Stefan Jäger Archiv

ART:0046 - Ein Gemälde als Kraftquell donauschwäbischer Selbstbehauptung

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Bibliografie
Autor Name: Valentin, Anton
Aufsatztitel: Ein Gemälde als Kraftquell donauschwäbischer Selbstbehauptung
Zeitschrifttitel: Südostdeutsche Vierteljahresblätter
Heftnummer: 3
Erscheinungjahr: 1962
Seite: 136-137
* [[ART:0046 - Ein Gemälde als Kraftquell donauschwäbischer Selbstbehauptung|Valentin, Anton. Ein Gemälde als Kraftquell donauschwäbischer Selbstbehauptung. Südostdeutsche Vierteljahresblätter 1962]]

Stefan Jäger zum Gedenken

Der Nestor der Banater Maler Stefan Jäger ist vor kurzem im Alter von vierundachtzig Jahren in Hatzfeld gestorben. Mit ihm ging einer der größten Söhne der Banater Schwaben von uns.
Seine Jugend fällt in jene Tage, als das Bekenntnis zum Deutschtum und zur deutschen Kulturgemeinschaft in Ungarn ein Wagnis war. Doch er blieb sich und seinem Volk trotz allen äußeren Gefährdungen bis zuletzt treu.
Stefan Jäger wurde am 28. Mai 1877 in der gemischtsprachigen Heidegemeinde Tschene geboren. Die Lehrzeit als Maler begann er in Szegedin und setzte sie in Budapest fort. Schon hier fand sein dem Porträt zuneigendes Talent Beachtung. Seine Ausbildung betrachtete er, als er sich „akademischer Kunstmaler" nennen durfte, durchaus noch nicht für abgeschlossen. Studienfahrten führten ihn in die Kunstzentren des Westens. Lange hielt er sich in Wien und München auf, wo er sich mit Eifer in die Bilder der alten Meister vertiefte. Dann zog er nach Stuttgart und Venedig. Gelegentlich kam er auch nach Paris und Rom.
In die Heimat zurückgekehrt, ließ er sich im Vorort der Heide, im Bauernstädtchen Hatzfeld nieder, das sich nach dem 1. Weltkrieg zu einem Mittelpunkt des Banater deutschen Kulturlebens entwickelte, dessen Rückhalt hier der Verein „Landestreu" mit seinen schönen Räumen war.
In Hatzfeld entstand um 1910 Jägers Gemälde-Trilogie „Die Einwanderung der Deutschen nach Südungarn"; das Werk machte ihn weit über die Grenzen des Banates bekannt und berühmt. Es wirkte allein schon durch das dargestellte Thema revolutionierend, weil die madjarische chauvinistische Propaganda damals ihren Höhepunkt erreicht hatte; ihr Ziel war, die Deutschen Ungarns dem eigenen Volkstum vor allem dadurch zu entfremden, dass sie deren verwandtschaftliche Beziehung zur Urheimat leugnete oder verhöhnte.
Das dreiteilige große Gemälde veranschaulichte aber mit der Wiedergabe der bunten Pracht westdeutscher, vornehmlich hessischer und Schwarzwälder Trachten – nicht anders, als es in den Heimat-Romanen Adam Müller-Guttenbrunns geschah – gerade diese engen Beziehungen der im Donauraum lebenden Deutschen zu Mittel-, Südwest- und Westdeutschland; außerdem zeigte es die Ansiedlung der Vorfahren unter der Betreuung durch kaiserliche Beamten. Jäger wollte das Fußfassen seiner engeren Heimatgenossen, der Banater Schwaben, festhalten; später wurde, nicht von ihm, seine Darstellung auf das gesamte Donauschwabentum bezogen. Eine farbige Reproduktion der Bilddreiheit erschien vor dem 1. Weltkrieg in der Budapester Franklin-Gesellschaft und vor etlichen Jahren nochmals im Pannonia-Verlag in Freilassing.
In einer Zeit, als madjarische Maler mit großen historischen Bildern einen madjarischen Geschichts-Mythos zu schaffen trachteten, dieses Triptychon im Banat zu malen und sich ihnen damit entgegenzustellen, war wirklich ein Wagnis gewesen, das aber gleich den Dichtungen Adam Müller-Guttenbrunns dem Sichselberfinden der Donauschwaben diente und sie zum bewussten Erleben des eigenen Wesens und des eigenen geschichtlichen Daseins anleitete.
Wie Bücher haben Gemälde ihr Schicksal. Jägers Werk, von der Stadt Temeschburg angekauft, erhielt in der Bilder-Galerie des Städtischen Museums eine wegen mangelhafter Beleuchtung ungünstige Aufstellung. Zur 225-Jahr-Feier der Befreiung der „Stadt und Festung Temeschburg" durch den Prinzen Eugen (1716) veranstaltete das Deutsche Kulturamt 1941 in den Räumen des Scherter-Hauses – jenes Patrizierhauses, das vom Mitglied der Banater Landes-Administration Johannes de Jean von Hansen einst erbaut worden war – eine großangelegte Ausstellung, in der die bedeutendsten Leistungen des Banater Deutschtums auf dem Gebiet der Kunst und Wissenschaft von Pelbart bis zur Gegenwart dargeboten wurden. Jägers Bild nahm an der Stirnseite des Hauptsaales einen hervorragenden Platz ein. Ich konnte durch Tausch gegen zwei aus dem Wettelschen Nachlass angekaufte Bilder des namhaften Banater rumänischen Malers Popescu von der Stadt Temeschburg Jägers Gemälde für die deutsche Volksgruppe des Banates erwerben. Es hing bis zum Herbst 1944 im Scherter-Haus. Seither befindet es sich wieder im Städtischen Museum.
Jägers künstlerische Bedeutung erfüllte sich wohl am stärksten in den zahlreichen Aquarellen und Ölbildern, in denen er das Deutschtum des Banates und der Batschka in volkstümlicher Eigenart und in der heimatlich-landschaftlichen Gestalt so lebendig einfängt, als habe er schon vor 1918 und immer wieder in den folgenden Jahren bis zu seinem Tod mit diesen Arbeiten den Dargestellten zurufen wollen: das seid ihr! Habt den Mut, so zu sein, wie ihr seid!
Auf Besuchsfahrten in die deutschen Dörfer suchte Jäger die Motive für sein Schaffen im Volksleben des Alltags und bei Festen. Jedes Bild ist ein frohes Bekenntnis zum Bäuerlichen, ein Loblied auf die Heimat und deren Menschen, denen Jäger in den drei Geschichtsepochen, die sein Leben umschließt, stets verbunden blieb.
Von 1924 bis 1944 vermochte er sich in der Ära der rumänischen Staatlichkeit künstlerisch und menschlich frei zu entfalten. Weder der bis 1914 im Banat herrschende madjarische Chauvinismus hatte seinen Sinn beugen können, noch vermochte dies nach 1944 der Terror der kommunistisch-rumänischen Volksdemokratie, die seine Landsleute in Elend und Sklaverei stürzte. Seine Gesinnungsfestigkeit beweisen die Bilder, die er malte, bis Gott dem Todkranken den Pinsel aus der Hand nahm.