gelegen kamen; dies um so mehr, weil sich doch im gleichen Hofe die Wohnung für seinen bescheidenen Haushalt befand. Das Wohnzimmer lag vorne an der Gassenfront und schaute mit seinen beiden Fenstern auf die Hauptstrasse. Der Ausgang führte in den Hof. Von da hatte der nun schon angehende Fünfziger nur wenige Schritte bis zum Atelier zu tun.
Im Atelier wirkte und werkte der Meister bis an sein Lebensende (1962). Mir war es vergönnt, meinen ersten schüchternen Besuch 1950 in diesem Raum zu machen. Was ich an Möbel- und Geräteinventar vorfand, wurde kaum je von seinem ursprünglich zweckbestimmten Platz verrückt.
Im Vorraum stand eine „spanische Wand" vor dem zurechtgemachten Brennholz für den Winter und fing den Blick des Eintretenden auf. Der zweite Raum, der grosse Saal, war ungefähr in der Mitte durch eine zwerchgestellte Holzwand in zwei geteilt. Dort empfing den Besucher ein hoher Raum mit kalten, hellen Wänden. Feierliche Stille.
Vor der Holzwand stand ein kleines Tischchen, ein Stuhl mit abgeschabter Polsterung und zur linken Hand die „schwarze" Staffelei mit einem quer über die Ecke gestellten tuchverhangenen Bild. Dahinter lag des Künstlers Arbeitsraum. Dort stand der einfache Maltisch mit dem Reissbrett, die Malstaffelei mit den klobigen Holzschrauben zum Auf- und Abdrehen des Gestells, eine weitere Staffelei zum Trocknen der Bilder. Stellagen für Tiegel, Pinsel, Paletten und Kassetten u.a.m. In der linken Zimmerecke war ein Zapfenbrett für seinen Arbeitskittel und die abgelegten Strassenkleider angebracht nicht weit davon die Waschschüssel mit dem darüber gehängten Blechkanister für das Wasser. Tische und Schränke waren an den Wänden verteilt.
Zu unserem Leidwesen sollten sich bald nach dem Tode des Künstlers nur wenige von den erwähnten Dingen des Meisters auffinden lassen. Gegenwärtig ist im grossen Ausstellungssaal eine Zimmerecke eingerichtet. Dort steht ein alter Kleiderschrank, der Tisch mit einer nickelweissen Standuhr und anderen Gebrauchsgegenständen; in Greifweite der Lehnstuhl des Malers aus den letzten Jahren. In der beschaulichen Ecke an der Wand hängt das vom Künstler gemalte Porträt seiner alten Mutter.
Im relativ kleinen Vorraum sind an den beiden Längswänden einige Bilder ausgestellt (Gemälde, Fotoreproduktionen u. a.), die dem Besucher einen kurzen Einblick in die Biographie des Künstlers vermitteln: Der Vater Franz Jäger, der Tscheneer Barbier und Aderlasser, die Mutter Magdalena, geborene Schuller, die Grosstante des Malers Barbara Heck u. a. Auch zwei Selbstbildnisse des Malers sind da, deren Existenz bis vor kurzem nicht nur bezweifelt, sondern sogar verneint wurde.
Unverrückt steht das grosse Triptychon, das monumentale Einwanderungsbild, seit der Errichtung der Gedenkstätte am 31. Mai 1969 an seiner alten Stelle, an der Stirnwand im grossen Ausstellungssaal. In der Tat ein imposantes Werk, das durch seine Weite, seine malerische und historische Wirksamkeit, den Eintretenden in seinen Bann schlägt. „Und würde nur das Einwanderungsbild allein ausgestellt sein, es lohnt sich jedesmal, die Ausstellung zu besuchen", hat ein Besucher in das Gästebuch notiert. Und nicht nur dieses Werk sondern alle hier gezeigten Bilder des Malers können begeistern.
Rund 100 Jäger-Bilder wurden bisher in der Gedenkstätte (in den vier teilweise bzw. vollständig umgestalteten Ausstellungen) nacheinander gezeigt. Darunter Werke in Gross- und Kleinformat, in Öl oder Aquarelle: „Die Jahreszeiten", „Tanzpause" „An der Kehre", „Mutter und Kind" „Heimkehr vom Felde" dann Stilleben, Trachtenbilder Porträts usw. Auf diese Art wurden bis dahin weniger bekannte Werke des Meisters, aus dem Privatbesitz der hiesigen Einwohner den breiten Kreisen zugeführt. Wir können es daher unseren Landsleuten nicht hoch genug anrechnen, dass sie fast ausnahmslos unsere Bestrebungen wahrgenommen und die Gestaltung und Entfaltung der Gedenkstätte zu einer Gemeinschaftstat heranwachsen liessen. Sehr lobend muss hier erwähnt werden, dass die Nichte des Malers jüngst der Gedenkstätte 75 Handzeichnungen aus dem Nachlass ihres Onkels zur Verfügung gestellt hat. Es wäre begrüssenswert, wollten auch andere diesem Beispiel Folge leisten. In der Tat, Bestrebungen dieser Art und ein eindeutiger Beistand lassen sich in diesem Sinne erkennen. Der hiesige Holzschnitzer Peter Berberich hat eine in Nussholz ausgeführte Jäger-Büste zur Verfügung gestellt. Die Büste ist in der Gedenkstätte zu sehen. Aber auch die unlängst verfertigte kleine Holzskulptur „Stefan Jäger auf dem Heimweg" zeugt von den zielgerichteten Bestrebungen Berberichs als Jäger-Verehrer.
Gewiss ist in der Gedenkstätte von Jimbolia nur wenig von dem zu sehen, was Jäger zeitlebens geleistet hat – sie ist bescheiden. Was dennoch aber ein sehendes Auge dem Beschauer an innerem Erlebnis bringen kann, hat unser Heimatdichter Peter Barth aus Blumental am 12. September 1971 in das Gästebuch eingetragen:
„Die Gunst
der edlen Kunst
war hier uns offenbart, die jedermann
von heute an
im Angedenken bewahrt".

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