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Aus dem Leben und Schaffen Stefan Jägers

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0060
Autor Name: Beatrice Schmidt [alias Dagmar Böss]
Titel des Artikels : Aus dem Leben und Schaffen Stefan Jägers
Untertitel des Artikels: Das Wandern ist des…Malers Lust!
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Neue Banater Zeitung
Erscheinungsort: Temeschburg
Jahrgang: 12
Nummer: 1645
Datum: 07.02.1968
Seite: 2
* [[Beatrice Schmidt [alias Dagmar Böss]]]: [[ART:0060 - Aus dem Leben und Schaffen Stefan Jägers|<i>Aus dem Leben und Schaffen Stefan Jägers</i>. Das Wandern ist des…Malers Lust!]]. Neue Banater Zeitung, Temeschburg 07.02.1968 (Jg.12 Nr.1645), S. 2

Das Wandern ist des…Malers Lust!
Unzertrennliche Freundschaft. Die Liebe zum einfachen Menschen


Die ewigen Wanderer hätte man sie nennen können, denn ob es regnete oder ob die Sonne brannte, sah man beide gemeinsam durch die Banater Heide wandern. Ihre Wiegen standen nicht am gleichen Ort, sie wuchsen auch nicht zusammen auf, erst die Liebe zum einfachen Mann aus dem Volk, zum Banater Schwaben, tu seinen Sitten, Festen und Bräuchen, das Interesse für seine Arbeit und seinen Alltag hat die beiden als reife Männer einander nähergebracht. Gemeinsam zogen sie, der Maler Stefan Jäger und Schuldirektor Eduard Böss, durch die Banater Heide, von einem Dorf zu andern, der Künstler, um das Leben der Bauern kennenzulernen, stets auf der Suche nach neuen Motiven und Themen für seine Bilder, der Professor, um neue Pflanzenarten des Flachlandes für seinen kleinen botanischen Garten zu gewinnen.
Trotz ihrer verschiedenartigen Naturen wurden sie die besten Freunde: was dem einen fehlte, brachte der andere mit in den Bund, und so ergänzten sie sich zu einem Ganzen, das beider Schaffen und Streben Früchte tragen liess.
Mit den ersten Frühlingstagen begann auch für die zwei Naturfreunde der Bummel ausserhalb von Hatzfeld, zuerst dem Bahngeleise entlang, wo so manche Kräuter für die Sammlung des Professors zu finden waren. Hielt der Frühling dann gänzlich Einzug und nahte das Wochenende, dann klopfte es immer an des Professors Haustür, und wenn dann seine Frau öffnete, stand vor ihr der schon nach der Klopfart vermutete „Farbenkleckser“.
„ich bin Edi abholen gekommen“, war das Ganze, was der wortkarge Freund hervorbrachte. Professor Böss freute sich natürlich auf den bevorstehenden gemeinsamen Spaziergang. Im gepflegten Garten – Herberge für alle auf den Reisen gesammelten Pflanzen – unter einer Tanne wurde dann der Plan für den bevorstehenden Ausflug zurechtgelegt.
Die beiden Naturfreunde waren in Stadt und Land bekannt. Der eine im dunklen Anzug, den Stadthut auf dem Kopf, die Mappe mit Marton und Bleistift unterm Arm, der andere in Schlupfhosen, den grünen, kleinen Jägerhut auf die Glatze gestülpt und den Rucksack am Rücken. „Das Wandern ist des Malers Lust“ war Stefan Jägers Leitmotiv. Am liebsten wanderte er mit seinem Freund durch die Heckenlandschaft zwischen Bruckenau, Guttenbrunn und Blumenthal, wo die Natur mehr an Schönheiten bietet, wo Hügel und Wälder sich die Hand reichen. Alles Schöne aus dieser Gegend brachte unser unvergesslicher Künstler auf die Leinwand, Professor Böss aber erbeutete so manches Prachtexemplar für sein Herbarium.
Die Freundschaft des Malers Stefan Jäger mit Professor Eduard Böss begann in den Jahren 1920, 1922, denn erst ab 1908 erfreute der Künstler Hatzfeld mit seiner Anwesenheit. Es war ein enger Bund, der über ein Viertel Jahrhundert hinaus hielt und den Tod des Professors im Jahre 1951 zerriss.
Man pflegt zu sagen, dass sich Gegensätze anziehen, dies fand auch bei dem Hatzfelder Freundespaar seine Bestätigung. Der eine, der Künstler, war still und verschwiegen, der Professor hingegen äusserst gesprächig, sogar wortlaut. Wenn Eduard Böss in allen Schenken die Gespräche mit den Wirten und den Gästen führte, so sass Stefan Jäger in einer Ecke und war stiller Beobachter. Wenn Eduard Böss die Bauern in einem langen Gespräch festhielt, hatte Maler Stefan Jäger Zeit, diese schnell in einer Skizze zu verewigen. So entstanden an einem Sommertag die Skizzen zu den bekannten Gemälden „Der Schnitter“ und „Die Schnitterin“. Prof. Böss begann ein langes Gespräch mit einem Bauernpaar, das gerade vom Schnitt den Feldweg daherkam, er mit der Sense am Rücken, den Strohhut ins braungebrannte Gesicht gezogen, sie, die Bäuerin, mit dem Wasserkrug und den grossen Sonnenhut lose gebunden. Indessen zückte der Maler seinen Bleistift und brachte das Bauernpaar aufs Papier.
Die grössten Ereignisse auf ihren Wanderschaften waren die Erntefeste in den verschiedensten Banater Ortschaften. Dort sah man die schönsten Trachten, die herrlichen breiten Röcke der Mädchen, die geschmückten Hüte der Burschen. Dort entstanden Jägers schönste Aquarelle, die Marktszenen, Tanzstuben, der Feuerwehr marsch, die Kinderspiele u. a. An solchen Festtagen vergassen die zwei Freunde fast immer, nach Hatzfeld zurückzukehren.
1933 ersuchte Professor Böss seinen Freund, ihm ein Ölgemälde von all den Blumen, die er im Laufe ihrer Wanderschaften gesammelt und verpflanzt hat, zu malen. Stefan Jäger war einverstanden und riet seinem Freund, ihm von allen Arten je eine Blume in sein Atelier zu bringen, in die grosse Vase zu tun. Das bunte Tischtuch vom Gartentisch unter der Tanne musste auch auf das Bild kommen. Wegen seiner Farbenpracht gefiel es dem Maler besonders. Es vergingen drei Tage, es vergingen vier, und der Naturkundeprofessor brachte noch immer Blumen, bis ihn der Maler aufmerksam machte: „Du Edi, die Vase ist doch schon voll, da geht doch gar nichts mehr hinein. Wo zauberst du diese vielen Arten her?“
„Doch nur aus meinem Garten. Du wolltest doch, ich sollte von jeder Art eine bringen, und es sind nicht alle Sorten in der Vase vertreten.“
„Ab heute bringst du nichts mehr, denn sonst wird kein Bild mehr zustande kommen.“
Das ist die kleine Geschichte des sogenannten Blumenbildes. [1]
Andere Bilder hat Eduard Böss nie von seinem Freund für sich verlangt und Modell wollte er ihm auch nie stehen. Doch finden wir seine Gesichtszüge in vielen Gemälden wieder, wo sie trotz der Bauernkleidung zu erkennen sind. Nach Stefan Jägers Tod wurden unter seinen Bildern und Skizzen zwei grössere Ölgemälde gefunden, die Professor Böss darstellen. Das eine ist ein Porträt und zeigt den Professor mit seinem braungebrannten länglichen Gesicht und dem grünen Jägerhut, das andere ist leider nicht beendet, es stellt Eduard Böss in Naturgrösse dar.
Jäger rühmte sich nicht gerne mit seinen Bildern, die Wände seines Ateliers standen meist leer nicht einmal seinem besten Freund zeigte er die Gemälde und Aquarelle, an denen er arbeitet. Nach seinem Tod wurde in seinem Nachlass ein grosses Paket gefunden, das die Anschrift trug „Nicht anrühren“. Darin fand man auch die Portraits seines Freundes.

Erklärung

  1. Die Autorin bezieht sich auf das Bild WK:2285

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