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ART:0173 - Stefan Jäger - der banatschwäbische Trachtenmaler – Archiv

Stefan Jäger Archiv

ART:0173 - Stefan Jäger - der banatschwäbische Trachtenmaler

Aus Archiv
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Bibliografie
Artikel Nummer: 0154
Autor Name: Wilhelm, Lotte
Aufsatztitel: Stefan Jäger – der banatschwäbische Trachtenmaler
Zeitungstitel: Der Donauschwabe
Erscheinungsort: Aalen
Jahrgang: 27
Nummer: 15-16
Datum: Ostern 1977
Seite: 3
* [[ART:0173 - Stefan Jäger - der banatschwäbische Trachtenmaler|Wilhelm, Lotte. Stefan Jäger – der banatschwäbische Trachtenmaler. Der Donauschwabe Aalen 1977]]


Kulturschaffende aus unseren Reihen:

Nicht nur im Banat selbst, auch in der Bundesrepublik oder in Übersee findet man bei den aus dem Banat stammenden Donauschwaben häufig Jägerbilder.
Wenn man eine so große Anzahl von Bildern bedenkt, weiß man sofort, dass es sich nicht immer um Originale handeln kann, sondern dass eine große Anzahl dieser Bilder Kopien sein müssen. Gute oder weniger gute sind es. Ja, es gibt sogar einige Leute, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, Jäger zu kopieren. Die Nachfrage nach Bildern ist groß.
Woher stammt die Beliebtheit der Bilder dieses Malers?
Wer war schließlich der Maler?
Die beiden Fragen müssen in umgekehrter Reihenfolge beantwortet werden.
Das Banat hatte sowohl im 18. als auch im 19. Jahrhundert seine Maler, auch aus den Reihen der deutschen Bevölkerung, doch es hatte keinen Maler des schwäbischen Dorfes und seiner Menschen. Die Maler jener Zeit, um nur einige Namen zu nennen: Anselm Wagner (1766-1806), Ludwig Bersuder (1825-1895), Johann Wälder (1805-1902) waren vorwiegend Porträtisten, die von den Aufträgen einer gutsituierten städtischen Kaufmanns- und Bürgerschicht lebten.
Das Bauerntum sollte seinen Maler erst finden.
Bislang hatte der richtige Anstoß dazu gefehlt. Der kam 1906, und zwar in Form eines Auftrags seitens der Gemeinde Gertianosch an einen bisher unbekannten Maler, ein Bild zu gestalten, das „die Ansiedlung der Deutschen im Südosten“ zum Gegenstand haben sollte.
Dieser Maler hieß Stefan Jäger (28. Mai 1877-16. März 1962). Er lebte zur Zeit des Auftrages in Budapest, war aber Banater. Sein Geburtsort war Tschene, wo sein Vater den Beruf eines Feldschers ausübte.
Der Werdegang des jungen Stefan Jäger führte, wie es damals vielfach üblich war, über die dörfliche Volksschule nach Segedin, wo er nicht nur weiter lernen, sondern auch seine ungarischen Sprachkenntnisse vervollkommnen sollte. Um die Jahrhundertwende und früher wurden viele Schwabenkinder, auf Tausch in ungarische Familien oder in ungarische Schulen (vor allem nach Segedin) gebracht. Sie sollten ungarisch lernen. Ungarn betrieb damals sehr betont die Magyarisierung der Schwaben. Diese entnationalisierenden Tendenzen gingen auf die 1848/49er Revolution zurück. Die Deutschen sollten vor allem dadurch gewonnen werden, dass sich den gebildeten unter ihnen alle Türen öffneten, alle Amtsstellen zugänglich gemacht wurden, besonders dann, wenn sie ihre Namen magyarisierten. Mit den Vornamen begann es. Aus Johann wurde Jani, aus Michel - Miklos,[1] aus Margarete – Margit… Es gab bald keinen Hans und keine Grete mehr.
Das Volk ließ sich aber sonst wenig beirren. Erst die 1879 erlassene Schulgesetzgebung hatte es mit dem Magyarischen in Berührung gebracht.
Stefan Jäger aber sollte ein Gebildeter werden.
Also besuchte er die Bürgerschule in Segedin.
„Doch der junge Stefan Jäger zeigte weniger Interesse für das Erlernen der Sprachen, als vielmehr Begeisterung für das Zeichnen… Durch die Anleitungen des Zeichenlehrers Obendorf, der die Begabung seines Schülers erkannte, wird Stefan Jäger für das Kunststudium vorbereitet. So bezog der Achtzehnjährige 1895 die Modellzeichenschule und Zeichenlehrerbildungsanstalt in Budapest…“(Aus „Stefan Jäger“ von A. Podlipny-Hehn).
Nach abgeschlossener vierjähriger Ausbildung bereiste der junge Künstler zwei Jahre lang Österreich, Deutschland und Italien.
1901 brach er seine Studienreisen ab. Der Vater war schwer erkrankt. So kehrte er in sein Heimatdorf zurück. Doch dort fand er keine Existenzmöglichkeit. Ein Jahr später ließ er sich in Budapest nieder. Ein Kunsthändler namens Almasy verschaffte ihm Aufträge. Jäger malte und malte: Heiligenbilder, Stilleben, Landschaften, machte Kopien von Bildern berühmter Meister. Alles im Geschmack und Stil der Zeit, denen er sich fügen musste, wollte er leben: Und er wollte… Ab und zu verlangte auch jemand aus der Heimat ein Bild. Meist waren es Heiligenbilder.
Dann kam der Auftrag aus Gertianosch.
Dort gab es Männer, geschart um den Postmeister Adam Röser, eine im völkischen Leben des Banats bekannte Persönlichkeit. Aus ihrem Kreis kam die Idee, ein Bild zu bestellen.
Im ‚Volk’ lebte ein passiver Widerstand gegen die Magyarisierung. Er wuchs, je mehr die Behörden darauf drängten. Wohl sprachen die amtlichen Organe deutsch und sprachen auch mit dem Volke deutsch, wenn es sein musste. Doch oft kam es vor, dass solche, die des Ungarischen nicht mächtig waren, von Amtspersonen angeschnarrt wurden. „Büdös sváb" (stinkiger Schwabe), „buta sváb" (dummer Schwabe) waren geflügelte Worte geworden.
Ein neues völkisches Selbstbewusstsein entwickelte sich in der schwäbischen Bevölkerung. In diesem Zusammenhang muss man des Erzschwaben Adam Müller-Guttenbrunn gedenken. Er verfocht das Recht jedes Volksstammes auf seine eigene nationale Kultur in diesem multinationalen Staat. Ein neues Besinnen auf Herkunft und Ansiedlung erfolgte. Noch nie wurde so viel Sorgfalt auf die Pflege der Tracht verwendet wie gerade in dieser Zeit. Vielleicht waren unsere Trachten auch nie schöner und prunkvoller als damals. Die Schwaben waren wohlhabend geworden.
Unter diesen Umständen hatte eine von Röser und seinen Freunden in Gertianosch angeregte Sammelaktion ungewöhnlichen Erfolg. Adam Röser selbst stiftete eine größere Summe und die Gemeinde [[Cărpiniș|Gertianosch gab das Bild in Auftrag.
Die Ausführung des Einwanderungsbildes sollte zur Sternstunde des Künstlers werden.
Ein erster Entwurf wurde abgelehnt, da Jäger nicht die Tracht aus der Zeit der Ansiedlung darstellte. Sonst aber fand das Bild Anerkennung.
Ich zitiere wieder A. Podlipny-Hehn: „Die Gemeinde Gertianosch eröffnete von neuem eine Sammelaktion, um dem Maler, der die Trachten der eingewanderten Vorfahren studieren wollte, eine Reise nach Deutschland zu ermöglichen… Mit dieser ansehnlichen Summe (4560 Kronen) konnte Jäger 1906 die zweite große Studienreise antreten, die ihn nach Stuttgart, Ulm und Nürnberg führte und ihm die Möglichkeit gab, sein Einwanderungsbild einwandfrei zu gestalten.“
Jäger kam ins Banat zurück. Hatzfeld wurde seine Wahlheimat.
Sein Bild wurde 1910 gelegentlich der Eröffnung einer Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung in Gertianosch enthüllt. Der Künstler wurde gefeiert, er war mit einem Schlag berühmt geworden.
Das Bild hatte er wegen der Ausmaße[2] (5,10 x 1,45) in drei Teile gegliedert, es war also ein Triptychon: Wanderung, Rast, Ankunft der Einwanderer stellte es dar. Auf Einzelheiten soll hier nicht eingegangen werden. Angezeigt wäre allerdings, es würde jeder das Bild einmal eingehend betrachten.
Röser hatte nicht ganz uneigennützig eine so große Spende erbracht. Er hatte sich dadurch das Recht am Mitbesitz des Bildes gesichert. Sein Geschäftssinn wertete den Erfolg des Künstlers aus: Er ließ Farbreproduktionen herstellen, deren Ertrag auch ihm zugute kam. Schließlich veranlasste er, da er in Geldschwierigkeiten kam – natürlich mit Zustimmung Jägers –, den Verkauf des Gemäldes. Es ging um 2.000 Kronen in den Besitz der Stadt Temeschburg über. Heute hängt es in der in Hatzfeld 1969 im ehemaligen Atelier des Malers eingerichteten Gedenkstätte.
Der Künstler schuf noch manche Varianten des Einwanderungsbildes oder auch nur Varianten des einen oder anderen Teiles desselben.
Was aber wichtig ist, bleibt die Tatsache, dass Jäger von den Trachten nie mehr los kam.
Er wurde zum banatschwäbischen Trachtenmaler. Er begann ein intensives Studium unserer Trachten. Dies bezeugen vor allem seine noch vorhandenen Skizzen. Allein oder mit seinem Freund Eduard Böß, Schuldirektor, erwanderte er manche schwäbische Gemeinde. Da finden wir z. B.: ,in Jahrmarkt Gesehenes’. Er skizzierte dort die Zuschauerinnen im Tanzsaal während einer Tanzpause. Im Vordergrund spielen reizende Kindchen in der Tracht der Erwachsenen en miniature. Mütter und Großmütter als Zuschauerinnen auf den Bänken entlang der Wand. Tanzmädchen vor der Mutter. ,Engelsbrunn’: Eine Reihe von Figuren, jede einzeln beschriftet: kleine Mädchen (von allen Seiten gesehen), halbwüchsige Mädchen, erwachsene Mädchen, junges Weib, älteres Weib (Vorder- und Rückansicht), altes Weib, Kirchweihbuben. Beim Vergleichen der Skizzen fällt uns sofort die Verschiedenheit der Haartracht der Mädchen auf, die der Faltelung der Röcke… ,Guttenbrunn 1907’: Mädchen, Frauen, junge Burschen, gewissermaßen als Blickfang für uns heute ein „Schlappen", nahezu in der Mitte der Skizze. Das Interessanteste aber: ein Mädchenkopf mit einer ganz speziellen Guttenbrunner Frisur. Da wird der auf sonderbare Art breit geflochtene Zopf erst wie ein Pferdeschwanz tief am Hinterkopf abgeknotet und nicht wie anderswo üblich auf dem Scheitel vorn mit einem Hornkamm aufgesteckt, sondern rückwärts just über der Mitte des Kopfes. Diese Skizzen sind sehr aufschlussreich für unsere Trachten. Beim Anfertigen von Trachtenpuppen könnten sich manche Gemeinden bei Jäger beraten. Denn was heute oftmals angefertigt wird, geht vielfach auf Erinnerungen späterer Jahrzehnte zurück, eine Zeit, in der an der Tracht schon manches verkitscht war.
Die Kompositionen, die aufgrund der Studien entstanden, sind immer sehr umweltgetreu, wirklichkeitsbezogen, sie atmen die Schlichtheit des dörflichen Daseins. Es geht von den Bildern etwas wie heimatliche Geborgenheit und Wärme aus. Das ist es wahrscheinlich auch, was seine Bilder so ungemein beliebt macht. Es steckt keine welterschütternde Kunst dahinter, aber die dörfliche Gemeinschaft dargestellt wie sie leibte und lebte und den Einzelnen in ihrem Schoße barg, das pocht doch an jedes Herz.
Von der Maltechnik lassen wir A. Podlipny-Hehn sprechen: „…Aquarell und Gouache-Farben, eine Maltechnik, die von Jäger bevorzugt wurde. Durch die Wasserfarben verleiht der Künstler seinen Bildern Leuchtkraft, Frische und Durchsichtigkeit, während er mittels der Deckfarben stoffliche Gewichtigkeit erzielt.“
In der Tat, diese Pastelltöne, in denen die meisten Trachten auf seinen Bildern erscheinen, sind ihrer ‚Durchsichtigkeit’ wegen manchmal berückend. Da der Mensch in seiner Umgebung von Jäger dargestellt wurde, wissen wir auch wie die Stube unserer Ahnen aussah, wie die Gebrauchsgegenstände aussahen, die sie benutzten … Auf einer Skizze: ,Gesehen bei der Orzydorfer 150-Jahrfeier’ sehen wir Bett und Truhe, Stuhl, Wandbrett (Zappebrett) mit Aufsatz und Tellern, die Schaukelwiege und – einen Leuchter mit Hangriff (die Kerze steckt drinnen, tropft stark!).
Jäger malte – unermüdlich.
Sein Themenkreis weitete sich. Er beobachtete seine Landsleute nicht nur bei Fest und Feier, auch bei der Arbeit in Feld und Garten. Schnitter und Schnitterinnen begegnen uns unter dem unsagbar blauen Himmel der Banater Heide. Die großen geflochtenen Strohhüte der Frauen sind festgehalten, ebenso der typische Feldkrug (Sprudelkruch). Ein Mädchen mit ‚Schickseltuch’ kehrt vom Felde heim.
Als ich jüngst mit jemand sprach, der einmal Bilder von ihm kaufte, nannte er [[Stefan Jäger|Jäger] einen Sonderling. Die Bilder verkaufte Jäger ihm über seinen Freund Böß. Ein Sonderling! Das Wort wollte mir nicht aus dem Kopf. Nun ja – ein Künstler! Da muss man ein Auge zudrücken. Dann: Man bedenke die Enttäuschungen, die er in materieller Hinsicht mit seinem Einwanderungsbild und dessen Farbreproduktionen hatte, von deren Erlös er keinen roten Heller sah.
Jäger malte und verkaufte – billig.
Deprimierend war sicher für ihn auch, dass nicht in erster Linie seine Landsleute aus dem rumänischen Banat, sondern die aus dem jugoslawischen die Abnehmer seiner Bilder waren.
Viele Aquarelle und Gemälde wanderten über die Grenze.
Dort wurde auch die einzige Ausstellung seiner Werke veranstaltet. Initiatorin dieser war Frau Dr. Martha Petri, die sich auf kulturellem Gebiet in vielfacher Hinsicht betätigte. Ausstellungsort war Betschkerek. Zeit: 1943.[3] (Diese Angaben entstammen dem Buch ,,Essay" von Hans Diplich.)
Jäger lebte sein stilles, bescheidenes, ärmliches und einsames Leben, wie ein Landsmann von ihm behauptete. Malen war ihm schließlich nur mehr Existenzkampf. Schon fast erblindet, malte er noch immer. Keine Neuschöpfungen waren es, Varianten früherer Bilder mit hinzugefügtem Neuen, mit Kürzungen…
Als die Schwaben aus dem rumänischen Banat begannen, sich so richtig um Jäger-Bilder zu interessieren, war sein Pinsel schon fast müde.
Das sozialistische Rumänien verlieh ihm anlässlich seines achtzigsten Geburtstages den Arbeitsorden II. Klasse. Mit diesem war eine Rente verbunden, die ihm über seine letzten Tage hinweghalf.
Aus seinen Tuben und Farbtöpfen hatte Jäger fast nur frühlingshaft leichte und warme Farbtöne auf Leinwand und Papier gezaubert. Eine Welt von Licht, Wärme, Besinnlichkeit, Liebe hatte er gestaltet, deren Sprache auch der einfältigste seiner Landsleute verstand und versteht.
Von Geburt her war er ein Frühlingskind.
Auch der Tod kam ihm im Frühling.
Vielleicht kannte er nie den Sommer…
Über vielen seiner Werke aber liegt die Melancholie des Herbstes. Oder die Melancholie der weiten, unergründlichen Banater Heidelandschaft?
Stefan Jäger war der Interpret in Farbe unseres einst idyllischen aber harten Lebens als vorgeschobener Posten des Deutschtums weit im Völkermeer.

Reproduktionen

Anmerkungen

  1. richtig János, Mihály
  2. Was? bestimmt Was? die Ausmaße den Inhalt oder das Dargestellte die Dimensionen?
  3. richtig 1930