Anekdoten um den großen Banater Maler Stefan Jäger
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | 0080 |
Autor Name: | Franz Heinz |
Titel des Artikels : | Anekdoten um den großen Banater Maler Stefan Jäger |
Publikation: | Zeitung |
Titel der Publikation: | Der Donauschwabe |
Erscheinungsort: | Aalen |
Jahrgang: | 19 |
Nummer: | 29 |
Datum: | 20.07.1969 |
Seite: | 4 |
* [[Franz Heinz]]: [[ART:0080 - Anekdoten um den großen Banater Maler Stefan Jäger|<i>Anekdoten um den großen Banater Maler Stefan Jäger</i>]]. Der Donauschwabe, Aalen 20.07.1969 (Jg.19 Nr.29), S. 4 |
Seine erste Begegnung mit Franz Ferch – Der bescheidene Maler
Der „Donauschwabe“ berichtete ausführlich über die Eröffnung der Gedenkstätte des bedeutenden Banater Malers Stefan Jäger in Hatzfeld. Im Kalender des „Neuen Weg“ berichtet der bekannte Temeschburger Journalist Stefan Heinz[1] über charakteristische Ereignisse im Leben des Künstlers, die er dem Manuskript des pensionierten Arztes aus Ostern, Dr. Peter Pink, der übrigens auch die Geschichte seiner Heimatgemeinde Ostern verfasste, entnahm. Interessant wird die erste Begegnung des größten heute lebenden Banater Malers Franz Ferch, des Trägers des Prinz-Eugen-Preises, mit Stefan Jäger geschildert. Da diese „Erinnerungen“ anlässlich des [Jimbolia|Hatzfelder]] Festaktes aktuell sind, veröffentlichen wir nachfolgenden Auszug:
Die Biene wird gemalt
Das war in den zwanziger Jahren, als Meister Jäger noch ein rüstiger Vierziger war und ausgedehnte Fußwanderungen über die Banater Heide unternahm. An einem Sonntag Nachmittag im Sommer gelangte er so in Begleitung des Hatzfelder Lehrers Böss, Vater des im Jahre 1944 auf tragische Weise in Großbetschkerek ums Leben gekommenen Rechtsanwalt Dr. Roland Böss, nach Bogarosch, wo sie im großen Wirtshaus einkehrten. Es war vor Tanzbeginn, und die beiden Wanderer hatten sich in einer Ecke des noch leeren Saales niedergelassen, eine Flasche Wein vor sich auf der rohen Tischplatte. Lehrer Böss, müd von der langen Wanderschaft, döste teilnahmslos vor sich hin. Stefan Jäger, der den Tanznachmittag abwarten wollte, vertrieb sich die Zeit auf seine Art. Eine Biene umkroch neugierig eine kleine Weinlache auf der Tischplatte, und unser Meister, der stets Wasserfarben und Pinsel zur Hand hatte, malte sich das zum Zeitvertreib auf ein Papierstückchen. Unterdessen war ein noch sehr junger Mann nähergetreten und sah ihm aufmerksam zu.
Nun ist es ja bekannt, dass Jäger gerade das am wenigsten leiden konnte. Dr. Peter Pink, der Stefan Jäger in dessen letzten Lebensjahren nahegestanden war, erzählt dazu folgendes: "Da ging ein ehrenwerter Hatzfelder Bürger sein in Auftrag gegebenes Ölbild abnehmen. Während nun Jäger das Bild signierte, stellte sich der gute Mann, der sich das nicht entgehen lassen wollte, mit großen Augen hinter ihn. Da sagte Jäger: Glauben Sie, wenn Sie nicht zuschauen, kann ich meinen Namen nicht schreiben ?“ – Ähnlich versuchte Jäger auch damals in Bogarosch den Gaffer abzuschütteln. Er warf ihm einen nicht gerade freundlichen Blick zu: „Interessiert Sie das ?"
Aber der junge Mann war nicht so leicht zu vertreiben. „O ja", sagte er und blieb seelenruhig stehen. Gereizt versuchte es der Meister nach einer Weile zum zweiten Male: "Na, das scheint Sie ja sehr zu interessieren ?“ „O ja“, gab der junge Mann freundlich zu und dachte auch jetzt nicht daran, sich auch nur einen Schritt weit zu entfernen. „Wer sind Sie denn?“ wollte Jäger wissen, und Lehrer Bös fürchtete jetzt schon eine peinliche Szene. Wie es sich herausstellte, war der junge Mann Franz Ferch, der damals in München studierte und seine Sommerferien in Bogarosch verbrachte, wo sein Vater damals Notar war. „Ah!“ Jäger war überrascht. Und zur nicht geringen Verwunderung seines Weggenossen, pinselte er ungestört weiter. „Gefällt's Ihnen?“ wollte er wissen. "Außerordentlich“, gestand der junge Ferch. „Wirklich?“ Jäger sah seinen jungen Kollegen an und reichte ihm das etwa visitenkartengroße Blättchen: „Dann gehört es Ihnen.“
Franz Ferch, der inzwischen fast siebzig geworden ist, bewahrt das Blättchen noch heute mit viel Sorgfalt auf.
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Stefan Jäger war zwar im Banat ein sehr bekannter Mann, lebte aber zurückgezogen in seiner kleinen Hatzfelder Welt, unbelästigt, aber auch unbeachtet vom lauten Alltag. Gratulationen und Ehrungen empfing er eigentlich nur zweimal in seinem langen und arbeitsreichen Leben. Das erstemal gelegentlich der Enthüllung seines großen Einwanderungsbildes auf der Landwirtschafts- und Gewerbeausstellung in der Banater Gemeinde Gertjanosch im Jahre 1910; das zweitemal im Jahre 1957, als er zu seinem achtzigsten Geburtstage vom rumänischen Staat für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Als einmal die Rede aufs Sterben kam, hatte er sich für das eigene Begräbnis ausgebeten: „Bitte nur nichts Besonderes.“ Für die große Bescheidenheit Stefan Jägers mag es auch kennzeichnend sein, dass er, von ein paar flüchtigen Vorlagen abgesehen, kein Selbstbildnis hinterließ.
Selbst der Einladung zu seiner Öffentlichen 80-Jahr-Feier, die 1957 das sensationsarme Hatzfeld in Aufruhr versetzte, folgte er anfangs nur widerstrebend, um dann beim großen Gemeinschaftsessen im „Dacia" nach und nach aufzutauen. Und er, der jahrzehntelang seine Geburtstage ohne jede Gratulation hingenommen hatte, fühlte sich diesmal vor allem für das Wohlbefinden seiner vielen Gäste verantwortlich. Während nun die Kellner die ersten leeren Flaschen ersetzten, winkte Jäger den Ober zu sich: „Jedem, was er wünscht“, schärfte er ihm ein, „und bitte alles auf meine Rechnung.“
Der Kellner lächelte: „Herr Jäger, es ist bereits alles so gut wie beglichen“. „Ja, wer bezahlt das denn?“ fuhr Jäger auf. „Der Künstlerverband“, mischte sich da einer der Temesvarer Gäste ins Gespräch. Aber dem Gefeierten war das noch nicht recht begreiflich: „Ja, wie kommt denn der dazu?“ wollte er wissen. Der Gast, ein Mitglied aus der Verbandsleitung, zuckte die Achseln: „Lassen Sie ihn nur ruhig zahlen“. Darauf Jäger lachend: „Ich lass ihn ja.“
Wer bin ich denn?
In seinen Aufzeichnungen zu seinem Lebenslauf berichtet Jäger: „Bis 1942 habe ich von verschiedenen Aufträgen eine Lebensmöglichkeit gehabt, doch derzeit ist mein Einkommen höchst gering.“ Dr. Peter Pink berichtet aus der Zeit der ersten Nachkriegsjahre: „Der Künstler musste sein silbernes Essbesteck und das Porzellangeschirr verkaufen. In dieser Zeit ging er zu einer benachbarten Lehrerfamilie[2] mit der Bitte, ihm einige Bilder abzukaufen. Diese Notlage Jägers wurde von manchen dazu ausgenützt, sich schöne Malereien tief unter dem Preis anzueignen.“
Die Einkünfte Stefan Jägers, der ein ebenso schlechter Geschäftsmann als tüchtiger Maler war, sind zweifellos immer recht bescheiden gewesen. Den höchsten Verkaufspreis erzielte das dreiteilige Einwanderungsbild (6 x 1,70 m), das für 2000 Kronen in den Besitz der Temesvarer Stadtgemeinde überging. Jäger sah sich veranlasst, die Summe mit dem Direktor der Gertjanoscher Sparkasse, Adam Röser, zu teilen, der seinerzeit an der Finanzierung der Studienreise Jägers nach Deutschland aktiv beteiligt war. Auch die Anregung, bei der Budapester Verlagsgesellschaft Franklin bestellte Reproduktionen des Einwanderungsbildes in Umlauf zu bringen, geht auf Röser zurück, der auch den größten Teil der daraus erzielten Einkünfte für sich beansprucht haben soll. (Adam Röser ist nicht identisch mit dem Vorkämpfer für das Banater Deutschtum Hans Röser[3]. Anm. d. Red.) Auch der Umstand, dass Jäger seinen Kundenkreis ausschließlich in der schwäbischen Bevölkerung fand, das etwa zur Hälfte ein Bauernpublikum war, muss sich dementsprechend finanziell ausgewirkt haben. Für den Künstler Jäger ist es bezeichnend, dass er diese provinziellen Verhältnisse nie als hemmend empfand. In einem Gespräch mit dem in Perjamosch an der Marosch lebenden Graphiker Franz Gillich[4] bekannte er: „Das ist meine Welt, und außerhalb dieser Welt kann mir nichts gelingen.“
Freilich wollten die Bauern-Kunden für ihr Geld „schöne Bilder“, und Jäger hat es sich zeitlebens nie einfallen lassen, seine ungezählten, künstlerisch oft sehr wertvollen Skizzen verkaufen zu wollen. „Wer braucht das schon“, pflegte er resigniert zu sagen, wenn gelegentlich die Rede darauf kam. So war der hochbetagte Künstler nicht wenig erfreut, als sich das Temesvarer Museum gerade um eine Skizzenmappe bewarb. Jedoch selbst bei den Endgesprächen in Temesvar konnte Jäger seine Hemmung nicht ganz überwinden.
„Wollen Sie das wirklich ankaufen?" fragte er Franz Ferch, der damals der Temesvarer Zweigstelle des Künstlerverbands vorstand. Und dann zurückhaltend: „Glauben Sie, dass ich dafür dreitausend Lei erreichen kann?“
Ferch konnte dem verdutzten Hatzfelder Maler mitteilen, dass ihm das Museum dreizehntausend Lei für die Mappe bezahle.
„Nein !“ Jäger hob abwehrend die Hände. „So viel kann ich nicht annehmen. Das ist doch nicht möglich! Überhaupt – wer bin ich denn ?“
„Sie sind Stefan Jäger“, meinte Ferch.
Das ließ der alte Künstler gelten. Er ging hinunter, mietete ein Taxi und ließ sich zum Bahnhof fahren.
Anmerkungen: