Stefan Jäger Archiv

Für zwei Liter Rotwein

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0306
Autor Name: Nikolaus Berwanger
Titel des Artikels : Für zwei Liter Rotwein
Untertitel des Artikels: Die Geschichte des Einwanderungsbildes
Publikation: Zeitschrift
Titel der Publikation: Das Donautal-Magazin
Erscheinungsort: Sersheim
Jahrgang: 10
Nummer: 29
Datum: 15.06.1986
Seite: 5-7
* [[Nikolaus Berwanger]]: [[ART:0306 - Für zwei Liter Rotwein|<i>Für zwei Liter Rotwein</i>. Die Geschichte des Einwanderungsbildes]]. Das Donautal-Magazin, Sersheim 15.06.1986 (Jg.10 Nr.29), S. 5-7

Die Geschichte des Einwanderungsbildes

Stefan Jäger 1877 – 1962 Selbstbildnis (mit Hut) - WK:0099
Meisterhaft malte Stefan Jäger die Trachten seiner Landsleute (Tanzpause, an der Brüstung) - WK:0270
Gertianosch: In dieser großen Ausstellungshalle der Gemeinde Gertjanosch stellte Stefan Jäger 1910 sein Einwanderungsbild zur Schau
Anläßlich seines 80. Geburtstages wurde dem Altmeister der hohe rumänische „Arbeitsorden II. Klasse" verliehen (1957)
1969 wurde in Hatzfeld, im ehemaligen Atelier des Malers, die Stefan-Jäger-Gedenkstätte feierlich eröffnet. Das Band durchschnitt - als Ehrengast der Organisatoren (eine Gruppe Hatzfelder Lehrkräfte unterstützt vom Temescher Rat der deutschen Bevölkerung) - Franz Ferch.

Man nennt Stefan Jäger (1877 - 1962) den Heimatmaler, weil er wie kein zweiter das Banat und seine verträumte Heidelandschaft, unsere Sitten und Bräuche auf der Leinwand festgehalten hat. Man nennt ihn auch den Schwabenmaler, weil er wie kein zweiter seine Landsleute, in unzählbaren Varianten dargestellt hat. Das künstlerisch wertvollste, das uns Stefan Jäger hinterlassen hat, ist jedoch sein Triptychon ,,Die Einwanderung der Schwaben in das Banat", allgemein als das Einwanderungsbild bekannt. Dieses Gemälde, das sich heute im Hatzfelder Jäger-Gedenkhaus befindet, hat wie jedes Kunstwerk seine Geschichte. Wir wollen sie erzählen. Die Erstübertragung der Dokumentation, der mein hier ergänzter Text zugrunde lag, fand am 26. Mai 1977 in der deutschsprachigen Sendung des Bukarester Fernsehens statt. Die Aufnahme (Kamera llja Ehrenkranz) entstanden in Hatzfeld, Gertjanosch, Blumental und Temeswar.


NB: 1910 wurde das Einwanderungsbild hier in Gertjanosch zum erstenmal der Öffentlichkeit gezeigt. Sie waren damals dabei, Vetter Henrich Buttil. Erinnern Sie sich noch an jene Ausstellung in Ihrem Geburtsort?
Vetter Heinrich: Natürlich. Sehr gut sogar.
NB: Wie alt waren Sie damals?
Vetter Henrich: Genau achtzehn.
NB: Und das Gemälde von Stefan Jäger, wo war es eigentlich zu sehen?
Vetter Henrich: Im Inneren der Ausstellung, an der rückwärtigen Front des Raumes. Es war eine ganz große Halle für die damalige Zeit. Sie erstreckte sich zwischen dem Friedhof und der Gemeinde. Heute ist davon nichts mehr zu sehen.
NB: Was könnt Ihr uns noch erzählen aus jener Zeit?
Vetter Henrich: Wenn ich heute so zurück denke, dann glaube ich, sagen zu können, dass die Leute auffallend froh und neugierig waren. Das Bild vom Jäger Stefan haben sich die meisten sehr aufmerksam und lange angesehen.
NB: Waren auch aus anderen Ortschaften Besucher gekommen?
Vetter Henrich: Natürlich! Aus Hatzfeld und aus [[Biled|Billed], sogar aus Temeswar. Es war doch eine Landwirtschafts- und Gewerbeausstellung, viele Teilnehmer haben Preise erhalten.

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NB: Stefan Jäger hat über fünfzig Jahre in Hatzfeld gelebt und gearbeitet. Anlässlich seines achtzigsten Geburtstages haben Sie, Franz Liebhard, in einem Aufsatz folgendes geschrieben: ‚Es kann Hatzfeld nicht hoch genug angerechnet werden, dass ein Maler vom Wesen Jägers hier die Möglichkeit für seine Betätigung gefunden hat und das er sie auch bis in das hohe Alter hinein behalten konnte, durch sein ununterbrochenes Bekenntnis zum Menschlichen, zur Schönheit des Lebens bei Arbeit und Fest, durch seine Treue zum einfachen Volke, in seiner rührenden Liebe zu allem, was diesem gehört, vom Spinnrad bis zum Zapfenbrett, von einer einfachen Schnitzerei bis zum Barockgiebel der Bauernhäuser, vom Kerweistrauß bis zur Haartracht der aufgesteckten Zöpfe, von den einfachen Ornamenten an Möbelstücken bis zu den in die prächtige Seide der Röcke hineingewebten Blumen’. War das Ihre erste Bekanntschaft mit dem Werk Stefan Jägers oder haben Sie schon früher über den Maler geschrieben?
Franz Liebhard: Viel früher beginnt meine Beschäftigung mit Stefan Jäger. Wenn ich zurückdenke an diese Zeit, dann muss ich in erster Linie meines verstorbenen Freundes Peter Jung, des Dichters aus Hatzfeld, gedenken, der mit mir zusammen in einer Redaktion arbeitete. Es war natürlich auch mehrmals im Laufe der Redaktionsarbeit die Rede von Jäger, von seiner Tätigkeit in Hatzfeld. Ich war bestrebt, Peter Jung immer wieder, nachdem er selbst Hatzfelder war, und ursprünglich dort wohnte, dazu zu bringen, dass er für die Redaktion einen größeren Aufsatz über Jäger schreibt. Warum dieser Aufsatz nicht zustande gekommen ist, weiß ich nicht. Vielleicht war eine örtliche Aversion zwischen beiden vorhanden, jedenfalls sagte er immer nur: Jäger, du musst wissen, ist ein sehr schwer zugänglicher Mensch, sehr, sehr verschlossen …’ Im Jahre 1944, im späten Frühjahr entschloss ich mich, selbst nach Hatzfeld zu fahren und Jäger aufzusuchen. Das war meine erste Fühlungnahme mit dem Maler.
NB: War er tatsächlich ein so unzugänglicher Mensch, unser beliebter Maler?
Franz Liebhard: Mir gegenüber war Stefan Jäger sehr entgegenkommend, sehr gesprächsfreudig! Wir trafen uns in seinem Atelier, das gleichzeitig die Wohnung war. Wie einen guten alten Freund, den man nach Jahren wieder sieht, behandelte er mich.
NB: Sein Atelier, seine Wohnung, der einstige ungarische Kindergarten, dort ist heute die Gedenkstätte, wo unter anderem auch das Triptychon zu sehen ist.
Franz Liebhard: Genau. Dort lernte ich eine Menge Arbeiten kennen. Der Besuch war für mich eine ungeheure Entdeckung. Von allen, die sich später mit Jäger beschäftigten, war ich der erste, der seine Skizzen zu Gesicht bekommen hat. Es waren Hunderte, sehr gewissenhaft geordnet, thematisch und zeitlich. Ich war sehr froh, hatte ich doch in meinem Notizbuch eine Menge wertvoller Aufzeichnungen. Auch einige Skizzen, die ich als Illustration ausgewählt hatte, nahm ich mit. Der Aufsatz ist einige Wochen später entstanden und war meines Wissens, chronologisch gesehen, der erste überhaupt, der über Jäger geschrieben wurde.
NB: Sie können uns sicher auch über die Vorgeschickte des Einwanderungsbildes einiges erzählen.
Franz Liebhard: Wenn man von der Entstehung des Triptychons sprechen will, dann kommt man unausweichlich auf den Namen Adam Röser. Ob jetzt die Initiative Röser gehörte, das ist eine Frage, die meiner Meinung nach nicht restlos geklärt ist. Was an Aufzeichnungen vorhanden ist, lässt vor allem Adam Knopf[1], Rösers Buchhalter, als den Gebärer der Idee zum Einwanderungsbild erkennen.
NB: Es gab doch eine erste Variante. Warum und wie kam es eigentlich zu einer zweiten?
Franz Liebhard: Man hält verschiedene Skizzen als zur ersten Variante gehörig, aber worin sie bestand, weiß man nicht. Das einzige, was man genau weiß, ist, dass sie nicht mit allgemeiner Zustimmung angenommen wurde, vor allem darum, weil es mit den Trachten haperte. Die Trachten waren nicht historisch, und die maßgebenden Besprecher des Bildes legten gerade auf das Historische der Trachten großes Gewicht. Man beschloss dem Maler eine Studienreise zu finanzieren.
NB: Nach einer Art Geldsammlung reiste Stefan Jäger also zum zweitenmal nach Deutschland. In Gertjanosch selbst ist es vor allem durch Röser gelungen, eine beträchtliche Summe zusammenzubringen.
Franz Liebhard: Es waren 4500 Kronen! Ich möchte das betont aussprechen, denn 4500 Kronen waren zu jener Zeit eine immense Summe, man konnte dafür ein schönes Familienhaus kaufen. Die zweite Variante, das jetzige Bild also, ist entstanden und wurde, wie bekannt, 1910 in Gertjanosch erstmalig ausgestellt. Und es war eine förmliche Völkerwanderung, sagen wir, eine schwäbische Völkerwanderung, zu einem Gemälde, auf dem sich ungefähr achtzig Personen herumtummeln, jeder mir seiner Beschäftigung natürlich. Am rührendsten die Mütter mit ihren Kindern. In jedem Teil des Triptychons finden wir dieses Motiv. Die Besprechung des Gemäldes in den Zeitungen allerdings war dürr, mager. Für den Maler selbst fand man vier oder fünf Zeilen. Es sind Sätze aus einer Broschüre, die der damalige Leiter des Bauernverbandes herausgebracht hatte.
NB: Was ist mit Jägers Einwanderungsbild nach jener Veranstaltung in Gertjanosch geschehen?
Franz Liebhard: Röser hat vorerst farbige Reproduktionen anfertigen lassen, die verkauft worden sind, und die man auch heute noch in vielen Häusern findet. Wo das Bild aufbewahrt wurde, entzieht sich der allgemeinen Kenntnis. Es gibt nur Mutmaßungen darüber. Etwa, dass es vom Maler selbst heruntergenommen und eingerollt wurde. Die Aufzeichnungen des seinerzeitigen Lehrers von Gertjanosch, Simon Kreppel, geben teilweise Aufschluss. In Gertjanosch frönte man nämlich leidenschaftlich der Jagd. Dank der regen Freundschaft, die zwischen Jägern aus Temeswar und Gertjanoschgepflegt wurde, kam eines Tages der bekannte Temeswarer Bürgermeister Karl Telbisz, selbst ein leidenschaftlicher Jäger, nach Gertjanosch. Dabei schmiedete man ein kleines Komplott, um den Bürgermeister den Ankauf des Jäger-Gemäldes schmackhaft zu machen. Man ging dabei sehr 'diplomatisch’ vor: Der Bruder des Lehrers Kreppel, der in Temeswar Wirtschaftssekretär war, machte es mit seinen Gertjanoscher Freunden aus, dass sie dem hohen Gast an einem bestimmten Tag ein Jagdpräsent überreichen. Und die 12 Rebhühner, 4 Fasanen und 2 Hasen genügten tatsächlich, um Bürgermeister Telbisz zu erweichen: Das Einwanderungsbild wurde um 2000 Kronen für die Stadt Temeswar angekauft! Man hatte den Bürgermeister auch informiert, dass bei dieser Jagd der Maler selbst als Treiber mitgewirkt hatte. Nichts Ungewöhnliches für jene Zeit. Persönlichkeiten aus der Gemeinde waren oft als Treiber geladen, und das war eine Art Ehre.
NB: So kam das Gemälde endlich in den Besitz eines Museums. War das noch unter Bürgermeister Telbisz oder später?
Franz Liebhard: Unter Bürgermeister Geml. Das Bild befand sich zwar in einem Museum, doch dieses gehörte einer Vereinigung für historische Wissenschaften und noch nicht der Stadt Temeswar.
NB: Unmittelbar nach dem Ankauf also wieder ein neuer Eigentümer. Und das Triptychon ist seinen Schicksalsweg weitergegangen. Die Kriegsereignisse waren so nahe gerückt, dass man es evakuieren musste. So kam es nach Blumental. Nachdem der Kriegssturm vorbei war, wurde das Gemälde in Blumental aufgefunden und wieder dem Temeswarer Museum einverleibt. Dort lag es „aus politischen Gründen“ /so die Direktion/, als ich das Gemälde 1969 im Namen des Rates der deutschen Bevölkerung für die geplante Jäger-Gedenkstätte in Hatzfeld anforderte!) gut über ein Jahrzehnt „bestens konserviert“ im Keller …

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NB: Vetter Jergl Bohmanns, 1944 hat man Jägers Einwanderungsbild hierher zu Ihnen nach Blumental gebracht. Können Sie sich daran erinnern? Wissen Sie überhaupt, wo das Bild deponiert war?
Vetter Jergl: In diesem Haus, vor dem wir jetzt stehen, war das Bild abgestellt. Hier war auch eine Bibliothek aus Temeswar untergebracht und viel Material von einem volkskundlichen Forschungsinstitut. Unser Landsmann, der Dichter Peter Barth war da zeitweise Bibliothekar. Das Haus gehörte einem Blumentaler, der in Amerika lebte.
NB: Habt Ihr das Einwanderungsbild selbst gesehen?
Vetter Jergl: Ja, ich habe es gesehen. Zusammen mit Peter Barth haben wir es einmal aufgerollt. Wir waren halt neugierig … Und noch etwas. Nachdem die Kolonisten in unser Dorf gekommen waren, erschienen eines schönen Tages meine zwei Buben und verlangten zwei Liter Rotwein, um von einem Kolonistenjungen ein "sehr großes und sehr schönes Bild“ zu kaufen. Ich war natürlich selbst neugierig und habe ihnen den Wein auch gleich gegeben. Nach einer Stunde etwa riefen sie mich, um „ihr Bild“' zu sehen. Ich erkannte es sofort. Es war das Einwanderungsbild und meine beiden Buben hatten es im leeren Hamnpar - das Maisbrechen hatte noch nicht begonnen - zur Schau gestellt…

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Wir fassen zusammen: Stefan Jägers Triptychon „Die Einwanderung der Schwaben in das Banat“ hat einen wirklich abenteuerlichen Weg zurückgelegt, bis es in Hatzfeld, im einstigen Atelier des Meisters „zur Ruhe kam“. Zuerst finden wir das Gemälde in Gertjanosch, wo es auf einer Ausstellung feierlich enthüllt worden war, dann, nach jener ominösen Fasanenjagd, in Temeswar, zeitweise im Museum und anschließend beim banatdeutschen Forschungsinstitut im Scherter-Haus. Wie es dem Gemälde als Fluchtgegenstand in Blumental ergangen ist, haben wir soeben erfahren. Nach jener sonderbaren Ausstellung auf dem Maisspeicher landet es schließlich wieder im Banater Museum und wurde dann, nach dem erwähnten „Kelleraufenthalt“, als Folge mehrerer Streitgespräche mit der damaligen Direktion, der Jäger-Gedenkstätte in Hatzfeld überwiesen, wo es zur Zeit immer noch zu sehen ist …

Anmerkungen:

  1. richtig Jakob


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