ART:0984 - Das Ethnografische Element in der Malerei der Banater Schwaben: Unterschied zwischen den Versionen
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Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | 0983 |
Autor Name: | Annemarie Podlipny-Hehn |
Titel des Artikels : | 200 Jahre Banater Kunst |
Untertitel des Artikels: | Eine Ausstellung in Würzburg |
Publikation: | Buch |
Titel der Publikation: | Kulturspiegel. Beiträge zur Kulturlandschaft einer Vielvölkerregion |
Verlag: | Cosmopolitan Art |
Erscheinungsort: | Temeschburg |
Jahr: | 2014 |
Seite: | 285-293 |
ISBN: | ISBN:978-606-8389-50-9 |
* [[Annemarie Podlipny-Hehn]]: [[ART:0984 - Das Ethnografische Element in der Malerei der Banater Schwaben|<i>200 Jahre Banater Kunst</i>. Eine Ausstellung in Würzburg]]. Kulturspiegel. Beiträge zur Kulturlandschaft einer Vielvölkerregion. Cosmopolitan Art, Temeschburg 2014, ISBN 978-606-8389-50-9 |
Obwohl es schon im 19. Jahrhundert zahlreiche. Dokumente, Studien
und Ortsmonographien gab, die volkskundliche Elemente enthalten, ist uns
aus jener Zeit wenig authen~isches Bildmaterial erhalten geblieben. Der
Beginn einer plastischen Auseinandersetzung mit der Banater schwäbischen
Volkskunst reicht in das erste Jahrzehnt unseres Jahrhunderts zurück. Das
"Einwanderungsbild" sollte eine entscheidende Wende nicht nur im Leben
seines Schöpfers, sondern auch in der schwäbischen Malerei bedeuten. Das
Bild entstand nicht aus individuellem Antrieb des Künstlers, vielmehr ging
die Initiative vorn Bewußtsein der Gemeinschaft aus. Das Banater
Schwabenturn hat sich dadurch seinen Maler erkoren.
Im Jahre 1906 bestellte die Großgemeinde Gertjanosch ein Gemälde
zum Thema "Die Ansiedlung der Deutschen im Südosten", das Stefan Jäger
ausführen sollte. Der junge Abs-olvent der Budapester Akademie, der sich als
Kunstmaler in seiner Heimat keine Existenz gründen konnte, weilte seit 1902
in Budapest und arbeitete notgedrungen für Kunsthändler. Dieser erste große
Auftrag aus der Heimat sollte Stefan Jäger nun zum Schwabenrnaler werden
lassen . Er fertigte in Budapest nach den wohlbekannten Regeln der
Kompositions- und Porträtkunst ein drei Meter langes Bild an. In seinem
ersten Eifer war ihm ein Anachronismus unterlaufen: auf dem Gemälde hatte
er nicht die Siedlungstracht der Vorfahren dargestellt. Daher verlangte die
Gemeinde ein zweites Bild und startete eine zweite Sammelaktion. Der Maler
sollte 1906 eine Studienreise unternehmen, um die Trachten der Ahnen aus
den verschiedenen Siedlungslandschaften zu studieren. Aus dieser Zeit
stammen die ersten Trachtenskizzen Stefan Jägers. Wie ist nun die
Einwanderungstracht bei Stefan Jäger festgehalten?
Auf dem Einwanderungsbild sind die Männer in bunten Westen
dargestellt, darüber tragen sie einen meist blauen, rotbraunen oder grauen,
wadenlangen Stoff- oder Leinenrock. Die knielangen Stoff- oder
Leinwandhosen werden zu hohen, weißen oder farbigen Strümpfen getragen.
Das Männerfußzeug ist der Schnallenschuh. In seinen späteren Skizzen hat
Jäger vorwiegend die Schlappen dargestellt, zum Beispiel in: Er hat sich
Schlappen gekauft, In der Reih'-Schlappen ausziehen, während sie in der
Skizze Guttenbrunn / 90 7, 819 sogar gesondert erscheinen. Die Hüte der
Männer sind breit. Daneben gab es noch den .Zweispitz oder Dreispitz, wie
ihn Jägers Skizzen Mein Hut der hat drei Ecke festgehalten hat.
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Die Frauentrachten sind auf dem Einwanderungsbild besonders bunt
und nach den Herkunftslandschaften verschieden. Man trägt kurz~, bis übers
Knie reichende bunte -Stoffkittel, darüber eine Schürze, weiße Hemden mit
Miederleibchen oder Änneljoppen, ein buntes Tuch um den Hals gebunden.
·Als Kopfbedeckung dienen bunte Hauben. Die Haartracht ist gescheitelt, die
Zöpfe werden im Nacken zu Knoten gewunden oder um den Kopf
geschlungen. Zu den bunten Strümpfen tragen auch die . Frauen
Schnallenschuhe, im Haus jedoch gehäkelte Patschen oder Samtschlappen,
wie sie Jäger bereits 1907 in Guttenbrunn skizzierte. Auf demselben Blatt ist
auch der festgeflochtene Wasserzopf zu sehen, der über den Kopf gelegt und
mit einem Kamm befestigt, sich bald nach der Einwanderung ins Banat als
typische Frauentracht durchsetzt. Zum Thema Einwanderung hat Stefan Jäger
nicht nur zahlreiche Trachtenstudien und Skizzen angefertigt, sondern auch
viele Kompositionsskizzen über verschiedene Stationen der Ansiedlung
geschaffen, so das Ulmer Gänsetor, Einwdnderungskolonne am
Donaustrand, Ulmer Schachteln, Die Anschiffung und viele andere, in denen
neben den Trachten aus Baden-Württemberg, J;tlsass-Lothringen, aus dem
Schwarzwald und aus der Lahngegend, auch die Trachten der einheimischen
Rumänen und Serben mit besonderer Detailtreue festgehalten sind.
Das Einwanderungsbild, das 1910 innerhalb der Gewerbe- und
Landwirtschaftsausstellung in Gertjanosch feierlich enthüllt wurde, wirkte
sich auch auf die Banater Malerei aus. Zwei Jahrzehnte danach schuf der
Maler Franz Ferch sein Triptychon Das Gebet der Ahnen und das Gemälde
Das Lage1:feuer. Das Triptychon ist der Gründung der Gemeinde Bogarosch
gewidmet. Das Lagerfeuer, auch als Die Nacht oder als Einwanderungsbild
bekannt (heute im Lenau-Lyzeum ausgestellt), zeigt uns die Ankunft der
Siedler im Südbanat. Die Trachten sind dieselben wie in Jägers Werk, das
Ferch als Vorlage gedient hat. Während Stefan Jäger sich auf die
Komposition des figurenreichen Bildes (80 Personen) konzentriert und
Detailtreue bewahrt, geht es Ferch in seinen Bildern mehr um die von einer
romantischen Landschaft ausgelöste Stimmung.
Haus und Hof
Nach der künstlerischen Gestaltung der Einwanderung galt es, die
Etappe der schwäbischen Rode- und Aufbauarbeit in der neuen Heimat
plastisch darzustellen. Jäger schuf nun aus eigenem Antrieb Des Schwaben
Kulturarbeit, ein Pendantstück zu seinem ersten großen Werk, ebenfalls als
Triptychon aufgefaßt, sowie zahlreiche Bleistift- und Tuschzeichnungen, die
das erste Ackern darstellen. Franz Ferch wählte ebenfalls dieses Motiv als
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Zentralthema seiner Schaffensperiode 1930-1937, so in den Gemälden Der
Siedler und Der Pflüger, wo symbolhafte Bauerngestalten den Boden ihrer
neuen Heimat urbar machen.
Das Kolonistenhaus, als erstes Zeichen der Zivilisation, ist in Ferchs
Bildern weit in den Hintergrund gerückt, es dient der Gestalt eher als Attribut.
Bei Stefan Jäger hingegen wird dem Siedlerhaus größte Aufinerksamkeit
gewidmet; seine Skizzen (z.B. Altes Haus aus der Ansiedlungszeit in Ostern)
und Gemälde unterstreichen alle Einzelheiten. Schon im dritten Teil des
Einwanderungsbildes steht es halbfertig da: ein aus Erde gestampftes, acht
Klafter langes, drei Klafter breites und acht Schuh hohes, dürftiges Häuschen.
Es ist mit Rohr gedeckt und hat einen Brettergiebel zur Gassenfront, was auch
aus Jägers Aquarellen ersichtlich ist.
Zahlreicher sind die Skizzen mit schwäbischen Bauernhäusern aus der
Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Auf Jägers Bildern sind es spitz- und
barockgieblige, reichlich ornamentierte, jedoch aus Kotziegeln errichtete
Häuser, die nach der Längsseite des Hofes ausgerichtet sind. Bedeutend
größer als das Kolonistenhaus, haben sie zwei Gassenfenster und eine
Gassentür am Hauseingang. Diesen Häusern konnte der Maler noch zu seinen
Lebzeiten an den Randvierteln der Dörfer begegnen, denn in der Dorfinitte
hatte der Wohlstand bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Rohrdach und
Kotziegel verdrängt. Es entstanden Bauernhäuser aus gebrannten Ziegeln und
Dachziegeln, sowohl spitzgiebelig als auch Zwerchhäuser mit trockenen
Einfah11en und einer reichbeladenen Giebelornamentik. Diesem Häusertyp
begegnen wir bei Jäger selten. Ferch wandte sich sogar in einem NW-Artikel
entschieden gegen diese protzige Giebelverzierung.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich zusammen mit einer
pompösen Bauernarchitektur auch die Wandmalerei auf breiten Hausgängen.
Diese oft kitschige Malerei wurde von Zimmennalern in Tempern oder
Ölfarben, durchwegs nach Ansichtskarten kopiert und vergrößert. Die Szenen
zeigen meist fremdländische Ansichten mit Schlössern, Parkanlagen,
Märchenlandschaften, Jagdgeschehen usw., und haben mit dem Leben der
schwäbischen Bauern nichts gemein, besitzen auch keinen künstlerischen
Wert. Vielmehr sind sie bloß kostspieliger Ausdruck des Reichtums, der
Überheblichkeit und Prunksucht wohlhabender Bauern.
Franz Ferch verwendet mit Vorliebe einfache Barockgiebel, die er
sowohl als Symbol in seine Thematik aufnimmt, als auch zu dekorativen
Zwecken in seine Bildkompositionen einflicht. Die Barockperiode kann als
Blütezeit der Banater volkstümlichen Architektur angesehen werden. Diese
Giebelform ist durch schlichten Schönheitssinn, gesunden Geschmack und
Ausgeglichenheit der Form gekennzeichnet und demzufolge als eines der
beliebtesten formalen Motive der Banater Hochkunst anzutreffen.
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Die dekorativen Valenzen, der weitgehend stilisierte Aspekt der
Volkstracht und Volksarchitektur werden auch von den jüngeren Künstlern
Hildegard Kremper-Fackner und Walter Andreas Kirchner mit Erfolg genutzt,
z.B. m den Graphiken von Hildegard Kremper-Fackner, die dem
schwäbischen Dorfleben, besonders der Kerwei gewidmet sind, oder in den
Holzschnitten von Walter Andreas Kirchner als Illustrationen zu
schwäbischen Sprüchen.
Bei Stefan Jäger ist das Haus weder Attribut noch dekoratives Element,
sondern ist organisch mit der Bildaussage verwachsen und wird Schauplatz
der Handlung. In seinem Werk ist die Wohnkultur der Banater Schwaben am
deutlichsten veranschaulicht. Viele Familienszenen spielen sich in der Küche
ab, deren Einrichtung sich auf das Einfachste beschränkt: ein Tisch, ein nach
unten geschlossener und oben offener Küchenkasten, das Zapfenbrett mit dem
täglichen Kochgeschirr, Schüsseln und Tellern, eine Wasserbank hinter der
Tür. Aus der Küche führt eine Tür in die der Straße zu gelegene gute Stube,
das Gäste- oder Paradezimmer. Sie wird vom Maler niemals bewohnt
dargestellt, sondern als Schau- und Schmuckstück mit besonderer Ehrfurcht
und Detailtreue. In der Mitte der Stube steht der Tisch, darüber befindet sich
die Hängelampe mit einem weißen oder bemalten Porzellanschirm, zu beiden
Seiten stehen die hohen Betten, davor je eine Bank oder je zwei Holzstühle.
Bettdecken und Tischtuch sind meist von gleicher Farbe und tragen dasselbe
Muster. Neben den Betten steht je ein Kleiderschrank; zwischen den beiden
Gassenfenstern befindet sich der Schubladenkasten, darüber hängen mehrere
Hinterglasikonen von kleinerem Format (meist aus der Gegend von Radna
mitgebracht). Zwei größere Heiligenbilder sind über den Betten angebracht.
Die weißen Vorhänge und das Schubladtuch sind selbstgestrickt oder mit
weißer Schlingerei verziert. In einer Ecke befindet sich der Lehmofen. Eine
buntbemalte Truhe und das Zapfenbrett mit den bemalten Tellern sind
beliebte Schaustücke der Bauernstube. Die meisten Jäger-Bilder führen uns
jedoch die Kammer vor. Dieser Wohn- und Schlafraum der Familie ist nach
der Küche gelegen . In den dargestellten Szenen versammelt der Maler
zumeist die ganze Familie um den großen Tisch, sei es während der
Mahlzeiten oder beim geselligen Zusammensein an den Winterabenden, in
einer Spinnstube oder bei einer Kartenpartie, wobei jede Einzelheit
durchgezeichnet ist. Kinder, vom Säugling in der Wiege bis zu Schulkindern
verschiedenen Alters, beleben die_se Bilder.
Jägers Werk ist nicht nur genaueste Bestandaufnahme der Möbel und
Wohnkultur der Banater Schwaben, sondern gibt uns auch eingehend
Aufschluß über die Speis oder Vorratskammer, über Stall, Wagen und
Geräteschuppen, den Bauernhof - sowohl den Vorderhof mit den Blumen,
dem niederen Lattenzaun, dem beliebten Oleander neben dem Schwengel-
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oder Kettenbrunnen mit seinem Lattengehäuse, zwischen Küche und Stall,
den Hof mit dem Kleinhaus für die ältere Generation, dem Hauptgebäude
gegenüber - als auch den Hinterhof mit Hühnerstall, Misthaufen, "Harnbar"
für Kolbenmais und die Stroh-, Heu- und Maislaubschober.
Auch die Dorfanlage mit ihren geraden Haupt- und Nebengassen, mit
den gleichmäßig angelegten Häusern wurde vom Maler festgehalten
(Dorfstraße in St. Hubert, Hatzfeld von Norden gesehen 14.IV 1921,
Königshof) . Jägers Festtagsszenen spielen sich fast ausschließlich in der
Dorfmitte ab, wo Kirche und Pfarrhaus, Schule und Gemeindehaus sowie das
Wirtshaus stehen. Die Dorfstraße mit den Pappel-, Weiden-, Maulbeer- oder
Akazienbäumen, das Gassenbänkchen mit den Sonntag-Nachmittagsszenen,
die Gänseseharen zwischen Gehsteig und Fußweg, vor allem aber die
Endreihen des Dorfes mit dem Ausblick auf die Hutweide und die Kaul
(Hatzfelder Dorfpartie), all das können wir in Stefan Jägers Werk antreffen .
Auch Franz Ferch hat seine Banater Dorfszenen oft in die Dorfmitte
verlegt, doch diente sie ihm hauptsächlich als Kulisse für das Abwandeln der
Haupthandlung, als Dekor . oder als struktureller Hintergrund einer
dekorativen Zeichnung, z.B. Kreuzgasse.
Bauerngestalten
Die Werke unserer Banater Maler gewähren nicht nur einen Querschnitt
durch die Materialkultur der Schwaben, sondern ermöglichen auch eine
Abgrenzung zwischen idyllischer Heimatkunst und sinnbildhafter Darstellw1g
von Charakterzügen und Eigenschaften ihrer Landsleute. Obwohl Jäger kein
ausgesprochener Porträtist war, sind seine Bauernbildnisse mehr als bloß
ethni sche Dokumente. Seine Bauern "saßen" ihm niemals Modell; er hat sie
stets während ihrer Arbeit in steter Bewegung oder während ihrer Feste,
ebenfalls in bewegten Szenen beobachtet. Wir finden in Jägers Skizzenmappe
neben Kornpositionsentwürfen und Trachtenzeichnungen oftmals einen
schönen Mädchenkopf - lebensnah und eindrucksvoll festgehalten . Da sind
lächelnde Kindergesichter, Porträts von rotwangigen, gesunden Frauen oder
aber Bildnisse von nachdenklichen Altbauern, die gemächlich ihre Pfeife
rauchen oder Zeitung lesen, verwitterte Männergesichter oder gütige alte
Großmütter am Spinnrad. Alle Generationen sind vertreten, doch nie ist eine
Gestalt individuell herausgehoben, alle sind organisch in die Handlung des
Bildthemas eingeflochten.
Ganz anders geht der Maler Emil Lenhardt vor: Seine Bauernbilder sind
individuell, klar und groß aufgebaut. In der sachlichen Darstellung seiner
Bauerngestalten verleiht der Künstler den Porträtierten etwas Biederes und
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Natürliches, wodurch die Vorstellung ruhiger Energie und tätigen
Selbstbewußtseins hervorgerufen wird.
Franz Ferchs Bauernporträts hingegen stellen herbe, schwerblütige
Menschen dar. Auch er malt den Altbauern in einen geschnitzten Stuhl
zurückgelehnt und behaglich rauchend, doch dominiert hier nicht mehr die
Gemütlichkeit, wie bei Jäger, denn die monumentale Einzelfigur stellt Würde
und Prästanz dar. Diese steigert sich noch mehr im Porträt des Konrad
Klamm, wo die Stimmung allmählich zur Monumentalität, die Gemütlichkeit
zur Repräsentation wird. Ferchs Bildnisse gehen oft über das Individuelle
hinaus ins Allgemein-Menschliche, Sinnbildhafte,: etwa die statuarisch
angeordneten, symbolhaften Gestalten Der Siedler, Der Tennmann, Der
Jungbauer, Michael Bartolf oder Der Brotschneider. Im letztgenannten Bild
ist das alltäglich-schlichte Geschehen - das Anschneiden eines Laibes
Hausbrot - mit besonderer Pietät, sowohl der Gestalt als auch der Geste
erfaßt. Auch Stefan Jäger gestaltet dieses Motiv, doch bei ihm nimmt die
ganze Familie an diesem Akt teil. Zumeist schneidet die Mutter den Brotlaib
an - ein natürliches, alltägliches Familienerlebnis. Dieser Szene haftet nichts
ldyllenhaftes an. Seine Bilder widerspiegeln die Welt des Dorfes hannonisch
und glücklich ohne soziale Widersprüche. Obwohl es einfache
Wirklichkeitsschilderungen sind, ist man geneigt, seine Bilder feierlich zu
empfinden. Sie sind frei von Sentimentalität und von keinem falschen Pathos
belastet, sondern einfach sachlich interpretie1i, doch gerade diese Schlichtheit
ist es, die den Bildern Schönheit verleiht, es ist die Schönheit des Wahren und
Einfachen .
Saure Wochen
Die Feldarbeit ist von den Banater Malern zu allen Jahreszeiten
festgehalten worden. Stefan Jäger läßt Vater und Sohn die Erste Furche
ackern. Beide Gestalten stehen im Mittelpunkt seines Bildes, das
symbolträchtig drei verschiedene Etappen der Rode- und Aufbauarbeit
veranschaulicht. Franz Ferch gestaltet auch dieses Thema des ackernden
Bauern in monumentaler Auffassung: Die urwüchsige Gestalt des Pflügers
tritt uns denkmalhaft entgegen, die kräftigen, gebeugten Schultern sind weit
vorgeschoben, die überdimensionie1ien Hände ragen sinnbildhaft in den
Vordergrund. Das Thema wird von Ferch in den sechziger Jahren mit
verändertem Ideengehalt wieder aufgegriffen: Der jüngste Vertreter einer
neuen Generation sitzt am Lenkrad eines Traktors und ackert seine erste
Furche auf dem Gemeinschaftsfeld. Der Maler stellt in zahlreichen
realistischen Bildern die Feldarbeit des Genossenschaftsbauern dar, so in
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Wiedera14hau, Arbeitspause der Brigade, Die Traktoristin, Bewässerung,
Kartoffelsetzen, Beim Schnitt und andere.
Auch Emil Lenhardt gestaltet in seinem Bild des ackernden Bauern mit
Hilfe traditionsgebundener Formenkunst bodenfeste Realität. Auch hier wird
die Wucht der Bewegung, das Zähe und Schwerfällige der Gestalten
unterstrichen, doch schwingt auch eine gewisse Stimmung mit, ausgelöst von
der Schwermut des Menschen, der einsam auf der weiten Flur des
aufgeworfenen Ackerbodens, in gebeugter Haltung in seinem feierlichsakralen
Tun erschöpft. Wir empfinden darin die Herbheit des Erdigen und
Urwüchsigen .
Ganz anders ist das Thema Arbeit von Stefan Jäger behandelt worden;
keine Wucht, sondern bloß Stimmung liegt in seinem Alltagsrealismus. Jäger
prägt in seinen Bildern wirklichkeitsnah erfaßte Wesenszüge zu Genrebildern
mit ethnographischem Einschlag. Mit emer fast wissenschaftlichen
Genauigkeit flößt er den kleinsten und unscheinbarsten Dingen Leben ein. Es
gibt nichts, was Jäger nicht wert wäre, gezeichnet oder gemalt zu werden.
Die spontansten Skizzen entstanden auf Jägers zahllosen
Fußwanderungen durch die Banater Heide: das Ackern, Säen und
Kartoffelsetzen, die Kartoffel- und Maisernte, der Schnitt und Drusch, das
Maisbrechen und Auslieschen, die Weinlese und Heuernte, Marktszenen,
Melonenhüter und Vogelscheuchen, eine Szene auf dem Heuwagen mit der
Aufschrift Rückwärts rum. Knabe spielt Flujer, das Essentragen beim Schnitt,
die Mittagspause einer rumänischen Bauernfamilie, das Bäumeausputzen, ein
Hirte mit Schafherde oder rumänische Schafhirten im Wirtshaus, Jahnnarkt in
Hatzfeld mit rumänischen Schaffmachern und Planwagen, heimkehrende
Marktleute mit Wagen, die Fratschlerinnen und viele andere Bildmotive, in
denen sowohl die landwirtschaftlichen Geräte, von der einfachsten Reisigegge
bis zur komplizierten Dreschmaschine dargestellt und mit den nötigen
Erläuterungen versehen sind, als auch die Arbeitstracht der Schwaben genau
festgehalten wird. Die Bäuerin trägt einen knöchelfreien Rock aus leichtem
Kattun , meist blau gedruckt, eine ebenfalls dunkelfarbene Schürze und ein
weißes Leinenhemd mit tiefem Halsausschnitt und Ärmeln bis zum
Ellenbogen, darüber ein Leibchen und auf dem Kopf einen breitrandigen
Strohhut oder ein Kopftuch. Der Bauer trägt weiße Leinenhosen, ein weißes
Leinenhernd, eine dunkle Schürze aus grobem festem Gewebe und einen
kleinen Strohhut. Später ersetzte eine dunkle gerippte "Strukshose" die weiße
Le\nenh,ose. A\s Fußzeug dienen Sch\appen und Patschen. Keine Spur von
Schönfärberei haftet diesen Skizzen an, die auf nüchterner, sachlicher
Beobachtung der Wirklichkeit beruhen. Es ist heimatverbundener später
Impressionismus, dem wir hier begegnen, eine Heimatkunst, entsprungen aus
dem engeren heimatlichen Lebensraum. Stefan Jägers Kunst ist
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Heimatmalerei nicht im Sinne von abwartendem Provinzialismus,
Beschränktheit und Gefühlsseligkeit, wie man den Begriff oft abschätzig zu
deuten versucht, sondern eine Heimatkunst im wahrsten Sinne des Wortes:
eine Kunst voller echter Gefühle, Liebe zur Heimat, Freude an ihrer
Schönheit, Achtung vor den Menschen und ihrer Arbeit, ihrer Tradition - eine
Kunst, deren Wurzeln tief im Boden der Heimat und Überlieferung verankert
sind. Dies ist es eben, was Stefan Jäger so beliebt macht bei den Banater
Schwaben, die sich mit der Aussage dieser Bilder identifizieren.
„. Frohe Feste
Im Werk des Heimatmalers Stefan Jäger haben besonders die Volksfeste
und Bräuche der Banater Schwaben einen reichen Niederschlag erfahren: die
Kerwei, das Erntefest und Maibaumsetzen, die Hochzeit und Taufe, der Engel
mit Beelzebub, das Silvesterständchen, Faschings- und Trachtenbälle, die
Mussestunden einer Spinnstube, die Kartenpartie, die Plauderstündchen auf
der Gassenbank und Tanzunterhaltungen in den Wirtshäusern, die Hora im
Freien und Heimfahrt nach der Assentierung mit der Anmerkung Taugliche
und Rippenfaule, Schulprüfung und Schulschlußfeier, Comedianten in einem
schwäbischen Dorf; Schlittenfah11 im Winter und andere typische Banater
Dorfszenen. Dabei wurde nicht nur das Zeremoniell des Brauches bis in alle
Einzelheiten notiert, vielmehr galt die besondere Aufmerksamkeit des Malers
immer der Festtracht, die er in aller Farbenpracht darstellt. Wir erleben so die
Vorbereitungen, vom sorgfältigen Bügeln der Röcke, vom Anlegen der Tracht
und ihrem Prüfen vor dem Spiegel oder durch den Kennerblick der Mutter,
bis zur festlichen Schaustellung. Mit besonderer Rücksicht auf die
aufgebauschten Faltenröcke und bunten Schultertücher mit reichen
Ziennotiven werden alle Unterschiede zwischen den Trachten der
schwäbischen Dörfer notiert. Ausführliche Beschriftungen ergänzen die
Aussage . Auch die Haartracht der Mädchen und Frauen, ihr Kopfputz und
ihre Kopfbedeckung sowie das Hutputzen als Kerweibrauch wurde von Jäger
skizziert. In seinen Mappen finden wir auch Blätter mit Bacskaer
Mädchentracht, sächsischer und rumänischer Tracht. Immer wieder sind vier
Generationen vertreten: Kinder-, Mädchen-, Frauen- und Altweibertracht
stehen nebeneinander, wobei der Kindertracht die gleiche Aufinerksamkeit
geschenkt wird wie der prunkvollen Mädchen- oder dunklen Weibertracht.
Zum Schönsten, was Stefan ' Jäger geschaffen hat, gehören seine
Aquarellbilder. Er gewinnt dieser Technik prächtige Farbtonwerte ab; seine
Farben leuchten festlich und ihre Transparenz verleiht den Bildern einen
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besonderen Glanz; aufrichtiges Empfinden und Freude am Detail ist
m itbesti mm end.
Seinen Bildern liegt ein höchst eindringliches und sorgfältiges Studium
der Natur zugrunde. In diesem Sinne sind die vergilbten Blätter Stefan Jägers
nicht einfach flüchtige, gelegentliche Skizzen von Momenteindrücken,
sondern gründliche, methodisch durchgeführte Arbeiten, mit der Akribie und
wissenschaftlichen Genauigkeit eines Ethnographen verwandt.
Dieses stete Einbeziehen von Tracht und Brauchtum in das Bildmotiv,
wie wir es bei Stefan Jäger antreffen, können wir bei keinem Banater Künstler
wiederfinden. Allerdings hat sich auch Franz Ferch in zwei zeitlich weit
auseinanderliegenden Schaffensperioden diesen Themen gewidmet. Erstens in
den Jahren seiner frühen Heimatkunst, als er unter dem Einfluß Jägers und
bedingt durch die Nachfrage seiner Landsleute Trachtenbilder anfertigte. So
malt er seine Schwester Helene in Bogaroscher Tracht, wobei er der Gestalt
und der Tracht die gleiche Aufmerksamkeit widmet. Auch in einigen
Wandgemälden der Kirchen von Lowrin und Perjamosch hat Ferch die
schwäbische Tracht festgehalten. In einem späteren Bilds Kfeeni stellt Ferch
ein kleines Semlaker Bauernmädchen in schwäbischer Tracht dar. Es kündigt
jene Schaffensperiode des Malers an, in der er seme wuchtige
Bauernmonumentalität entwickelt. Anfang der siebziger Jahre finden
Volkskunst und Brauchtum wieder ihren Niederschlag in zahlreichen
größeren Kompositionen des Malers. Es entstehen nun Bilder wie Kerwei,
Ernt<4fest, Banater D01f, Lebzelten, in welchen Ferch Barockgiebel und
Volksmotive wie seine beliebten Lebzeltformen als dekorative Elemente m
die Komposition aufnimmt.
Die Kerwei bildet auch ein beliebtes Thema in der Graphik von
Hildegard Kremper-Fackner. Mittels einer schwungvollen Linienführung und
sensibler Farbenstufung gestaltet sie in ihren Aquaforte und Aquatinta
stilistische Feinheiten der Volksmotive und Trachten und keh1i ihre
dekorativen Werte in den Vordergrund.
Bei Walter Andreas Kirchner drängt nicht das formale Motiv zur
Bildgestaltung, sondern in seinen Holzschnitten entwickelt er eine starke
expressive Bildaussage, um den Ideengehalt zu verdeutlichen. Ein gesunder
Humor ist kennzeichnend für viele seiner Blätter.
Man könnte noch unzählige Themen nennen, die aus dem Reichtum des
schwäbischen Volkslebens in die Werke der Banater Maler Eingang gefunden
haben, die so eine umfassende Trachtenschau und in Bildern gestaltete
Banater Volkskunde ergeben.
(VuK. B. 6, 71 1980)