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Stefan Jäger – ein spätimpressionistischer Milieumaler

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0921
Autor Name: Norbert Schmidt
Titel des Artikels : Stefan Jäger – ein spätimpressionistischer Milieumaler
Publikation: Ausstellungskatalog
Titel der Publikation: Hommage an Stefan Jäger
Untertitel der Publikation: Katalog zur Ausstellung und zum Symposium
Herausgeber: Hilfswerk der Banater Schwaben
Druckerei: diedruckerei.de
Erscheinungsort: Ingolstadt
Jahr: 2012
Seite: 141-142
* [[Norbert Schmidt]]: [[ART:0921 - Stefan Jäger – ein spätimpressionistischer Milieumaler|<i>Stefan Jäger – ein spätimpressionistischer Milieumaler</i>]]. Hommage an Stefan Jäger. Hilfswerk der Banater Schwaben, Ingolstadt 2012

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„Meine malerische Tätigkeit war hauptsächlich darauf gerichtet, meinen Landsleuten gewissenhaft ausgeführte Bilder in leicht verständlicher Form mit Motiven aus dem Banater Volksleben und der Heidelandschaft zugänglich zu machen.“ So lautet Stefan Jägers Bekenntnis, das er als Motto seinem Lebenswerk gab. Diese Worte sagen alles über Inhalt und Intention seiner Bilder, aber auch über seine Methode des Ausdrucks, also alles über das Was und Wie des Dargestellten aus. Stefan Jäger kann als impressionistischer Genremaler bezeichnet werden. In diesem Sinne möchte ich ihm heute zwei deutsche Maler vergleichend zur Seite stellen: einen Impressionisten, Max Liebermann, und einen Genremaler, Heinrich Zille, Künstler, die wie er dem Malstil und der Thematik treu geblieben sind. Die Zeit des Impressionismus lässt sich nur unscharf eingrenzen. In seinem Mutterland, Frankreich, gilt sie von 1880-1905. Nach Deutschland gelangte er erst wirklich nach der Jahrhundertwende, und vor allem ins aufgeschlossene Berlin. Max Liebermann ist einer der bedeutendsten deutschen Impressionisten. Der weitere Siegeszug des Impressionismus gen Osten traf dann noch später ein. Das ist auch der Grund, warum ich Stefan Jäger als spätimpressionistisch bezeichne. Damit meine ich also nicht eine der Nachformen, die unter den Sammelbegriffen Post- oder Neoimpressionismus und unlogischerweise auch Spätimpressionismus bezeichnet werden. Die Bezeichnung der Bildgattung Genrebild ist erst seit dem 18. Jh. gebräuchlich, obwohl es diese schon ewig gibt; denn man versteht unter diesem Begriff die Malerei von Szenen des täglichen Lebens. Besonders im 20. Jh. macht die Genremalerei das soziale Milieu zum Thema und versteht sich oft als sozialkritische Anklage gegen materielles Elend und Krieg. Und nun zu unseren drei Künstlern. Stefan Jäger (1877-1962) und Max Liebermann (1847-1935) Der Ausbildungsweg beider Maler verläuft ähnlich. Beide sind eine Art Piloty-Enkel: Jäger über Székely in Budapest und Liebermann über Munkácsy in Düsseldorf. Ihr Lebensweg aber sieht ganz anders aus. Wie Jäger vom Maler des Einwanderungsbildes zum „Schwabenmaler“ in Hatzfeld wurde, der sich und seine Mutter mit Bestellungen von Heiligenbildern, Idyllen und ab und zu auch von Portraits mehr schlecht als recht über Wasser hielt, kaum wahrgenommen von Zunftgenossen und Landsleuten, hörten wir bereits. Liebermann kannte weder materielle Not, noch litt er an Nichtbeachtung. Als Spross einer reichen Berliner Fabrikanten- und Kaufmannsfamilie konnte er malen, wie und was er wollte. Ein Versuch (1874), in den Kreis der Pariser Maler eingeführt zu werden, scheitert, da diese alle Deutschen mieden. Und im Gegenzug, als ihm 1889 in Paris die Ehrenmedaille verliehen und die Ernennung zum „Ritter der Ehrenlegion“ angetragen wurde, musste er auf Geheiß der preußischen Regierung ablehnen. Verstehen Sie jetzt, warum der Impressionismus so spät in Deutschland Fuß fasste? Er ließ sich (1884) in Berlin nieder, der aufblühenden und mondänen Metropole Deutschlands. Im Laufe der Zeit wandelte er sich vom Kulturrebellen, dem „Schmutzmaler“, vom „Maler der armen Leute“ zum Maler des Bürgertums und der mondänen Welt, zum Porträtisten der Berühmten und Wohlhabenden, ohne sich dabei aber von den kleinen Leuten abzuwenden. („Besser von Liebermann gemalt, als vom Schicksal gezeichnet“.) Wie auch Jäger wandte er sich dabei nicht, wie viele andere Künstler seiner Generation, brüsk vom Stil der Väter ab, sondern benutzte vielmehr die Errungenschaften der Impressionisten, so die Lichtregie zur Belebung seiner Kunst. Die Aufspaltung der Farben à la Monet entspricht in keinem Fall der Malerei Liebermanns: „...das mit den zerlegten Farben, das ist alles Unsinn, ... die Natur ist einfach grau“. Ein kleines Intermezzo noch Es ist keine neue Erkenntnis, dass sich Jäger in seinen Skizzen als größeren Meister vorstellt. Sie sind der lebende Beweis für Liebermanns Worte über die Wichtigkeit der Skizze: „In der Skizze feiert der Künstler die Brautnacht mit seinem Werk; mit der ersten Leidenschaft und mit der Konzentration aller seiner Kräfte ergießt er sich in die Skizze, was ihm im Geiste vorgeschwebt hat, und er erzeugt im Rausche der Begeisterung, was keine Mühe und Arbeit ersetzen könnte“. Den Skizzen gegenüber wirken dann die im Atelier entstandenen, wiederholt gemalten Bilder oft etwas gestellt, gekünstelt, etwas affektiert und manieriert, eben wie es seinen schwäbischen Landsleuten gefiel. Zum Überleben musste er derartige Zugeständnisse machen. Am Beispiel: „Drei Mädchen auf der Bank (Sonntag ist’s)“ erkennen wir leicht Unregelmäßigkeiten, die komisch wirken, die wir aber nicht überbewerten dürfen. Stefan Jäger (1877-1962) und Heinrich Zille (1858-1929) Wenn wir Jäger und Zille vergleichen, so nicht wegen des ähnlichen Malstils. Die Themen sind es, die so ähnlich und doch so ganz anders sind. Beide sind Genremaler und die Maler ihrer Umgebung: Jäger unser Schwabenmaler und Zille der des Berliner „Milljöhs“. Auch Zille entstammte keiner begüterten Familie, seinen Unterricht bei einem Zeichenlehrer bezahlte der 11-Jährige mit selbstverdientem Geld. Später als Litograf ging Zille abends zum Unterricht zu Professor Theodor Hosemann, von dem dann der entscheidende Hinweis kam: „Gehen Sie lieber auf die Straße hinaus, ins Freie, beobachten Sie selber; das ist besser, als wenn Sie mich kopieren“. Und Zille ging hinaus auf die Straßen des Berliner Ostens. Und Zille zeichnete die ungeschönte Wirklichkeit der Gründerjahre: das Leben in den Hinterhöfen der Massenbauten, Elendsquartiere in feuchten Wohnungen und nassen Kellern. In seinem „Milljöh“ des „fünften Standes, der Vergessenen“, wie er es nannte, war er Vertrauter auch von Huren und Asozialen, da war er der „Pinselheinrich“ und „Vater Zille“. Dabei war er durchdrungen von jenem Humor, der zeigte, dass auch das armseligste Leben nicht Stunde um Stunde armselig ist, dass es sich, wie jedes andere, zusammensetzt aus Höhen und Tiefen. Die anderen nannten ihn „Abort- und Schwangerschaftsmaler“. Wie anders war doch Jäger! Er war kein Vertrauter seiner Mitmenschen, er stürzte sich nicht mitten ins Volksgetümmel, er stand lieber beobachtend und skizzierend als „Herrischer“ abseits, nahm als stiller Gast an allen Festen und Handlungen in seiner näheren und manchmal auch weiteren Umgebung teil. Unzählige Gemälde und noch viel mehr Skizzen stellen eine farbenfrohe, lebendige Dokumentation zur Volkskunde der Banater Schwaben dar. Lassen wir nun einige Bilder von Stefan Jäger und Heinrich Zille selbst sprechen. Es wird uns dabei sicherlich nicht der große Kontrast zwischen den beiden Welten, Banat und Berlin, entgehen: Hier Arbeit und Feierabend, Mehrgenerationenhaushalt, Einkindsystem; hier arbeiten und unterhalten sich die Großen, während die Kinder von den Großmüttern behütet werden, Wohlstand und heile Welt, selbst dann noch, als sich der schwäbische Bauer durch Enteignung in Notstand geraten glaubte; Dort Armut, Elend, Arbeitslosigkeit, Haufen von Kindern, das Fehlen von alten Leuten, weil die Lebenserwartung so niedrig war. Wie haben beide doch eine Fülle von Figuren auf einer kleinen Fläche untergebracht! Und alles echtes, wirkliches Leben! Wir Banater Schwaben dürfen es als Sternstunde unseres Kulturlebens empfinden, dass uns ein Dokumentarist vom Range Stefan Jägers beschieden war. Was wäre aber, wenn er eine andere künstlerische Laufbahn und einen anderen Lebensweg eingeschlagen hätte? Er wäre vielleicht in der großen Masse der Anpasser und der Neuerer-Nachahmer untergegangen und uns vielleicht unbekannt geblieben. Wer hätte dann die 250 Jahre lange Kulturgeschichte unseres kleinen Volksstammes geschrieben? Eines Volksstammes, der im deutschen Mitteleuropa seine Wurzeln hatte und irgendwo im Südosten Europas untergegangen ist: die der Banater Schwaben.

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