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Bibliografie Aufsatz | |
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Autor Name: | Baier, Hannelore |
Aufsatztitel: | Zwei Integrationsfiguren geehrt |
Name des Herausgebers: | HOG Hatzfeld (Hg) |
Buchtitel: | Heimatblatt Hatzfeld |
Reihentitel: | 19. Ausgabe 2012 |
Erscheinungsort: | |
Verlag | |
Entstehungsjahr | 2012 |
Seite: | 96-99 |
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Würdigungen Adolf Meschendörfers und Stefan Jägers anlässlich ihres 80. Geburtstages im Jahr 1957
Die als Redakteurin der „Allgemeinen Deutsche Zeitung für Rumänien" tätige und in Hermannstadt lebende Journalistin Hannelore Baier beschäftigt sich seit 1990 mit zeitgeschichtlichen Themen der Rumäniendeutschen. Aufgrund intensiver Archiv-recherchen veröffentlichte sie zwei Quelleneditionen zur Russlanddeportation im Jahr 1945 („Deportarea etnicilor germani din România in Uniunea Sovietică 1945", Sibiu 1994) und zur Geschichte der Rumäniendeutschen zwischen den Jahren 1944 und 1956 („Germanii din România 1944-1956", Sibiu 2005) sowie zahlreiche Aufsätze und Studien zur Situation der deutschen Minderheit im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg.
In der Ausgabe vom 31. Juli 2002 der „Allgemeinen Deutsche Zeitung für Rumänien" erschien ein Aufsatz von Hannelore Baier über die Ehrung des Schriftstellers Adolf Meschendörfer und des Malers Stefan Jäger anlässlich ihres 80. Geburtstages im Jahr 1957. Die Verleihung des Arbeitsordens an die beiden Kulturschaffenden fußte, wie die Autorin bei ihren Recherchen im Archiv des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei in Erfahrung bringen konnte, auf einem Beschluss des ZK-Sekretariats. Wir veröffentlichen im Folgenden den Aufsatz, den wir mit einigen Fußnoten versehen haben.
Die Redaktion
Aus Anlass des 125. Geburtstages von Adolf Meschendörfer[1] und Stefan Jäger wurden in den vergangenen Wochen Gedenkfeiern in Kronstadt / Braşov und Hatzfeld / Jimbolia veranstaltet. Feiern hatte es für den siebenbürgisch-sächsischen Schriftsteller und den banatschwäbischen Maler auch im Jahre 1957 zu deren 80. Geburtstag gegeben. Damals allerdings erfolgten sie auf Grund eines Beschlusses des Sekretariats des Zentralkomitees der Rumänischen Arbeiterpartei (wie die Kommunistische Partei damals genannt wurde) in seiner Sitzung vom 14. Januar 1957. Die Ehrung der beiden 80-jährigen - Adolf Meschendörfer wurde bekanntlich mit dem Arbeitsorden l. Klasse und Stefan Jäger mit jenem II. Klasse ausgezeichnet.- sollte damals eine weitere symbolträchtige Maßnahme im Zuge der Rehabilitierung der Deutschen sein. Die Geburtstage der beiden Integrationsfiguren aus den Reihen der Intellektuellen - Meschendörfer als Dichter der „Siebenbürgischen Elegie" und Jäger als Maler des Triptychons „Die Einwanderung der Schwaben ins Banat" - kamen sehr gelegen. Als IV. Punkt der Tagesordnung jener Sitzung (an der nur die „Genossen" Gheorghe Gheorghiu-Dej, losif Chişinevschi und Nicolae Ceauşescu teilgenommen haben)[2] hatten „laufende Fragen" gestanden und dabei wurde unter 3. beschlossen: „Es wird die Verleihung des Arbeitsordens II. Klasse und die Erteilung einer persönlichen Rente an Stefan Jäger genehmigt, aus Anlass der Erfüllung der 80 Jahre und für seine Verdienste in der künstlerischen Tätigkeit." Unter 4. genehmigten die Genossen die Verleihung des Arbeitsordens l. Klasse und die Erteilung einer persönlichen Rente dem Schriftsteller Adolf Meschendörfer. (Staatsarchiv Bukarest, Fonds ZK der RKP, Kanzlei, Dossier 3/1957). Als Punkt III hatte auf der Tagesordnung dieser Sitzung des Sekretariats des ZK übrigens die Gründung einer deutschsprachigen Zeitung („Die Wahrheit") in der Region Temeswar gestanden und war ebenfalls bewilligt worden[3].
Genau ist leider nicht mehr festzustellen, auf wessen Initiative die Ehrung von Adolf Meschendörfer und Stefan Jäger anlässlich ihres 80. Geburtstages erfolgte, doch ist anzunehmen, dass die Idee dem Kreis um Ernst Breitenstein, Carl Göllner, Erwin Wittstock, Franz Liebhard u. a. Intelektuellen[4] entstammt, auf den die damals bestehende Parteikommission für Anliegen der mitwohnenden Nationalitäten (sie wurde am 12. Oktober 1957 aufgelöst) in Zweifelsfragen zurückgriff. Dem Protokoll der Sekretariatssitzung des ZK sind die beiden (auf den 10. Januar 1957 datierten) Vorschläge „betreffend das Feiern des 80. Geburtstags des Banater Malers Stefan Jäger" bzw. „betreffend das Feiern des 80. Geburtstages des Schriftstellers Adolf Meschendörfer" und, was letzteren angeht, auch eine Liste seiner Werke beigelegt, die von Vécsei Carol von Seiten der Parteikommission für Anliegen der Nationalitäten sowie Pavel Ţugui von der Sektion Wissenschaft und Kultur des ZK der Rumänischen Arbeiterpartei unterzeichnet sind. Sie enthalten die ideologischen Zurechtbiegungen und die Sprach-Floskeln jener Zeit, fußen jedoch eindeutig auf Angaben, die aus Kreisen der Banater und Siebenbürger Intellektuellen stammen.
So heißt es in dem Stefan Jäger betreffenden Vorschlag, er werde als „Maler der schwäbischen Bevölkerung des Banats schlechthin betrachtet" und: „Das Hauptthema seiner Gemälde stellen die Landschaften und Werktätigen (oamenii muncii) aus dem Banat dar." Für seine Verdienste soll der Maler anlässlich seines 80. Geburtstages wie folgt geehrt werden:
- Es wird ihm der Arbeitsorden II. Klasse verliehen.
- Es wird ihm eine persönliche Rente zuerkannt.
- Das Kulturministerium wird ein Album veröffentlichen mit den Skizzen aus dem Besitz des Regions-Museums Temeswar.
- Das Kulturministerium wird in Bukarest eine Retrospektiv-Ausstellung Stefan Jäger veranstalten.[5]
- Erteilen einer persönlichen Rente. (Es wurde tatsächlich zwei Mal angeführt, dass er eine Rente erhalten soll!)
Was Adolf Meschendörfer angeht, so heißt es im Vorschlag betreffend seine Würdi-gung, dass er zu den bekanntesten siebenbürgischen Schriftstellern gehört und eine bedeutende Anzahl Geschichten, Novellen, Romane, Gedichte und literarische Studien veröffentlicht hat. Desgleichen wird gesagt: „Am Anfang des Jahrhunderts hat Meschendörfer eine literarische Zeitschrift herausgegeben (in der progressive Materialien erschienen sind) und die sich vor allem zur Aufgabe gemacht hat, durch Übersetzungen die rumänische und ungarische Literatur sowohl im alten österreichisch-ungarischen Reich als auch in Deutschland bekannt zu machen. In seinen literarischen Werken äußert Meschendörfer sich als realistischer Schriftsteller."
Als Ehrung wird vorgeschlagen:
- Es wird ihm der Arbeitsorden I. Klasse verliehen.
- Es wird ein Band seiner Werke in deutscher als auch in rumänischer Sprache herausgegeben.
- Die zentrale Presse wird Artikel (über ihn) veröffentlichen.
Das tat der „Neue Weg" denn auch sofort am 18. Januar 1957 in seiner Wochenend-beilage „Kunst und Literatur" (ein weiterer Hinweis dafür, dass die Würdigung mög-licherweise von da aus veranlasst worden ist). Veröffentlicht wird ein Fragment aus dem Roman „Der Büffelbrunnen". Im Vorspann heißt es: „Im kommenden Frühjahr, am 8. Mai, wird Adolf Meschendörfer 80 Jahre alt - der Dichter, Schriftsteller, Kritiker, der einen neuen Abschnitt einleitete in der Entwicklung des deutschen Kulturlebens unseres Landes. (...) Wir hoffen, dass unsere Literaturforscher und -kritiker sich aus Anlass seines 80. Geburtstages mit dem Schaffen dieses Dichters und Förderers der Kultur eingehender als bisher auseinandersetzen werden - im Sinne der Weiterführung alles Wertvollen, das die ältere Generation geschaffen hat, durch unsere neue Literatur."
In der Wochenendbeilage vom 1. Februar 1957 ist ein langer Beitrag über den „Schwabenmaler Stefan Jäger" abgedruckt, an dessen Anfang ebenfalls darauf hingewiesen wird, dass der Maler „in diesem Jahre seinen achtzigsten Geburtstag begehen" wird. Am 28. Februar 1957 wird dann auf Seite 1 des „Neuer Weg" bekannt gegeben: „Laut einem Dekret des Präsidiums der Großen Nationalversammlung wurde Adolf Meschendörfer anlässlich seines bevorstehenden 80. Geburtstages und in Anerkennung seiner Verdienste auf dem Gebiete der Literatur mit dem Arbeitsorden l. Klasse, und Stefan Jäger anlässlich seines bevorstehenden 80. Geburtstages und in Anerkennung seiner Verdienste auf dem Gebiete der Malerei mit dem Arbeitsorden II. Klasse ausgezeichnet." Weiter unten heißt es sodann: „Die Auszeichnung A. Meschendörfers und St. Jägers ehrt das gesamte deutsche Geistesleben unseres Landes. Nicht nur Leistungen der Gegenwart erfreuen sich der Anerkennung unseres volksdemokratischen Staates, auch frühere Leistungen, die durch ihren bleibenden Wert befruchtend wirken auf das Schaffen von Leuten, werden geschätzt und geachtet, im Sinne eines harmonischen Zusammenwirkens von gesunder Tradition und schöpferischem Neuerertum." Im Klartext bedeutete dies, die bislang verpönten, weil dem „Bürgertum" angehörenden Künstler dürfen - mit gewissen Einschränkungen - wieder in die Öffentlichkeit geholt werden. Die beiden Künstler sind damals sowohl in offiziellem Rahmen gewürdigt worden als auch in Feiern innerhalb ihrer Gemeinschaften. „Staatspreisträger" und Sekretär des Schriftstellerverbandes Ferenc Szemler überreichte Meschendörfer die Auszeich-nung, doch wohnten der Feier auch das stellvertretende Mitglied des ZK der RAP und erste Sekretär des Regionskomitees der RAP Stalin, Maxim Berghianu, sowie der stellvertretende Vorsitzende des Regionsvolksrates Michael Schuster bei. Die Glückwunschrede allerdings wurde vom Schriftstellerkollegen Erwin Wittstock gehalten. (NW, 16. März 1957, S. 1)
Die Würdigung Jägers fand beim Rayonsvolksrat in Hatzfeld statt, wohin Vertreter des Regionsparteikomitees und der Temeswarer Filiale des „Verbandes der plastischen Künstler der RVR" gekommen waren[6]. (NW, 30. Mai 1957, S. 1) Von der Feier berichtete Franz Liebhard, der dem schwäbischen Maler in der Wochenendbeilage des NW vom 24. Mai einen reich illustrierten Beitrag gewidmet hatte[7]. Für die beiden 80-Jährigen stellten die Auszeichnung und die Feiern eine späte Anerkennung ihres Schaffens von Seiten des „volksdemokratischen" Regimes dar. Die sächsischen und schwäbischen Gemeinschaften aber freuten sich, dass ihre wahren Künstler (statt der Vertreter der Proletkultur) und somit ihre authentischen kulturellen Werte gewürdigt wurden.
Anmerkung
- ↑ Adolf Meschendörfer (* 8. Mai 1877 Kronstadt, 14. Juli 1963 ebd.), der Verfasser einer ganzen Reihe von Werken (Romane, Erzählungen, Dramen, Gedichte), die sich mit der Geschichte und Kultur Siebenbürgens auseinandersetzen, und Herausgeber der Kulturzeitschrift „Die Karpathen" (1907-1914), gilt heute als einer der bedeutendsten siebenbürgisch-sächsischen Schriftsteller. Seine „Siebenbürgischen Elegie" (1927) zählt zu den bekanntesten Glanzleistungen südostdeutscher Dichtung. Mit seinem Gesamtwerk hat er nachhaltig auf die siebenbürgisch-deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts gewirkt und deren Entwicklung entschieden gefördert und geprägt.
- ↑ Dem ZK-Sekretariat gehörte damals noch János Fazekás an, in dessen Zuständigkeitsbereich auch die Kommission für Anliegen der Minderheiten fiel.
- ↑ Die erste Ausgabe der Wochenzeitung „Die Wahrheit" erschien bereits am 1. Februar 1957. Nachdem sie ab 10. Dezember 1958 dreimal pro Woche erschienen ist, wurde die Publikation am 21. Februar 1968 auf täglichen Betrieb umgestellt und nannte sich fortan „Neue Banaler Zeitung".
- ↑ Zu diesem Kreis zählte auch der aus Reschitza stammende Journalist und Schriftsteller Anton Breitenhofer (1912-1989), der damals Chefredakteur der Tageszeitung „Neuer Weg", Mitglied des ZK der RAP und Abgeordneter der Großen Nationalversammlung war.
- ↑ Es ist weder zur Veröffentlichung des Skizzenalbums noch zur Retrospektiv-Ausstellung in Bukarest gekommen.
- ↑ Redner der Festveranstaltung beim Hatzfelder Rayonsvolksrat waren der Sekretär des Regionsparteikomitees, Mihail Munteanu, der stellvertretende Vorsitzende des Regionsvolksrates Temeswar, Josef Gedeon, und der Bildhauer Orgonás András als Vertreter der Verbandes der bildenden Künstler. Der Feier wohnten auch der Maler Franz Ferch und der Schriftsteller Franz Liebhard bei.
- ↑ Neben den hier erwähnten, in der Bukarester Tageszeitung „Neuer Weg" erschienenen Würdigungen Stefan Jägers, widmete ihm Franz Liebhard im Mai und Juni 1957 Artikel auch in der Zeitschrift „Volk und Kultur" (Bukarest) und in den Temeswarer Zeitungen „Die Wahrheit" und „Drapelul roşu".
Foto:
Stefan Jäger bei der Feier der Ordensverleihung am 28. Mai 1957