Der Schwabenmaler in Billed
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | 0932 |
Autor Name: | Hans Rothgerber |
Titel des Artikels : | Der Schwabenmaler in Billed |
Untertitel des Artikels: | Heimatblatt |
Publikation: | Billeder Heimatblatt |
Herausgeber: | HOG Billed |
Erscheinungsort: | Karlsruhe |
Jahr: | 2012 |
Ausgabe: | 25 |
Seite: | 18-22 |
* [[Hans Rothgerber]]: [[ART:0932 - Der Schwabenmaler in Billed|<i>Der Schwabenmaler in Billed</i>. Heimatblatt]]. HOG Billed, Karlsruhe 2012 |
Obschon keine Bilder des Malers mit direktem Bezug auf Billed bekannt sind, könnten sich viele seiner Motive in unserem sowie in jedem anderen Banater Dorf abgespielt haben. Jäger zieht es eher in die Ortschaften der Banater Hecke, in denen die Uhren anders ticken. Dort ist das Sitten- und Brauchtumsleben in den ersten Jahrzehnten des 19ten Jahrhunderts noch gut erhalten. Ihn fasziniert das, was es bald nicht mehr geben wird, die gute, alte Zeit.
1910 hat sich Jäger im Hatzfeld der Donaumonarchie niedergelassen. Das fiel später an Rumänien. Und doch stehen vor und nach seinem Künstlerdasein auch Billeder.
Seine Mutter Magdalena Schuller wurde in Billed, Hausnummer 317, geboren. 1861, als ihre Mutter stirbt, ist sie mit 6 Jahren die älteste von 4 Kindern. Mit einer anderen Ehefrau setzt ihr Vater, Anton Schuller, weitere 8 Kinder in die Welt, von denen 2 im Kindesalter sterben. Von den insgesamt 10 Kindern gibt es bei 6 keine weiteren Einträge in den kirchlichen Matrikelbüchern des Dorfes. Das bedeutet, dass sie Billed verlassen haben.
Hausnummer 317 (seit 1927 ist es die Nr. 667 - zuletzt wohnte hier Josef Klein, Barbierer) liegt in der Neugasse. Dieser Straßenzug wurde lange nach der Ansiedlung angelegt. Hier wohnten vorwiegend Kleinhäusler, Tagelöhner und Landarbeiter. Man besitzt nicht viel, was zumindest den Vorteil hatte, dass man nicht viel verlieren konnte. So lebt es sich auch lockerer als bei den standesgeplagten Bauern vorn im Dorf. Gefeiert, geheiratet und verkehrt wird ohnehin getrennt. Jedenfalls sollen Feiern und Geselligkeiten in der Neugasse herzlicher und lustiger gewesen sein, so dass so mancher Bauernsohn sich gern hierher verirrte.
Magdalena hatte auch nichts zu verlieren, als sie von ihrer Tante Barbara Heck und deren Ehegatten aus Tschene adoptiert wird, die immerhin Grund und Boden besaßen. Sie wird als zierliche Frau mit feinen Gesichtszügen, die sich städtisch kleidete, beschrieben. Als der 16 Jahre ältere Witwer Franz Jäger sie ehelicht, war sie 19.
Großer Markt
Man schreibt das Jahr 1939, und es ist ein milder Novembersonntag. Die Ernte ist eingefahren, Kirchweih und Nachkirchweih abgefeiert, Allerheiligen ausgetrauert. Noch ein letztes dörfliches Ereignis steht bevor: der vierteljährliche „große Markt“ der Großgemeinde. Man kann sich jetzt voll auf die Geschäfte konzentrieren.
Die Hutweide am östlichen Dorfrand wimmelt, nachdem sich der Frühnebel aufgelöst hatte, von Pferdegespannen aus der Umgebung und von der Landstraße trödeln andauernd weitere ein. Es gibt nichts, was hier nicht gehandelt wird: Geflügel, Getreide, Gemüse, Getränke, Kleider, Obst, Vieh, Werkzeuge und auch Kunst. Für Jäger bringt so ein Markt immer wieder einen größeren Auftrag oder zumindest einen guten Geschäftskontakt. Sein Freund Eduard Böss, Biologielehrer in Hatzfeld, konnte eine Kutsche organisieren. So mussten sie nicht mit dem Zug den doppelten Weg mit den Umsteige-Wartezeiten in Kauf nehmen. Denn von Hatzfeld nach Billed gibt es keine direkte Zugverbindung.
Den mitgebrachten Klapptisch bedeckt er mit dem von seiner Haushälterin frisch gewaschenen weißen Leinentuch. Darauf stapelt er seine Ware: ausgemalte Ölbilder sowie Skizzen und Entwürfe für individuelle Bestellideen. Und für den kleinen Geldbeutel, zum Schnäppchenpreis, kleinere Aquarelle. Er ist noch nicht ganz fertig, da hatte sich schon eine stämmige Bäuerin, Mitte 50, vor seinem Stand in Stellung gebracht. „Gut Morjet, Moler-Bacsi, ich sen et Marian aus der Saulännergass. Mei Tant aus Gertjanosch hat noch vorm Kriech bei Eich so e scheen Marienbild khaaft. Ich brauch jetz e groß Mutter-Gottes-Bild for meim Jingschte, dem Matz, de wo en die Neigass gheirat hat, sei Stub. Dass die aa mol was Teires han.“
„Gut’ Morgen, gnädige Frau, so-so, in die Neugass’ hat er gheiratet? Kennt Sie die geborene Schuller Katharina, meine Tante? Lassen Sie sie, bitteschön, von mir grüßen“.
„Tehr ment et Schullersch Kathi. Das es awer jetz en Deitschsanktpeter, bei seiner Tochter. Weil, seit ehre Michel tot es, hat se jo khäne meh do.
Tehr hat jo do Gmoltes aus’m Schnitt - wie die Leit sich frieher geploht han! Heit han mer jo zum Glick die Mähbinder.
Ei, es das scheen, wann mer die Kerweih mol farwich gsiehn kann! Nor schaad, dass mer sich sowas net en die Stub hänge kann.“
„Aber, gute Frau, warum denn nicht?“
„Also Jäger-Bacsi, wesst Tehr, mei Schwiegertochter, et Bewi, zieht schon die Tracht nimmi on wie frieher, geht nimmi en die Kerch wie frieher, hat de Zopp abgschnied und ich well gaar net saan, was noch alles. Awer iwer ehre Kredenz, do muss die heilich Maria hin, das es de letschte Streck. Well wo khä Glaawee es, es aa khä Herrgott net.“
„Da haben‘s aber recht!“
„Das lang engerohmte, mit de gsunde Hingle, das wär jo was for en die Kich, iwerm Spaarherd. Was koscht das, wann mer frohe därf?“
„Das ist ein neuer Hühnerhof, Öl auf Leinwad, 500 Lei bezahlt man dafür.“
„Jesusch Maria, met dem Geld kann mer di g’molte Hingle jo all lewendich kaafe?“
„Ja, weiß Sie denn nicht, dass Original-Ölbilder soviel wert sind!“
„Es jo gut, Herr Meister, ich hann jo nor gement.“
„Was koscht dann das klän, farwich Blaat met der Vortänzersch? Die Tracht es jo wie frieher, wie ich aa mol so e Kerweih-Mintsch waar, met ehm. Es awer nix gen, weger’m Feld.“
„Das Aquarell kostet für Sie 20 Lei. Aber nur weil es einen Fehler hat.“
„So billich, awer wo es de Fehler?“
„Gnädige Frau, wenn ich Ihnen den Fehler verraten soll, kostet es doppelt.“
„Nee, nee, dann liewer nex saan.“
„Awer, dass Tehr khä Heilichebiller meh molt? Was soll aus dere Welt noch wärre?
Ich wär mol onser Hochwürden frohe, wo mer die Mutter Gottes noch am beschte kaafe kann.“
„Die Vortänzersch awer hol ich Eich ab. Die kommt mer in die Kich, iwer de katholische Wandkulenner. Do werd die Nochbersch mol Aue mache!“
„For zahle muss ich noch mei Niklos suche, de schaut noh Schweincher for‘t nächscht Johr on hat die Brieftasch met‘m Groß-Geld.“
„Aber beeilen‘s sich, wir werden sofort nach dem Mittagessen zurückfahren.“
„Herr Jäger, noch e Bitt‘ han ich: Saat meim Mann net, dass do e Fehler drenn es.“
„Also gut, aber nur solange er nicht ausdrücklich danach fragt!“
So ähnlich könnte es sich auf dem „Große Maark“ zugetragen haben, wo Jäger tatsächlich gesehen wurde. Auch seine Bemerkungen über Fehler in den Schnäppchenskizzen sind überliefert.
Jakob Muttar, 1947 Schüler, kann sich an den Kunstmaler als Tabakkunde erinnern. Er ging zusammen mit seinem Vater zu dessen Atelier und war neugierig auf den damals schon sehr berühmten, jedoch öffentlichkeitsscheuen Altmeister. Der malte gerade, wünschte eine Probepackung, konzentrierte sich anschließend auf die Staffelei und überließ die weitere Geschäftsabwicklung seiner Haushälterin. Die Selbstgedrehten mit dem in der Umgebung berühmten Billeder „geschwärzten“ aus dem „gebranntes Land“ genannten Feldern schmeckten dem Altmeister schließlich so gut, dass sie noch 2 Kilogramm nachliefern mussten. Auf verschlungenen Wegen, wie damals üblich, denn das war gefährlicher Schwarzhandel. Aber eine der Überlebenskünste der entrechteten und ausgeplünderten Billeder Deutschen in der unmittelbaren Nachkriegszeit.
Obwohl Jägers Bilder das bäuerliche Leben zum Thema haben, ist seine Kundschaft vorwiegend in bürgerlichen und intellektuellen Kreisen zu finden. Denn als Geldanlage kommt für den wirtschaftlich orientierten Heidebauern eher ein protziger Giebel in Betracht. Er kennt nicht den Wert eines Original-Gemäldes.
Anton Sehi, Miteigentümer der Billeder Ziegelfabrik und Unternehmer, hat 2 Ölbilder von Jäger erworben, sie sind auch hier reproduziert. Der damalige Preis dafür war vergleichbar mit dem einer Kuh.
Es gibt noch einige Billeder, von denen bekannt ist, dass sie im Besitz von Original-Jägerbildern sind: Fam. Franz Tobias, Fam. Michael Braun und Fam. Peter Krier.
Der erste Ausstellungskatalog
Anlässlich des 50. Todestages von Stefan Jäger organisierte Peter Krier am 28. April 2012 ein Symposium und eine Ausstellung von Original Stefan Jäger-Bildern im Banater Seniorenzentrum Ingolstadt. Mit 120 Bildern von 40 Leihgebern ist es die bisher größte Ausstellung des Schwabenmalers. Der dabei entstandene Katalog mit insgesamt 165 Farbreproduktionen und 6 Vorträgen von Stefan-Jäger-Kennern ist überhaupt der erste Ausstellungskatalog und bietet die bisher umfangreichste Übersicht über das Werk des Kunstmalers. Der Katalog kann beim Hilfswerk der Banater Schwaben für 15.-€, Versand inklusive, erworben werden.
Da war doch noch was ...
Wenn man sich bei unseren ehemaligen Nachbarn im Banat umsieht, den Rumänen, den Serben, den Ungarn oder auch bei den Siebenbürger Sachsen mit ihrem 800-jährigen kulturellen Bollwerk, wird man keinen vergleichbaren Milieumaler finden.
1962, unmittelbar nach seinem Tod, verfasste Dr. Peter Pink eine Monographie des Künstlers, die er folgendermaßen abschließt: „Ohne Zweifel hat der Kunstmaler Stefan Jäger seine Banater Schwaben über alles geliebt. Sein Lebenswerk ist ein grandioses Denkmal für sie, das wie ein Felsen stehen bleibt, auch wenn die Banater Schwaben in diesem Völkermeer untergehen sollten.“
So weit, so gut, könnte man meinen. Stefan Jäger hat seines getan, Dr. Pink hat darauf aufmerksam gemacht und die Banater Schwaben sind gerade dabei, sich in einem Völkermeer, wenn auch einem anderen als befürchtet und angenehmer als gedacht, untergehen zu lassen. Aber wo ist der Fels in der Brandung, wo kann man das sehen, was der Künstler in über 60 Jahren gemalt hat?
Das Problem liegt in der Natur der Sache.
Jäger lebte vom Verkauf seiner Bilder, die durch den Exodus weltweit zerstreut sind. Für die Ausstellung in Ingolstadt war Peter Krier wochenlang kreuz und quer durch Deutsch¬land und Österreich unterwegs. Der daraus entstandene Ausstellungskatalog umfasst zwar einen allgemeinen Überblick, nur sind es vielleicht 10 Prozent von dem, was noch vorhanden ist.
Einen, zeitlich ablaufenden, Schlüssel kann Dr. Peter Fraunhoffer aus Österreich noch bieten. Er führt seit Jahrzehnten ein Archiv mit inzwischen rund 2000 erfassten Bildern und Skizzen sowie ihren Besitzern.
Möglich wäre die einmalige Ethnographie eines verschwundenen Volksstammes, entstanden aus Kolonisationsexperimenten der Habsburger Monarchie im 18. Jahrhundert.
Bibliographie:
Pink, Peter: Stefan Jäger - Ein Banater schwäbischer Kunstmaler, 1962
Podlipny-Hehn, Annemarie: Stefan Jäger, (Monographie) Kriterion, 1972
Gross, Karl-Hans: Stefan Jäger - Maler seiner heimatlichen Gefilde, 1991
Gross, Karl-Hans: Stefan Jäger - Skizzen, Studien und Entwürfe, 2004
Krier, Peter: Hommage an Stefan Jäger, Katalog, 2012
Wikete, Hans: Ortssippenbuch Billed, 2000
Repro: (Texte dazu)
• Stefan Jäger (1877-1962), Selbstbildnis
• Magdalena Jäger, geb. Schuller. Die Mutter des Malers wurde 1855 in Billed geboren
• Wochenmarkt in Hatzfeld, Öl auf Leinwand, von Stefan Jäger. Weitere Bilder des Schwabenmalers finden Sie im Internet unter heimathaus-billed.de/stefan-jaeger
• Im Schnitt, Öl auf Holz, 57x105 cm, Leigeber: Hans Sehi Aus dem Ausstellungskatalog „Hommage an Stefan Jäger“ von Peter Krier
• Hühnerhof, Öl auf Leinwand, im Besitz von Dr. Christa Barth-Schoof (geb. Sehi)
Anton Sehi, Mitbegründer der Billeder Ziegelfabrik und Unternehmer, hatte in der Zwischenkriegszeit 2 Ölbilder von Stefan Jäger erworben. Der damalige Preis dafür war vergleichbar mit dem einer Kuh. Das Bild hat nebenbei auch die Baragan-Deportation mitgemacht.
Weitere Hühnerbilder finden Sie unter: heimathaus-billed.de/huehner
Auszüge aus dem Katalog „Hommage an Stefan Jäger“ von Peter Krier sowie weitere Informationen finden Sie unter: heimathaus-billed.de/stefan-jaeger