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Die Rossmühle

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Bibliografie
Artikel Nummer:
Autor Name: Karl-Hans Gross
Titel des Artikels : Die Rossmühle
Untertitel des Artikels: Kleine Heimatkunde
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Neuer Wag
Erscheinungsort: Bukarest
Nummer: 8561
Datum: 23.11.1976
Seite: 6
* [[Karl-Hans Gross]]: [[Die Rossmühle|<i>Die Rossmühle</i>. Kleine Heimatkunde]]. Neuer Wag, Bukarest 23.11.1976

Kleine Heimatkunde

Meine Grossmutter erzählte mir, da war ich noch ein kleiner Bub, wie die Pferde in der „Seheier“ (Hinterhof) auf dem „Tretplatz“ (Tenne) reihum über die Weizengarben mit den „sprissigen“ (granenbesetzten) Ähren getrieben wurden und wie auch die grösseren Kinder schon frühmorgens aus den Betten („Je. 'raus aus de Fedre!“) und beim Strohschütteln bzw. „Fruchtputzen“ (Frucht - Weizen) mithelfen mussten. Das geschah mit der Schippe. Die noch verunreinigten Weizenkörner flogen im Bogen in die Höhe („Schucke“) und wurden beim Herabfallen durch die wehende Luft von den losen Spelzen (Spreu im Dialekt) gesäubert. „Des is schon gar nimmi wohr!“ pflegte sie dann zu sagen. Womöglich dachte sie dabei auch an die „Keppl“ (Göpelwerk), deren Blütezeit desgleichen schon lange zurücklag.
Damals fanden die Pferde auch beim Antreiben der Rossmühlen Verwendung. Die Errichtung von „Rossmille“ war schon allein vom Landschaftschchakter der „Heed“ bedingt. Hier in der westlichsten Ecke der Banater Heide gab es kaum Wasseradern von Bedeutung, deren fliessende Kraft zum Betreiben von Mühlen genutzt werden konnte. Allein an Bega und Marosch standen die nächstliegenden Wassermühlen und angeblich auch in Billed, bis dann ein rinnsalartiges Bächlein (der Jer-Fluss) versiegte. So kamen überall in den Dörfern dieser „Ecke“ Rossmühlen auf. In vielen Ortschaften unserer Gegend wurden schon bei der Ansiedlung in vorsorglicher Weise Mühlenplätze (vier Joch) vorgesehen. Bis dann die von der Pferdekraft angetriebenen Mühlwerke entstanden, behalf man sich mit Handsteinmühlen (auch Salzmühlen) oder nahm zu diesem Zweck anderwärts bereits bestehende Mühlen in Gebrauch.
Die Blütezeit der Rossmühlenwirtschaft fiel in das 19. Jahrhundert. Damals waren in manchen Ortschaften gleich etliche Rossmühlen tätig. In Schaddat (Csatad Lenauheim) gab es z. B. um eine Zeit gleich sechs funktionsfähige „Pherdsmille“. Am oberen Dorfende (nach Grossjetscha zu) stand die .,Poschtmül“ (Postmühle; hier wurden früher die Postpferde gewechselt) und drüben auf der Winterseite der Hauptgasse ein weiterer Mahlbetrieb. Die anderen Rossmühlen lagen an der „Hutweed“: am Ende der „Landstreichergoss“, beim „Kerchhoff“ und am Nordrand des Dorfes. Eine von diesen stand unweit von der ,.Bugarischen Stross“ und die andere etliche Schritte von der .,Fittlskaul“ entfernt. Letztere wurde im Jahre 1886 von Johann Bohn erbaut und war dann späterhin Eigentum des „Millersch-Matz“. Eigentlich gehörten die hiesigen Rossmühlen meist Leuten aus der Ortschaft. Oft bildeten sich aber andernorts auch kleine bzw. grössere Mühlengesellschaften oder hatte die „Herrschaft“ diese Betriebe im Besitz. Man gab sie meistens in Pacht (eventuell einem Lehnsmann) und kassierte an die 25 Gulden und 20 Kreuzer je Mühle ein (z. B. Gertjanosch, 1848).
Vom baulichen Standpunkt her gesehen bestanden die Rossmühlen aus zwei Hauptteilen: dem überdachten spitzkegeligen Pferdetreibhaus mit dem grossen Kammrad und dem eigentlichen Mühlenhaus mit dem Mahlwerk.
Das kegelförmige Dach der Rossmühle ruhte mit seinen 12 radialgelegten Ba1ken auf ebenso vielen mannshohen Holzpfosten oder aufgemauerten Ziegelpfeilern, die am Aussenrande der kreisförmigen Kegelbasis aufgestellt waren. Dieser annähernd 7-8 Meter hohe Bau war mit Stroh - andere Mühlenräder mit Rohr, Schilf oder Schindeln - gedeckt. auf dem sich dicke Moospolster im Laufe der Zeit angesiedelt hatten. Obenauf sass eine Blechkappe (zum Regenschutz) mit einem holzgeschnitzten Pferdekopf einer Wetterfahne oder einer zierenden Spitze aus Holz bzw. Blech. Dieses Aussehen ergab das uns so vertraute und typische Gepräge der Rossmühlen, die wir von manchen Jäger-Bildern her kennen. Schon von weither grüssten sie den kommenden Wanderer mit ihrem eigentümlichen Dach, das wie ein riesiger Strohhut aussah. Unter diesem Kegeldach bewegte sich in horizontaler Stellung und Umdrehung, so an die anderthalb Meter über der ebenerdigen Bodenfläche. ein grosses Kammrad mit Holzzapfen. Es hatte einen Durchmesser von annähernd zehn Metern und wurde von einer 5-6 Meter hohen Senkrechtachse, dem „Wellbaarn“, in dieser Stellung gehalten. Das untere Ende der Radachse lag in einem aus Holz gefertigten Kugellager, dem ,,Luderklotz“, während das obere Ende der Stange in einem ein- und ausklinkbaren Halterungssystem (in etlichem Abstand von der Dachspitze) sich während der Mahlarbeiten drehen konnte.
Diese originelle Einrichtung am oberen Ende des „Wellbaumes“ war von grossem praktischem Wert. Beim Betreiben der Mühle mussten die Pferde nämlich in das Kammrad geführt bzw. zwischen zwei Speichen gestellt werden. Um ihnen den „Eintritt“ zu ermöglichen, wurde das Kammrad in Schräglage gebracht, so dass die eine Felgenkranzseite hoch und die andere tief zu stehen kam und die Pferde an ihren Plätzen eingezwängt werden konnten. Das Verstellen des grossen Kamrnrades erfolgte. durch das Ausklinken des oberen Achsenendes. Da gab es nämlich, eine Metallzunge, die die Schräglage ermäglichte. Zog man von unten her an dem dort angemachten Strick (der am Dachbalken entlang bis zu einem Stützpfeiler verlief), so wurde die Zunge angehoben und der „Wellbaam“ oben frei. Nun konnten die Pferde an den „Sielscheide“ (dem Zugscheit) an- oder abgespannt werden. Um das Kammrad wieder in die Betriebslage zu bringen, musste der gezogene Strick nachgelassen werden, worauf Zunge und Rad in ihre alte Stellung kamen. Die Zugkraft, d. h. die Pferde wurden. von Bauern gestellt. Er sorgte auch für den Antrieb und das gleichmässige Reihumgehen der Pferde. Die so entstandene Drehkraft wurde mittels der Kammradzähne („Holzzappe“) auf das Mühlengetriebe übertragen. das mit seiner „riffeligen“ Walze und dem Wühleisen entweder direkt oder mit einem Riemen- bzw. Zahnradsystem auf den Läuferstein (Oberstein) übergfiff. Die beiden Mühlsteine waren auf dem Aufboden des anschliessenden Mühlhauses aufgestellt. Demzufolge musste das Mahlgut von der Kammer her auf einer Sprossenleiter nach oben getragen werden. Dafür, sorgte der Bauer. Der Müller machte, sich unten in der Kammer zu schaffen. Er füllte die Säcke ab und stellte sie zur Seite.
In unserer Rossmüh1e wurde abwechselnd Weizen und Mais gemahlen. Natürlich musste diesen Vorhaben Rechnung getragen und die Mühlsteine dementsprechend eingerichtet werden. Wollte man z. B. vom Maisschroten auf Mehlmahlen ,,umschalten“, so musste man die Mahlfurche (Sprengschärfe) vorerst mit Kleie ausfüllen und den: Läuferstein treiben, bis dann alles sauber war. Es gab aber auch „zweigängige“ Rossmühlen. Die hatten auf der anderen Seite des Mühlenhauses noch ein Getriebe, so dass man fortlaufend hüben Schrot und drüben Mehl erzeugen konnte. Das Mahlgut wurde aus den vollen Säcken in den Trichter entleert, aus dem die Körner über einen sich ständig hin- und herbewegenden Rüttelschuh in das Mühlsteinauge liefen. Das zwischen dem Mahlgang des Boden- und Obersteins (Läuferstein) entstandene Mehl- und Kleiegemisch wurde sodann von einem Rüttelsieb getrennt bzw. dieses bei einem zweiten Sieb hindurchfallen gelassen. So wurde feines von grobem Mehl geschieden, das hernach ein zweites Mal aufgeschüttelt wurde.
Die tägliche Mahlleistung hing selbstverständlich von der Antriebsgeschwindigkeit ab. Immerhin konnten so 4-5 Meterzentner je Stunde geleistet werden. Dennoch aber verloren die Rossmühlen an Bedeutung, als die Dampfmühlen und Motorenbetriebenen Walzenmühlen aufkamen. So stellten fast alle Schaddater Rossmühlen ihren Betrieb im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts ein. Sie waren zuletzt zumeist nur als „Schroder“ im Gebrauch. Nur die „Müllersch-Matze-Mill“ blieb länger in Funktion, um schliesstich doch noch abgetragen zu werden (1924). Lange Zeit danach war die Erde immer noch überaus eben und glatt an jener Stelle, wo die alte Rossmühle gestanden und die vielen Pferdehufe den Boden festgestampft hatten. Heute aber, nach mehr als fünfzig Jahren erinnern sich nur wenige im Dorf an die „Pherdsmill an der Fittlskaul“.

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