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Festtage in Gyertyámos

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0001
Titel des Artikels : Festtage in Gyertyámos
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Temesvárer Zeitung
Erscheinungsort: Temeschburg
Jahrgang: 59
Nummer: 111
Datum: 18.05.1910
Seite: 2 und 3
* * * *: [[Art:0001 - Festtage in Gyertyámos|<i>Festtage in Gyertyámos</i>]]. Temesvárer Zeitung, Temeschburg 18.05.1910 (Jg.59 Nr.111), S. 2 und 3

Temesvar, 17. Mai

Die blühende Torontáler Gemeinde Gyertyámos war an den beiden Pfingstfeiertagen der Schauplatz schöner Festlichkeiten. Man feierte Feste der Kultur,der Arbeit und des Fortschritts. Der „Südungarische landwirtschaftliche Bauernverein“ hat dem Kranze seiner Verdienste durch die Arrangirung dieser Festlichkeiten abermals ein Lorbeerblatt hinzugefügt. Aus Nah und Fern, von überall, wo der Bauernverein Mitglieder besitzt, waren Gäste – an 2000 Personen – erschienen, um Zeugen der wirtschaftlichen Erfolge und Bestrebungen der Gyertyámoser zu sein. Ein besonderes Illustre erhielt das Arrangement durch die Enthüllung des Bildes „Einzug der Deutschen in Ungarn“, das von einem engeren Landsmann gemalen, doppelt an Werth gewann.
Lobend und anerkennend als Beweis für die Nüchternheit und Taktik der Gyertyámoser Bewohnerschaft, sowie des arrangirenden Bauernvereins muß hervorgehoben werden, dass trotzdem die Wahlpolitik gerade in diesem Bezirke höhere Wellen schlägt und eben jetzt nahe vor der Entscheidung steht, kein Misston die Harmonie der Festtage störte. Es verdient dies besonders darum hervorgehoben zu werden, da der Bezirk in zwei Lager gespalten und der Kandidat der einen Partei Julius Hódy[1] persönlich zu dem Feste erschienen war. Ebenso war der gewesene sächsische Abgeordnete Coppony[2] aus Brassó mit einigen Prinzipiengenossen erschienen. Doch keinerlei Zwischenfall hemmte den programmgemäßen Verlauf. Die Politik war gänzlich ausgeschaltet.
Ueber den Verlauf der Festlichkeiten erhalten wir folgenden Bericht:

Empfang der Gäste – Serenaden.

Schon Samstag mit den Nachmittagszügen trafen zahlreiche Festteilnehmer in Gyertyámos ein. Unter Anderen auch die Fahnenmutter Frau Röser mit ihrem Gemahl Johann Röser sen., Inhaber des bekannten Handelslehrinstituts in Budapest.
Abends fanden zu Ehren der beiden Fahnenmütter Frau Elisabeth Römer und Frau Johann Röser Lampionserenaden statt, die einen imposanten Verlauf nahmen. Mit den verschiedenen Zügen am Sonntag, selbst noch am Montag langten stets große Gruppen an Besuchern ein, die jedes Mal am Bahnhof duch das Komitè empfangen und unter klingendem Spiel in die Ortschaft geleitet wurden. Der ganze Weg bis dahin, sowie die Gemeinde selbst trug reichlichen Fahnenschmuck und waren auch an mehreren Stellen Triumphpforten errichtet.

Eröffnung der Gewerbeausstellung.

Am Pfingstmontag um 8 Uhr Früh fand sodann die feierliche Eröffnung der Gewerbeausstellung statt. Zuerst begrüßte der Präses der Ausstellungskommission Anton Gamauf die erschienenen Festgäste, worauf der Protektor dieser Ausstellung Julius Hódy eine Ansprache hielt. Die heutige Feier ist keine politische, sagt Redner, sondern ein Fest der Arbeit. Landwirthe und Gewerbetreibende legen Zeugnis ab, was Arbeit und Fleiß zustande gebracht. Abtdomherr Franz Blaskovics konstatirt ebenfalls mit Freude, dass das Werk der Gyertyámoser Bevölkerung uns den Beweis geliefert, was ein arbeitsames Volk zu schaffen im Stande ist, denn trotzdem die Einwohnerschaft zumeist aus Landwirthen besteht, blüht hier auch ein ganz tüchtiger Gewerbestand. Er erklärt die Ausstellung für eröffnet und fordert die Anwesenden zu einem Rundgang in der Industriehalle und der Maschinenexpositur auf.
Noch sang der „Gyertyámoser Männergesangverein“ den „Hymnus“, worauf die Besichtigung der Ausstallung begann. In einem geräumigen eigens zu diesem Zwecke solid erbauten Gebäude finden wir eine ganz hübsche Expoition der verschiedensten gewerblichen Produkte. Besonders überraschend sind die Leistungen der Gyertyámoser Tischler, die ihre Erzeugnisse in separaten Interiuers ausgestellt. Ganz besonders fiel eine Schlafzimmer-Einrichtung der Dampftischlerei Josef Wechselberger auf, die mit Brandmalerei ausgestattet auf künstlerischen Werth Anspruch erheben darf. Doch auch die übrigen Gegenstände, auf deren Aufzählung einzugehen der Raum unseres Blattes leider nicht gestattet, beweisen, dass der Gewerbestand Gyertyámos den Ansprüchen der heutigen Zeit vollkommen Genüge zu leisten im Stande ist.
An der Ausstellung betheiligten sich insgesammt 51 Gewerbetreibende mit 134 Gegenstände, ferner in der Hausindustrieabtheilung zahlreiche Damen mit 750 Gegenstände.
Am freien Platze außerhalb des Pavillons waren eine schöne Exposition landwirtschaftlicher Maschinen, sowie die Erzeugnisse der beiden Gyertyámoser Ziegeleien hübsch gruppirt.

Bildenthüllung.

Den Glanzpunkt der Gyertyámoser Festtage bestand in der Enthüllung des Bildes „Der Einzug der Deutschen nach Ungarn“.
Dieses Bild ist in einer besonderen Abtheilung der Ausstellung – mit noch mehreren hübschen Schöpfungen des Malers Stefan Jäger, der dieses gemalt, untergebracht. Es ist ein 6 Meter langes und 2 Meter hohes Oelgemälde in drei Theilen und stellt in einer künstlerisch und historisch treuen Ausführung drei Momente dar: 1. Am Wege der Wanderung, 2. Rast beim Ankommen in der neue Heimath und 3. die eigentliche Ansiedlung. Von dem Bilde wurden bereits eine Anzahl Kopien in künstlerischem Druck angefertigt und wurden an das Publikum verkauft.
Die Festrede bei der Enthüllung des Bildes hielt Abt-Domherr Franz Blaskovics. Als vor Jahren die Gemeinde Gyertyámos das 100-jährige Erinnerungsfest an ihren Bestand feierte – sagt Festredner – und die damals erschienene Monographie in eingehender Weise die Ansiedlung schilderte, erkannte der Altbürger dieser Gemeinde Adam Röser – ein Nachkomme der einstigen Kolonisten – die Wichtigkeit, welche dem Bilde zukommt, dass es besser als das gedruckte Wort im Stande ist, auf das Gemüth zu wirken. Und so reifte in ihm der Entschluß, den Einzug unserer Vorfahren in die neue Heimath in pietätvoller Weise bildlich verewigen zu lassen. Es möge die Hülle des Bildes fallen (dieselbe wird herabgelassen), damit wir daraus erkennen, dass nur die Arbeit zum Wohlstande und Fortschritt, zu einer gesicherten Zukunft führen. Und jetzt wollen wir einen Blick auf die vergangenheit werfen, als unsere Ahnen, so wie einst die Israeliten durch die Wüste zogen, in das Land der Milch und des Honigs, in das schöne Ungarn gewandert kamen. Wenn man zurückdenkt, dass damals noch nicht das Dampfroß das Reisen bequem machte, so kann man sich vorstellen, wie mühselig die Wanderung der Männer und Frauen gewesen, die unzählige Gefahren zu überstehen hatten, um ans Ziel zu gelangen.
Damals war Ungarn auch noch nicht mit Milch und Honig gesegnet, sondern es waren überall noch Spuren des 200jährigen Türkenjoches, Verwüstung bemerkbar. Wenn wir uns die damaligen armseligen Lehmhütten betrachten und heute die modernen Bauernhäuser, so wie auch unsere Ausstellung, so gibt dies alles redliches Zeugniß von den Fleiße des eingewanderten Volkes. Das Bild führt uns so lebhaft vor Augen wie Vergangenheit, gegenwart und Zukunft ineinander greifen. Wenn wir das Bild genau betrachten, wie die Ahnen die Heimath verlassen, um als Kulturpflanze in ein anderes, vom Kriege verwüstetes Land verpflanzt zu werden, so ersehen wir daraus, dass es dem Menschen genau so ergeht, wie dem Baume, der edle Früchte trägt. Finden wir irgendwo eine edle Frucht, so trachten wir sie auch bei uns zu verpflanzen. Die aus anderer Erde, anderem Klima hierher gebrachte Pflanze wird nur dann Früchte tragen, wenn sie sich bei uns heimisch fühlt, wenn sie sich bei uns akklimatisirt. So ist es auch bei den Menschen, der eine neue Heimath sucht. Es taucht nun die frage auf, ob der Stamm, der damals nach unserem geliebten Vaterlande kam, sich hier akklimatisirte. Ihre mehr als 100jährige Geschichte lehrt es, dass sie mit ganzen Herz und ganzer Seele dem ungarischen Vaterlande angehören, und eben darum und auch darum, weil sie sich vollkommen akklimatisirt haben, ist ihr Stamm nicht ausgedorrt, sondern hat sich mächtig ausgebreitet und blühende Umgebung geschaffen. Und dass dieser Baum gute edle Früchte getragen, das beweißt die heutige Gewerbe- und die morgige Viehausstellung. So bleibt uns die Verganheit als Lehre für die Zukunft. Um fruchtbare Bäume zu züchten, müssen wir auch in Zukunft besorgt sein. Wir müssen unseren Söhnen nebst Uebung der Gottestugenden, Festhalten an Redlichkeit, Bürgersinn, Fleiß, Nächstenliebe und Mannesmuth, hauptsächlich aber Anhänglichkeit am ungarischen Vaterland lehren. Die Erinnerung an unsere Ahnen hätte die jetzige Generation nicht schöner zum Ausdruck bringen können, als durch die Schaffung dieses Bildes. Und den Worten der hl. Schrift „Ehre Vater und Mutter“ entsprechen wir am Besten dadurch, dass wir die Anhänglichkeit an das ungarische Vaterland, welches sich unsere Voreltern zur Heimath auserkoren, auch unseren Kindern einimpfen. Redner sprich zum Schlusse dem Initiator dieses schönen Bildes Herrn Adam Röser, der auch durch bedeutende materielle Opfer dem Maler die Schaffung des Werkes ermöglichte, den Dank aus.
Herr Adam Röser hat sich schon durch die Errichtung der Schülerkonvikte in Szeged patriotische Verdienste erworben, durch dieses Bild hat er neuerdings die Anhänglichkeit an die Scholle seiner Väter dokumentirt. Ebenso gebührt dem jungen Maler Stefan Jäger, ein Cseneer Kind, für die Mühe, dass er seine Aufgabe gut gelöst, der Dank. So sollen auch unsere Nachkommen stets der Devise; „Für Gott, König und Vaterland!“ eingedenk sein, damit ihr Erdenwallen sich ebenso segensreich gestalte, wie das ihrer Eltern!

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Der ebenfalls anwesende junge Maler Stefan Jäger wurde zu seinem Werke herzlichst beglückwünscht. Derselbe wurde im Jahre 1877 in Csene geboren, absolvirte 6 Bürgerschulen und vier Jahrgänge der Musterzeichenschule in Budapest. Sodann trat er eine längere Studienreise ins Ausland an, wo er auch die Vorstudien zu obigem Bilde machte, an dem er vier Jahre arbeitete.

Prämiirung der Gewerbeaussteller

Da die Jury der Gewerbeausstellung schon tags vorher ihres Amtes gewaltet, konnte sofort nach dem Eröffnungsrundgange die Prämiirung vorgenommen werden. Es wurden folgendes Resultat verlautbart:

Gewerbeausstellung: I. Preise: Stefan Mager Schmied, Johann Ruß Wagner, Anton Wagner Schlosser, Gebrüder Kloß Ziegelei, I. Gyertyámoser Ziegelei A.-G., Stefan Jochum Schuster, Heinrich Weiß Schneider, Nikolaus Hajnay Riemer, Josef Wechselberger Tischler, Röser & Neuhauß, R. Krier jun. Zimmermann, Nikolaus Lutz Baumeister.
II. Preise: Michael Schmidt Schuster, Johann Urban Schneider, Anton Klein Spengler, Johann Gutekunst, Fassbinder, Johann Hauschild Seiler, Christof Tullius Besenerzeuger, Mathias Heine Schmied, Georg Zeilinger Bäcker.
III. Preise: Johann Metz Schneider, Johann Mettler Schuster, Peter Kieser Schuster, Jakob Färber Tischler, Mathias Hari Schneider, Johann Frei Steinmetz, Ludwig Rakoczky Drechsler, Johann Rammacher Lebzelter, Leo Weichand Tapezierer, Martin Augustin Tischler, Anton Birkenheuer Tischler, Johann Szabó Tischler.
Handarbeit: I. Preise: Eva Gamauf (Tullanlais, ausgelegte Arbeit), Frau Henriette Volk (Vorhang, Häckelarbeit), Frau Anton Kuthy (Nadelmalerei).
II. Preise: Frau Nikolaus Kloß (Tischläufer), Therese Knopf (Nadelmalerei), Maria Mandl (Netzstoffarbeit), Mariska Witwer (Durchbrucharbeit-Kollektion), Katalin Kreppel (Durchbruch-Bettgarnitur), Elisabeth Schuld (Tischläufer), Magdalena Kreppel (Durchbrucharbeit, Milieu).
III. Preise: Katalin Furier (Taufdecke), Magdalena Kreppel (Perlpolster), Frau Peter Kolla (gehäckelter Vorhang), Anna Schmitz (Tischläufer und Milieu-Nadelmalerei), Margit Walzer Rotschink (Milieu-Nadelmalerei) Therese Löwy (gehäckeltes Jäckchen), Margit Wechselberger (Milieu), Ilona Knopf (gehäckelter Hut), Anna Kuhn (Netzarbeit, Kinderröckchen, Häubchen), Frau Alexander Kamény (gestickte Weißwäsche, Maschinenarbeit).

Zwei Fahnenweihen.

Vom Ausstellungsplatze zogen die Gäste sowie das Arrangirungskomitè unter klingendem Spiele zur Einholung der beiden Fahnenmütter. Es hatten sich sowohl der Ortsverein des Bauernvereins, sowie der Gewerbeverein eine Fahne angeschafft, die heute in festlicher Weise geweiht werden sollten. Bei der ersten Fahne hat Frau Elisabeth Römer geb. Kreppel bei der zweiten Frau Johann Röser aus Budapest das Ehrenamt der Pathin übernommen.
Um 10 Uhr fand in der Pfarrkirche das Hochamt statt, welches Abt-Domherr Franz Blaskovics zelebrirte, nach welchem derselbe den Akt der Weihe der Fahnen in Begleitung einer Ansprache vornahm. Am Chore sangen die Zöglinge des Gyertyámoser Konviktes in Szeged altungarische Kirchenlieder. Nach der Weihe wurde der Nagelschlag vollzogen.

Sonstige Veranstaltungen

Mittags fand in den Kasinolokalitäten ein Banket statt, an welchem sich mwehr als 250 Personen betheiligten. Während desselben wurden eine Anzahl Toaste gesprochen, auch langte ein begrüßungstelegramm des Vizegespans August Jankó ein, welches allsogleich beantwortet wurde. Gleichzeitig ging auch an den Obergespan Ludwig v. Delimanics ein Begrüßungstelegramm ab.
Den Nachmittag füllte ein Volksfest, sowie Besichtigungen von Bienenständen aus.
Mit dem Abend in den Kasinolokalitäten abgehaltenen Gemüthlichen Abend des Gyertyámoser Männergesangvereines fanden die Veranstaltungen des ersten Festtages ihren Abschluß.

Der zweite Festtag.

Der Pfingstmontag war ganz der Landwirtschaft gewidmet. Um 7 Uhr Früh wurde die Pferde- und Hornviehausstellung eröffnet, sodann eine Wanderversammlung unter dem Vorsitz des Abt-Domherrn Franz Blaskovics abgehalten und die Prämiirung der Viehaussteller vorgenommen. Nachmittags aber eine Probeackerung mit dem Bauernvereins-Dampfpfluge arrangirt.

Bemerkungen:

  1. Julius Hódy vertrat seit 1906 den Wahlbezirk Hatzfeld im ungarischen Abgeordnetenhaus. Seine Unabhängigkeits- und 48er Partei (Függetlensegi és 48-as Part), die in der Tradition von Ludwig Kossuth und der Revolution von 1848 stand und den Ausgleich von 1867 ablehnte, hatte sich im November 1909 gespalten. Hódy trat der neuen Kossuth-Partei (Kossuth Part) bei, als deren Kandidat er bei den Wahlen von 1910 Johann Pirkner unterlegen ist.
  2. Es handelt sich vermutlich um Wilhelm Kopony (1868-1939), der seit 1906 Abgeordneter des Wahlkreises Honigberg (Komitat Kronstadt) im Ungarischen Reichstag war. Als Gesinnungsfreund von Rudolf Brandsch befürwortete er ein enges Zusammengehen der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben. 1910 ließ er sich als Grundbesitzer im Banat nieder.(siehe Petri: Bibliographisches Lexikon, Sp. 990)

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