2. Bundesausstellung Banater Künstler in der Bundesrepublik Deutschland
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | 0264 |
Autor Name: | Heinrich Lauer |
Titel des Artikels : | Stefan Jäger |
Publikation: | Katalog |
Titel der Publikation: | 2. Bundesausstellung Banater Künstler in der Bundesrepublik Deutschland |
Untertitel der Publikation: | 1. Landestreffen der Banater Schwaben Heimattage Baden-Württemberg |
Erscheinungsort: | Pforzheim |
Jahr: | 1983 |
Seite: | 3 |
* [[Heinrich Lauer]]: [[ART:0264 - 2. Bundesausstellung Banater Künstler in der Bundesrepublik Deutschland|<i>Stefan Jäger</i>]]. 2. Bundesausstellung Banater Künstler in der Bundesrepublik Deutschland, Pforzheim 1983 |
1. Landestreffen der Banater Schwaben Heimattage Baden-Württemberg
September 1983 Pforzheim
Als Ingo Glass die Distel von Franz Ferch für das Titelblatt dieses Katalogs auswählte, meinte er, das war's, was unsere Vorväter damals bei ihrer Ansiedlung im Banat vorgefunden hätten, und das ist's nun auch, was hinter uns bleibt.
Mit Symbolen ist leicht zu verfahren. Und umgekehrt: Symbole verfahren leicht mit einem. Sie verführen, legen fest, nehmen gefangen. Sie schließen aus, indem sie einschließen.
Die Distel wäre auch ein Antisymbol, ein banatschwäbisches: das Gegenbild von Fleiß, Ordnung und vorausschauendem Streben, von Bauen, Bilden und Werten – wenig geschätzter Ausdruck des Spontanen, Wildwüchsigen, der Gegenentwurf zu menschlichem Verhalten, dem Äcker und Ernten, Dörfer und Städte, Gewerbe und Künste zu verdanken sind.
Dennoch, über all das hinaus ist die Distel das härteste Gewächs der Heide, unvergänglich bleibendes Kraut, Geschichte, Wandel, auch Anfechtung in vegetativer Ruhe überdauernd. Ein Gleichnis für das Unvertilgbare einer starken Art, für Lebendiges – für das Unkraut, das nicht vergeht. Merkmale, die sich in bodenständiger Kultur finden, gerade wenn sie nicht in geschützten Gehegen gedeiht – auf Spalier läßt sie sich ja ohnehin nicht ziehen.
Und gerade das, die Kultur als Spalierobst, hat man in der Heimat dieser Künstler bis zum Überdruß, ja weiter noch, bis zum Exodus der Schaffenden durchexerziert. Und auch heute noch läuft dieser unsinnig-aussichtslose Dressurakt, der Versuch, die Kunst des Wortes und die Kunst des Bildes auszurichten, auf Vordermann zu bringen. Noch immer sind die Administratoren der einzigen Wahrheit dabei, das Schöpferische geradezubiegen, krummzuklopfen, kleinzukriegen, plattzuwalzen, kaputtzuschlagen – es ist nachgerade ein Wunder, wie das einer als Künstler überlebt. Und das noch größere Wunder: diese Versuche haben null Erfolg. Mit ebenso nichtigem Ergebnis stellt sich die Schaffung des durchgehend sozialisierten Menschen in Rumänien wie andernorts dar.
Sie alle, die sich dem Zugriff des totalitären Staates entziehen konnten, daheim durch innere, zuletzt durch die effektive Emigration, haben sich ihre eigene Sprache bewahrt. Daher wird man bei diesen Künstlern, Angehörigen einiger Generationen, Frühgekommene und so späte Aussiedler, die sich hier an neues Brot und Wasser, an Gesichter und Gesten gewöhnen müssen, nach Gemeinsamkeiten in ihrem Werk, etwa nach Zügen des Heimatlichen, des Vertrauten suchen und es nur selten finden.
Haben wir so das Banat von der Marosch über die Temesch hinaus auch als Bild verloren? Wo sind Temeschburg, Hatzfeld, Lugosch und Steierdorf geblieben?
Stefan Jäger, wird man sagen, das ist das Banat. Ebenso die Heide, der Fluß, die Disteln von Franz Ferch - wer würde sie nicht als etwas Eigenes erkennen!
Der Generation jener, der meisten der hier Versammelten, die nach 1945 die Kunsthochschulen von Bukarest, Klausenburg und Temeschburg oder andere Schulen im Land besucht haben, darauf an diesen Orten oder sonstwo zwischen Reschitz und Baia Mare, Galatz und Hermannstadt lebten - im Verein, im Vergleich, in der freundschaftlichen Auseinandersetzung mit Rumänen und Ungarn wirkten, dabei zuweilen das Studierzimmer, das Atelier und den Ausstellungsraum (zwischen Bukarest und Turin, Köln und Kopenhagen) teilten, mußte der Sinn auch und vor allem nach anderen Dingen stehen als nach Durchleuchtung engheimatlicher Befindlichkeiten. Nicht die Nabelschau und nicht die Trachtenschau, sondern die existenziellen Nöte, die Anwürfe, denen das Individuum ausgesetzt ist – das alles kam auf den Künstler zu. Sein Erlebnishorizont weitete sich über das Örtliche hinaus, die künstlerischen Vorbilder sind alles andere als das, was im Geruch eines biederen, volkstümelnden oder gar sozialistischen Realismus moskowitischer Prägung steht. Da steht einem der Wiener phantastische Realismus, die Chiffre, der Subtext, das Zwischen-den-Zeilen-Lesen näher. Von anderen Ismen ganz zu schweigen.
Natürlich schließt das alles den partikulären Bezirk der Welterfassung nicht aus – ja bei manchen gibt es sogar den Rückzug in den eigenen Dunstkreis. Einigelung ist ja bei dauernd drohender gesellschaftlicher Vereinnahmung der Ausweg – oder der Einweg. Zwischen Tisch und Stuhl, im Gegenständlichen, findet eigenes Leben statt, zeichnen sich Spannungen ab, finden Gespräche, Erinnerungen, Sehnsüchte, Ängste, Gerüchte, Hoffnungen und auch die Freude ihren Raum. Auch das Haus, die Straße, der Ort, der Fluß und das Land finden Momentaufnahmen.
Anders waren die Erfahrungen, die Einsichten, die Einflüsse und die Richtungen, innerhalb deren Bezirken sich jene bewegen durften oder mußten, die in den Kriegsjahren schon oder bald darauf nach Deutschland gekommen waren. Sie sahen sich früher, deshalb aber nicht unbedingt entscheidender zwischen zwei Welten gestellt – die einer geprägten Erinnerung und die einer neuprägenden Wirklichkeit.
Von diesen Dingen will diese Schau etwas vermitteln. Dazu etwas von dem nicht deklarativen Faktum, daß sich hier eine Gruppe von Künstlern in einer Zusammengehörigkeit einfindet, der da und dort ein Schimmer von gemeinsamer Herkunft, benachbarter Werkstatt, ähnlich laufender Erfahrung, verschwisterter Sicht eignet.
Gemeinsame Herkunft verpflichtet zu nichts. Sie ermöglicht.
Heinrich Lauer
Stefan Jäger
1877 in Tschene/Banat geboren
1895 Modellzeichenschule und Zeichenlehrer-Bildungsanstalt in Budapest, Schüler von Prof. Balló Ede und Székely Bertalan
1899 Studienreisen nach Österreich, Deutschland, Italien
1902 lebt als freier Künstler in Budapest
1902-06 Stilleben, Idyllen, Landschaften
1906 1. großer Auftrag: Die Ansiedlung der Deutschen im Banat (Einwanderungsbild)
1906 Studienreise durch Deutschland, Trachtenstudien für das Einwanderungsbild
1910 feierliche Enthüllung des Einwanderungsbildes in Gertjanosch/ Übersiedlung nach Hatzfeld
1910-14 entstehen die ersten Heimatbilder
1930 1. Stefan-Jäger-Ausstellung in Großbetscherek/Jugoslawien mit Bildern aus Privatbesitz
1930-40 Glanzzeit seiner Heimatkunst
1957 Verleihung des Arbeitsordens II. Klasse
1962 in Hatzfeld verstorben
1967 Gedächtnisausstellung im Banater Museum Temeschburg
1969 Errichtung der Stefan-Jäger-Gedenkstätte in Hatzfeld im ehemaligen Atelier des Malers
1983 Landshuter Rathausgalerie und Schloßbergzentrum Pforzheim
„Heimkehr vom Feld", Aquarell, 50 x 43 cm, Leihgabe aus Privatbesitz