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Stefan Jäger – ein Banater Maler

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0300
Autor Name: Hans Bräuner
Titel des Artikels : Stefan Jäger – ein Banater Maler
Publikation: Zeitschrift
Titel der Publikation: Beiträge zur deutschen Kultur
Untertitel der Publikation: Forschungen und Berichte
Erscheinungsort: Freiburg i. Br.
Jahr: 1986
Jahrgang: 3
Heft: 2
Seite: 25-29
* [[Hans Bräuner]]: [[ART:0300 - Stefan Jäger - ein Banater Maler|<i>Stefan Jäger – ein Banater Maler</i>]]. Beiträge zur deutschen Kultur, Freiburg i. Br. 1986 (Jg.3 Heft2), S. 25-29

geb. am 28. Mai 1877 – gest. am 16. März 1962

Beim Anblick der Bilder Stefan Jägers fühlen wir Banater Schwaben uns angesprochen, wir spüren die Zugehörigkeit zu dieser Landschaft der Banater Heide. Die Bilder Stefan Jägers sind geprägt von Flächen und Linien, von einer gedämpften und doch heiteren Farbigkeit, und sie vermitteln uns ein Glücksgefühl über die Schönheit unserer Heidelandschaft mit ihren Menschen. Darin wird der Wille geweckt, die Natur und die Landschaft unserer Heimat in Erinnerung zu bewahren, um so mehr, weil die Erinnerung das einzige Paradies ist, aus dem wir nicht vertrieben werden können und weil nur die Erinnerung wahr redet und in uns die Hoffnung nährt, die ein schönes und berechtigtes Ziel ansteuert, das verpflichtet und verwirklicht sein will. Wichtig ist, bei allen Bildern Stefan Jägers stehen zu bleiben und zu schauen, – sich intensiv ansprechen und die Gemälde auf sich wirken zu lassen. An mich wurde am 17. März 1962 das Ersuchen der Hatzfelder Bevölkerung gerichtet, Stefan Jäger Abschiedsworte ins Grab nachzurufen, was auch geschah. – Aus Anlass der Eröffnung der Gedenkstätte für Stefan Jäger, die am 31. Mai 1969 in Hatzfeld in seiner geräumigen Kunstwerkstatt geschmackvoll eingerichtet wurde und heute das Ziel einer Wallfahrt vieler heimatverbundener Banater Schwaben und Freunde der Banater Schwaben ist, durfte und konnte ich als Beauftragter der Stadt Hatzfeld in den mir zugeteilten Minuten unseren Hatzfelder Landsleuten und den Ehrengästen Stefan Jäger und sein Lebenswerk würdigen, und ich habe folgendes gesagt: „Einem bescheidenen, innerlich aufrechten Mann, der am 16. März 1962 von uns gegangen ist, ist diese ehrfurchtsvolle Gedenkstunde sowie diese Gedenkstätte gewidmet von und durch die fördernde Liebe unserer Banater Heimat und der Männer des Komitees für die Förderung der Kultur des Kreises Temeswar.
Kulturfördernde Auswirkungen waren und sind Zeugen großer sittlicher und völkischer Verantwortung unseres Heimatbewusstseins der Kultur und Kunst unseres Volkes gegenüber.
Wer war dieser Mann?
Dieser Mann war Stefan Jäger (28. Mai 1877 – 16. März 1962), – der Sohn der Gemeinde Tschene, der Siedlung am Rande des Großen Sumpfes, – der Sohn des Feldschers Franz Jäger, der aus Nakodorf stammte, in Budapest das Barbierfach erlernte und sich die Befähigung Ader zu lassen und Zähne zu ziehen erwarb, und sich seine zwanzig Jahre jüngere Frau
- Margarete Schuller aus Billed – per Achs heimholte,
- der Schüler der Tscheneer Katholischen Volksschule, die auch von kroatischen Kindern besucht wurde,
- der Schüler der Mittelschule Wiesners zu Temeswar,
- der spätere Schüler der Mittelschule zu Szegedin, wo sein Talent von dem Zeichenlehrer Obendorf, der aus dem Burgenland stammte, entdeckt, ausgerichtet und gefördert wurde,
- der Schüler der Musterlehranstalt für Zeichenlehrer zu Budapest, wo der Meister Székely Bertalan seinem Malertalent zum Durchbruch verhalf und in ihm eine gesunde Kunstauffassung reifen ließ: Achtung vor dem, dass das Detail zu einem sinnvollen Ganzen gehört, Achtung vor der Realität des Menschlichen und Gegenständlichen. Dieser Kunstauffassung blieb er zeitlebens treu.
Stefan Jäger war der Wanderer, der fahrende Schüler der Malerei. Stationen: Wien, München, Stuttgart, Venedig. Stefan Jäger war der Mann, der 1901 und 1906 auf einer großen Studienreise durch Deutschland im Auftrage Gertjanoscher Landsleute Aufschlüsse über die Trachten unserer Siedlerahnen aus dem 18. Jahrhundert suchte und fand und so das Triptychon „Die Einwanderung der Schwaben" schaffen konnte. Stefan Jäger war der Mann, der als Landsturmmann von 1914 bis 1918 bald an der serbischen, bald an der italienischen, bald an der rumänischen Front im Einsatz war.
Stefan Jäger war der Maler unseres Heimatstädtchens Hatzfeld, der hier fünfeinhalb Jahrzehnte schöpferische Arbeit leistete und den Arbeitsorden zu seinem achtzigsten Geburtstag von seiten des rumänischen Staates erhielt. Diese seine Arbeit ist in ihrer Gesamtheit durch eine vielfältige Thematik, durch die Art und Weise, wie sie den Alltag und das Festliche der Banater widerspiegelt, durch ihre realistischen Vorzüge, ihre Wirklichkeitsnahe, unserer Banater Heimat zugehörig. Ihr positivster Zug besteht darin, dass die Landschaft, unsere Heide, ihre höchste Sinnerfüllung durch die Arbeit empfängt, die der Mensch in ihr vollbringt. Das ist Stefan Jäger.
In dieser Gesinnung wollen wir ehrfurchtsvoll diese durch seine Arbeit geheiligten Räume betreten und für alle Zukunft das Vermächtnis seiner Kunst Generationen erschlossen hinterlassen.“ Diese in einer gedrängten Form angeführten sachlichen, klaren Aussagen über Stefan Jäger entheben uns nicht, auf manches im einzelnen einzugeben; obzwar man Gefahr läuft, sich zu wiederholen. Der aus Schine (das ist die mundartliche Bezeichnung für die Banater Ortschaft Tschene) gebürtige Stefan Jäger ließ sich im Jahre 1910 in der Heidegemeinde Hatzfeld nieder. In dieser Zeit war der verhältnismäßig junge Kunstmaler (33.) kein Unbekannter mehr. Er hatte schon mehrere Bilder für den Budapester Kunsthändler Almásy, so auch Heiligenbilder und Altarblätter für verschiedene Auftraggeber gemalt und wurde schließlich in seiner engeren Heimat (im Banat) durch diese und vor allem durch das große „Einwanderungsbild“ (1,45x5,10) bekannt. Auf drei großen gestaltenreichen Ölgemälden versucht Jäger, Momente des historischen Vorganges der Einwanderung unserer Siedlerahnen festzuhalten: ein Zug unterwegs, die Rast (Ankunft) und schließlich das Aufbauen der neuen Heimat. Diese Gemälde gehören sowohl inhaltlich wie auch der Malweise nach inhaltlich zusammen. Nach wechselvollem Schicksal befinden sie sich heute im Besitze des Banater Temeschburger Kreismuseums und können in der Gedenkstätte Stefan Jäger in Hatzfeld besichtigt werden.
Die Hatzfelder stellen Stefan Jäger in eine Reihe mit den verdienten Männern ihres Städtchens nicht nur allein und aus dem einzigen Grunde, weil Stefan Jäger Hatzfeld zu seiner Wahlheimat gemacht hat, sondern vielmehr, weil seine gesamte Malertätigkeit auch mit dieser Heidegemeinde verflochten ist und weil die meisten seiner Bilder hier entstanden sind, obzwar er die vielen lebensnahen Themen seines Wirkens aus den nahen und fernen Dörfern der schwäbischen Heimat geschöpft hat. Hier in seiner Wahlheimat lebte er zwar zurückgezogen, für manchen unbekannt und wohl auch noch verkannt, dahin; obwohl schon sein großes Interesse und seine ganze Liebe gerade dieser Landschaft und der werkenden Landbevölkerung galt. Stefan Jäger, fern jedem oberflächlichen und formalistischen Streben, blieb der Wirklichkeit treu, seine Kunst war in all den Jahren dem an Arbeit und auch an malerischen Festen reichen Leben der Banater Schwaben gewidmet. Stefan Jäger hat in liebevoller Mühe – von blasierten und entwurzelten Ästheten oft als „Bauernmaler" geringschätzig und verächtlich angesehen – ein Werk geschaffen, das wohl über die Tageserfolge hinausging und lebendig bleiben wird. Seine Skizzenblätter – ihre Zahl beträgt über 100 – mit Aufzeichnungen versehen, die Trachten aus allen Dörfern mit größter Genauigkeit festhalten, vergleichen und unterstreichen und dadurch wird das künstlerisch Lebendigste und Wirkungsvollste ins Licht gerückt. Diese Skizzenblätter könnten einem Fachmann hilfreich sein, ein interessantes Trachtenbuch der Banater Schwaben zu schaffen.
Diese wesenhafte Verbindung, die der Künstler in steter Arbeit zu Land und Leuten seiner unmittelbaren Umgebung immer gehegt und gepflegt und geformt hat, lassen sich in unzähligen Bildern erkennen und empfinden. Und so findet er gerade in diesem Landschaftsbereich zu seiner Kunst, die in vollen Zügen aus dem Leben seiner Menschen schöpft. Er hält überall im Dorfe und den Fluren Ausschau nach realistischen Dingen und Erscheinungen seiner nächsten Umgebung und verleiht ihnen in ungezählten Bildern nicht nur einen künstlerischen, sondern auch einen geschichtlichen, ethnographischen sowie hohen moralischen Wert. So verstehen wir seine Bilder, so begreifen wir sein Werk und sehen im einzelnen auch jene Bilder, die in strikter Weise auf unsere Ortschaft (Hatzfeld) bezogen sind: Die „Hatzfelder Kerweih“ (Öl), mit der Floriani-Statue als Wahrzeichen des großen Dorfes im Hintergrund und dem Kerweihzug, dem vielen Volke, im malerischen Trachtenkleid, das der Künstler zum großartigen Geschehen formt; – die „Heimkehr vom Feld“ (Öl), mit den heimwärts ziehenden Feldarbeitern vor dem Cholerakreuz, das als zentraler Fluchtpunkt tief im inneren des Bildes steht; der „Hatzfelder Wochenmarkt“, vor dem schmiedeisernen Schlossparkzaun; die „Jahrmarktszene“, draußen auf der großen Hutweide vor dem Zettelhaus; der „Dorfrand“, mit den zierlichen Häusergiebeln vor der Kaul; der „Melonenmarkt“, der „Kirchgang“, „Auf der Straße“, im „Hinterhof“, dem „Blumengarten“ und dem „Hühnerhof“, ja in allem verrät uns der vorsorgliche Maler durch schier unbedeutende Beiordnungen und Details den unverkennbaren Ort der Handlung. Nichtsdestoweniger bestärkt er den Beschauer in seinen Annahmen und Gefühlen durch die vielen Aquarell-, Tusch- und Bleistiftskizzen, deren Bedeutung wir schon oben unterstrichen haben, wo er oft mit leserlicher Schrift hinzunotiert: „Südzeile“, „Hatzfeld (gegen Heufeld)“, „Wochenmarkt (in Hatzfeld)“, „Vor Allerheiligen (am Friedhof)“, „Herbstabend (Gänseflug in Hatzfeld)“, „Schaffelmacher (Zsombolya)“, „Dorfpartie (Hatzfeld, gelbgrün)“, usw. usf.
Mit dem Jahr 1895 beginnt seine berufliche Ausbildung in Budapest an der schon oben angeführten „Modellzeichenschule und Zeichenlehrer Bildungsanstalt". Der Beginn seines künstlerischen Schaffens geht auf die Jahrhundertwende zurück. Nahezu 60 Jahre wirkte er ununterbrochen auf dem Gebiete der Malerei. Seine Biographie enthält kaum etwas Außergewöhnliches, insbesondere wenn wir von den beiden Studienreisen (1901 und 1906) und dem Kriegsdienst als Frontsoldat im 1. Weltkrieg absehen. Nahezu geradlinig verläuft sein langer Lebensweg, an dem heute seine vielen Bilder stehen. Jägers Bilder sind niemals pure Werkstatt- oder Phantasiegebilde, da das künstlerische Beginnen immer mit dem Erleben in engem Zusammenhang steht. Den nahezu unwiderstehlich drängte es den Maler immer wieder hinaus in Gottes freie Natur, über Wiesen und Felder, zu den Leuten auf den Dörfern der Banater Heide und Hecke, bis hinüber in die Batschka und in die Schwäbische Türkei. Oft sah man ihn mit seinem intimen Freund, dem Bürgerschuldirektor Eduard Böß, auf diesen Wanderungen.
Ungezählte Zeugen seines Schaffens verweilen in Tschatad, Ostern, Grabatz, Billed, Zernya, Skt. Hubert, Wiesenhaid, Sackelhausen, Guttenbrunn, Gaidobra, Parabutsch, und begleiten kreuz und quer in die vielen Dörfer, die hier unerwähnt geblieben sind, wo er die schönen vielfältigen Trachten, die wogenden Getreidefelder, die Schnitter, die Laubschober, Rossmühlen, Dorfstraßen … und immer wieder die Menschen, seine Menschen, als Modelle malt. Überall ist das Leben und Tun dieser Menschen in seiner natürlichen, unverfälschten Form erhalten. Mit seiner Malkunst erzählt er von der Arbeit, den Festen, und Bräuchen dieser Menschen und löst beim Betrachter immer wieder aufs neue Gefühlsbewegungen, Heimatverbundenheit und Heimatliebe aus. Seine Bilder umfassen eine reichhaltige Thematik, die von der Ansiedlung bis in das Fast-heute, von Hatzfeld bis zu den entlegensten Dörfern des Banates reicht. Unbeirrt von allen möglichen Stilrichtungen seiner Zeit findet er zu seiner eigenen Kunst und macht das bäuerliche Milieu, die bäuerliche Umgebung und Umwelt in vorrangiger Weise zum Kernstück seiner Malerei. So erleben wir auch heute beim Betrachten eines Jäger-Bildes in unverfälschter Weise eine zwar kleine (und gewissermaßen im „Niedergang“ begriffene) aber dennoch wahre Welt. Es ist die Welt der „Donauschwaben“ schlechthin, die auf dem Maltuch und den vielen Aquarellen Jägers ihren farbenprächtigen Niederschlag gefunden hat.
Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass Stefan Jäger es trefflich verstand, die Wiedergabe von Tagesstimmungen in den verschiedenen Jahreszeiten sowie Schilderungen lebenden Geflügels mit sprühender Lebendigkeit und feinem Farbensinne sowie Dorf- und Fluransichten zu gestalten und dass nichts von der echt Banater Schärfe und Treue der Auffassung und der Wiedergabe seinen Bildern fehlt. Es kommen ferner uns kräftige und frische Farbenbehandlung sowie scharfe Charakteristik in den Gesellschaftsstücken zum Erlebnis. Stefan Jäger hebt sich durch seinen liebenswürdigen humoristischen Ton, durch seine Kunst des Helldunkels und der malerischen Stimmung zur höchsten Vollendung unserer Heimatkunst.
Bald führt er uns in die dämmerige Bauernstube, wo sich originelle, biedere, ehrliche Männer der bäuerlichen Arbeit und des so geschätzten Handwerks am Kartenspiel erfreuen, an einem Glase Wein ergötzen. Bald sind wir Zeugen, wie sich auf dem Festplatz des Dorfes die muntere Kirchweihgesellschaft erlustigt, oder wie die Dorfblasmusikkapelle durch ihr Spiel alt und jung vor die Häuser auf die Straße gelockt hat. Die Figuren der Gemälde, oft nur wenige Zoll groß, sind doch überaus lebendig charakterisiert. Die Farben scheinen auf den Hauptton abgestimmt, die Schatten zeigen feine Durchsichtigkeit. Große Wirkung erzielt Jäger in seinen Hintergründen, seinen Durchblicken in eine hintere Kammer, welche ihm Gelegenheit zu Lichtreflexen und mannigfachen Abstufungen der Beleuchtung bieten. „Dafür gebührt ihm unser Dank! So wollen wir im Geiste, ihm den Ehrenkranz aus frischen Lorbeerblättern winden und lobevoll preisen seine Tat.“ Denn Jäger hat uns die helle Sonne, den hochsommerlichen Himmel, die flimmernde Luftspiegelung über den fruchtbaren Saaten der Banater Heide, die vielen Blumen am Wegrand und den Fluren, die Straßen der Dörfer und jahreszeitlichen Geschehen der Wechsel vollen Natur in unauslöschlicher Weise ins schlagende Herz gemalt. So wird das Schöne und Gute immer und wo immer leise und zart in unseren Herzen erklingen und mit den Worten des Dichters zum sinfonischen Gesang sich umschlingen:

„O Land, du allerschönstes Land!
Mein Heimatland! Banaterland!
Auf Erden ist kein Land dir gleich!
Als wärst du selbst das Himmelreich!"

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