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Die banatschwäbische Welt von einst in 25 Bildern

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Bibliografie
Artikel Nummer: 1246
Titel des Artikels : Die banatschwäbische Welt von einst in 25 Bildern
Untertitel des Artikels: Hobbymaler Helmuth Petendra aus Traunau/Gernsheim schuf einen eindrucksvollen Banater Bilderbogen
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Banater Post
Erscheinungsort: München
Jahr: 2019
Jahrgang: 63
Nummer: 16
Datum: 20.08.2019
Seite: 6
* * * *: [[ART:1246 - Die banatschwäbische Welt von einst in 25 Bildern|<i>Die banatschwäbische Welt von einst in 25 Bildern</i>. Hobbymaler Helmuth Petendra aus Traunau/Gernsheim schuf einen eindrucksvollen Banater Bilderbogen]]. Banater Post, München 2019 20.08.2019 (Jg.63 Nr.16), S. 6
Helmuth Petendras Bilderchronik vom Leben und Schaffen der Banater Schwaben in der alten Heimat

Hobbymaler Helmuth Petendra aus Traunau/Gernsheim schuf einen eindrucksvollen Banater Bilderbogen

Ein Besuch bei meinen Landsleuten Pauline und Helmuth Petendra an­lässlich meiner Rheinradtour im Jah­re 2015, die auch durch Gernsheim führte, gewährte mir Einblick in das künstlerische Werk von Helmuth Petendra. Er zeigte mir damals die von ihm gemalten Bilder und erzähl­te mir auch, wie er zu seinem Hobby kam.

Das Zeichnen und Malen mit Farb­stiften und Wasserfarben machte ihm bereitS in der Schule viel Spaß. Als 14-Jähriger malte er sein erstes Bild. Damals hatte Vetter Heinrich, der Dorfmaler, den Gang des Elternhau­ses mit Kartonmustern bemalt. Da er mit der Arbeit nicht fertig geworden war, ließ er Werkzeug und Grundfar­ben in der hinteren Küche stehen. Helmuth konnte der Versuchung nicht widerstehen, er begann Farben zu mischen und wagte die ersten Pinselstriche. So nahm nach und nach sein erstes Bild Gestalt an. Er fand Gefallen daran und auch seiner Familie gefiel es. Daraufhin wurden richtige Ölmalfarben und Malgründe angeschafft.

Die Faszination für die Farben und das gestalterische Wirken sollten Helmuth Petendra ab diesem Zeit­punkt ein Leben lang begleiten und ihn als Autodidakt zum Hobbykünst­ler heranreifen lassen. Er besorgte sich Maibücher und studierte die Werke der alten und jüngeren Meis­ter. Die Banater Maler Stefan Jäger und Franz Ferch sowie der rumäni­sche Volkskunstmaler Nicolae Gri­gorescu wurden seine Vorbilder. Er orientierte sich aber zum Teil auch an Werken zeitgenössischer Maler.

Nach dem Militärdienst suchte sich Helmuth eine neue Arbeitsstelle. Ein Bekannter machte ihn darauf aufmerksam, dass es in Arad einen genossenschaftlichen Betrieb für Volkskunst (,,Artizanat") gebe, der auch eine Kunstmalerabteilung habe. Er bewarb sich und wurde angenom­men. Mit den vier dort tätigen Ma­lern begann ein reger Austausch hin­sichtlich Maltechniken und Gestal­tungsmöglichkeiten. Unter seinen Kollegen war auch einer, der ein Kunststudium absolviert hatte und von dem er viel lernte. ,,Die vier Jahre in diesem Betrieb waren meine Gesellenjahre", sagt Helmuth heute. Waren es in der Anfangszeit seiner Laufbahn als Hobbymaler oft Kopien von alten Meistern (Stefan Jägers Einwanderungsbild beispielsweise kopierte er fünf Mal), so sind in der Folgezeit eigene Kreationen entStan­den. Die meisten Bilder malte er aus der Erinnerung an die alte Heimat. Sie umspannen thematisch einen weiten Bogen: vom Banater Brauchtum und den Trachten über die typi­schen Berufe, die Arbeit in Haus und, Hof, das Landleben bis hin zu Banater Landschaften und Porträts.

Trotz Beruf im Labor einer Firma in Darmstadt und vielfältigen ehren­amtlichen Aktivitäten ist Helmuth Petendra der Malerei ein Leben lang treu geblieben. In seiner Frau Pauline hat er nicht nur eine Kritikerin, son­dern eine Stütze. Sie hält ihm den Rü­cken frei für sein Hobby und bringt viel Verständnis für sein ehrenamt­liches Wirken in der Heimatorts­gemeinschaft Traunau, der Theater­gruppe „Tronauer Kumedie", der Tanzgruppe des Kreisverbandes Darmstadt-Dieburg oder im Kreis­verband Darmstadt auf, in dessen Vorstand er 15 Jahre lang mitwirkte. Im Vorstand der HOG Traunau ver­sieht er· seit vielen Jahren das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden und Kassenwarts. Nun sind seit den künstlerischen Anfängen im Banat über fünf Jahr­zehnte ins Land gezogen, und viele Bilder nahmen während dieser Zeit Gestalt auf seiner Staffelei an. Es dürften einige hunden sein. Davon hängen viele Dutzend in den Woh­nungen von Traunauern und Banater Landsleuten. Seine Werke fanden auch Zuspruch bei Ausstellungen in seiner neuen Heimat Gernsheim und Umgebung. Viele seiner Arbeiten konnte ich bewundern, alle anzuse­hen war einfach unmöglich.

Damals, vor vier Jahren, zeigte mir Helmuth auch sein Atelier, wo auf einer Staffelei eine auf einem Holz­rahmen aufgespannte Leinwand (1,20 x 1,10 Meter) ein größeres Projekt ankündigte. Der weiße Un­tergrund war in 25 Tafeln unterteilt, und auf der ersten Tafel war eine mit Bleistift vorgezeichnete Skizze zu er­kennen. Mit diesem Vorhaben sollte eine Idee langsam Gestalt annehmen: Auf 25 Bildern wollte Helmuth Petendra die banatschwäbische Welt festhalten. Eine Herausforderung sondergleichen, der sich der Hobby­künstler stellte. Zur Ausführung sei­ner Idee werde er einige Jahre brau­chen, sagte er mir damals. Mein Interesse war damit geweckt. Es sollte bis zum Traunauer Heimattreffen zu Pfingsten 2019 dauern, bis ich dieses einmalig schöne und aussagekräftige Werk bewundern konnte. Nun will ich auf den Banater Bil­derbogen näher eingehen: Das erste Bild zeigt eine Banater Bauernstube. Die Großeltern, auf einer Bank vor dem Bett sitzend, nehmen die Neu­jahrswünsche ihres Enkels entgegen. Im zweiten Bild wird die Kindstaufe dargestellt. Nach der Taufe verteilen die Paten Bonbons an die Kinder und werfen für sie Münzen in die Luft, während die Kinder „Sießi Good" und „Saure Phatt" rufen. Auf dem dritten Bild ist das Brautabholen zu sehen. Der Trauzeuge trägt einen Rosmarinstrauß als Zeichen der Fruchtbarkeit und Treue und ein Patenkind sagt ein Gedicht vor den Brautleuten auf. Die Karwoche ist Thema des vierten Bildes. Die Kir­chenglocken sind verstummt und die „Rätschbuwe" ersetzen das Läu­ten mit dem Rätschen vor jedem Haus, wofür sie mit Eiern und Geld belohnt wurden. Auf dem nächsten Bild präsentiert der Künstler den Tanz um den Maibaum. Es war eine große Ehre, wenn ein Mädchen den Maibaum vors Haus gesetzt bekam. Weiter geht es in dem Bilderbogen mit dem Fronleichnamsfest. Zu se­hen ist eine Fronleichnamskapelle, die von Frauen, Jungen und Mäd­chen geschmückt wird. Die Prozessi­on zog mit dem Allerheiligsten zu den vier im Dorf aufgestellten Kapel­len. Die beiden nächsten Bilder sind der Kirchweih, dem größten Fest im Jahreslauf, ge1,viclmet. Das eine ist vom Maler mit ,Weißeln für die Kirchweih" überschrieben. Wenn die Kirchweihpaare mit Marschmusik durch die Dorfstraßen marschierten, sollte jedes Haus, jeder Hausgiebel in den hellsten Farben erstrahlen. Das andere stellt den Tanz der Kirch­weihpaare mit dem Rosmarinstrauß um das Fass dar. Bild 9 hält die „Eck­reih" der Nachbarsleute in der war­men Jahreszeit vor dem Haus fest, während auf Bild 10 der Kirchgang zur Christmette zu erkennen ist. Auf Bild 11, das die Musikanten beim Spielen des Neujahrslieds mit anschließendem Neujahrs\.vünschen vor jedem Haus zeigt, folgt eine Sze­ne von der Schweineschlacht, wo­nach der Maler unter dem Titel „Dem Alter die Ehr" den Alten seine Reve­renz erweist. Das folgende Bild 14 stellt eine „Selchkammer" dar, in die die Schweineschinken, Speckseiten, Brat- und Leberwurst zum Räuchern kamen. Die weiteren Bilder halten die typischen Beschäftigungen der Dorfbewohner fest: Korbflechten (Bild 15), Kukuruzhacken (Bild 16), Füttern der Hühner und Entkörnen der Maiskolben (Bild 17), Getreide­schnitt (Bild 18), Einfädeln der Tabakblätter, die zum Trocknen auf­ gehängt werden (Bild 19), Arbeit in den Weingärten (Bild 20) und Kel­tern der Weintrauben (Bild 21). Handwerkliche Arbeit wird auf den nächsten zwei Bildern dargestellt: die Tischler- und Wagnerwerkstatt der Traunauer Kollektivwirtschaft sowie die Schmiedewerkstatt. Bild 24 hat das Brotbacken und die Arbeit im Gemüsegarten zum Thema. Den Bil­derbogen schließt die Darstellung des Friedhofs an Allerheiligenabend, der von den brennenden Kerzen i.n ein schummriges Licht getaucht ist. Alle Bildszenen sind mit vi.el Liebe zum Detail in leuchtenden Farben gemalt. Wahrlich ein aussagekräfti­ges Werk, das uns der Hobbymaler Helmuth Petendra schenkte. Sein Bil­derbogen ist eine Chronik vom Le­ben und Schaffen der Banater Schwa­ben in ihrer einstigen Heimat.


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