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Ein Kapitel geht zu Ende

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0420
Autor Name: Robert Glatt
Titel des Artikels : Ein Kapitel geht zu Ende
Untertitel des Artikels: 115 Jahre seit der Geburt des Banater Kunstmalers Stefan Jäger
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Der Donauschwabe
Erscheinungsort: Aalen
Jahrgang: 42
Nummer: 26
Datum: 28.06.1992
Seite: 2
* [[Robert Glatt]]: [[ART:0420 - Ein Kapitel geht zu Ende|<i>Ein Kapitel geht zu Ende</i>. 115 Jahre seit der Geburt des Banater Kunstmalers Stefan Jäger]]. Der Donauschwabe, Aalen 28.06.1992 (Jg.42 Nr.26), S. 2

115 Jahre seit der Geburt des Banater Kunstmalers Stefan Jäger

Das Banat, zu dessen kultureller Entwicklung vier Sprachgemeinschaften im gleichen Maße und mit gleicher Hingabe jahrhundertelang ihren Beitrag geleistet haben, hat zahlreiche Künstlerpersönlichkeiten hervorgebracht.
Aus den Reihen der Banater Deutschen sind während ihrer über zweihundertjährigen Geschichte mehrere namhafte Maler hervorgegangen, die bleibende Werte hinterlassen haben. So der Temeswarer Amsel Wagner, der erste bedeutende Bildnismaler der Banater überhaupt, dann Ludwig Bersuder (Temeswar) und der ebenfalls aus Temeswar stammende Karl Broky (1807 - 1855), der aber frühzeitig die Vaterstadt verließ, um seine Kunst in die Dienste des Adels- und Hofkreises Englands zu stellen. Der in Orawitz geborene Adolf Humborg (1847 - 1921) wirkte als freischaffender Maler in München, während der aus Groß-Betschkerek stammende Johann Wälder (1854 -1902) die wohlhabende Bürgergeschichte seiner Heimat porträtierte. Stefan Jäger hingegen, dessen Geburtstag sich am 28. Mai zum 115. Mal jährte, schildert in seinen Werken die idyllische Atmosphäre und heiteren Seiten des schwäbischen Dorflebens. Der Stoff für seine Bilder schöpfte der Künstler aus dem eigenen Volke und der Banater Landschaft, gleichwohl ob im Ostbanat, der Batschka oder der Baranya.
Lassen wir Stefan Jäger selbst sprechen, so sagt er über sein Schaffen: „Meine malerische Tätigkeit war hauptsächlich darauf gerichtet, meinen Landsleuten gewissenhaft ausgeführte Bilder in leichtverständlicher Form mit Motiven aus dem Banater Volksleben und der Heidelandschaft zugänglich zu machen.“ Diese Worte standen als Motto über dem gesamten Lebenswerk Stefan Jägers, das die Liebe zum fleißigen Banater Schwaben und der Banater Landschaft zum Ausdruck bringt. Die unzähligen Ölgemälde, Hunderte von Aquarellen und Guaschmalereien, auch seine Tusch- und Bleistiftskizzen wiedergeben farbenfroh und lebendig die Lebensweise des schwäbischen Bauern, dessen Alltag und Feste, die Trachten und Bräuche.
Der Maler Stefan Jäger war ein rastloser Wanderer und dies zu allen Jahreszeiten, wenn er bei seinen Spaziergängen durch Fluren und Felder der Banater Ebene alles was ihn beeindruckte als Natur und Menschenfreund aufs Papier brachte. Er konnte den frischen und herben Duft des Herbstackers mit seinen dunklen und satten Erdschollen vermitteln, den Bauern bei seiner Feldarbeit, den Bauernhof mit Haus, Hof, Garten und all seinem Zubehör und selbst die gute Stube, Blumen am Fensterbrett oder im Garten. Er wiedergab die Dorfstraße, den Dorfrand, die Ackerfluren und die wogenden Ährenfelder. All’ diese Bilder mit der idyllischen Atmosphäre zeigen die tiefe Verbundenheit des Künstlers mit der Natur und lassen den Menschen mit dem aufgelockerten Charakter der Banater Landschaft und die Freiheit dieser Banater Ebene empfinden, die der Zwangslosigkeit der einfachen bäuerlichen Lebensform entspricht.
Zur Zeit der Festtage war der Heimatmaler Jäger ein rastloser Wanderer, der durch die Dörfer zog, um Bräuche, Sitten und Trachten seiner Landsleute zu Papier zu bringen. Das Erntefest, die Kerwei, Hochzeit und Taufe, Christkindengel mit Belzebub, Faschings- und Trachtenbälle sowie die Spinnstube oder die Kartenpartie im Wirtshaus wurden in allen Einzelheiten dargestellt. Man könnte noch unzählige Themen anführen, die Jäger aus dem unerschöpflichen Reichtum bunten Volkslebens des Banates für die Nachwelt gesammelt und wiedergegeben hat. Es sind wahrheitsgetreue Bilder der Wirklichkeit, die viel Liebe und Wärme für seine Mitmenschen ausstrahlen, ein Teil der Geschichte und der Banater Volkskunde in Bildern gestaltet.
Stefan Jägers vielleicht bekanntestes Werk aus dem Jahre 1906 -1910 ist das Gemälde zum Thema „Die Ansiedlung der Deutschen im Südosten", das auch „Die Einwanderung der Schwaben ins Banat" oder kurz „Das Einwanderungsbild" genannt wird. Dieses Einwanderungstriptychon mit seinen Teilen „Wanderung“, „Rast“ und „Ankunft“, eine figurenreiche Komposition, ist ein geschichtlich-ethnographisches Dokument aus dem Leben und Schicksal der Banater Schwaben bei der Ansiedlung in ihrer neuen Heimat. Das Werk wurde von der Stadt Temeswar gekauft und dem Städtischen Museum geschenkt.
Stefan Jäger hat seine Anschauung und Auffassung von der Kunst der Malerei mit konsequenter Haltung bis an sein Lebensende ohne wesentliche Abweichung beibehalten. Wenn Jäger im eigentlichen Sinne seiner Malerei kaum einen Vorläufer im Banat gehabt hat – aber auch ohne nennenswerten Nachfolger verblieben ist –, so liegt dies wohl an der Tatsache, dass bis Jäger kaum ein schwäbischer Maler den Mut gezeigt hat, sich ausschließlich dem bäuerlichen Genre vorbehaltlos zu widmen und auf die Darstellung des bäuerlichen Milieus der Banater Ebene gerichtet zu haben.
Bis ins hohe Alter lebte Stefan Jäger zurückgezogen in Hatzfeld, wo er schlicht, ehrlich und bescheiden an seinem Werk schuf. Dem Altmeister wurde für sein langjähriges Schaffen Anerkennung gerecht, und er wurde anlässlich seines 80. Geburtstages mit einem hohen Orden ausgezeichnet. Auch als Zeichen der Anerkennung seines Schaffens wurde 1969 in Hatzfeld im ehemaligen Atelier des Künstlers eine Stefan Jäger-Gedenkstätte gegründet. Er starb am 16. 3. 1962 nach kurzer Krankheit.
Zwischen dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges musste Jäger einen Großteil seiner Bilder vor allem nach Jugoslawien verkaufen. Dies bezeugt auch eine Aussage aus der Selbstbiographie des Malers: „… die meisten Auftraggeber waren in dieser Zeitspanne in der Batschka, darunter der Kulturbund in Neusatz.“ Auch wurde im Jahre 1930 in Groß-Betschkerek eine Ausstellung der Werke Jägers eröffnet.
Leider hat das Banat keinen Maler, der nach dem Exodus der Massenauswanderung im Jahre 1990 ein neues Werk mit dem Titel „Die Auswanderung der Schwaben aus dem Banat“ auf die Leinwand bringen hätte können. Aber auch die Gedenkstätte existiert heute nicht mehr in Hatzfeld, denn der Volksaufstand im Dezember '89 brachte nichts Neues für diesen Landstreifen, und so geht ein Kapitel in der Geschichte der Banater Schwaben dem Ende entgegen.

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