ART:0328 - In memoriam Stefan Jäger: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 31. Mai 2015, 18:17 Uhr
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | {{{Artikelnummer}}} |
Autor Name: | Huniar, Erich |
Aufsatztitel: | In memoriam Stefan Jäger |
Zeitungstitel: | Banater Post |
Erscheinungsort: | München |
Jahrgang: | 32 |
Nummer: | 12 |
Datum: | 20.06.1987 |
Seite: | 11 |
* [[ART:0328 - In memoriam Stefan Jäger|Huniar, Erich. In memoriam Stefan Jäger. Banater Post München 1987]] |
Aus dem kulturellen Leben
In memoriam Stefan Jäger
28. Mai 1877 – 16. März 1962
Da muß man nur schauen, für Worte bleibt keine Zeit!
(Aus dem Gästebuch der Jäger-Gedenkstätte in Hatzfeld, eröffnet am 31. Mai 1969)
Man schrieb das Jahr 1948, ich war gerade 13 Jahre jung, als ich das Elternhaus verließ, um in der Großstadt Temeschburg „etwas zu werden". Da, fern der mütterlichen Obhut, entdeckte ich, dass es außer Krieg, Kälte, Hunger, Flucht und schützender Mutterliebe noch vieles zu entdecken gab.
Zuerst musste ich Rumänisch lernen – eine mir noch sehr fremde Sprache – und erkennen, dass es besser sei, als Banater Schwabe zu gelten; als Deutscher habe man mehr Probleme, man war ein Ausgestoßener. Namen und Ereignisse drangen langsam in mein Bewusstsein: Prinz Eugen (der edle Ritter), Adam Müller-Guttenbrunn, die Einwanderung der Ahnen in das Banat usw.…
Beherzte Lehrer am Deutschen Abend-Lyzeum in Temeschburg ließen hie und da in ihren Vortrag diese Begriffe einfließen, versuchten, sie uns näher zu bringen. Doch fühlte man die Vorsicht, mit der sie es taten, den Versuch, „politisch noch erträglich" für die sie stetig überwachende Obrigkeit zu bleiben. Hier hörte ich zum ersten Mal Genaueres über die Einwanderung der Schwaben in das Banat, über das „Einwanderungsbild" und den Maler Stefan Jäger. Doch war das für mich Geschichte und Vergangenheit, und so reihte ich Stefan Jäger in eine geschichtlich längst vergangene Zeit ein.
1957, nach Jahren des Studiums der Mathematik, der Physik, der Entbehrung, ohne Zeitung, kam ich als junger Lehrer nach Hatzfeld. Vorzubereitende Stunden, Unterricht, Sitzungen, politischer Kurs, „freiwilliger" Arbeitsdienst und die vielen neuen Gesichter, die man teilweise auch kennen lernen musste, erfüllten meine Tage und die Abende. Irgendwann entdeckte ich in der „Sfat-Kantine" (d. h. jene Kantine, die von den lokalen Behörden verwaltet wurde und wo insbesondere die Staatsbeamten ihr relativ kostengünstiges Mittagessen einnahmen) zwei wunderbare Ölbilder. Eines stellte einen Blumenstrauß mit Feldblumen und das zweite eine Schale mit Obst („Stilleben") dar.
Ein Kollege bemerkte mein Interesse an diesen Bildern und erkannte sie als Jäger-Bilder. Und dann setzte er noch eine Bemerkung hinzu, die bei mir wie ein Blitz einschlug: „Dort drüben am Tisch sitzt er." Etwas Ungeheuerliches war geschehen. Plötzlich war ein Mensch aus der Geschichte in die Gegenwart gerückt. Das musste ich verkraften. Nach und nach erfuhr ich mehr über Stefan Jäger; er sei über 80 Jahre alt, habe seit seinem 80. Lebensjahr keine materiellen Sorgen mehr, er bekomme eine Staatsrente, und es wurde ihm ein hoher Orden verliehen. Bis dahin lebte er in recht ärmlichen Verhältnissen, zurückgezogen, einsam. Seine (wenigen) guten Freunde waren schon tot. Und so sah ich ihn längere Zeit täglich. Ein kleiner, alter und gebeugter Mann. Er blickte (so sah ich es, so hörte ich es, so sagte man...) immer mürrisch drein. Waren alle Tische besetzt – er saß irgendwo einsam. Nein, man hat ihn nicht gemieden, man fühlte die Hochachtung, die ihm entgegengebracht wurde, und es wurde sein Wunsch respektiert, allein zu sein.
Und in mir reifte der Wunsch, Besitzer eines Jäger-Bildes zu werden. Zu jener Zeit verdiente ich genau 667 Lei monatlich. Meine Hausfrau – selbst schon über 80 und pensionierte Lehrerin – meinte, mit etwa 800 Lei könnte ich ein schönes Ölbild kaufen. Nachdem ich das Geld beisammen hatte, wollte ich Stefan Jäger besuchen. Er stand in der Tür seines Ateliers, vor ihm stand eine Frau im mittleren Alter, über die sich ein erregter Redeschwall ergoss. Noch heute weiß ich nicht, warum ich von einem Angstgefühl erfasst wurde. Ich kehrte um und kaufte mir am nächsten Tag einen neuen Wintermantel. Leider! Im März 1962 wurde seine sterbliche Hülle zur ewigen Ruhe gebettet. Und wie es vielen meiner Landsleute erging: Jetzt erst näherte ich mich dem Künstler und Kunstmaler Stefan Jäger. Der Kreis der Jäger-Verehrer vergrößerte sich zusehends. Als erster sprach und schrieb Dr. Peter Pink aus Ostern über seinen Freund Stefan Jäger. Es bildete sich eine Gruppe Banater Schwaben, die den Gedanken einer Gedenkstätte vorbereitete. Die künstlerische Betreuung übernahm Prof. Karl Hans Gross. Unter Mitwirkung von Eduard Jankovits (der das Fotomaterial erarbeitete und die Beschriftung der Bilder ausführte), Anna Huniar, Prof. Hans Bräuner wurden Bilder, Skizzen und Gegenstände aus Jägers persönlichem Eigentum gesammelt. Bereichert wurde die Ausstellung durch eine Büste des Malers, geschnitzt vom bekannten Hatzfelder Meister Peter Berberich. Lehrer Simon Kreppel aus Gertianosch steuerte Erinnerungen an die Jugendjahre des Verstorbenen bei. Am 31. Mai 1969 wurde die Gedenkstätte im Beisein der Vertreter von Stadt und Kreis feierlich eröffnet. Bereits drei Monate nach der Eröffnung konnte sich der 1.000. Besucher ins Gästebuch eintragen, die damals 15jährige Gertrude Heinrich aus Stuttgart. Im Mai 1970 weilte der 4.000. Gast, Theo Schweininger aus Kalifornien, USA, in der Gedenkstätte. Radegunde Täuber aus Temeswar (zu jener Zeit Hochschulassistentin) war am 12. Oktober 1978 die 20.000. Besucherin.
Eine Besucherin stellte sich als Schummer-Neni vor. Sie wusste viel über Stefan Jäger. Insbesondere über seine schwere materielle Lage nach dem Zweiten Weltkrieg. Schummer-Neni betrieb 1948 bis gegen 1960 einen Tabakladen in der Hauptstraße. Neben Zigaretten, Feuerzeugen und Zeitungen bot sie auch – auf Bitten des Malers – Jäger-Bilder zum Verkauf an. Das Geschäft war nicht allzu rege. Trotzdem war Stefan Jäger glücklich, auch auf diesem Wege einige Aquarell-Bilder zu verkaufen. Eines Tages brachte er mit einem neuen Stoß von eingerahmten Bildern ein Trachtenbild. Er überreichte es Schummer-Neni mit dem Hinweis „Ein Geschenk für Sie". Sie wollte es nicht gleich annehmen, sie hatte ja keinen besonderen Zeitverlust oder Nachteile durch den Verkauf der Bilder. Sie wolle auch dieses Bild für ihn verkaufen. Da meinte der Künstler: „Schummer-Neni, halten Sie das Bild für sich. Es ist ein Geschenk! Jetzt ist es 80 Lei wert. Einige Jahre nach meinem Tod wird es sicher 500 Lei wert sein." Auf die Frage: „Nun, Schummer-Neni, haben Sie das Bild noch?" antwortete sie zaghaft: „Nein. Ich habe es um 2500 Lei verkauft. Ich bin allein, alt und wollte mir einen Fernseher kaufen."
Führt Ihr Weg Sie nach Hatzfeld, besuchen Sie die Stefan-Jäger-Gedenkstätte. Sie müssen Prof. Hans Schulz suchen. Er wird Sie hinführen. Und wenn das große Einwanderungsbild nicht von einem Holzgerüst voller Kinderzeichnungen mit dem Thema „Cîntarea României" verdeckt ist, können Sie dies prachtvolle Bild bewundern.