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Schauplätze der Erinnerung

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0753
Autor Name: Luzian Geier
Titel des Artikels : Schauplätze der Erinnerung
Untertitel des Artikels: Elisabeth Axmanns Erinnerungen an die Bukowina und Siebenbürgen
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Siebenbürgische Zeitung
Erscheinungsort: München
Jahrgang: 56
Datum: 15.04.2006
Folge: 6
Seite: 10
* [[Luzian Geier]]: [[ART:0753 - Schauplätze der Erinnerung|<i>Schauplätze der Erinnerung</i>. Elisabeth Axmanns Erinnerungen an die Bukowina und Siebenbürgen]]. Siebenbürgische Zeitung, München 15.04.2006 (Jg.56 Folge6), S. 10

Elisabeth Axmanns Erinnerungen an die Bukowina und Siebenbürgen

Ein Buch mit Erinnerungen von Elisabeth Axmann, geboren im Sommer 1926 in Siret / Sereth (Bukowina), legte der Rimbaud Verlag im Herbst 2005 vor. Das Buch ist sowohl vom literarischen Anspruch als auch vom Erinnerungswert her bedeutsam. Die Autorin hält Abschnitte von Alltags- und Regionalgeschichte (Bukowina, Siebenbürgen, Banat, Bukarest) fest, die für das Buchenland gewissermaßen fortschreiben, was Moses Rosenkranz (1905-2004) in seinen Erinnerungsbänden „Kindheit" und „Jugend" (Rimbaud Verlag) festgehalten hat. Ein Zeitraum von über einem halben Jahrhundert ist festgehalten, wie wir das so von Buchenlanddeutschen (Nichtum-siedlern) noch nicht haben.
Ein bewegtes Leben kündigte sich von Kindheit an, bedingt durch den Beruf des Vaters, Karl Axmann (geboren in Straja am 2. Oktober 1891, gestorben infolge kommunistischer Folter in Suceava 1956), der als Staatsbeamter immer wieder dienstversetzt wurde, aber auch durch die Kriegsereignisse und deren Folgen. Schauplätze des Erinnerns sind nicht nur der Geburtsort Sereth, sondern auch die Städte der Kindheit, Storojinetz in der Nordbukowina und Fălticeni in der benachbarten Moldau.
Bekanntlich sind im Herbst und frühen Winter 1940 aus der Bukowina weit mehr Buchenländer ins Reich umgesiedelt, als sich bei den Volkszählungen als Deutsche ausgegeben hatten. Eine beachtliche Zahl ließ sich aus unterschiedlichen Gründen, vor allem aus der Südbukowina, jedoch nicht umsiedeln. Dazu zählte die Familie Axmann, deren Vorfahren aus dem Böhmischen, aus dem Altvatergebirge (damals österreichisch, später Sudetenland) eingewandert waren. Beim Einmarsch der Roten Armee blieb der Beamtenfamilie die Flucht nicht erspart, das wiederholte sich 1944. Dabei holte diese die Flüchtlinge im westrumänischen Banat (Busiasch) ein. Nur durch Bestechung und erneute Flucht (Richtung Bukarest zum Vater) entging die Autorin der Russlanddeportation Anfang 1945.
Die Zeit nach 1945 führte die Familie in verschiedene Orte und Regionen des Landes, von Bukarest über Städte Siebenbürgens (Klausenburg, Hermannstadt) sowie der Südbukowina (Vatra Dornei, Sereth, Suceava). Der Bruder liegt im Banat begraben, der Vater wurde in Suceava zu Tode geprügelt, die Mutter ist in Bukarest beigesetzt. Somit präsentiert die Verfasserin uns ihr eigenes Schicksal sowie das ihrer Familie bis zum Verlassen Rumäniens 1977 bzw. 1979, als ihr Mann zu ihr nach Deutschland ausreisen durfte.
Das sind Erinnerungen bzw. Erlebnisse einer buchenlanddeutschen Familie in Rumänien unter den Bedingungen der Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegsjahre, wie sie selbst von der Regionalgeschichte nur ansatzweise dokumentiert sind. Das Buch schließt damit eine Lücke, stellt aber auch viele Querverbindungen zu den anderen deutschen Gruppen in Rumänien her. Die Not und Entrechtung nach dem Zweiten Weltkrieg brachten diese Gemeinschaften einander näher, als es bis dahin der Fall war.
Elisabeth Axmann-Mocanu konkretisiert mit ihren Erinnerungen eine relativ lange Etappe (subjektiver) Alltagsgeschichte und mit dieser die ihrer Gemeinschaft. Seitens des Verlags und der Redaktion hätte das Buch ein aufmerksameres Lektorat verdient, vor allem im letzten Teil häufen sich Inkonsequenzen bei Orts- und Namensschreibungen. Zu den Ungenauigkeiten im Buch zählt, dass der spätere Chef von Frau Axmann bei der „Neuen Literatur" in Bukarest (E. Stoffel) 1951-1956 nicht Botschafter Rumäniens in der Schweiz war, sondern nur ständiger Geschäftsführer der Gesandtschaft.
Das schmälert nicht den Wert des Buches, das mehr ist, als was man allgemein als niedergeschriebene Erinnerungen versteht, mehr als die übliche Fülle von Mitteilungen und Erlebnissen aus einer Zeitspanne, wie sie in den historischen Arbeiten zur großen Weltgeschichte stehen. Es ist auch eine literarische Leistung! Das erzählende Denken der Autorin aus politisch verworrenen und Umbruchzeiten, aus schwierigem Alltag, ist durch eine gute Zusammenführung der Ereignisse aus verschiedenen Perioden und Familien geschickt verknüpft und verkettet so Handlung und Geschehnisse. die beim Leser durchwegs Interesse und Neugierde wecken.

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