Stefan Jäger Archiv

Lenauheim, Hatzfeld, Guttenbrunn

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0353
Autor Name: Erwin Lessl
Titel des Artikels : Lenauheim, Hatzfeld, Guttenbrunn
Publikation: Zeitschrift
Titel der Publikation: Der gemeinsame Weg
Reihe: Museen im deutschen Osten
Herausgeber: Stiftung Ostdeutscher Kulturrat
Verlag: Westkreuz-Verlag Berlin/Bonn
Druckerei: Westkreuz-Druckerei Berlin/Bonn
Erscheinungsort: Berlin/Bonn
Jahr: 1989
Nummer: 54
Datum: April
Seite: 16-19
* [[Erwin Lessl]]: [[ART:0353 - Lenauheim, Hatzfeld, Guttenbrunn|<i>Lenauheim, Hatzfeld, Guttenbrunn</i>]]. Der gemeinsame Weg. Stiftung Ostdeutscher Kulturrat. Westkreuz-Verlag Berlin/Bonn, Berlin/Bonn 1989 April

Die Heimatmuseen und Gedenkstätten der Deutschen im Banat

Das Banat, deutsches Siedlungsgebiet im südwestlichen Rumänien und heute noch von etwa 100 000 Banater Schwaben bewohnt, ist mit Museen nicht reich gesegnet. Ein regional angelegtes, staatlich verwaltetes Museum des Banats in Temeschburg ist zumindest seit den späten vierziger Jahren darauf fixiert, die Kontinuität der dazisch-römischen und der daraus hervorgegangenen rumänischen Urbevölkerung durch materielle Funde nachzuweisen. Dadurch sollen die Behauptung der Ungarn, bei ihrer Landnahme hier ein entvölkertes Gebiet vorgefunden zu haben, und die sich daraus ergebenden Ansprüche entkräftet werden.
Selbstverständlich fühlt sich eine nationale Minderheit wie die Banater Schwaben durch eine solche Institution kaum repräsentiert. Ihr über Jahrhunderte hinweg bewahrtes Selbstverständnis ließ sie daher tätig werden, als sich in den späten sechziger Jahren ein relativer Freiraum für nationale Belange auftat. Nicolae Ceauşescu, der 1965 im kommunistisch regierten Rumänien die Parteiführung und damit die unumschränkte Macht übernahm, war zunächst um einen landesweiten Konsens bemüht, aus dem die nationalen Minderheiten nicht ausgegrenzt werden sollten. Er regte die Gründung von Räten der Nationalitäten an, die auch eine objektive Selbstdarstellung als Aufgabe wahrzunehmen hatten.

Die Heimat im Museum

Vor diesem zeitpolitischen Hintergrund sollten auch repräsentative museale Einrichtungen geschaffen werden. Im Banat kam es somit auf Anregung des Temescher Bezirksrats der deutschen Bevölkerung zur Gründung des ersten Heimatmuseums. Man entschied sich für Lenauheim, weil in der Geburtsgemeinde des Dichters, die seit 1926 auch seinen Namen trägt, museale Tradition herrscht. Im ehemaligen Rentamt (Kameralhaus), einem stattlichen Verwaltungsgebäude aus österreichischer Zeit, wo in einem Kämmerchen im Erdgeschoß der Dichter der „Schilflieder“ das Licht der Welt erblickt hatte, bestand seit 1931 dank Dr. Fritz Klingler ein bescheidenes Lenau-Museum. Wenn auch sparsam ausgestattet - lediglich mit einigen Originalfotos, Handschriften, frühen und späten Ausgaben seiner Werke, Plastiken und Zeitungsausschnitten -, bot es dennoch einen Kern, um den gehaltvolles Ausstellungsgut angelegt werden konnte. Vordem heutigen Gemeindehaus steht ferner ein Steindenkmal des Preßburger Bildhauers Bela Fadrusz (laut A. Podlipny-Hehn Bela Raduai, alias Rausch), das Lenau sitzend darstellt, während die Muse auf sein Geburtshaus zeigt. 1969, gelegentlich der Temeschburger Tagung der Internationalen Lenau-Gesellschaft, die unter der Schirmherrschaft des späteren österreichischen Bundeskanzlers Fred Sinowatz stand, wurde das Museum neugestaltet und aktualisiert.
Im Lenau-Geburtshaus konnte im Einverständnis mit der Ortsverwaltung und der Banater Museumsbehörde anschließend an die Lenau-Gedenkstuben eine Flucht von Zimmern freigemacht werden, wo nun in acht Räumen Volksgut der Banater Schwaben zu sehen ist. Das Herzstück der Schau bildeten zur Eröffnung 36 Puppenpaare in den Trachten ebenso vieler Ortschaften - heute sind es bereits gut 50 - ein nahezu vollständiges volkskundliches Dokumentations- und Anschauungsobjekt.
Das Heimatmuseum, verwaltungsmäßig eine Außenstelle des Banater Museums, ist das Ergebnis eines beispielhaften Gemeinschaftswerkes, das von der in Temeschburg in deutscher Sprache erscheinenden „Neuen Banater Zeitung" (NBZ) angeregt worden war. Die Veröffentlichung eines Aufrufs und der Bilder von eingesandten Puppenpaaren löste eine einmalige Betriebsamkeit, ja sogar einen Wettstreit zwischen den Gemeinden aus, von denen jede durch Promptheit und ethnographische Akribie hervortreten wollte.
Am letzten Augustsonntag des Jahres 1971 wurde das Lenauheimer Heimatmuseum in Anwesenheit zahlreicher Honoratioren, des Dichters Franz Liebhard und des Malers Franz Ferch eröffnet. Man würdigte die Arbeit der schwäbischen ethnographischen Forschungsgruppe Hans Speck, Annemarie Podlipny-Hehn und Luzian Geier, die sich um den Aufbau des Museums verdient gemacht hatten. Etwa 1500 Leute aus der Umgebung, aber auch aus entfernten Ortschaften nahmen an der Festlichkeit teil und besichtigten anschließend die in acht Räumen angeordneten Exponate.
Im ersten Raum bilden Kerweihpaare einen langen Trachtenzug, voran das Paar mit dem symbolträchtigen Rosmarinstrauß. Im nächsten Zimmer stehen Puppen in Festtracht, im dritten sind alte Originaltrachten ausgestellt, teils Eigentum des Museums, teils Spenden.
Die Ausstellung dokumentiert deutliche Trachten-Unterschiede zwischen den einzelnen Ortschaften. Die Trachten in ihrer heutigen Form sind das Ergebnis zweihundertjähriger Entwicklung, die auch Einflüsse des volkstümlichen Umfeldes aufgenommen hat. Das alltägliche Arbeitsgewand, das während der langen Reise donauabwärts die besten Dienste leisten konnte, war offenbar die einzige Kluft, die man ursprünglich aus Deutschland mitbrachte, und auch sie unterschied sich nach dem Ursprungsgebiet der Ansiedler. Es waren in der Regel derbe Leinenkleider, halbhohes, festes Schuhwerk, schlichte Hauben, die Einfachheit und Zweckmäßigkeit miteinander verbanden.
Hohe Angaben, schwierige Arbeits- und Lebensverhältnisse ließen die Kolonisten nicht so bald zu Wohlstand gelangen, so dass die Gewandung der Neuankömmlinge im Banat noch lange ihre Schlichtheit bewahrte. Unter dem Einfluss hier heimischer Völkerschaften passte sie sich lediglich den neuen klimatischen Bedingungen an. So trugen die Männer vielerorts zur Arbeit die nach ungarischem oder slawischem Muster geschneiderten weiten, weißen Linnenhosen oder die ihrer Bequemlichkeit wegen beliebten Opanken (Bundschuhe), hier auch „Schleicher" genannt. Die Festtracht, sofern es sie gab, war auch zu Beginn unseres Jahrhunderts in manchen Gemeinden noch bescheiden. Erst nach dem Ersten Weitkrieg machten sich zunehmend soziale Unterschiede geltend und vor allem in der Frauentracht durch die häufigere Verwendung von Samt und Seide, von Spitzen und teuren Schultertüchern bemerkbar. Heute wird im Banat die „schwäbische“ Tracht, hiervon auch nur mehr die Festtagstracht oder Kerweihtracht, zu besonderen Anlässen getragen. Zweimal brachte die „Neue Banater Zeitung" mit großem Verkaufserfolg Farbreproduktionen der Trachtenpuppen im Lenauheimer Heimatmuseum als Wandkalender heraus. Die Kalender gingen vielfach als Geschenksendungen in den deutschen Sprachraum und nach Übersee und hatten in fast jeder schwäbischen Wohnung des Banats einen Ehrenplatz. Der dokumentarische Wert ließ sie das Jahr ihrer Gültigkeit überdauern, so dass sie in zahlreichen Familien heute noch gern aufbewahrt und vorgezeigt werden.
Die weiteren fünf Räume des Heimatmuseums stellen das Banater schwäbische Haus dar: zunächst die „gute Stube“, ein Heiligtum, das man nur selten betrat. Darin ein schwerer Tisch, massive Holzstühle, Betten mit hohem Aufbau, blütenweiße Vorhänge und Bilder der Vorfahren. Die Wohnkammer, der freundliche Aufenthaltsraum, ist mit Bett, Wiege, Spinnrad, Wandbrett und bemalter Truhe ausgestattet. In der Küche, der Speisekammer (ortsüblich „Speis“) und im Geräteraum befinden sich Haushaltsgegenstände, die schon längst ausgedient haben: eine Wäscherolle (Bügelmaschine), eine Hand-Waschmaschine, altes Kochgeschirr, Backformen.
Minderheiten haben zu solchen Heimatmuseen ein sehr persönliches, fast kultisches Verhältnis, das über das wissenschaftliche Interesse weit hinausgeht. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn die NBZ am 24. Oktober 1971 feststellen konnte, dass das Lenauheimer Heimatmuseum innerhalb von zwei Monaten 3300 Besucher verzeichnete. Für viele Familien war die Einrichtung zum Ziel sonntäglicher Ausflüge geworden. Eltern führten dort Kinder altväterliche Kleidungs- und Lebensart vor, eine Welt, die längst nicht mehr die ihre war, für die man aber uneingeschränkte Ehrfurcht empfand. Deutsche Schüler des Banats mit ihren Lehrern veranstalteten Exkursionen ins Museum und erlebten einen Anschauungsunterricht im Bekenntnis zur Heimat. Sie werden dabei erkannt haben, wie vieldeutig für uns Deutsche der Begriff Heimat überhaupt ist. Auch ausländische Gäste wurden gern hierher gebracht, und selbst für die Behörden war das Heimatmuseum immer ein willkommenes Vorzeigestück nationaler Gleichberechtigung.

Die Tage sind gezählt

Die Banater Schwaben ehren ihre großen Söhne und gedenken ihrer. In ihrer Lebensart bestätigt finden sie sich in den Werken des Heimatmalers Stefan Jäger, der in Hunderten von Aquarellen, Ölbildern und Skizzen bezeichnende Momente, Freud und Leid, Sitten und Bräuche, Leben und Landschaft seiner Landsleute einfing. Nach Studien in Temeschburg, Szegedin und Budapest, nach Studienreisen durch Österreich, Deutschland und Italien ließ sich Jäger im Banater Landstädtchen Hatzfeld nieder, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1962 von Einzelaufträgen lebte. Sein Hauptwerk ist das große Einwanderungsbild der Banater Schwaben, das er auf Bestellung von Adam Rösner[1], Direktor der Gertjanoscher Sparkasse, in zwei Varianten gemalt hatte. Die zweite, ein Triptychon (1,45 x 5,10 m) ist Eigentum des Banater Museums. 1957, zu seinem 80. Geburtstag, ehrte ihn der rumänische Staat mit einem Orden und gewährte ihm eine lebenslängliche Rente.
1969 richteten Landsleute auf Anregung des Bezirksrates der deutschen Bevölkerung in Stefan Jägers ehemaligem Wohnhaus eine Gedenkstätte ein, die gemäß offizieller Sprachregelung nur als ständige Ausstellung bestehen kann. Weil sich der überwiegende Teil seiner Arbeiten in Privatbesitz befindet, kann nur immer eine beschränkte Anzahl von Bildern als Leihgabe gezeigt werden. Ständige Exponate sind hingegen Gegenstände des täglichen Gebrauchs und Malutensilien Jägers sowie das schon erwähnte Einwanderungs-Triptychon. Die Gedenkstätte wird nach wie vor rege besucht. (Einen ausführlichen Bericht über die Jäger-Gedenkstätte veröffentlichen wir in einem der nächsten Hefte.)

In Guttenbrunn, dem Geburtsort des Heimatschriftstellers, Wiener Theatermannes und streitbaren Publizisten Adam Müller-Guttenbrunn, besteht seit 1921 eine Gedenkstube. Sie wurde im Geburtshaus des damals fast Siebzigjährigen eingeweiht, als man hier auch eine Gedenktafel enthüllte. Nachdem aber während der Kriegswirren außer einem Schreibtisch fast das ganze Inventar verlorengegangen war, richtete man 1970 im Guttenbrunner Postgebäude eine neue Gedenkstätte ein, zumal man vorhatte, 1971 den 125. Geburtstag des Dichters festlich zu begehen, was dann auch geschah. In drei Räumen zeichnete der Arader Museologe und Guttenbrunnforscher Egon Dörner, vom damaligen Vizebürgermeister der Gemeinde, Josef Scheirich, tatkräftig unterstützt, durch Bilder, Erstausgaben, spätere Veröffentlichungen sowie Übersetzungen seiner Werke und durch Zeitungsausschnitte die wichtigsten Stationen im Leben Adam Müller-Guttenbrunns nach. Zu sehen war auch ein Ölbild des Dichters, das der berühmte rumänische Maler Aurel Pop in den dreißiger Jahren gemalt hatte.

Den aus Arad-Siegmundhausen gebürtigen Arbeiterdichter Nikolaus Schmidt würdigten seine Landsleute 1974, indem sie ihm anlässlich seines 100. Geburtstages eine Büste errichten ließen.

Der Fortbestand der Banater Schwaben als völkische Entität in Rumänien ist heute ernstlich in Frage gestellt. Der Schrumpfungsprozess erhöht die Gefahr der Vereinnahmung durch die Staatsnation, zumal die kommunistische Partei eine beschleunigte Homogenisierung der Gesellschaft auch in nationalem Sinne anstrebt. Die Tage solcher Kultureinrichtungen scheinen somit gezählt zu sein. Es ist daher wünschenswert, wenn bei der Zerrissenheit unseres Volksstammes heute in der Bundesrepublik Deutschland Gegenstücke geschaffen werden, wie etwa das Brauchtumsmuseum in Würzburg. Doch dürfte man trotzdem die Werte, die drüben bleiben und später verkommen würden, nicht einfach abschreiben. Vielleicht sollte von der Tat Josef Gstalters, Leiter des Ungardeutschen Heimatmuseums in Backnang, Signalwirkung ausgehen, der einen ganzen Lastzug geschenkter oder erworbener Zeugnisse schwäbischer Kulturgeschichte mit der Genehmigung der Regierung in Budapest über die Grenze brachte.

Anmerkungen

  1. richtig Röser


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