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Festtage in Gyertyámos

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0858
Titel des Artikels : Festtage in Gyertyámos
Publikation: Heimatblatt
Titel der Publikation: Heimatblatt Hatzfeld
Herausgeber: HOG Hatzfeld
Jahr: 2010
Ausgabe: 17
Seite: 120-123
* * * *: [[ART:0858 - Festtage in Gyertyámos|<i>Festtage in Gyertyámos</i>]]. Heimatblatt Hatzfeld. HOG Hatzfeld 2010

Festtage in Gyertyámos
Bericht der „Temesvárer Zeitung" über die Enthüllung des Einwanderungsbildes

Bei der Eröffnung der Landwirtschafts- und Gewerbeausstellung in Gertianosch. Stefan Jäger: sitzend, 3. v.l.
Das Ausstellungsgelände

Die blühende Torontaler Gemeinde Gyertyámos[1] war an den beiden Pfingstfeiertagen der Schauplatz schöner Festlichkeiten. Man feierte Feste der Kultur, der Arbeit und des Fortschritts. Der „Südungarische landwirtschaftliche Bauernverein" [2] hat dem Kranze seiner Verdienste durch die Arrangierung dieser Festlichkeiten abermals ein Lorbeerblatt hinzugefügt. Aus Nah und Fern, von überall, wo der Bauernverein Mitglieder besitzt, waren Gäste - an [die] 2000 Personen - erschienen, um Zeugen der wirtschaftlichen Erfolge und Bestrebungen der Gyertyámoser zu sein. Ein besonderes Illustre [3] erhielt das Arrangement durch die Enthüllung des Bildes „Einzug der Deutschen in Ungarn", das von einem engeren Landsmanne gemalt, doppelt an Wert gewann.
Lobend und anerkennend als Beweis für die Nüchternheit und Taktik der Gyertyámoser Bewohnerschaft, sowie des arrangierenden Bauernvereins muss hervorgehoben werden, dass trotzdem die Wahlpolitik gerade in diesem Bezirke höhere Wellen schlägt und eben jetzt nahe vor der Entscheidung steht, [4] kein Misston die Harmonie der Festtage störte. Es verdient dies besonders darum hervorgehoben zu werden, da der Bezirk in zwei Lager gespalten und der Kandidat der einen Partei Julius Hódy [5] persönlich zu dem Feste erschienen war. Ebenso war der gewesene sächsische Abgeordnete Coppony [6] aus Brasso [7] mit einigen Prinzipiengenossen erschienen. Doch keinerlei Zwischenfall hemmte den programmgemäßen Verlauf. Die Politik war gänzlich ausgeschaltet. […]

Die Bildenthüllung

Den Glanzpunkt der Gyertyámoser Festtage bestand in der Enthüllung des Bildes „Der Einzug der Deutschen nach Ungarn".

Dieses Bild ist in einer besonderen Abteilung der Ausstellung - mit noch mehreren hübschen Schöpfungen des Malers Stefan Jäger, der dieses gemalt - untergebracht. Es ist ein 6 Meter langes und 2 Meter hohes Ölgemälde in drei Teilen und stellt in einer künstlerisch und historisch treuen Ausführung drei Momente dar: 1. Am Wege der Wanderung; 2. Rast beim Ankommen in die neue Heimat und 3. die eigentliche Ansiedlung. Von dem Bilde wurden bereits eine Anzahl Kopien in künstlerischem Druck angefertigt und wurden an das Publikum verkauft.
Die Festrede bei der Enthüllung des Bildes hielt Abt-Domherr Franz Blaskovics. Als vor Jahren die Gemeinde Gyertyámos das 100-jährige Erinnerungsfest an ihren Bestand feierte [8] - sagt [der] Festredner - und die damals erschienene Monographie [9] in eingehender Weise die Ansiedlung schilderte, erkannte der Altbürger dieser Gemeinde Adam Röser - ein Nachkomme der einstigen Kolonisten - die Wichtigkeit, welche dem Bilde zukommt, dass es besser als das gedruckte Wort im Stande ist, auf das Gemüt zu wirken. Und so reifte in ihm der Entschluss, den Einzug unserer Vorfahren in die neue Heimat in pietätvoller Weise bildlich verewigen zu lassen. Es möge die Hülle des Bildes fallen (dieselbe wird herabgelassen), damit wir daraus erkennen, dass nur die Arbeit zum Wohlstande und Fortschritt, zu einer gesicherten Zukunft führen. Und jetzt wollen wir einen Blick auf die Vergangenheit werfen, als unsere Ahnen, so wie einst die Israeliten durch die Wüste zogen, in das Land der Milch und des Honigs, in das schöne Ungarn gewandert kamen. [10] Wenn man zurückdenkt, dass damals noch nicht das Dampfross das Reisen bequem machte, so kann man sich vorstellen, wie mühselig die Wanderung der Männer und Frauen gewesen, die unzählige Gefahren zu überstehen hatten, um ans Ziel zu gelangen.
Damals war Ungarn auch noch nicht mit Milch und Honig gesegnet, sondern es waren überall noch die Spuren des 200-jährigen Türkenjochs, Verwüstung bemerkbar. Wenn wir uns die damaligen armseligen Lehmhütten betrachten und heute die modernen Bauernhäuser, so wie auch unsere Ausstellung, so gibt dies alles redliches Zeugnis von dem Fleiße des eingewanderten Volkes. Das Bild führt uns so lebhaft vor Augen, wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinander greifen. Wenn wir das Bild genau betrachten, wie die Ahnen die Heimat verlassen, um als Kulturpflanze in ein anderes, vom Kriege verwüstetes Land verpflanzt zu werden, so ersehen wir daraus, dass es dem Menschen gerade so ergeht, wie dem Baume, der edle Früchte trägt. Finden wir irgendwo eine edle Frucht, so trachten wir sie auch bei uns zu verpflanzen. Die aus anderer Erde, anderem Klima hierher gebrachte Pflanze wird nur dann Früchte tragen, wenn sie sich bei uns heimisch fühlt, wenn sie sich bei uns akklimatisiert. So ist es auch bei dem Menschen, der eine neue Heimat sucht. Es taucht nun die Frage auf, ob der Stamm, der damals nach unserem geliebten Vaterlande kam, sich hier akklimatisierte. Ihre mehr als 100-jährige Geschichte lehrt es, dass sie mit ganzem Herz und ganzer Seele dem ungarischen Vaterlande angehören, und eben darum und nur darum, weil sie sich vollkommen akklimatisiert haben, ist ihr Stamm nicht ausgedorrt, sondern hat sich mächtig ausgebreitet, eine blühende Umgebung geschaffen. Und dass dieser Baum gute edle Früchte getragen, das beweist die heutige Gewerbe- und die morgige Viehausstellung. So dient uns die Vergangenheit als Lehre für die Zukunft. Um fruchtbare Bäume zu züchten, müssen wir auch in Zukunft besorgt sein. Wir müssen unseren Söhnen nebst Übung der Gottestugenden, Festhalten an Redlichkeit, Bürgersinn, Fleiß, Nächstenliebe und Mannesmut, hauptsächlich aber Anhänglichkeit zum ungarischen Vaterland lehren. Die Erinnerung an unsere Ahnen hätte die jetzige Generation nicht schöner zum Ausdruck bringen können, als durch die Schaffung dieses Bildes. Und den Worten der hl. Schrift „Ehre Vater und Mutter" entsprechen wir am besten dadurch, dass wir die Anhänglichkeit an das ungarische Vaterland, welches sich unsere Voreltern zur Heimat auserkoren, auch unseren Kindern einimpfen. [Der] Redner spricht zum Schlüsse dem Initiator dieses schönen Bildes Herrn Adam Röser, der auch durch bedeutende materielle Opfer dem Maler die Schaffung des Werkes ermöglichte, den Dank aus.
Herr Adam Röser hat sich schon durch die Errichtung der Schülerkonvikte in Szeged patriotische Verdienste erworben, durch dieses Bild hat er neuerdings die Anhänglichkeit an die Scholle seiner Väter dokumentiert. Ebenso gebührt dem jungen Maler Stefan Jäger, ein Cseneer [11] Kind, für die Mühe, dass er seine Aufgabe so gut gelöst, der Dank. Es sollen auch unsere Nachkommen stets der Devise: „Für Gott, König und Vaterland!" eingedenk sein, damit ihr Erdenwalten sich ebenso segensreich gestalte, wie das ihrer Eltern!
Der ebenfalls anwesende junge Maler Stefan Jäger wurde zu seinem Werke herzlich beglückwünscht. Derselbe wurde im Jahre 1877 in Csene geboren, absolvierte 6 Bürgerschulen und vier Jahrgänge der Musterzeichenschule in Budapest. Sodann trat er eine längere Studienreise ins Ausland an, wo er auch die Vorstudien zu obigem Bilde machte, an dem er vier Jahre arbeitete.

Anmerkungen

  1. damalige offizielle (ungarische) Bezeichnung der 15 Kilometer östlich von Hatzfeld liegenden Gemeinde Gertianosch (auch Gertjanosch, rum. Cărpiniş)
  2. An der 1891 erfolgten Vereinsgründung waren Hatzfelder Landwirte maßgeblich beteiligt. Zum Entwicklungsgang und Wirken des „Südungarischen landwirtschaftlichen Bauernvereins" und seiner Nachfolgeorganisation, des „Schwäbischen Landwirtschaftsvereins", im Banat siehe die Dissertation von Maria Werthan: Deutsche Agrarverbände im Banat (1891-1940), München: Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung, 2004.
  3. substantivierte Form des Adjektivs illuster, d.h. glänzend, vornehm
  4. Die Wahlen zum Ungarischen Reichstag fanden in der ersten Juni-Dekade des Jahres 1910 statt. Im Hatzfelder Wahlbezirk ging der Kandidat der Nationalen Arbeitspartei, Johann Pirkner, als Sieger hervor. Die Nationale Arbeitspartei (Nemzeti Munkapárt) war im Februar 1910 von dem früheren Ministerpräsidenten Stefan Tisza gegründet worden. Seine den österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 befürwortende Liberale Partei (Szabadelvü Part) stellte seit ihrer Gründung 1875 ununterbrochen den ungarischen Regierungschef. 1905 verlor sie jedoch die Wahlen und löste sich ein Jahr später auf. Auf Landesebene erzielte die Nationale Arbeitspartei 1910 eine Zweidrittelmehrheit. Ministerpräsident wurde jedoch nicht Tisza, sondern Karl Khuen-Hederváry.
  5. Julius Hódy vertrat seit 1906 den Wahlbezirk Hatzfeld im ungarischen Abgeordnetenhaus. Seine Unabhängigkeits- und 48er Partei (Függetlensegi és 48-as Part), die in der Tradition von Ludwig Kossuth und der Revolution von 1848 stand und den Ausgleich von 1867 ablehnte, hatte sich im November 1909 gespalten. Hódy trat der neuen Kossuth-Partei (Kossuth Part) bei, als deren Kandidat er bei den Wahlen von 1910 Johann Pirkner unterlegen ist.
  6. Es handelt sich vermutlich um Wilhelm Kopony (1868-1939), der seit 1906 Abgeordneter des Wahlkreises Honigberg (Komitat Kronstadt) im Ungarischen Reichstag war. Als Gesinnungsfreund von Rudolf Brandsch befürwortete er ein enges Zusammengehen der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben. 1910 ließ er sich als Grundbesitzer im Banat nieder.
  7. ungarische Bezeichnung für Kronstadt (rum. Braşov)
  8. Die Feier hatte 1885 stattgefunden.
  9. Nikolaus Ludwig: Monographie der röm. kath. Kirchen-Gemeinde Gyertyámos. Hrsg. anläßlich des hundertjährigen Jubiläums der Kirchen-Gemeinde Gyertyámos durch die Gemeindevorstehung. Temesvár 1885.
  10. Zur Zeit der ersten beiden Schwabenzüge (1722-1726 und 1763-1772) war das Banat kaiserliches Kronland und wurde von Wien aus verwaltet. Erst 1778 erfolgte die Wiedereingliederung des Banats in das Königreich Ungarn.
  11. damalige offizielle (ungarische) Bezeichnung der Gemeinde Tschene (rum. Cenei)


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