Beiträge zu einem stimmigen Banat Bild
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | 0939 |
Autor Name: | W. H. |
Titel des Artikels : | Beiträge zu einem stimmigen Banat Bild |
Publikation: | Zeitung |
Titel der Publikation: | Banater Post |
Erscheinungsort: | München |
Jahrgang: | 57 |
Nummer: | 23/24 |
Datum: | 10.12.2013 |
Seite: | 7 |
* [[W. H.]]: [[ART:0939 - Beiträge zu einem stimmigen Banat Bild|<i>Beiträge zu einem stimmigen Banat Bild</i>]]. Banater Post, München 10.12.2013 (Jg.57 Nr.23/24), S. 7 |
In vielen Banater Ortschaften zogen
in den 1920er und 1930er Jahren Prozessionen
zu den Denkmälern, die für
die Opfer des Ersten Weltkriegs in
der Dorfmitte oder auf dem Friedhof
errichtet worden waren. Nach dem
Zweiten Weltkrieg durfte diese Tradition
des Gedenkens nicht mehr fortgeführt
werden. Im Sommer 2014
sind es hundert Jahre seit dem Ausbruch
des Ersten Weltkriegs; in vier
Beiträgen wird im Banater Kalender
2014 an die „Urkatastrophe des 20.
Jahrhunderts“ erinnert, die auch im
Banat in Tausenden Familien tiefe
Wunden schlug und zur Aufteilung
dieser historischen Landschaft an drei
neue Vaterländer geführt hat. Was bedeuten
uns heute noch die Denkmäler
an jene Zeit? Mit vierzig Farbaufnahmen
auf dem Umschlag und im Kalender-
Teil des Jahrbuchs ruft Walther
Konschitzky die Kriegerdenkmäler
aus über zwei Dutzend Banater Ortschaften
in Erinnerung.
Zwei Schlussfolgerungen zeichnen
sich bei der Lektüre der Beiträge und
beim Betrachten der weit über 229
Bilder und Illustrationen ab, die vierzig
Mitarbeiter für den Banater Kalender
2014 erarbeitet haben und in dem
312 Seiten starken siebenten Jahrbuch
des Banat Verlags Erding ausbreiten.
Als erstes fällt auf, wie viele Autoren
in den Dörfern und Städten des Banats
einst Alltägliches und zutiefst Vertrautes
nachspüren und festzuhalten
versuchen, was unserem Blick zu entschwinden
droht oder beinahe schon
vergessen ist. Die Fragen, die sich dabei
ergeben, und die Überlegungen,
die sich einstellen, betreffen uns, und
sie machen uns nicht selten betroffen:
Es geht um Fragen nach der ursprünglichen
Sinngebung und der
Funktion von Kulturüberlieferungen,
gesellschaftlichen Ereignissen und
Einrichtungen, um öffentliche Bauten
wie auch um die Gedenkstätten in der
Lebenswelt unseres Herkunftsraumes.
Es geht aber auch ausdrücklich um
die Wahrnehmung, das Wirkbarmachen
und die Bewahrung dieses Kulturerbes
in unserer Zeit.
Als ein zweites Anliegen der
Gestalter dieses Jahrbuchs erweist
sich das forschende Suchen, die Erschließung
und die Bereitstellung
neuer Informationen und Bildbelege
zu materiellen und geistigen Werten
der Banater Kultur. So werden uns
auch wesentliche, bislang nie oder
nur ansatzweise behandelte Themen
näher gebracht und Sachverhalte im
Licht neuer Erkenntnisse oder aus
neuen Blickwinkeln und Sichtweisen
dargestellt.
Georg Schmidt zeichnet ein komplexes
Porträt des im Banat kaum bekannten
Kampfgefährten Prinz Eugens
von Savoyen, Johann Georg Freiherr
von Harruckern, der es vom Bauernsohn
zum ungarischen Magnaten
gebracht hat und der Gründer mehrerer
Ortschaften der Arader Gegend
wurde, unter anderem der Großgemeinden
Arad-Sanktmartin und Semlak.
Uwe Detemple umreißt die europäische
Dimension des Bauernkrieges
unter György Dózsa, dessen blutiges
Ende bei Temeswar sich 2014 zum
500. Mal jährt. Bislang noch nicht untersuchten
Banater Themen widmet
sich der Historiker Dr. Lajos Kakucs;
er legt die erste ausführliche Darstellung
der „Schlaraffia Temesia“ vor, eines
Männerbundes, dem eine große
Zahl Temeswarer Honoratioren,
Künstler, Ärzte und Vertreter der
Wirtschaft angehörten. Der Autor präsentiert
desgleichen zwei Denkmäler
aus dem Ersten Weltkrieg, die jahrzehntelang
der Öffentlichkeit vorenthalten
wurden: den „Baum von Doberdo“
und den „Eisernen Wehrmann“,
die sich heute im Banater Museum
Temeswar befinden. Einblicke
in unerforschte Bereiche der Banater
Kulturgeschichte gewähren auch die
Dokumentationen „Heilige Barbara
und Johannes von Nepomuk – Bergmännische
Motive in der sakralen
Kunst des Banater Berglands“ von Dr.
Volker Wollmann und „Fünf Generationen
Instrumentenbauer Braun aus
Temeswar“ von Günther Friedmann,
ebenso ein aufschlussreiches Gespräch
mit Clara-Liselotte Basica, geborene
Mühle, über die Kunstgärtner
Wilhelm und Arpad Mühle, den Begründern
des Temeswarer Rosengartens.
Josef-Franz Schreck hat für den
Banater Kalender 2014 Ergebnisse seiner
jahrzehntelangen Nachforschungen
über die Geschichte des Kurbades
Busiasch zusammengefasst.
Das Schaffen der Banater Künstler
Friedrich Schreiber, Walter Andreas
Kirchner, Helmut Stürmer, Peter
Schweg, Ingo Glass, Nora Schütz-
Minorovics und Robert Schiff wird in
Ausstellungsbesprechungen und mit
zahlreichen Reproduktionen von
Gemälden, Skulpturen und Grafikarbeiten
illustriert.
Würdigungen anlässlich runder
Geburts- oder Todestage widmet der
Kalender dem Chronisten der Banater
Pestepidemie Anton von Hammer
(1809-1889), dem verdienten Schulmann
und Prälaten Josef Nischbach
(1889-1970), von dem auch ein Text
über die Entstehung der „Banatia“
veröffentlicht wird, deren Mitbegründer
Josef Nischbach war. Mit Auszügen
aus der Koloman-Wallisch-
Kantate von Bertolt Brecht wird an
den aus Lugosch stammenden Arbeiterführer,
der 1934 in Österreich hingerichtet
wurde, erinnert. In dem
Beitrag „Poetischer und publizistischer
Zeitzeuge“ skizziert Dr. Walter
Engel das vielseitige Schaffen einer
markanten Persönlichkeit des Banater
Kultur- und Geisteslebens: Robert
Reiter / Franz Liebhard, der in den
Tagen des politischen Umbruchs
1989 in Temeswar verstorben ist.
Hans Hausenstein-Burger analysiert
unter dem Titel „Bilder gegen das Vergessen“
das grafische Werk Viktor
Stürmers, dessen Geburtstag sich
2014 zum 100. Mal jährt. Nachrufe
auf die 2013 verstorbenen Hochschullehrer
Karl Streit und Peter Kottler
zeichnen Heinrich Lay und Prof. Dr.
Roxana Nubert, auf den Rektor des
Karlsburger katholischen Priesterseminars,
Monsignore Peter Jäger, der
Diözesanarchivar Claudiu Călin.
In mehreren Beiträgen werden zeitgeschichtliche
Ereignisse mit nachhaltigen
Auswirkungen auf gruppenspezifische
Entwicklungen aufgezeigt.
Uwe Detemple veröffentlicht eine
chronologische Darstellung der Erhebung
von Temeswar in der Vorweihnachtszeit
1989, jenem Funken, der
die Revolution in Rumänien ausgelöst
hat. Die politische Wende brachte
auch der deutschen Bevölkerung des
Banats die Befreiung von der Diktatur
und die lang ersehnte Möglichkeit,
über den Verbleib im Banat oder ihre
Aussiedlung in den Westen selbst zu
entscheiden. Als ein publizistisches
Zeitdokument jener Jahre der Aufgabe
von Heimat und der Begegnung mit
Deutschland ist der Beitrag „Sagen
wir, aus Freundschaft. Entschuldigungen
eines Aussiedlers“ von Franz
Heinz zu werten, den die Herausgeber
25 Jahre nach der Erstveröffentlichung
dieses Textes in das Jahrbuch
aufgenommen haben. Wie bedeutsam
die Aussagen sind, die Franz Heinz
damals im Namen seiner Landsleute
in der deutschen Öffentlichkeit gemacht
hat, kann heute immer noch –
und mit mancherlei Gewinn – nachvollzogen
werden.
Von den Veränderungen, die sich
in dem Vierteljahrhundert seit der
massenhaften Auswanderung nach
der politischen Wende innerhalb unserer
Gruppe eingestellt haben und
die vielfältigen, auch grundlegend
neuen Beziehungsgeflechte, die aufgebaut
werden konnten, zeugen die
Beiträge über Großveranstaltungen
der Landsmannschaft der Banater
Schwaben in Deutschland und des
Demokratischen Forums der Deutschen
im Banat, die sowohl von beispielhafter
Integration wie auch vom
Bemühen um Identitätsbewahrung
und um die Fortführung von Banater
Kulturtraditionen sprechen. Weitere
Facetten zu diesem Themenbereich
eröffnen sich auch aus den Berichten
von Anton Bleiziffer über die Verleihung
des Hessischen Hochschulpreises
an den Musiker Anton Hollich
und über die Gründung einer neuen
Blaskapelle in Sanktanna im Banat im
Sommer 2013, desgleichen aus dem
Beitrag „Das Bild einer Banater Lehrer-
Generation“ mit Einschätzungen
von Hans Fink, Paula Knopf, Franz
Quitter und Uwe Grün über den Band
„Deutsche Pädagogische Lehranstalt
Temeswar 1948-1958“, herausgegeben
von Katharina Schmidt. Und
nicht zuletzt geht dies exemplarisch
aus den Betrachtungen über Herkunft
und Entwicklung der Banater Kirchweihbräuche
und über Chancen ihres
Fortbestandes im Banat und in
Deutschland hervor – einer repräsentativen
Studie, die Dr. Hans Gehl vor
mehreren Jahren erarbeitet und für
diesen Kalender in einer verkürzten
Fassung aufbereitet hat.
Aus dem umfangreichen Abschnitt
zu Themen der Banater Volkskultur
und Mundart erwähnen wir die gediegenen
Analysen von Gottfried Habenicht
einer seltenen Ballade aus
dem Banat wie auch des Kronprinz-
Rudolf-Liedes über die Tragödie von
Mayerling vor 125 Jahren. Barbara
Gaug setzt ihre volkskundlich-kulturhistorische
Reihe mit dem Artikel
„Quetschequetschemus und Gatschefudder.
Haltbarmachen von Lebensmitteln
in der Banater deutschen Küche“
fort; Hans Fink bringt dem Leser
eine nicht jedem auffallende Gestalt
unserer Märchen – den Strâmbă-Lemne,
den Bäumekrummbieger – näher
und Erhard Recktenwald die Sage, die
sich um den Hügel „Geelbuckel“ bei
Königshof rankt.
Texte in Banater schwäbischer
Mundart zeichnen Radegunde Täuber
(„A Blumenthaler Hochzeitsspruch“),
Hans Niedermayer (Erzählungen aus
seinem 2013 erschienenen Band
„Summerwind“), Josef Titsch (heitere
Dorfgeschichten) und Rainer Kierer
(Mundartgedichte). Abgeschlossen
wird der Band mit dem Beitrag „Erinnern,
Gedenken, Jubilare 2014“ –
einer umfassenden Vorschau auf
Gedenkanlässe und Jubiläen im kommenden
Jahr. H. W.
Banater Kalender 2014. Herausgeber:
Aneta und Walther Konschitzky. Erding:
Banat Verlag 2013. 312 Seiten, davon
64 in Farbe, 229 Bilder und Illustrationen.
Preis 20 Euro (zzgl. Versand). Bestellung:
Banat Verlag, Zugspitzstraße
64, 85435 Erding, Telefon 08122 /
2293422, E-Mail banatverlag@gmx.de.