ART:0009 - Rettung des Auswanderungsbildes: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | ''Unter der Aufschrift: '''''„Rettung des [[WK:0376|Auswanderungsbildes]]“''''' schreibt Peter Hollinger <ref>Druckereibesitzer, Begründer des „Eisenrings“ im Banat (siehe Petri: Bibliographisches Lexikon, Sp.757)</ref> im „Landbote“ <ref>Der Landbote. Politisches Wochenblatt, Temeswar, 1872 – 1940. Ab 1.10.1920 vereint mit "Der Freimütige". Ende Dezember aufgegangen in "Südostdeutsche Landpost", Kronstadt / Hermannstadt.</ref> folgende niederschmetternde Sätze:''<br/> | ||
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+ | Vergangene Woche weilte der schwäbische Kunstmaler [[Stefan Jäger]] in [[Timișoara|Temesvar]] und pflog mit mir Verhandlungen wegen Vervielfältigung seines berühmten Kunstwerkes „[[WK:0376|Die Einwanderung der Deutschen im Banat]]“. Bei dieser Gelegenheit habe ich vernommen, dass der Künstler keine Ahnung hatte, wo sich sein Riesengemälde befinde. Ich teilte ihm mit, dass dasselbe noch vorhanden sei. Wir gingen in das [[Banater Museum|Museum]]. In einem Saale des ersten Stockwerkes steht an die Rückwand gelehnt hinter vielen anderen Tand verborgen das aus drei Teilen bestehende große Gemälde [[Stefan Jäger|Stefan Jägers]]. Die mächtige Einfassung des Kunstwerkes ist aus den Fugen gegangen und in drei Teilen zerlegt, die Mitte des Bildes von beiden Seitenteilen losgetrennt, um solcherweise dem Zerfalle preisgegeben zu werden. Staub und Moder lassen die Farbenpracht nicht mehr zum Ausdruck kommen.<br/> | ||
+ | Erblasst, mit gemarterter Seele steht der Künstler vor seinem Werk und starrt die Leinwand an. Ich bemerkte sein Empfinden und versuche ihn zu trösten: "Die evakuierenden Serben nahmen es glücklicherweise nicht mit“ – sagte ich. – „Ewig schade, es wäre besser gewesen“ – sprach der Künstler und verstummte dann mit einer vorwurfvollen Geste. Mir tat selbst das Herz weh angesichts des Verwesungsprozesses, in welchem sich dieses für unseren Volksstamm so wertvolle historische Kunstwerk befindet. Ich hob behutsam eine vor dem Gemälde stehende zerbrochene Gipssäule zur Seite, damit deren senkrecht stehende scharfe Kante die Leinwand des Jägerschen Gemäldes nicht durchlöchere und bat den Museumwärter, er möge die das Gemälde gefährdende Gegenstände entfernen, was dieser auch bereitwillig zusagte. Enttäuscht verließ der Künstler mit mir den Saal. Er musste sich wohl gedacht haben, dass es ein Verbrechen an der Kunst ist, wenn man ihre Werke so pietätlos behandelt.<br/> | ||
+ | [[Stefan Jäger]] ist in [[Jimbolia|Hatzfeld]] ansässig, er arbeitet dort meistens für den [[Schwäbisch-Deutscher Kulturbund|Kulturbund]] in der Wojwodina. – Er ist materiell gewiss stiefmütterlich bedacht vom Schicksale, wie die meisten Künstler. Das Umsatteln geht bei akademischgebildeten Menschen nur unleicht, denn die ideale Kunst kennt nur in den größten Seltenheiten auch die Lebenskunst.<br/> | ||
+ | [[Stefan Jäger]] hat bei Schaffung seines erwähnten Kunstwerkes viel Zeit im Ausland verbracht und studierte im Banat vielerorts die Volkstracht und legte seine ganze Seele in das Werk. Soll dies nun in einer Rumpelkammer ganz vermodern, wo doch schon in vielen deutschen Häusern dieses erste schwäbische historische Bild die Wohnräume schmückt? Nein, dies soll nicht geschehen!<br/> | ||
+ | Demnächst wird die Schwabenausstellung im „Deutschen Haus“ zu [[Timișoara|Temesvar]] stattfinden. Nebst den Büchern, Zeitungen und alten Dokumenten wäre dieses monumentale Gemälde (es ist ja sechs Schritte lang und drei Meter hoch) gewiss eine Zierde der Ausstellung. Das Gemälde ward seinerzeit der Stadt [[Timișoara|Temesvar]] um 1000 Kronen verkauft. Diese schenkte dasselbe dann der [[Banater Museum|Museumgesellschaft]]. Nachdem das [[Banater Museum|Museum]] aber in das Eigentumsrecht der Stadt übergegangen ist, wäre der Oberbürgermeister der Stadt [[Timișoara|Temesvar]] zu ersuchen, er möge gestatten, dass das Gemälde restauriert und auf die Dauer der Ausstellung im „Deutschen Haus“ ausgestellt werde. Nachher möge das Bild aber an einem besseren Platz im [[Banater Museum|Museum]] angebracht werden.<br/> | ||
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Aktuelle Version vom 23. Dezember 2015, 19:41 Uhr
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | 0009 |
Autor Name: | Peter Hollinger |
Titel des Artikels : | Rettung des Auswanderungsbildes |
Untertitel des Artikels: | Aus dem Trauerkapitel unserer Geschichte |
Publikation: | Zeitung |
Titel der Publikation: | Hatzfelder Zeitung |
Erscheinungsort: | Hatzfeld |
Jahrgang: | 35 |
Nummer: | 43 |
Datum: | 22.10.1922 |
Seite: | 2 |
* [[Peter Hollinger]]: [[ART:0009 - Rettung des Auswanderungsbildes|<i>Rettung des Auswanderungsbildes</i>. Aus dem Trauerkapitel unserer Geschichte]]. Hatzfelder Zeitung, Hatzfeld 22.10.1922 (Jg.35 Nr.43), S. 2 |
Aus dem Trauerkapitel unserer Geschichte
Ein beschämendes Beispiel darüber, wie unser Volk die Schöpfungen seiner Künstler ehrt.
Unter der Aufschrift: „Rettung des Auswanderungsbildes“ schreibt Peter Hollinger [1] im „Landbote“ [2] folgende niederschmetternde Sätze:
Vergangene Woche weilte der schwäbische Kunstmaler Stefan Jäger in Temesvar und pflog mit mir Verhandlungen wegen Vervielfältigung seines berühmten Kunstwerkes „Die Einwanderung der Deutschen im Banat“. Bei dieser Gelegenheit habe ich vernommen, dass der Künstler keine Ahnung hatte, wo sich sein Riesengemälde befinde. Ich teilte ihm mit, dass dasselbe noch vorhanden sei. Wir gingen in das Museum. In einem Saale des ersten Stockwerkes steht an die Rückwand gelehnt hinter vielen anderen Tand verborgen das aus drei Teilen bestehende große Gemälde Stefan Jägers. Die mächtige Einfassung des Kunstwerkes ist aus den Fugen gegangen und in drei Teilen zerlegt, die Mitte des Bildes von beiden Seitenteilen losgetrennt, um solcherweise dem Zerfalle preisgegeben zu werden. Staub und Moder lassen die Farbenpracht nicht mehr zum Ausdruck kommen.
Erblasst, mit gemarterter Seele steht der Künstler vor seinem Werk und starrt die Leinwand an. Ich bemerkte sein Empfinden und versuche ihn zu trösten: "Die evakuierenden Serben nahmen es glücklicherweise nicht mit“ – sagte ich. – „Ewig schade, es wäre besser gewesen“ – sprach der Künstler und verstummte dann mit einer vorwurfvollen Geste. Mir tat selbst das Herz weh angesichts des Verwesungsprozesses, in welchem sich dieses für unseren Volksstamm so wertvolle historische Kunstwerk befindet. Ich hob behutsam eine vor dem Gemälde stehende zerbrochene Gipssäule zur Seite, damit deren senkrecht stehende scharfe Kante die Leinwand des Jägerschen Gemäldes nicht durchlöchere und bat den Museumwärter, er möge die das Gemälde gefährdende Gegenstände entfernen, was dieser auch bereitwillig zusagte. Enttäuscht verließ der Künstler mit mir den Saal. Er musste sich wohl gedacht haben, dass es ein Verbrechen an der Kunst ist, wenn man ihre Werke so pietätlos behandelt.
Stefan Jäger ist in Hatzfeld ansässig, er arbeitet dort meistens für den Kulturbund in der Wojwodina. – Er ist materiell gewiss stiefmütterlich bedacht vom Schicksale, wie die meisten Künstler. Das Umsatteln geht bei akademischgebildeten Menschen nur unleicht, denn die ideale Kunst kennt nur in den größten Seltenheiten auch die Lebenskunst.
Stefan Jäger hat bei Schaffung seines erwähnten Kunstwerkes viel Zeit im Ausland verbracht und studierte im Banat vielerorts die Volkstracht und legte seine ganze Seele in das Werk. Soll dies nun in einer Rumpelkammer ganz vermodern, wo doch schon in vielen deutschen Häusern dieses erste schwäbische historische Bild die Wohnräume schmückt? Nein, dies soll nicht geschehen!
Demnächst wird die Schwabenausstellung im „Deutschen Haus“ zu Temesvar stattfinden. Nebst den Büchern, Zeitungen und alten Dokumenten wäre dieses monumentale Gemälde (es ist ja sechs Schritte lang und drei Meter hoch) gewiss eine Zierde der Ausstellung. Das Gemälde ward seinerzeit der Stadt Temesvar um 1000 Kronen verkauft. Diese schenkte dasselbe dann der Museumgesellschaft. Nachdem das Museum aber in das Eigentumsrecht der Stadt übergegangen ist, wäre der Oberbürgermeister der Stadt Temesvar zu ersuchen, er möge gestatten, dass das Gemälde restauriert und auf die Dauer der Ausstellung im „Deutschen Haus“ ausgestellt werde. Nachher möge das Bild aber an einem besseren Platz im Museum angebracht werden.