Banater Malerei vom 18. bis ins 20. Jahrhundert
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | 0279 |
Autor Name: | Annemarie Podlipny-Hehn |
Titel des Artikels : | Stefan Jäger |
Publikation: | Buch |
Titel der Publikation: | Banater Malerei vom 18. bis ins 20. Jahrhundert |
Verlag: | Kriterion |
Erscheinungsort: | Bukarest |
Jahr: | 1984 |
Seite: | 46-49 |
* [[Annemarie Podlipny-Hehn]]: [[ART:0279 - Banater Malerei vom 18. bis ins 20. Jahrhundert|<i>Stefan Jäger</i>]]. Banater Malerei vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Kriterion, Bukarest 1984 |
Stefan Jäger
Heimatverbundenem spätem Impressionismus begegnen wir auch bei STEFAN JÄGER, dessen Kunst – dem engeren heimatlichen Lebensraum entsprungen – einem gewissen Provinzialismus verhaftet bleibt. Dabei muss man dieses Wort nicht unbedingt abwertend gebrauchen, etwa im Sinne einer beschränkten Gefühlsduselei: Im Falle Jägers handelt es sich vielmehr um eine Kunst, die sich im wahrsten Sinne des Wortes auf diese Provinz, auf das Banat, bezieht, und sie tut es voll der erhabensten, aufrichtigsten Gefühle: Liebe zur Heimat, Freude an ihrer Schönheit, Achtung vor den Menschen und ihrer Arbeit, vor ihren Traditionen. Es ist eine Kunst, die tief in dem vertrauten Heimatboden und seinen Überlieferungen verankert ist.
Man kann daher verstehen, weshalb Stefan Jägers Werke bei den Banater Schwaben so großen Anklang finden: Er hat seinen Landsleuten tief ins Gemüt und Bewusstsein geschaut, sie können sich mit der Aussage seiner Bilder identifizieren. Sie fühlen darin ihr Heimatgefühl so sehr bestätigt, dass diese Bilder aus den Banater Wohnungen nicht mehr wegzudenken sind.
Der Maler Stefan Jäger wurde am 28. Mai 1877 als Sohn eines Feldschers in der Gemeinde Tschene, unweit von Hatzfeld geboren. Nach dem Besuch der Volks- und Mittelschule in Tschene, Temeswar und Szeged begab er sich 1895 nach Budapest, um an der Hochschule für Bildende Kunst Malerei zu studieren. Da er aus materiellen Gründen gezwungen war, während seiner Hochschuljahre einen Erzieherposten anzunehmen, gestaltete sich diese Zeit besonders mühevoll. Nach vierjähriger Ausbildung unternahm er Studienreisen nach Österreich, Deutschland und Italien. Nachdem er zurückgekehrt war, begann Stefan Jäger in Budapest selbständig zu arbeiten.
Der erste große Auftrag kam 1906 aus der Heimat, es handelte sich um Die Ansiedlung der Deutschen im Banat (Abb. 61), ein Triptychon in Öl, das 1910 in Gertjanosch anlässlich einer Gewerbeausstellung enthüllt wurde und den Maler unter seinen Landsleuten bekannt machte. Das Einwanderungsbild mit seinen drei Teilen Wanderung, Rast und Ankunft, eine große, figurenreiche Komposition, ist ein geschichtlich-ethnographisches Dokument aus dem Leben der Banater Schwaben. Es schildert überzeugend und ergreifend das Schicksal der Ansiedler, die im 18. Jahrhundert voller Hoffnung einer neuen Heimat entgegengezogen waren, vom Rhein bis zur Donau, über Ulm, Wien und Ofen bis ins Banat. Dieses Hauptwerk Stefan Jägers nimmt heute den Ehrenplatz in der Gedenkstätte ein, die die Heidestadt 1969 im ehemaligen Atelier des Malers zur Würdigung ihres Künstlers einrichtete. Denn Hatzfeld war seit 1910 die Wahlheimat des Malers, wo jener bis ins hohe Alter schlicht und ungekünstelt, ehrlich und bescheiden an seinem Lebenswerk schuf. Für sein reichhaltiges Werk wurde Stefan Jäger mit dem Arbeitsorden ausgezeichnet. Er starb am 16. März 1962.
Unzählige Gemälde sowie Hunderte von Aquarell-, Tusche- und Bleistiftskizzen sind eine farbenfrohe, lebendige Widerspiegelung der Lebensweise des schwäbischen Bauern, seines Alltags und seiner Feste, der Trachten und Bräuche – eine schwäbische Ethnographie.
Die Skizzen gehören zu den intimsten Schöpfungen des Malers, die dem breiten Publikum weniger bekannt sein dürften und die sozusagen einen Teil seines Tagebuches bilden.
Dieses Tagebuch des schwäbischen Heimatmalers, wovon der Großteil im Banater Museum aufbewahrt wird, umfasst Hunderte von vergilbten Blättern verschiedener Größe und unterschiedlicher Qualität des Papiers, auf welchem das Banater Volksleben in seiner Vielfalt und Buntheit festgehalten ist, sei es – wie schon gesagt – mit Bleistift, Tusche oder in den durchsichtigen, frischen Farbtönen des Aquarells. Diese Skizzen wurden nicht auf dem Reißbrett oder auf der Staffelei im Atelier entworfen, sondern sie sind auf den täglichen Wanderungen inmitten der Natur, durch die Heidedörfer, aus unmittelbarem Erleben heraus entstanden.
Die Banater Landschaft hat Jäger in den verschiedensten atmosphärischen Stimmungen skizziert. Es sind tiefe Erlebnisse der Natur, die sich im zyklischen Rhythmus der Jahreszeiten bewegt. Mit den sparsamsten künstlerischen Mitteln, durch wenige Umrisse und Farbflächen, die manchmal dünn angedeutet, von Licht durchdrungen und locker aufgetragen sind, gelingt es Stefan Jäger in seinen Skizzen, die Atmosphäre der Landschaft hingebungsvoll darzustellen. In seinen Bildern spiegelt sich eine harmonische und glückliche Dorfwelt, soziale Widersprüche bleiben ausgespart. Obwohl es sich um schlichte Darstellungen der Wirklichkeit handelt, ist man geneigt, seine Bilder als feierlich zu empfinden. Frei von Sentimentalität und von keinerlei falschem Pathos belastet, muten sie eher sachlich an, doch ist es gerade diese Sachlichkeit, die den Bildern Schönheit verleiht, die Schönheit des Wahren und Einfachen.
Zahlreiche Skizzen stellen Szenen aus der Arbeit des schwäbischen Bauern dar; beim Ackern, beim Schnitt oder Drusch, bei der Maisernte.
Der Bauernhof mit all seinem Zubehör, eine Rossmühle, das Bauernhaus mit den schmucken Barockgiebeln, die Bauernstube mit den einzelnen Möbelstücken – all dies gab dem Maler oft Stoff zur Inspiration. Die meisten dieser Themen sind jedoch nicht zu Ölbildern erarbeitet worden, da die Besteller meist idyllische Aquarelle bevorzugten.
Blättern wir aber in der Skizzenmappe weiter, so erfreut sich unser Auge an der Farbenpracht der Trachtenbilder. In sicheren Grundrissen ist eine Bewegung, eine Haltung oder der Faltenwurf einer Tracht festgehalten. Hier sind Trachten aus fast allen Dörfern des Banats in ihrer Buntheit aufbewahrt.
Mit demselben Blick fürs Detail notiert er auch hier die kleinsten Unterschiede in den Trachten der verschiedenen schwäbischen Dörfer. Von den Kindern bis zu den Erwachsenen, den Mädchen und Frauen sind alle in ihrem Alltagskleid sowie im Sonntagsstaat aufgezeichnet.
Ausführliche Beschriftungen machen auf Eigenheiten, auf Unterschiede zwischen den Trachten, auf Farbe und Muster der Röcke und Schultertücher aufmerksam.
Zur Zeit der Festtage war Jäger ein rastloser Wanderer. Er zog durch die Dörfer, um Bräuche, Sitten und Trachten seiner Landsleute aufs Papier zu bannen. Die Kerwei, das Erntefest und andere Volksfeste sind in allen Einzelheiten dargestellt: angefangen vom Schmücken des Kerweihutes und dem Rosmareinstrauß bis zu Kompositionen mit Vortanz und Lizitation sind zahlreiche Szenen in vielen Varianten von der Hand des Meisters mit dokumentarischer Genauigkeit festgehalten worden. Aus der Perspektive eines schweigsamen Zuschauers, der sich in diesem lustigen Treiben oft unbeachtet in eine Ecke zurückzog, dessen Blick aber nicht das Geringste entging, notierte er eben auf einem Stückchen Papier, das ihm gerade zur Hand war. Viele dieser Stegreifzeichnungen entwarf er in Wirtshäusern, in ihnen ist der Rhythmus der sich im Ländler wiegenden Paare oder der beschwingte Polkaschritt virtuos dargestellt. Die Dorfmusik mit ihren Bläsern, die Tanzpause mit den unausbleiblichen Neckereien der Jugend und nicht zuletzt die Reihen der Zuschauer mit den älteren Frauen, Großmüttern, Tanten und Kindern; sie alle ergänzen das Bild des Dorfes im Festtagskleid.
Zu dem Schönsten, was Stefan Jäger geschaffen hat gehören wohl seine Aquarellbilder. Er weiß dieser Technik die erlesensten Farbtöne abzugewinnen, sie leuchten festlich und ihre Transparenz verleiht den Bildern, deren Wert von aufrichtigem Empfinden und Freude am Detail mitbestimmt ist, einen besonderen Glanz.
All seinen Werken liegt ein höchst gewissenhaftes und sorgfältiges Studium der Natur zugrunde. Stefan Jägers vergilbte Skizzenblätter stellen daher keineswegs nur flüchtige, gelegentlich festgehaltene Augenblickseindrücke dar, sie sind vielmehr zahllose Phasen einer gründlichen, methodisch durchgeführten Vorarbeit, deren Akribie mit jener eines Ethnographen verglichen werden kann.