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ART:0138 - Hatzfeld und seine Künstler: Unterschied zwischen den Versionen – Archiv

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ART:0138 - Hatzfeld und seine Künstler: Unterschied zwischen den Versionen

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Wo viel Licht ist, fallen tiefe Schatten. Nach den skizzierten Vorzügen Hatzfelds soll es niemanden wundern, dass die umliegenden Dörfer mit verstecktem Neid auf die Großgemeinde blickten. Wie sonst wollte man sich die Reime deuten, die uns die Alten überlieferten?
 
Wo viel Licht ist, fallen tiefe Schatten. Nach den skizzierten Vorzügen Hatzfelds soll es niemanden wundern, dass die umliegenden Dörfer mit verstecktem Neid auf die Großgemeinde blickten. Wie sonst wollte man sich die Reime deuten, die uns die Alten überlieferten?
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Die  Deutsdien  haben  ein eigenartiges Talent, große Männer hervorzubringen und sie dann aus Mangel an Beachtung zugrundegehen zu lassen.
 
Die  Deutsdien  haben  ein eigenartiges Talent, große Männer hervorzubringen und sie dann aus Mangel an Beachtung zugrundegehen zu lassen.
 
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Version vom 2. Februar 2015, 14:51 Uhr

Bibliografie
Autor Name: Diplich, Hans
Aufsatztitel: Hatzfeld und seine Künstler
Zeitschrifttitel: Südostdeutsche Vierteljahresblätter
Heftnummer: Jg. 22, Folge 1
Erscheinungjahr: 1973
Seite: 32-35
* [[ART:0138 - Hatzfeld und seine Künstler|Diplich, Hans. Hatzfeld und seine Künstler. Südostdeutsche Vierteljahresblätter 1973]]

Ich lernte Hatzfeld in meiner Gymnasiastenzeit kennen gegen Ende der Zwanziger Jahre. Die Siedlung war durch „Grenzberichtigung" an Rumänien gefallen; als „Tauschobjekt" diente Modosch, das zu Südslawien kam; natürlich ohne dass das Selbstbestimmungsrecht der Einwohner berücksichtigt worden wäre. Aus der Zeit, als man die Gassen Hatzfelds umbenannte, blieb mir eine Zeitungsnotiz In Erinnerung; sie veranschaulichte den Geist, der damals in unsere Dörfer einzog, auf heitere Weise. Die „Trierersch Gaß" sollte fortan nach dem rumänischen Dichter Octavian Goga heißen; die Bauern jener Straße wurden über die notwendige Änderung von der neu etablierten Lokalpresse aufgeklärt. Es hieß darin, die Schwaben seien mit den Namen in den neuen Bezeichnungen noch zu wenig vertraut. Sie hingen nach wie vor an den alten, ohne zu wissen, welche Ehre ihnen mit der Änderung zuteil geworden, „denn" – so belehrte sie der patriotische Redakteur unbekümmert – „Octavian Goga ist einer unserer großen schöpferischen Geister der Gegenwart – wer aber war dieser Trier? Nach gewissenhaften Recherchen stellte die Redaktion fest, dass Trier bloß ein kleiner unbedeutender Pangermane war. Was bezwecken die Schwaben also mit ihren längst sinnlos gewordenen Gassennamen?"

Das Grenzortschicksal war Hatzfeld im großen und ganzen jedoch gnädig gesinnt. Die über 10.000 Deutsche zählende Großgemeinde entfaltete trotz mancher Willkür und Widerwärtigkeit ein kulturelles Leben, das sich sehen lassen konnte. Was ein fremder Reisender im vorigen Jahrhundert in Hatzfeld so bewunderte, den Reichtum und die materielle Wohlfahrt der Bewohner, sie trugen nunmehr ihre edleren Blüten und Früchte, unerwartete, von niemandem erhoffte Geschenke der Banater Heimat und Geschichte. Die Anziehungskraft des Dorfes und seiner bäuerlichen Bewohner, ihr geselliger Geist in den Vereinen, die städtische Atmosphäre der wirtschaftlichen Führungsschicht, das ungebrochene Bewusstsein aller, einer großen Ortsgemeinschaft anzugehören, und schließlich das Erlebnis der Banater Heidelandschaft – waren gewiss daran beteiligt, dass hier begabte Männer Musik, Dichtung und bildende Kunst pflegen konnten. Hatzfeld zog solche Kräfte an sich, bewog sie dauernd dort zu leben; und so durfte da auch manches Werk überzeitlichen Wertes entstehen.

Man muss von der Misere der Grenzsituation absehen und sich den kulturellen Aufschwung Hatzfelds vergegenwärtigen, wenn man die Kraft und innere Bereitschaft dazu ahnungsweise kennen lernen will. Dass die Hatzfelder Frauen auf den Schwabenbällen mit ihren „schickslich" gebundenen Kopftüchern Wohlgefallen weckten, nahmen wir beim Anblick jenes unendlich vielfältigen Reichtums an Banater Trachtenvarianten gern in unsere jugendlichen Herzen auf; daß der Ziegelfabrikant Threiß die Dachziegel fürs Banatia-Gebäude gratis lieferte, schien uns eine noble, den Hatzfeldern würdige Geste, und daß der gemischte Chor unter Leitung seines Meisters Josef Linster bei den damals üblichen Sängerfesten sich oft den ersten Preis holte – auch dies war vor bald 50 Jahren selbstverständlich, denn die werdende Stadt stand auf der Rangliste der Heidegemeinden oben an.

Ich lernte Josef Linster (1889 - 1954) kennen, als er am katholischen Gymnasium der „Banatia" in Temeswar seine Lehrtätigkeit begann. Er hatte, etwa 1936, die bedeutendsten Arbeiten seines Lebens bereits vollendet. Wir wussten, welchen Beitrag er für den Hatzfelder Musik- und Sportverein „Landestreu" geleistet, bekannt war uns seine wertvolle volkskundliche Arbeit auf dem Gebiet des heimischen Volksliedes und – beliebt und viel gesungen – seine eigenen Kompositionen. Wohl im ganzen Banat verbreitet war Linsters Vertonung des Liedes von Peter Jung „Mein Heimatland, Banater Land". Wenn einmal Geselligkeit und Vereinswesen des Banats nach 1918 beschrieben wird, nimmt Josef Linster einen Ehrenplatz ein.

Die Verbindung zu seinem Zeitgenossen und Landsmann Peter Jung (1887.- 1966) wurde leider viel zu spät – erst knapp vor seinem Tode – hergestellt, als der Schriftsteller und Dichter sich mit der Bitte an mich wendete, seine Gedichte in Deutschland zu veröffentlichen. Von seiner privaten Not bedrängt, überschätzte er unsere Möglichkeiten sehr und erhoffte noch zu Lebzeiten eine Drucklegung all seiner weit über tausend Gedichte. Ich erklärte mich bereit, eine Auswahl aus ihnen zu treffen, erhielt jedoch, nachdem ich das erste Konvolut bearbeitet hatte, von ihm keine Antwort mehr – er war gestorben, ohne dass der Wunsch seines Dichterherzens sich erfüllt hätte.

Peter Jung war ein viel schreibender Dichter und Schriftsteller. Zahlreiche Strophen, Sprüche, hymnische Aufschwünge und Bekenntnisse verfasste er für den augenblicklichen Tagesbedarf. Alle zusammen füllen mehr als ein Dutzend Bände. Bisher fand sich niemand für die kostspielige Aufgabe, sein Gesamtwerk zu verlegen. Aber mit einer Auswahl könnten die Hatzfelder sich sehen lassen; sie würden damit ihre eigene Wirkung auf die immer noch lebendige Banater Kultur ausüben; es wäre ein langhin gültiges Zeugnis für den Hochstand dieser wahrhaft deutschen Renaissance nach dem 1. Weltkrieg.

In jene Epoche gehört in mehrfachem Sinn Karl von Möller. Da er Offizier, Politiker und Schriftsteller war und seine Gestalt von den Ereignissen der Dreißiger Jahre überschattet wird, dauert es wohl noch länger, bis sich das Bleibende, Dauerhafte seiner Persönlichkeit vorn Vergänglichen, Überholten und Irrgängigen scheiden lässt. Möller ist aus der Zeit des banatdeutschen völkischen Erwachens schlechthin nicht wegzudenken. Der schreibgewandte Wiener und Wahlbanater trug bald nach 1920 maßgebend dazu bei, das neue Bild schwäbischer Solidarität auch im Politischen auszuformen. An der großangelegten Zweijahrhundertfeier in Temesvar hatte er wesentlichen Anteil. Sowohl die Befestigung des öffentlichen Bewusstseins der Banater Schwaben in ihrer rühmlichen Geschichte und kolonistischen Leistung als auch die Organisation des Massenaufzugs waren sein Werk. Spuren davon lassen sich heute noch nachweisen: Die zwei Broschüren „Wie die Schwäbischen Gemeinden entstanden sind" und ein Bühnenspiel „Schwaben" brachten seit Steinacker und Adam Müller-Guttenbrunn lebendige Stoffmasse des Politischen wieder in Bewegung. Als Möller dann die Tochter eines angesehenen Hatzfelder Bauernhauses in zweiter Ehe heimführte, war aus dem ehemaligen österreichischen Stabsoffizier ein Banater geworden, der an seiner neuen Heimat hing und ihr diente bis zuletzt.

Ich lernte ihn 1938 während eines Sommeraufenthalts in Hermannstadt kennen, wo er damals mit seiner Familie wohnte und das Kulturamt leitete. Im Jahre 1940 begegneten wir uns auf literarischer Ebene: der Ältere fand Gefallen am Vortrag, den ich gelegentlich einer „Möller-Stunde" im Festsaal der „Banatia" gehalten hatte, und ich musste ihn zur Eröffnung der damals üblichen Buchwoche in Hatzfeld wiederholen; Möller las hierauf aus eigenen Werken. Wir kehrten als Gäste im Haus seines Schwagers Jung ein. So lernte ich, kurz vor meinem Abschied aus dem Banat, diese Großgemeinde von einer ihrer besten Seite kennen.

In dem dichtbesetzten Saal des Vereins „Eintracht" las also Möller, von der Bühne herab, aus seinen Arbeiten, deren Thematik sich auch der Probleme bemächtigte, die Hatzfeld angingen. Im Hintergrund seines Romans „Grenzen wandern" spürt man das missachtete Selbstbestimmungsrecht der Schwaben. So war Möller in mancher Beziehung mit redlichen Mitteln ein literarischer Verteidiger der politisch zur Unmündigkeit verurteilten, ins mindere Recht gestoßenen Deutschen des Donauraumes. Das griff weit über die Grenzen Hatzfelds hinaus. Die entscheidenden Erfahrungen und Anregungen aus der Heimat seiner Frau bildeten fortan eine der Grundlagen seines schriftstellerischen Werks. Auf dem Hatzfelder Friedhof fand Möller die letzte Ruhestätte.

Das schönste musische Gut Hatzfelds ist das Lebenswerk des Malers Stefan Jäger. Wie Linster und Möller nicht in Hatzfeld geboren, lebte er seit 1910 dort, ein neuer Beweis für die Anziehungskraft der aufblühenden Stadtgemeinde und für deren Gewicht inmitten der deutschbanater Kultur. Ich lernte Stefan Jäger (1877 - 1966) in den Dreißiger Jahren kennen. Anlass dazu war der Ankauf eines Bildes für den Marienfelder Arzt Dr. Thomas Schön, das dessen Neffe und ich auszuwählen hatten. Im ganzen Hause roch es nach dem Öl frischer Gemälde. Da stand er nun leibhaftig vor uns, der Schöpfer des Einwanderungs-Triptychons, das wir alle kannten und das so einfach und unmissverständlich, vom Anfang der Schwaben im Banat erzählte. Wir ehrten und achteten den Meister, dem dies gelungen war, als bedeutenden Interpreten unseres Lebens. Aber die überreiche Zahl seiner kleineren und größeren Gemälde, die dort wie Teller und Tonschüsseln auf dem Wochenmarkt ausgelegt und aufgestellt waren, brachte uns in Verlegenheit. Denn – so stellten wir bald fest – der Maler Stefan Jäger diente nicht nur der zeitlosen Kunst; er war genötigt, sein täglich' Brot zu erwerben, er musste auf die Wünsche der Käufer und Besteller eingehen; er machte dabei Konzessionen, was ihm nicht schwer fallen mochte; er verfertigte Park- und Uferlandschaften, nach Jahreszeiten geordnet, Blumenstücke im Stil der Postkartenromantik, Interieurs mit musizierenden Töchtern.

Diese Sorte von Bildern ließen wir also beiseite. Was nach unserem Urteil in Frage kam, waren jene Festtags- oder Alltagsszenen, die Jäger mit Ölfarben gemalt hatte, wenn er von seinen Wanderungen aus den Heidedörfern mit zahllosen Skizzen heimgekehrt war. Seine trefflichsten Bilder erzählen; es sind Berichte und Reportagen von Vorgängen, die er mit wenigen sicheren Strichen festhält. Er konnte zeichnen wie kein zweiter im Banat. Der feinsinnige Robert Reiter hatte schon damals Jägers Qualitäten richtig bewertet. Das Leben des Dorfmenschen, die Dorfatmosphäre und die Landschaft tragen in Jägers Gemälden, ob es sich um Feiern handelt, um die Arbeit oder um das „Ausruhen", immer hohe Festlichkeit zur Schau: insofern ist er nicht nur der realistische Maler der Trachten, der rauschenden und knisternden Seide, des Glanzes und der tüchtigen Bauern; seine besten Gemälde aus dieser Sphäre wiederholen die hohe Festlichkeit des Lebens im 18. Jahrhundert mit dem Anspruch auf Geltung und Repräsentation, freilich nicht ohne jenen leisen Anflug von Melancholie, wie sie den Menschen der Pußtalandschaft eigen ist.

Sobald wir also jene guten Stücke aus Jägers Angebot herausgesucht hatten, fiel unsere Wahl auf ein Bild, das dem Wunsch des Käufers nach einer Darstellung aus dem Volksleben entsprach; wenn ich mich nicht täusche, war es ein „Sonntagstanz im Wirtshaus".

Mein Freund versuchte den Maler in ein Gespräch zu ziehen, das uns den unterschiedlichen Charakter der Bilder verständlich machen sollte. Jäger antwortete mit einem einzigen Satz, den wir später oft wiederholten, weil er sowohl für die Person des Künstlers, als auch für die Banater im allgemeinen bezeichnend schien: „Dem einen gefällt dies, dem anderen jenes, und ich muss für jeden malen, der zu mir kommt". Sonst sagte er nichts mehr und wartete, bis wir den Preis bezahlten; er war nicht hoch; wir verabschiedeten uns und nahmen das Bild, wie er es für unsere Bus-Reise verpackt hatte, gleich mit.

Eine gewisse "Übersicht" über Jägers Werk konnte ich während einer Ausstellung gewinnen, die, von Martha Petri 1943 in Groß Betschkerek veranstaltet, so ziemlich alles vereinigte, was die Schwaben in Jugoslawien von ihm erstanden hatten.

Den schönsten Beweis aber für sein volkstreues Wirken erblicke man darin, dass er, als er nach 1945 merkte, wie viel von seinen Arbeiten in den versinkenden Schwabendörfern des Banats und der Batschka verloren ging, noch im letzten Jahrzehnt seines Lebens, zuletzt halb erblindet, unentwegt malte. Ein Bild nach dem anderen kam zustande, indem er die alten Themen unendlich oft variierte und Neues hinzufügte. Die Aquarelle und Ölgemälde wanderten hinaus ins Land; auch über die Grenzen nach Österreich und Deutschland.

Ein Jahr vor Jägers Tod erhielt ich über Peter Maurus zwei Bilder, die der Maler während des kurzen Besuchs einer Hatzfelder Frau in der alten Heimat für uns angefertigt hatte. Nach seinem Verscheiden richteten die Landsleute im ehemaligen Atelier Jägers eine Gedenkstätte für ihn ein. Neulich veröffentlichte der Osterner Arzt Dr. Peter Pink eine ausführliche Biographie des Künstlers, und die Kunsthistorikerin Annemarie Podlipny-Hehn widmete seinem Schaffen eine bilderreiche sachkundige Studie, die 1972 in Bukarest erschien.

Wo viel Licht ist, fallen tiefe Schatten. Nach den skizzierten Vorzügen Hatzfelds soll es niemanden wundern, dass die umliegenden Dörfer mit verstecktem Neid auf die Großgemeinde blickten. Wie sonst wollte man sich die Reime deuten, die uns die Alten überlieferten?


In Charleville hieß es:


Kumloscher Kind,

Osterner Wind

und Hatzfelder Pferd

sin alli trai nix werd.


In Komlosch sagte man:


Wer durch Ostern ohne gefoppt,

durch Hatzfeld ohne geroppt

und durch Bogarosch ohne gekloppt

fährt, war nicht auf der Heed.

oo00oo

Die Deutsdien haben ein eigenartiges Talent, große Männer hervorzubringen und sie dann aus Mangel an Beachtung zugrundegehen zu lassen. Hermann Oberth