ART:0030 - Stefan Jäger 80 Jahre alt: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 21. Juni 2017, 09:39 Uhr
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | 0030 |
Autor Name: | Franz Liebhard |
Titel des Artikels : | Stefan Jäger 80 Jahre alt |
Publikation: | Zeitschrift |
Titel der Publikation: | Volk und Kultur |
Erscheinungsort: | Bukarest |
Jahr: | 1957 |
Jahrgang: | 9 |
Nummer: | 5 |
Seite: | 24-27 |
* [[Franz Liebhard]]: [[ART:0030 - Stefan Jäger 80 Jahre alt|<i>Stefan Jäger 80 Jahre alt</i>]]. Volk und Kultur, Bukarest 1957 (Jg.9 Nr.5), S. 24-27 |
Die Entfernung, welche die Gemeinde Tschene von Hatzfeld trennt, beträgt nicht viel mehr als ein Dutzend Kilometer. Vom Fenster des einen Kirchturmes dürfte man den anderen ganz gut sehen können. Und doch, wie groß ist die Strecke, die der in Tschene am 28. Mai 1877 geborene Sohn Stefan eines chirurgischen Gehilfen namens Jäger zurückzulegen hatte, um seine Augen nach acht Jahrzehnten in Hatzfeld auf einem vollendeten Lebenswerk und einem erfüllten Dasein ruhen zu lassen. Ein Lebenswerk und ein Dasein, die in ihrer Schlichtheit und Geradheit, in ihrer Ungekünsteltheit und ihrer schartenlosen Werthaftigkeit der Auszeichnung würdig sind, die dem in seinem Wahlheimatsort Hatzfeld lebenden Maler Stefan Jäger durch die Verleihung des Arbeitsordens unserer Volksrepublik zuteil geworden ist.
Der Banater deutschen Bevölkerung sind im Laufe ihrer über zweihundertjährigen Geschichte auf diesem Boden mehrere namhafte Maler entsprungen. Einige wirkten hier, ihrer Heimat verhaftet, wie der ausgezeichnete Temesvarer Porträtist Anselm Wagner, der um die Wende vom 18. ins 19. Jahrhundert lebte, oder der ebenfalls aus Temesvar gebürtige Ludwig von Bersuder in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts; andere zogen in die Fremde, wo sie sich kraft ihrer Begabung durchsetzten, aber für ihr Heimatland verloren gingen, wie der Temesvarer Karl Brocky, oder der aus Orawitza gebürtige Adolf Humborg. Von keinem, ganz gleich ob er hier oder im Ausland seine Werke malte, ist bekannt, dass er daheim oder in der Fremde vom Staate ausgezeichnet worden wäre. Hatten sie sich dem damaligen Staate gegenüber vielleicht als widersetzlich erwiesen? Nein, im Gegenteil. Anselm Wagner war Bildnismaler der höchsten feudalen und bürgerlichen Schichten, ein achtbarer Bürger seiner Stadt. Brocky hatte in London Zutritt zu den Adels- und Hofkreisen, Ludwig von Bersuder gehörte zur wohlhabendsten Bürgerschaft von Temesvar, war Angehöriger eines Erbpatriziats. Hat Jäger etwa eine ganz besondere Beziehung zu dem Staate der Werktätigen, hat er ihm ein ganz besonderes Entgegenkommen bekundet, wofür er die Auszeichnung bekommen haben könnte? Über eine normale staatsbürgerliche Haltung hinaus bestimmt nicht; Jäger ist ein Staatsbürger, der dem Rechnung trägt, was der Staat von ihm mit Recht erwarten kann. Wenn aber der Arbeitsorden nicht seiner unmittelbaren staatsbürgerlichen Haltung gilt, dann welchen Verdiensten?
Stefan Jäger hat stets als ein Maler gegolten, der durch alle Pinselstriche seiner begabten Hand der schwäbischen Bevölkerung zugehörig war. Er erwies sich stets als ein nationaler Maler der Schwaben, ein bürgerlich-nationaler Maler, der aber niemals eine Farbe auftrug, niemals ein Thema auf die Leinwand brachte, wodurch ein nationalistischer Eindruck hätte erweckt werden können. Er hatte sich in seinem Leben als Maler niemals zu einer Unwahrheit bekannt, er hat niemals einem hohlen Pathos, einem Mythos der Überspanntheit, gefrönt. Er war bescheiden und arbeitsam, er verleugnete nie die Wurzeln, aus denen sich seine Begabung nährte, die Wurzeln, die ihn mit den Massen der werktätigen schwäbischen Bevölkerung verknüpften. In hundert und aber hundert Arten hat er seine Liebe zum einfachen, schwäbischen Menschen, zu dessen arbeitsamer Gediegenheit, zum Ausdruck gebracht. Seine Lebensgegenstände von der Wiege bis zum Spinnrad, von der Sense bis zum Zapfenbrett, seine Arbeits- und Festtage, seine Trachten und wohlverdienten Freuden hat er immer als Eigenes betrachtet. Er hat jedoch nie dem Eigenen geschmeichelt, um andere schlecht zu machen, er hat niemals anderen Gehöriges verdammt, um Eigenes in die Höhe zu heben. Er hatte sich zu Beginn seiner Tätigkeit auf ein Fundament gestellt, das ihm erlaubte, durch nahezu sechs Dezennien ungeachtet aller Erschütterungen aufrecht stehen zu bleiben. Er machte auf seine schwäbische Art, als er die führende Schicht des Schwabentums als ein Verhängnis empfand, nicht mit Arpáds Heerscharen in die pannonische Ebene herabgestiegen zu sein; er malte schwäbisch, als man dieses im Namen der heiligen Gekünsteltheit als etwas Minderwertiges ansah, und er fuhr fort, schwäbisch zu malen, als so mancher der einst Überlauten seine Muttersprache aus schlechtem Gewissen am liebsten gleich dreimal verleugnete, um nur nicht aufzufallen. Dieser ein ganzes Leben hindurch bekundeten Treue dem schaffenden Volke gegenüber, dieser unveränderlichen Anhänglichkeit allem gegenüber, was Ergebnis des Wirkens der schöpferischen Volkskräfte ist, diesem unzählige Male wiederholten Bekenntnis, dass alles Schöne und Gute seinen Ursprung dem Volke verdankt, ließ der Staat des werktätigen Volkes, der Staat der Volksdemokratie, der Staat der Arbeiter und Bauern, seinen Orden zukommen.
Hatzfeld, das Städtchen im Schnittpunkt entwickelter Landwirtschaft und pulsierender Industrie, mag wohl keinen Einwohner haben, der von Stefan Jäger nicht wenigstens soviel wüsste, dass er Maler ist, ein aufrecht gehender Achtziger, der sein Gläschen Wein auch heute noch schmunzelnd gegen das Licht hält, jeden Menschen mit frischer Aufmerksamkeit anhört und seine Worte in einem Tonfall zusammenfügt, der ausgeglichen und beruhigend ist. Erkundigt man sich nach seinem Atelier, so erhält man die Auskunft „die Gasse rechts von der Floriani-Statue", von der niemand weiß, wie und wann dieser Beschützer vor dem Feuer hierher gekommen ist. Da sieht man linker Hand im Park das Standbild des berühmten Hatzfelder Arztes Dr. Diel, der in der Zeit von der Jahrhundertwende bis nach dem ersten Weltkrieg auf dem Gebiete der Chirurgie als Künstler gegolten hatte. Und etwa zwanzig Meter weiter erhebt sich das Denkmal jener Sieben, die im Herbst 1944 vor die faschistischen Gewehre gestellt wurden, weil sie dagegen opponiert hatten, dass im Menschen das Wertvollste – seine Würde – zerstampft wird.
Aber ziehen wir den Kreis weiter, viel viel weiter, so dass auch der Landstrich jenseits der Marosch mit den etwas anders gearteten Schwaben als die der Heide oder der Hecke, und Guttenbrunn mit seinen Pflaumenpflanzungen und neu angelegten Reisfeldern und weit unten im Süden auch Moritzfeld hineinfällt. In diesem breiten Kreise gibt es kaum deutsche werktätige Menschen, denen Stefan Jägers Name unbekannt wäre, denn kreuz und quer über dieses Gebiet sind seine Bilder zerstreut, als beliebter Wandschmuck, als etwas Anheimelndes und Ansprechendes, das dem Leben dieser Menschen, ihrem Arbeits- und ihrem Festtag, der engen Welt ihrer Häuslichkeit oder dem breiten Atem der sich endlos hinstreckenden Ackerflächen entsprungen ist. Die Worte, die Goethe Mephistopheles vor dem Herrn sprechen lässt: „...ich kann nicht hohe Worte machen", treffen – auf die Malerei umgedeutet – auch auf Jäger zu, weil sie auf sein ständiges Modell, auf die Schwaben selbst, passen. Denn ihrem Leben, ihrer Arbeit, ihren Festen ist das Pathos, die weitausholende Gebärde, die übersteigerte Tonstärke völlig fremd. Sie hatten sich im Laufe von zweihundert Jahren inmitten eines ungewohnten Klimas, einer sich ihnen widersetzenden Natur die Fähigkeit angeeignet, sich in ihrem Tun auf das unbedingt Notwendige zu konzentrieren. Diese Konzentrierung als schwäbische Eigenschaft drückt sich bei Jäger in der Sammlung der Blickkraft auf das Kleine, das knapp Umgrenzte, aus.
Neben den aber Hunderten von Genrebildern aus dem schwäbischen Volksleben in Öl und Aquarell, die das Signum Stefan Jägers tragen, gibt es ungezählte Skizzen von seiner Hand, die einer malerischen Bestandaufnahme der schwäbischen Trachten gleichkommen, und vom Banater Regionalmuseum in einem Werk veröffentlicht werden sollen. Ebenso wie diese weist auch das vor dem ersten Weltkrieg von der Stadt Temesvar angekaufte und gegenwärtig im Banater Museum befindliche dreiteilige Großgemälde „Die Einwanderung der Schwaben", die Darstellung des großen Schwabenzuges nach dem Banat, letzten Endes die weiter oben geschilderten Eigentümlichkeiten auf.
Es bedurfte einer besonderen Anregung, dass sich Stefan Jäger seinerzeit entschließen konnte, diese Gemälde in Arbeit zu nehmen. Es war Adam Röser aus Gertianosch, der ihn aneiferte, ein solches historisches Bild zu malen. Röser hatte in Hermannstadt gelegentlich eine Zeichnung gesehen, die die Einwanderung der Sachsen darstellte. Dieser Röser war auch der Hauptinitiator des vor dem ersten Weltkrieg entstandenen Szegediner Konvikts, das einen nicht geringen Anteil an der Magyarisierung eines Teiles der schwäbischen Intelligenz hatte. Auch hieraus ist ersichtlich, dass nicht ein streitbares Gefühl dem Ursprung des Bildes der Schwabeneinwanderung Pate stand, sondern einfach die Dankbarkeit und der Stolz auf die Vorfahren, die zusammen mit den hier ansässig gewesenen Völkern, namentlich mit jenen der Rumänen und Serben, an der Umwandlung der unter der Türkenherrschaft verödeten und versumpften Banater Ebene in eine Kulturlandschaft einen bedeutenden Anteil hatten. Durch eine Studienreise in die Herkunftslande der deutschen Kolonisten unterrichtete er sich über die Trachten der Einwanderungszeit. Dann ging er an die Ausführung, die mehrere Stationen hatte: bald in Budapest, bald in Temesvar – dieses Intermezzo dauerte einige Wochen – bald in Gertianosch, und dann wieder in Budapest, wo das Gemälde vollendet wurde. Wie oft wurden die Leinwände zusammengerollt und von neuem aufgespannt – ein Gemälde, das auf der Wanderschaft entstand, wuchs und fertig wurde. Rund dreißig Jahre später ging es erneut auf die Wanderschaft – es befand sich zeitweilig in anderem Besitz und wurde im letzten Kriegsjahr vor den Bombenangriffen in eine Heckengemeinde in Sicherheit gebracht. Hier wurde es nach dem Kriege aufgefunden und ins Banater Museum zurückgebracht, wo es nun der Einrichtung der Gemäldegalerie harrt, um nach fast anderthalb Jahrzehnten erneut ausgestellt zu werden.
Wieviel Verführerisches lag in diesem Wanderzug aus dem 18. Jahrhundert, bei der Schilderung dem Pathetischen zu verfallen! Eine unbekannte Welt auf dem ersten und dem Mittelstück, mit, einem geheimnisvollen Walde im Hintergrund, dem Schauer vom Herbst entlaubter Bäume in der Luft – welche Gefahr, sich in dieser namenlosen Fremde zu verlieren! Auf dem dritten Stück verengt sich der Raum durch die neue erbaute Häuserreihe auf beiden Seiten, und auch durch das Papierstück, mit denn das Anrecht auf Haus und Hof in Empfang genommen wird. Etwas Sinnvolles ist durch der Hände Arbeit entstanden, ein Daheim, indes vom Wald, allem Unbekannten und Geheimnisvollen, weit hinten nur mehr ein verdämmerndes Streifchen zu sehen ist. Jäger führt seine Kolonisten aus der Gefahr der Grenzenlosigkeit, am namenlosen Geheimnis des dunklen Waldes vorbei in das Begrenzte, in das Sinnvolle, das Benannte, das Unpathetische – in die primärste Zelle der Heimat, in die Zelle der vier Wände, die vom endlosen Räume ein winziges Stückchen absondern für das menschliche Dasein in Glück und Schmerz.
Mehr als zwei Jahrzehnte ist es her, dass unter den Schwaben lärmende Großraumkünder umzugehen begannen und ihre Stimmen an der Pathetik eines germanischen Weltmythos erhitzten. Dieses Pathos und dieser Weltdrang führte zu den vielen schwäbischen Soldatengräbern von Narwa bis in die bosnischen Berge und bis an die atlantische Küste. Daran lässt es sich mit ergreifender Deutlichkeit ermessen, wie ursprünglich-schwäbisch das Unpathetische der Jägerschen Malerei ist und wie sehr dem Leben angehörig die Kleinraumverkündung seiner schlichten Kunst ist. Sie ist die Aussage der natürlichen, tausendfach verwurzelten Verbindung zwischen unserer Heimat und ihren schwäbischen Menschen, einer Verbindung, die durch die Arbeit vieler hingeschiedener Generationen geschaffen und geweiht wurde.
Dass sie fortblühe und gedeihe, diese Banater Heimat, so farbenfroh, so lebensinnig, wie er sie unzählige Male erschaut und gemalt hat, sei unser Gruß zum 80. Geburtstage unseres Volksmalers Stefan Jäger.