ART:0433 - Eine Bildgeschichte als Synthese der Banater Welt
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | {{{Artikelnummer}}} |
Autor Name: | Scheibling, Helmut |
Aufsatztitel: | Eine Bildgeschichte als Synthese der Banater Welt |
Zeitungstitel: | Banater Post |
Erscheinungsort: | München |
Jahrgang: | 38 |
Nummer: | 1 |
Datum: | 05.01.1993 |
Seite: | 3 |
* [[ART:0433 - Eine Bildgeschichte als Synthese der Banater Welt|Scheibling, Helmut. Eine Bildgeschichte als Synthese der Banater Welt. Banater Post München 1993]] |
Beim Banater Kulturabend in Pforzheim anläßlich des Seminars für volkstümliche Breitenarbeit stellte der aus Temeswar stammende Maler Helmut Scheibling eine Ölskizze (72 x 259 cm) zu einem großflächigen Triptychon über die Geschichte der Banater Schwaben zum ersten Mal aus. Auf drei Tafeln wird das Schicksal dieser Volksgruppe von der Ansiedlung im 18. Jahrhundert bis zur Massenausreise in diesen Jahren in einer Bildgeschichte ausgebreitet.
Die lebhafte Aussprache, die das Gemälde ausgelöst hat, veranlaßte uns, es hier zusammen mit Erläuterungen des Künstlers vorzustellen.
Helmut Scheibling: Es hat sicher wenig Zeiten gegeben, wo unsere Volksgruppe sich so intensiv mit der eigenen Geschichte auseinandergesetzt hat wie in diesen Tagen. Dies ist ein Ausgangspunkt für meinen Entscheid, ein Bild über das Schicksal meiner Landsleute entlang ihrer Geschichte zu gestalten. Als Vorgabe will ich Stefan Jägers Einwanderungsbild nennen; ich lehne bewußt an dieses Gemälde an.
Jägers Darstellung der Ansiedlung schließt mit dem noch ungedeckten Siedlerhaus Nr. 32. Eine Fülle von Gestalten stellen sinnbildlich durch ihre landschaftsgebundenen Trachten die Herkunft dieser Einwanderer dar. Viele von ihnen sind aber auch Sinnbilder für Menschentypen, die das Banat für lange Zeit prägen sollten. Diese, aber auch die vielen Gestalten aus Jägers bildnerischem Lebenswerk, sind eine Synthese der "Banater Welt"; Franz Ferch war in seinen Bildern bemüht, die Sehweise dieses Universums mit symbolischen Darstellungen zu erweitern.
Viele Fragen zum Schicksal der Deutschen aus dem Banat aber sind noch nicht gestaltet worden - eine Aufgabe für eine ganze Künstlergeneration! Jeder einzelne Künstler mag dabei unterschiedlicher Auffassung über die Bedeutung des einen oder anderen Moments in dieser Geschichte sein; für mich ist die Gesamtschau zu einem Anliegen geworden.
In der ersten Tafel soll an Jägers Haus Nr. 32 angeknüpft werden, die einzelnen Gruppen, in der Kleidung der Einwanderer zeitlich umrissen, stellen Bezugspunkte zu den Schicksalsworten der Ansiedlungszeit - Tod, Not, Brot - dar. Im Vordergrund steht die Arbeit: Pflügen, Heimkehr vom Feld, aber auch die erste Erfüllung – das Brot. Der rechte Teil bindet die Figuren, kompositionell wie auch inhaltlich bedingt, an die der zweiten Tafel. An den Trachten wie auch an den Gesichtern ist eine Entwicklung zu erkennen; dies führe ich in den folgenden Szenen weiter, und daraus ergibt sich für mich manch interessante Lösung.
Tafel zwei rundet zusammen mit Figuren aus dem ersten Bildteil die Darstellung eines Kirchweihfestes zu einem Sinnbild für die Jahre des Aufblühens und des Wohlstandes ab. Ihm folgt der jähe Bruch, der Krieg mit all seinen verheerenden Auswirkungen auf die Gemeinschaft der Banater Schwaben. Als Gegengewicht des heiteren Geschehens im linken Teil der Mitteltafel baut sich im rechten Teil die Symbolgruppe des Banater Leidensweges auf. Geschichtlich gesehen setzt die Flucht ein - eine graue Menschengruppe strebt vom Dorf fort. Symbolisch expressiv gesteigert wird der Leidensmann und die Gruppe um ihn, der Schwerpunkt des Bildes. Die Gruppe ist so angelegt, daß der Übergang zu Tafel drei geschaffen wird, die Auswanderung.
Die Symbolgruppe mit Kreuz und Stacheldraht ist keine Kreuzigungsgruppe im üblichen Sinn, sondern eine Deutung der Hilflosigkeit von Gefangenen und Deportierten, ein Aufschrei wider die Ungerechtigkeit; das Festhalten am Kreuz in Tafel drei steht für Glauben und Zuversicht. Vor dem Hintergrund des in sich versinkenden Dorfes steht der Aufbruch, die Aussiedlung. Ein Detail: die Judas-Szene des Menschenverkaufs. Und als Schlussakt einer über zehn Generationen verlaufenden Geschichte der bereitstehende Zug, formell gesehen das Gegenstück zum Siedlerhaus Nr. 32.
Das Bild, das von links nach rechts Geschichtsmomente aneinanderreiht, erfährt eine Steigerung, die Fluchtpunktperspektive wird durch die Bedeutungsperspektive ergänzt. So wird die Kreuzigungsgruppe als die größte in den Vordergrund gerückt. Die Horizontlinie deutet die Weite der flachen Banater Landschaft an, die Vogelperspektive verstärkt sie. Drei Fluchtpunkte bestimmen das Bild: zwei liegen außerhalb der Darstellung, der dritte liegt im versinkenden Dorf. Ein Hinweis noch zum Hintergrund. Die Farbsymbolik des Himmels gibt Aufschluß über die einzelnen Zeitenläufe unserer Geschichte - über hellere und über die dunkleren Jahre. Die Farben sind ein wichtiger Schlüssel zum „Lesen“ des Gesamtgeschehens im Bild.
Ausgehend von der hier abgebildeten Skizze hat Helmut Scheibling die Arbeit am großformatigen Triptychon in seinem Atelier in Stuttgart in Angriff genommen. Das Gemälde wird die gleichen Maße wie Stefan Jägers Einwanderungsbild haben.
Stellungnahmen zu diesem Bild leiten wir gerne an den Künstler weiter