Stefan Jäger Archiv

„Ich brauche Licht von der Sonne“

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0177
Autor Name: Franz Schleich
Titel des Artikels : „Ich brauche Licht von der Sonne“
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Neue Banater Zeitung
Untertitel der Publikation: NBZ-Sonderseite
Erscheinungsort: Temeschburg
Jahrgang: 21
Nummer: 4503
Datum: 26.05.1977
Seite: 2 und 3
* [[Franz Schleich]]: [[ART:0177 - Ich brauche Licht von der Sonne|<i>„Ich brauche Licht von der Sonne“</i>]]. Neue Banater Zeitung, Temeschburg 26.05.1977 (Jg.21 Nr.4503), S. 2 und 3

Landsleute erinnern sich: Er war ein stiller Mensch, der nur für seinen Beruf lebte

Wer war eigentlich dieser Mann, den zeit seines Lebens nur wenige Leute gekannt hatten, dessen Bilder heute begehrt sind wie nie zuvor, über dessen Werke bereits viel geschrieben wurde, dessen Alltagsleben aber kaum bekannt ist? Anlässlich des 100. Geburtstages des schwäbischen Heimatmalers Stefan Jäger sprachen wir mit Leuten in Jimbolia, die den Künstler gekannt haben, ja manche ihn täglich gesehen, mit ihm Umgang gepflegt haben, es sind Menschen, die nicht den Anspruch haben, Werturteile über das malerische Werk ihres Landsmannes zu fällen, sondern nur berichten wollen über ihren Mitmenschen Stefan Jäger.

Elisabeth Jost

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Ich habe achtzehn Jahre lang Stefan Jäger betreut, ich bin zwar nur eine einfache Frau, ich glaube aber nicht, dass jemand den Jäger-Bacsi besser gekannt hat als ich. Er war ein sehr stiller Mensch, der nur für seinen Beruf als Kunstmaler gelebt hat. In seinem Zimmer stand ein eisernes Tisch mit vier Stühlen, das Bett der Mutter, an den Wänden hatte er kein einziges Bild, weder von sich noch von anderen, denn kaum hatte er eines auf seiner Staffelei fertig, gab er es weg. Jäger-Bacsi hat nur gesprochen, wenn er unbedingt musste, an der Türe hatte er sich um eine Zeit eine Tafel angebracht, wo er täglich mit Kreide seine Wünsche darauf schrieb, alles nur, damit ich ihn nicht störte. Das bedeutet aber nicht, dass er vielleicht mir gegenüber unhöflich war, im Gegenteil, er hat mir immer sehr schön gegrüßt, mit mir gesprochen, man musste ihn eben auch verstehen. Jäger war ein Frühaufsteher, er blieb aber immer still in seinem Zimmer, so um acht Uhr ging er dann in sein Atelier. Dort herrschte immer peinliche Ordnung, wenn ich Staub wischen wollte, hat er seine Pinsel, Farben und die anderen Malutensilien mit einem Papier abgedeckt und dieses mit Reißnägel befestigt. Auf dem Papier stand dann manchmal: „Bitte nichts anrühren !" Da war er sehr genau, ich durfte absolut nichts anfassen, ich habe das verstanden. Seine schwerste Zeit waren die Jahre 1946 und 1947, da war er sehr arm, hatte keine Arbeit, ja manchmal nicht mal Farben. Trotzdem hat er jeden Tag gearbeitet, nie hat er sich beklagt, kein böses Wort gesagt. Er war so ein Einsiedler, der Jäger-Bacsi, wie schon die Künstler eben sind… Immer wenn sich der Sterbetag seiner Mutter jährte, hatte er auf seinem Tisch ihren schwarzen Schal liegen und drei Uhren. So saß er dann stundenlang davor, fasste gelegentlich nach dem Schal und betrachtete still schweigend die Uhren. Nie hat er darüber etwas gesprochen …
Der Jäger-Bacsi ist am frühen Morgen gestorben. Ich habe das gleich gewusst, denn an diesem Tag waren die Vorhänge an seinem Fenster noch immer unten. Wir haben dann die Türe aufgebrochen, er lag halb angekleidet auf dem Bett, auf dem Tisch lagen der schwarze Schal der Mutter und die drei Uhren, die gingen alle drei nur nicht genau, jede zeigte eine andere Zeit an… Am selben Tag – wir haben ihn in der Friedhofskapelle aufgebahrt – ist noch ein Brief für den Jäger-Bacsi aus Chikago angekommen, ich habe ihn geöffnet: Gebürtige Gertjanoscher hatten da ein Bild bestellt aus ihrer alten Heimat. Es war jedoch zu spät, der Maler konnte den Auftrag nicht mehr ausführen… Am nächsten Tag wurde Stefan Jäger beerdigt. Es war ein hässlicher Tag mit Schneegestöber. Wenig Leute haben ihn auf seinem letzten Weg begleitet. Der arme Jäger-Bacsi, wenn der das doch wüsste, wie alle Leute ihn ehren und schätzen!

Eduard Jankovits

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Ich habe Stefan Jäger nie direkt gesprochen, aber als Kind kann ich mich noch sehr gut an zwei Szenen erinnern, die ich damals nicht deuten konnte, die aber nach Jahren, nachdem ich mich eingehend mit seinem Leben und Werk beschäftigt habe charakteristisch für seine Art waren: Sonntags ging er mit seinem einzigen Freund, dem Lehrer Böss, an den gewesenen Treiss-Strand, um ein Glas Wein zu trinken. Einmal sah ich die zwei Alten vorbeikommen. An der heutigen Knopffabrik blieben sie plötzlich stehen und betrachteten heftig gestikulierend eine Blume am Grabenrand. Es gab höchstwahrscheinlich Meinungsverschiedenheiten, denn nach einiger Zeit gingen beide weiter, der eine auf der einen Seite des Weges, und der andere auf der anderen Seite. Ihren Wein haben sie dann zwar zusammen getrunken aber ohne ein Wort dabei zu sprechen. Auf dem Heimweg gingen sie dann wieder zusammen, aber schweigend, jeder auf seinem Standpunkt verharrend.
Ein anderes Mal habe ich Jäger vor einer Schmiede angetroffen, sich genau einen Zigeunerwagen betrachtend. Man muss sich das gut vorstellen: Der Mann steht da mit seinem Spazierstock und schaut ganz angestrengt auf das eine Wagenrad, ohne sich von der Stelle zu rühren. Plötzlich dreht er sich brüsk um und geht weiter, um nach einer Weile wieder umzukehren, aus der Manteltasche einen Bleistift und Notizblock zu ziehen und sich eine Skizze anzufertigen. Die Zigeunerin auf dem Wagen wollte wissen, was er da mache. Er hat sie gar nicht gehört. Ja, Jäger war schon ein eigenartiger Mensch, er wusste aber, was er will. Sein Ziel, seine schwäbischen Landsleute malerisch festzuhalten, hat er nach einem Leben der Arbeit erreicht.

Nikolaus Steiner

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Ich war Schneidermeister und nur eine Wand hat meine Werkstatt von der Stefan Jägers getrennt. Und trotzdem haben wir uns nur kaum gekannt, denn Stefan Jäger war ein verschlossener Mann, kaum jemals zu Geselligkeiten aufgelegt. Ich bin ihm oft am Tor begegnet, er hat zwar gegrüßt, mehr war aber nicht aus ihm herauszuholen. Obwohl er in dürftigsten Verhältnissen gelebt hat, hat er sich niemals beklagt. Nur wenn die Kinder im Hof Fußball gespielt haben, das konnte er nicht vertragen, da kam er zu mir und bat mich, ich möge Ruhe schaffen. Er war immer ernst, ich habe ihn nie lachen hören. Einmal hat er sich über das Altern geäußert: „Alt werden ist nicht schön. Man müsste immer jung bleiben und dann plötzlich nicht mehr sein." Stefan Jäger hat lautlos unter uns gelebt, wie ein Schatten, geblieben sind seine Bilder, die wir heute bewundern.

Adalbert Princzinger

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Ich habe Stefan Jäger 1956 kennen gelernt, da kam er oft zu mir ins Kulturhaus, wo ich damals tätig war, mit der Bitte, ich möge ihm seine Korrespondenz mit dem Künstlerverband erledigen. Später ging ich dann öfter zu ihm, anfangs empfing er mich nur an der Türe. Als ich ihm eines Tages erzählte, dass wir in meiner Familie zehn Kinder waren und mein Vater auch im Jahre 1877 geboren wurde wie er, war das Eis endgültig gebrochen. Ab nun war die Familie sein Lieblingsthema, über das wir oft sprachen. Eines Tages fragte er mich plötzlich: „Sie machen mir immer alle Arbeit umsonst. Warum verlangen Sie nichts dafür, alle verlangen doch?" Ich war ganz verblüfft, denn ich habe ihm diese paar Schreibarbeiten gerne erledigt. Nach zwei Wochen sagte er wieder: „Was für ein Bild würde Ihnen gefallen?" Für Bilder hatte ich damals natürlich kein Geld. Eines Tages hat er mir dann schweigend ein schönes Aquarell „Flieder mit Mädchen" geschenkt, das habe ich heute noch. Meiner Ansicht nach war Jäger sehr einsam, ein Mensch, der sehr vieles wusste, seine Schwaben sehr liebte, auch wenn sie ihn nicht immer verstanden und entsprechend gewürdigt hatten.

Peter Tötz

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Ich habe Steffi-Bacsi mit dreizehn Jahren kennen gelernt und da ich selber Maler werden wollte, war ich immer darauf aus, irgendwie in seine Werkstatt zu gelangen. Die ersten Versuche schlugen fehl, da ich aber im selben Hof mit ihm wohnte, hat er mich dann öfters gerufen ihm zu helfen, etwas wegzuräumen. Einmal habe ich ihm dann auch einige Landschaftsbilder von mir gezeigt. Anfangs hat er nichts gesagt, dann brach es aber aus ihm heraus: „Mit solchen Farben kann man kein Künstler werden. Du musst noch viel lernen.“ Das wollte ich ja. Da hat er mich einmal zuschauen lassen, als er malte. Er saß vor der Staffelei, ich stand hinter seinem Rücken. Er konnte jedoch keinen Strich machen, es ging einfach nicht, ich habe das gleich begriffen, darum habe ich auch weggeschaut und bin später traurig weggegangen. Trotzdem hatte ich ihm aber eines Tages bei der Arbeit zugesehen: ich lag mit einem Freund stundenlang auf einem Abhänger und schaute durch sein Atelierfenster, wie der Alte bedächtig malte.
Ernstlich verkracht habe ich mich mit ihm, als ich ihn unbedingt fotografieren wollte. Er war kategorisch dagegen: „Mich brauch niemand fotografieren, ich bin Maler, da sind meine Bilder, das ist genug." Eines Tages habe ich ihm dann mit meiner „Agfa" in einem Gebüsch aufgelauert und ihn fotografiert. So entstanden die einzigen Schnappschüsse über Stefan Jäger: ein gebückter alter Mann, der über den Hof geht. Die Fotos werden übrigens in der Ausstellung im Lyzeum zu sehen sein.

Hans Schulz

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Als Kind war es schon mein Wunsch, Zeichenlehrer zu werden. Da war es doch selbstverständlich, dass mein Vater, der mit dem Meister befreundet war, ihn darum bat, mich ein wenig im Zeichnen zu unterweisen. Jäger hat das kategorisch abgelehnt, ohne es jedoch zu begründen. Wahrscheinlich wollte er ungestört arbeiten. Jäger kam jeden Sonntag so um elf Uhr zu meinen Eltern, ganz kurz hat er dann auch über seine Bilder berichtet, an welche Themen er gerade denkt, wer ihm ein Bild bestellt hat und so. Wollte man etwas genauer wissen, hatte er es plötzlich sehr eilig und verschwand. Dann konnte man ihn beim Mittagsspaziergang antreffen, aus der Vladimirescu-Straße ging er ins Dacia-Restaurant essen, seine Lieblingsspeise waren Palatschinken, die eine Köchin speziell für ihn gebacken hat. Er aß immer allein, anschließend las er auf einer Parkbank die Zeitung, dann ging er nachhause ins Atelier an die Arbeit. Trotzdem war ich manchmal in seiner Werkstatt, aber nur für ganz kurze Zeit, gemalt hat er in meiner Anwesenheit nie. Einmal war es sehr trüb, da war ich auch bei ihm. Er ging nervös auf und ab: „Bei diesem Wetter kann ich nicht malen, alles ist grau, ich brauche Licht, Licht von der Sonne, nur dann leben die Farben auf. Wieder ein Tag ohne Arbeit, vergeudete Zeit! Hansi, hast du heute nichts anderes zu tun, als hier herumzusitzen?!“ Und er begann einen Pinsel neben den anderen hinzulegen, seine Palette abzukratzen. Was blieb mir da anderes übrig als wegzugehen. Ich war froh, wenigstens ein paar Minuten bei ihm gewesen zu sein, denn andere Leute hat er einfach an der Türe empfangen und abgefertigt.

Anmerkung:

Die Beiträge erschienen auf der NBZ-Sonderseite zum 100. Geburtstag des Heimatmalers Stefan Jäger.

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